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Schinkenstein

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt ein in der verstatteten Rede. Doch als die achthundertundachtundachtzigste Nacht da war, sprach sie: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß im Land der besoffenen Ströme ausnahmsweise ein geiernasiger Jüngling lebte, der gern im Schlaf ertrank, und da er wenig arbeitete, Hunger trieb. Seine Sehnsucht und Begierde ging gleichwohl nach dem Faulen unerreichbarer Gewürze, und wegen dieser seiner dicken Gewohnheit nannten ihn die Ungläubigen Schinkenstern.

Als er eines Tages seinen Magen nach den Marzipaninseln traumwandeln ließ, überfiel ihn ein Schnellzug und ließ nicht ab, ihn davonzutragen, bis alle Kohlen verdampft waren. »Dies ist nicht das Land des Safrans und der Wohlgerüche«, jammerte der Entführte, als er sich nach einem wahnwitzig schrillen Pfiff in einer robusten Halle ausgesetzt sah. Weil es notwendig war, brach er die Dämmerung seines Geistes ab und suchte nach einem Sofa, wo er sein Haupt niederlegen könne. Weiter strichen seine Pläne nicht, und indem er an einem Hotelportier vorbeiging, erreichte er es, mehrere Meldezettel ausfüllen zu dürfen. Nachdem er diese Dämonen besiegt hatte, warf er sich in den Schlaf, ob ihm vielleicht die Deutung der zu erwartenden Träume seine innersten Gedanken enthülle. Doch der Schlaf spie ihn rücksichtslos, traumlos wieder ins Leben aus, und als der Unglückliche zum abertausendsten Mal kläglich im Raum erwachte, veranstaltete er einige Augenblicke der Besonnenheit. Aber eh er etliche Vernünftigkeiten ausgeheckt hatte, verdrängte der Schrei nach einer Schinkensemmel das Gekrächz seiner Seele. Als er dann, noch verdauungsmatt, seinen Kopf aufzusetzen versuchte, fand sich dieser nicht, und so beschloß er, seine Leiblichkeit vorläufig dem Hin und Her des Zufalls zu schenken. Keinesfalls war er geneigt, allzu hündische Arbeit zu tun, und wollte lieber den Verhandel mit der Erdenwelt abbrechen. Er begann also über die Oberfläche der fremden Straßen als ein gemäßigter und nicht ganz zielloser Spaziergänger hinzugleiten. Seine Augen grasten ruhig die Erscheinungen ab und fielen schließlich in die Blätter, aus denen zahlreiche Toren sich über den Gang der Gestirne zu unterrichten versuchten. Da schlug in ihn ein schnelles Erinnern, und seine futterwitternde Geiernase, die ihm aus einem Spiegel entgegengrinste, bestärkte ihn zu einer seellosen Zeit in gewissen Betrachtungen.

Er besaß zwar keine Feder der Fülle, aber an Schalttagen drangen tollkluge Worte aus ihm. Wenn er auch bezweifelte, daß diese seltenen Schalttage je sein ganzes Jahr anstecken würden, war er sich doch einer bescheidenen Kenntnis einiger, aber bei weitem nicht aller Gesetze der Interpunktion bewußt, und verdammte sich kalten Herzens dazu, von seiner Durchschnittssprache zu leben. Dieszwecks legte er Zylinder an, und eh er sich noch hatte warnen können, verscholl er in einem Verlagsgebäude. Er hätte besser getan, sich des Zephirs der Welt zu berauben. Denn als er vor den Journalisten der Zeit trat, zersetzte ihn der Druckgewaltige folgendermaßen: »Du gehörst zu den weltfremden Siriusochsen und bildest dir zwar nicht den Besitz des Stilmonopols ein, bist aber trotzdem stolz darauf, als erster den Ipunkt unter dem I befestigt zu haben. Ich jedoch kann nur eine rechtschreiberische Schreibmaschine brauchen.« Da ließ sich der Verräter Schinkenstern sterben, er antwortete: »O, König der Zeitung, ich hör und gehorche. Ich war ein Ifrit von den Marids der Dschann und bin bereit, den Eid auf das Zeilenhonorar abzulegen. Ich hab es eilig, ins Nichts zu hasten. Ich war mitunter die Zunge der Dinge. Werd ich es weniger sein, wenn ich mich zur Stimme des Rindviehs mache? Möge ich bald an einem Druckfehler sterben!« »Ich seh, du gehörst zu den schwachen Zugtieren, die, statt ein Ende zu setzen, ihren unüberwindlichen Magen anklagen, o Halbdichter!«

Es wird berichtet, daß der Geiernasige zunächst zum Besprechungsliteraten herabsank, einer jener vielen Kritikastraten und Verschnittenen wurde, die eifersüchtig den Harim des Ruhmes bewachen. Er ward eine kahle Negation, legte sein Gehirn bloß, exhibitionierte mit der raschwachsenden Glatze der Weisheit, aber seine Seele war im Übersatz. Er schrieb nur Kartoffeln, und die Worte der Dichter verdienten, mit Nadeln in die Spitzen seiner Augenwinkel geschrieben zu werden. Da bemerkte er endlich das Graue seines Tages und hielt inne in dem verstatteten Leben. Allah übersetze ihn nicht!


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