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Den geringsten Antheil an der literarischen Bewegung dieser Zeit überhaupt musste Spanien nehmen, das zuerst ganz ausgeschlossen von dem Weltreiche Karls, später nur in seinem nordöstlichen Grenzlande mit ihm vereinigt wurde. Der grösste Theil der Halbinsel, der Kern des Landes, blieb den Mauren unterworfen. Der Kampf mit dem Islam erfüllte, oder bedingte ganz das Leben des christlichen Volkes, das reale wie das ideelle, dies namentlich, weil der Islam gerade dort seine eigenthümliche Kultur zu einer hohen Blüthe entfaltete. So musste die überlieferte christlich-lateinische Bildung, soweit sie sich unter den Stürmen des Kriegs und dem Drucke der Unterjochung erhalten, sich um so enger an die Kirche anschliessen, das klassisch-antike Element in den Hintergrund treten, zumal auch gar manche literarische Hülfsmittel verloren gegangen und zugleich einer weltlichen lateinischen Poesie, bei denen die einer solchen geneigt waren, die arabische eine starke Concurrenz machte, da diese Sprache die Gebildeten mehr oder weniger verstanden. Die isolirte Stellung der spanischen Kirche, sowie die Einflüsse des Islam und des auf der pyrenäischen Halbinsel so stark vertretenen Judenthums, liessen aber manche von dem Katholicismus abweichenden Lehren auftauchen und selbst sich kräftig entwickeln, wie den Adoptianismus des Elipand von Toledo, der selbst wieder aus der Bekämpfung einer andern häretischen Trinitätslehre eines Spaniers hervorgegangen war. So sind denn die ältesten literarischen Werke seit der Eroberung, von denen wir wissen, polemisch-dogmatische, die ausser dem Bereiche unserer 300 Betrachtung liegen, obschon wir gelegentlich darauf hingedeutet. Erst in dieser Periode treten ein paar Schriftsteller von universellerem literarischen Interesse dort auf, die auch an ein allgemeines Publikum sich wenden, und die in ihren Schriften zugleich manches kulturgeschichtlich wichtige Zeugniss bergen. Freilich polemisch-apologetisch sind auch ihre Schriften grösstentheils; es war eben eine Zeit der inneren und äusseren Kämpfe der spanischen Kirche, und diese schloss damals das ganze Nationalinteresse des den Mauren unterworfenen Volkes in sich.
Die beiden Vertreter der Literatur Spaniens in diesem Zeitraume sind Eulogius und Alvarus S. Eulogii opera in Migne's Patrol. latina T. 115. (Ebendort auch seine Vita.) – Alvari Cordubensis opera in Florez' España sagrada T. XI. (Madrid 1753). – – v. Baudissin, Eulogius und Alvar, ein Abschnitt span. Kirchengesch. aus der Zeit der Maurenherrschaft. Leipzig 1872. – Amador de los Rios, Historia crítica de la literatura española. T. II. Madrid 1862. – Dozy, Histoire des musulmans d'Espagne. T. II. Leyde 1861., die beide aus Cordoba, von Jugend auf innig befreundet, von gleichen Bestrebungen beseelt, auch in ihrer literarischen Thätigkeit gegenseitig sich unterstützten. Alvarus, der ältere, hat doch Eulogius überlebt und dessen Leben beschrieben.
Eulogius stammte aus einer edlen, senatorischen Familie von Cordoba. Zum Priester bestimmt, wurde er in dem Collegium der Kirche des heil. Zoylus erzogen. Dort zeichnete er sieh durch sein eifriges Studium der kirchlichen Literatur aus. Sein Wissenstrieb aber liess ihn auch die Vorträge des durch seine theologische Gelehrsamkeit und Beredsamkeit in Andalusien berühmten Abtes Speraindeo besuchen Nam et abbatem – – Speraindum – – saepius invisebat auditorioque more ex illius ore disertissimo dependebat, qui ipso tempore totius Baeticae fines prudentiae rivulis dulcorabat. Alvar. Vita Eulog. c. 1.; und hier war es, wo Eulogius des Alvarus erste Bekanntschaft machte, die durch gemeinsame Studien, wobei gelehrte Dispute in Briefen und ein gegenseitiges Ansingen in rythmischen Versen nicht fehlte – – et rhythmicis versibus nos laudibus mulcebamus. Vita Eulog. c. 1., zur unverbrüchlichen Freundschaft wurde. Eulogius wurde dann Priester der Kirche des h. Zoylus, aber bei seiner entschiedenen Neigung zur Askese hielt er sich oft in 301 Klöstern auf. Doch blieb er seinem wissenschaftlichen Interesse immer getreu. So brachte er von einer Reise nach dem Gebiete von Pampelona Nach Baudissin S. 92 wurde die Reise i. J. 848 gemacht. Von ihr gibt uns auch interessante Nachricht ein später an den Bischof von Pamplona gerichteter Brief des Eulogius., wo er verschiedene Klöster besuchte und ihre Bibliotheken durchstöberte Eulogii Apologet. §. 15., gar manche Bücher, um die sich dort fast niemand kümmerte, mit, nicht bloss die Civitas dei des Augustin und geistliche Hymnen, sondern auch die Aeneis, den Juvenal, die Satiren des Horaz, die Fabeln des Avien, des Porphyrius Bildergedichte Porphyrii depicta opuscula – eine Stelle die Morales in seinen Anmerkungen durchaus missverstanden hat. und »die Epigrammenwerke« des Aldhelm. Nicht lange danach trat in Folge des Märtyrertodes des Presbyter Perfectus i. J. 850 in Cordoba ein wahrhaft fanatisches Drängen zum Martyrium ein unter dem asketischen, religiös aufgeregten Theile der christlichen Bevölkerung Andalusiens. Diese Bewegung wurde von der Geistlichkeit Cordoba's, und an ihrer Spitze stand der Bischof und der angesehene Eulogius, gebilligt und gefördert, während dagegen der Metropolitanbischof im Einverständniss mit den Staatsbehörden dawider ankämpfte und sich zuletzt genöthigt sah, jene widerspenstigen Geistlichen einkerkern zu lassen. Dies Loos traf nun auch Eulogius. Dieser widmete aber in dem Gefängnisse seine Musse nicht bloss der Fortführung eines der Verherrlichung jener Märtyrer gewidmeten Buches wie einer andern geistlichen Schrift, sondern auch dem Studium der lateinischen Metrik, die, wie Alvarus in der Biographie desselben sagt, die (damaligen) Gelehrten Spaniens noch nicht kannten Ibi metricos, quos adhuc nesciebant sapientes Hispaniae, pedes perfectissime docuit (sic) nobisque post egressionem suam ostendit. V. Eulog. c. II, §. 4., und gewiss lernte sie Eulogius an der Hand des Werkes von Aldhelm, das er von der Reise mitgebracht, denn die » epigrammatum opera« desselben können nichts anderes gewesen sein, als die Epistola ad Acircium , eine Einführung in die lateinische Metrik, von welcher nur den Kern gleichsam die Epigramme, d. h. die Räthsel des Aldhelm, bilden. S. Bd. I, S. 590 ff. Und 302 diese metrischen Kenntnisse lehrte Eulogius später seinem Freunde Alvarus, wie er denn auch seine Bücherschätze gern andern mittheilte.
Auch nach seiner Freilassung aus dem Gefängnisse (851) fuhr er fort, die Märtyrer, die immer von neuem noch freiwillig sich fanden, zu vertheidigen, ja in ihrem Unternehmen zu bestärken. Diese Unerschrockenheit vereint mit dem Rufe seiner Frömmigkeit und Gelehrsamkeit bewogen die Kirchenprovinz von Toledo, ihn zu ihrem Erzbischof zu wählen, wohl die höchste Anerkennung, die Eulogius werden konnte, aber die Wahl wurde von dem Emir Mohamed, der noch strenger als sein Vorgänger Abderrahman II. gegen die Christen verfuhr, nicht bestätigt. Nicht lange danach ergriff Eulogius eine Gelegenheit, um die Meinung, die er durch seine Schriften vertreten, auch durch die That zu erhärten, indem er selbst, die Muslim herausfordernd, vor dem Kadi ihren Propheten schmähte, und so der Todesstrafe verfiel. Er wurde 859 enthauptet.
Das Hauptwerk des Eulogius ist sein Memoriale Sanctorum So ist der Titel und nicht Memoria lis, wie er in den Drucken sich findet. – Die Form Memoriale wird bezeugt durch die Epistel des Eulogius an Alvaras, mit der er diesem das erste Buch übersendet, sowie durch den Eingang und Schluss des letzteren. in drei Büchern, an dem er Jahre lang gearbeitet, den Ereignissen zum Theil mit der Feder unmittelbar folgend. Dies »Gedächtnissbuch der Heiligen« war von ihm begonnen noch ehe er in das Gefängniss geworfen; von dort sandte er das erste Buch vollendet seinem Alvarus zur Beurtheilung, ehe er es publicire. In der Antwort auf dieses Begleitschreiben rühmt der Freund das Buch in überschwänglicher Weise, auch in formeller Beziehung, indem er des Eulogius Beredsamkeit noch über die eines Livius, Cato, Demosthenes, Cicero und Quintilian erhebt!
Nachdem der Verfasser in dem Vorworte des Werks erklärt, dass er es nicht bloss für die Klöster, wie er ursprünglich beabsichtigt, sondern für die ganze Kirche bestimmt habe, da das Märtyrthum ein allgemeines geworden, erzählt er denn hier noch ausführlich das erste freiwillige Martyrium jener Zeit, das des Mönches Isaac i. J. 851. Isaac nämlich trat ohne alle äussere Veranlassung, geschweige denn Nöthigung, 303 vor den Kadi, um Mohamed zu verfluchen und so die Märtyrerkrone zu erwerben, da auf die Schmähung des Propheten die Todesstrafe gesetzt war. Da dies Verfahren, im Himmel sich einen der ersten Plätze und auf Erden nach dem Tode die Verehrung eines Heiligen zu verschaffen, alsbald mannichfache Nachahmung fand, so wurde die muslemische Regierung gegen die Christen erbittert, und es erhoben sich nun unter diesen letzteren selbst viele Stimmen, die ein solches Verfahren mit Recht eher für einen Selbstmord als für ein Märtyrthum erklärten, und diese Heiligen nicht anerkennen wollten. Das erste Buch des Memoriale ist daher nur eine Apologie dieses Martyriums, indem sich Eulogius bemüht, die gegen dasselbe gemachten Einwendungen zu widerlegen, namentlich auch die, warum sich keine Wunder bei demselben begaben. – In den beiden folgenden Büchern erzählt dann der Verfasser die Thaten der Märtyrer, indem er einem jeden ein Kapitel widmet, und zwar ist das zweite Buch denen geweiht, welche unter Abderrahman, das dritte denen, welche unter Mohamed starben. Das Werk ist mit dem Fortschreiten dieser religiösen Epidemie allmählich selbst fortgeschritten, der Verfasser wollte ursprünglich mit dem sechsten Kapitel des zweiten Buchs enden Wie denn dies Kapitel mit einem Amen schliesst und das folgende mit den Worten beginnt: Hucusque finem libri secundi esse decreveram, hucusque terminum sanctorum ad huiusmodi palaestram currentium esse putaveram., dann mit dem Schlusse des zweiten Buchs, dem schon ein Gebet als Nachwort des Ganzen hinzugefügt ist. Das dritte Buch ist erst nach dem Sommer 856, aber wohl noch in diesem Jahre abgeschlossen. S. Baudissin S. 142. Die Bücher sind offenbar auch einzeln edirt, wie denn ein jedes seine besondere Praefatio hat.
Unter diesen Märtyrergeschichten ist eine der ausführlichsten die im Kapitel acht des zweiten Buchs erzählte zweier Jungfrauen – wie denn überhaupt das weibliche Geschlecht stark vertreten ist – Flora und Maria, die Eulogius während seiner Haft im Gefängnisse traf und tröstete. Die erstere hatte er schon als Kind kennen gelernt und an ihr ein lebhaftes Interesse genommen, da sie bereits in frühster Jugend eine 304 asketische Gesinnung zeigte. Diese auch durch leibliche Anmuth und Schönheit ausgezeichnete Jungfrau scheint Eulogius' Herz ganz gewonnen zu haben, und so ist denn ihre und ihrer Genossin Passion mit besonderer Theilnahme von ihm geschrieben, und auch selbständig ausser dem Gesammtwerke herausgegeben. Dies zeigt die besondere Vorrede, welche sich über den Heiligenkultus überhaupt verbreitet, und doch sicher von dem Autor stammt.
Diese beiden Jungfrauen zu dem Vorhaben ihres Märtyrertodes zu stärken, dass sie standhaft bei demselben verharrten So heisst es §. 12: Rogo vos, sanctae sorores, ne desistatis a coeptis, ne cessetis ab inchoatis, ne resiliatis a praeliorum auspiciis, quia non inchoantibus praemium, sed perseverantibus datur. Und vgl. die Passio SS. Virginum Florae et Mariae §. 14, wo der Autor dieses Buches gedenkt., richtete Eulogius an sie noch im Gefängniss – wahrscheinlich weil er sie nicht mehr sprechen durfte – eine Schrift, welche er selbst Documentum martyrii betitelt S. den Brief Eulogs an Alvarus und das Prooemium., andre aber später, wie schon Alvarus in der Vita, Documentum martyriale genannt haben. Auch diese Arbeit sandte er diesem Freunde, wie die Correspondenz beider zeigt, zunächst zur Durchsicht, sogar ehe er sie den Jungfrauen selbst zukommen liess. In dieser Schrift sucht er dieselben gegen alle Drohungen des Richters zu wappenen, indem er ihnen zugleich die Belohnungen, die ihnen winken, im glänzendsten Lichte zeigt. Auch hier bekundet sich seine zärtliche Zuneigung zu Flora, wo er sich gegen den Schluss mit seinen Worten an sie allein wendet (§. 20) Schon der Eingang dieser Stelle zeigt es: Sed iam me in portu silentii constituto, priusquam volumen finem appetat, et sancto inspiramine educatis arma praeliandi ministrare desistat, tecum mihi paululum loqui libet, o virtutum meritis florens Flora, sanctissima soror, ut nostrae familiaritatis verbum auditu placido captans, secretario cordis recondendum admittas, nostrumque consultum sanctificatis mentibus tuis ut pii patris praeceptum reponas., die eine Rose von Dornen erblühte, weil ihr Vater ein Moslim war. Der König (des Himmels) begehre ihre Schönheit. Ein Gebet schliesst das Buch.
Noch ein Buch hat Eulogius geschrieben, welches gewissermassen als eine Fortsetzung des Memoriale erscheint. Es ist der 857 verfasste Apologeticus Sanctorum , worin die 305 Passion noch zweier Märtyrer (Roderich und Salomo), die im März dieses Jahres hingerichtet wurden, erzählt wird. Diese Erzählung bildet aber nur einen zweiten Theil des Buches, während der erste (bis c. 20) von neuem eine Apologie des Martyriums jener Zeit bringt, wonach denn das ganze Buch seinen Titel erhalten hat. Hier werden denn ausser den im Memoriale schon widerlegten Einwendungen derer, welche diese Märtyrer den früheren nicht gleich stellen wollten, auch neue bekämpft, wie die, dass doch ein Unterschied zwischen dem Islam, der doch auch den wahren Gott verehren heisse, und dem Götzendienste der Heiden sei. Dies bietet nun Eulogius die Gelegenheit, den Islam und seinen Lügenpropheten anzugreifen, wobei er die Lebensgeschichte des letzteren aus einem in einem Kloster auf seiner Reise gefundenen lateinischen Werkchen hier mittheilt (c. 16). Auch einige Briefe von Eulogius besitzen wir, von welchen der lange an den Bischof von Pamplona, Wiliesind gerichtete am interessantesten ist. Eulogius hatte dessen Gastfreundschaft genossen und beschreibt in dieser Epistel, mit welcher er ein Geschenk von Reliquien begleitet, u. a. seine Reise. Es finden sich da auch historische Notizen von Belang.
Alle diese Schriften des Eulogius sind kulturgeschichtlich von nicht geringem Interesse, namentlich die Märtyrerlebens- und Leidensgeschichten, welche u. a. recht zeigen, wie weit damals die Wechselbeziehungen der moslemischen und christlichen Bevölkerung auf dem Boden der Gesellschaft und der Familie gingen in Folge des Renegatenthums, und wie hart da die Gegensätze des Islam und des Christenthums auf einander trafen. Diese Märtyrergeschichten, namentlich die grösseren, deren Helden dem Autor persönlich bekannt waren, sind im allgemeinen in einem klaren, nicht überladenen, wohl aber durch die herzliche, oft begeisterte Theilnahme des Verfassers warm belebten Ausdruck geschrieben. Ueberhaupt findet sich in Eulogius' Schriften eine natürliche Beredsamkeit, welche die Individualität des Schriftstellers wohl abspiegelt, der eine in seiner Nation damals seltene Bildung besass.
Eine ganz andre Persönlichkeit, auch als Autor, war Eulogius' Freund, Alvarus. Er war ein angesehener Laie, bei Cordoba begütert, dessen Vorfahren von jüdischer Herkunft waren. Er war auch verheirathet und hatte Kinder. Dass er 306 ein Schüler des Speraindeo gewesen, sowie was er Eulogius in seiner Bildung verdankte, ist oben bei diesem bemerkt worden. Aber nicht bloss gemeinsame Studien, sondern auch dieselbe religiöse Gesinnung, zumal in jener Streitfrage über das Martyrium, verband die beiden Freunde aufs innigste. Dieser Freundschaft hat Alvarus ein Denkmal in der Vita des Eulogius gesetzt, namentlich wo er im letzten Kapitel seine Worte an den Märtyrer selber richtet.
Alvarus schliesst sich auch in seinem bedentendsten Werke an die literarische Thätigkeit seines Freundes an. Es führt dies den eigenthümlichen Titel: Indiculus luminosus – einleuchtender Nachweis, »weil es«, wie der Verfasser selbst im Eingang den Titel erklärt, »einleuchtend lehrt, was zu befolgen ist, und mit offenen Indicien den Feind der Kirche, welchen alle Christenheit vermeiden muss, zeigt. Hic liber ideo luminosus Indiculus dicitur, quia luminose (Fl. luminasse) quae sequenda sunt, docet, et apertis indiciis hostem Ecclesiae, quem omnis vitare christianitas debet, ostendit. Dies Werk ist nach der eigenen Angabe des Verfassers im Jahr 854 geschrieben §. 21 fin. Vgl. Florez a. a. O. S. 250., also nach dem ersten Buche des Memoriale des Eulogius. Alvarus hat aber zunächst dieselbe Aufgabe in seiner Schrift sich gestellt, als Eulogius in jenem Buche: er will das angefochtene freiwillige Märtyrthum seiner Zeit vertheidigen. S. §. 2 init.: Sed quia siti sunt nonnulli fervore speciali indigni, amore fidei frigidi, pavore terreno et ictu gladii territi, qui non pressa voce, sed rauca fauce, dissoluto labio, obtorta lingua Martyrium nostro tempore gestum invectione minus idonea detrahunt vel sugillant, et diabolo, quantum in eis est, palmam victoriae tradere non recusant: nos ipsi sensibus suis respondentes admittant. Es geschieht dies aber zum Theil mit andern Gründen, und mit grösserer Leidenschaftlichkeit. Alvarus behauptet namentlich energisch, dass es eine Zeit der Verfolgungen sei, was die Gegenpartei läugnete. Er weist auf die beiden ersten Märtyrer, ihre Geschichte kurz erzählend, hin, die allerdings noch von den Ungläubigen zur Schmähung des Propheten herausgefordert waren. Aus Stellen der Bibel, insbesondere des Alten Testaments, sucht er zu beweisen, dass die Feinde der Kirche zu verfluchen recht sei. – Diese Apologie bildet den ersten Theil der Schrift, entsprechend dem 307 ersten Satz der Titelerklärung; von §. 21 an beginnt aber ein zweiter Theil, worin nun gezeigt wird, dass »der Feind der Kirche« – welchen der zweite Satz der Titelerklärung anführt – der Vorläufer des Antichrist, der Pseudopropheta, und dieser niemand anders als Mahomed ist, wie denn eben jene im ersten Theil behandelten Verfolgungen die jüngsten Zeiten ankündigten. Den Nachweis für seine Behauptung liefert der Verfasser hier durch Erklärung der Weissagungen Daniels im c. 7, v. 23–25 und c. 11, v. 36 ff. des biblischen Buches, welche Stellen Alvarus auf Mohamed bezieht; und ebenso deutet er in ausführlicher allegorischer Interpretation auf diesen (§. 26 ff.) die Schilderung des Behemoth und Leviathan im Buche Hiob, c. 40 f., im Anschluss an Gregors des Grossen Moralia, der auch unter beiden Thieren den Antichrist versteht. Die Wollust Mohameds und die Rolle, welche sie in seiner Lehre spielt, wird in diesen Bildern des Vorläufers des Antichrist mit besonderem Nachdruck in den stärksten Ausdrücken hervorgehoben Und dabei selbst keine Obscönität gescheut. S. namentlich §. 23 f. u. §. 26. Um wenigstens ein gelindes Beispiel dieser heftigen Polemik zu geben: Quam impurissimi sectam, impurissimi sequipedi amplientes amissarii et adulteri universi sunt facti, dum et propter iuramentum scindunt coniugium, quod maiore dedecore iterum adulterando coniungunt; et pellices multiplicando a trigamis vel quadrigamis serviendo femellarii, imo verius amissarii equi hinnientes seu rudentes asini sunt universi. §. 23.; wie denn diese Seite des Islam den christlichen Gegnern immer eine beliebte Zielscheibe ihrer Angriffe war. – Seine Behauptung dass die Zeit des Antichrist gekommen, bestärkt der Verfasser am Schlusse (§. 35) noch auf Grund der Apocalypse c. 13, v. 17 Et ne quis possit emere aut vendere, nisi qui habet characterem aut nomen bestiae aut numerum nominis eius. Vgl. dazu den vorausgehenden Vers. durch den Hinweis auf die fortschreitende Arabisirung seines Volkes; alle die Unsrigen, meint er, tragen schon den Stempel ( nota) des Antichrist. Nehmen wir nicht die Beschneidung vor? Ergötzen wir uns nicht an ihren Versen und ihren Märchen? – eorum versibus et fabellis milesiis delectamus; milesiis ist die unzweifelhaft richtige Emendation Dozy's (II, p. 103 Anm.) für das handschriftliche mile suis , die auch Baudissin adoptirt. Und während 308 wir die heilige Schrift zu lesen vernachlässigen, studiren wir ihre Philosophen, vielmehr Philocompen, nicht um ihre Irrthümer zu widerlegen, sondern wegen der Eleganz ihres Witzes und der Fülle ihrer Beredsamkeit. Die gebildete Jugend liest auf das begierigste die Werke der Araber, von der Schönheit der Bibel aber weiss sie nichts. Nonne omnes iuvenes christiani vultu decori, lingua disserti, habitu gestuque conspicui, gentilicia eruditione praeclari, Arabico eloquio sublimati volumina Caldaeorum avidissime tractant, intentissime legunt, ardentissime disserunt et ingenti studio congregantes lata constrictaque lingua laudando divulgant, ecclesiasticam pulchritudinem ignorantes et ecclesiae flumina de paradiso manantia quasi vilissima contemnentes. Heu proh dolor! linguam suam nesciunt Christiani et linguam propriam non advertunt Latini, ita ut omni Christi collegio vix inveniatur unus in milleno hominum numero, qui salutatorias fratri possit rationabiliter dirigere litteras. So äussert sich offenbar übertreibend unser leidenschaftlich erregter Autor. Um ihre eigene Sprache kümmern sich diese Lateiner so wenig, dass unter tausenden kaum einer einen vernünftigen Brief darin schreiben kann, Ghaselen können sie dagegen drechseln, noch besser als die Mauren selber.
Vergleicht man diese Schrift des Alvarus mit dem ersten Buche des Memoriale, so zeigt sich auffallend die grosse Verschiedenheit der Individualität der beiden Freunde: Eulogius ein Geistlicher von einer innigen schwärmerischen Frömmigkeit, eine zarte Natur, ein Gelehrter zugleich, dem seine Studien auch eine Frucht ästhetischer Bildung trugen – Alvarus dagegen ein Mann von der Thatkraft des Laien, von südlicher Leidenschaft, in dem das orientalische Blut noch fortwirkt; er erinnert an Tertullian in seiner apologetischen Heftigkeit, aber auch mitunter in seiner leidenschaftlich fortreissenden Beredsamkeit. Adicitis: tempus persecutionis non est. Imo ego plus dico: tempus Apostolorum non est, quia vigor est apostolicus imminutus qui debuerat semper in pastoribus Christi fervore constantiae et zelo iustitiae usque ad consummationem saeculi flammas spiritales in adversos ciere et fomite inluminationis accenso tenebras aevi corusco sidere eoi climatis inlustrare etc. Wenn er sich beherrscht, so vermag er sich einfach auszudrücken, wie in seiner Vita des Eulogius. Hier aber in dem Indiculus lässt er seinem Genius freien Lauf: sein Stil ist da überladen mit Metaphern und Bildern, und er scheut nicht vor den hässlichsten zurück, wenn sie ihm die 309 treffendsten scheinen. Z. B. in der Einleitung: Praecide, Domine, linguae saeculari coeno confectae praeputium. Wie das letzte Wort, für die jüdische Abkunft des Autors bezeichnend, häufig bildlich angewandt wird, so – auch ächt orientalisch – canis zur demüthigen Bezeichnung des Autors selbst. Die Kühnheit, beziehungsweise Geschmacklosigkeit des Gebrauchs der Metaphern zu belegen, seien noch ein paar Beispiele gegeben: flexo cordis poplite rogans, dumosam mei pectoris inriget terram. In dieser Bildersprache schliesst er sich gern an das Alte Testament an. Sein Stil erinnert hier an den pomphaften Ausdruck des spanischen Pathos. Er hat eine nationale Färbung, aber ein Kolorit, das durch semitischen Einfluss bestimmt erscheint; und man sieht hier zugleich recht, wie dieser Einfluss mehr noch auf Rechnung des jüdischen Volkselements in Spanien, als auf die des maurischen zu setzen ist. Die zum Islam übergegangenen Christen haben weniger nachhaltig auf die spätere Entwicklung des spanischen Nationalcharakters gewirkt, da sie im Maurenthum untergehen mussten, als die zu Christen gewordenen Juden, in denen das orientalische Volkselement unter der Herrschaft der ihnen verwandten Nation der Araber trotz des Christenthums, das sie aufrichtig bekannten, sich wohl conserviren konnte, zumal sie doch immer mit der arabischen Bildung vertraut blieben.
In einem ähnlichen, orientalisch, namentlich alttestamentlich gefärbten Stile, aber in ruhigerem Tone, ist eine andre, kleinere Schrift unsers Autors verfasst: seine Confessio , die an eine dem Isidor beigelegte erinnert und diese zum Vorbild hat. Es ist die Oratio pro correptione vilae flenda semper peccata . Appendix XVIII der Ausgabe Arévalo's, T. VII, p. 358 ff. (Vgl. Bd. I, S. 555, Anm. 1.) Diese etwas wortreiche Beichte legt doch ein beredtes Zeugniss von einem tieferen Gemüthsleben ab.
Ausser diesen Schriften Alvarus' und seiner Lebensbeschreibung des Eulogius besitzen wir in Prosa von ihm noch eine Reihe von Briefen, theils an einen Schwager, Johann von Sevilla, auch einen Laien, theils an seinen Lehrer Speraindeo, theils an den zum Judenthum übergetretenen Presbyter Bodo, der am fränkischen Hofe auferzogen war, gerichtet; sie betreffen dogmatische Fragen, namentlich die Dreieinigkeit und die Christologie, und liegen daher ausser dem Bereich unserer Betrachtung.
310 Endlich sind uns auch noch Früchte der metrischen Studien des Alvarus erhalten, in einer Anzahl Gedichte, in welchen selbst nicht selten der metrische d. h. quantitative Charakter der Verse vom Autor, wahrscheinlich mit einem gewissen Stolz, hervorgehoben wird. So z. B. in VII, v. 4 bei Florez, p. 280: metrice sed ecce reboat (sc. Alvarus); ebenso VIII l. l. p. 286 oben: Alvarus haec metrice longa per saecla reboat. Vgl. auch l. l. III v. 15, u. den Hymnus auf Eulogius Str. 2, v. 4. Aber die Verse sind oft recht mangelhaft, namentlich wird auch gegen die Quantität selbst über die Grenze der in der christlichen Poesie schon länger üblichen Freiheiten gefehlt Es ist interessant zu beobachten, wie dabei der Einfluss der Betonung sich geltend macht in einer der eigenthümlichen spanischen Betonung entsprechenden Weise, so findet sich: vĭnērānt für vĕnĕrāntur, ganz entsprechend dem spanischen venéran., sowie gegen das Gesetz der Elision. Diese Gedichte sind zum Theil ganz weltlicher Natur, wie eins auf die Nachtigall in Distichen in Anlehnung an das dem Eugen von Toledo beigelegte S. Bd. I, S. 570 Anm. 2. und ein andres auf den Pfau in Hexametern, aber gerade diese Gedichte erscheinen als Schulübungen, gleichsam nach Vorbildern gearbeitet, wie denn im ersten Worte, Wendungen, ja ganze Verstheile aus der Vorlage entlehnt sind. Auch in den geistlichen Gedichten des Alvarus, welche alle mit einer Ausnahme in Hexametern geschrieben sind, zeigt sich die Schülerhaftigkeit und geringe Gewandtheit des Autors in Wiederholungen derselben Gedanken, Schilderungen und Worte. Man vergleiche nur VI u. VII bei Florez. Was den Inhalt betrifft, so findet sich ein längeres Gedicht auf ein Bibelwerk, das ein Leovegild (wahrscheinlich ein Presbyter, der ein Buch De habitu clericorum damals verfasst hat S. Florez a. a. O. p. 517.) zusammenschreiben liess, ferner Verse zum Lobe des Kreuzes, und andre zum Lob des Hieronymus; interessanter sind die Verse welche sich auf eine schwere Krankheit, vielleicht die letzte, des Autors beziehen, eben durch diese Beziehung, aus der sich ein Beitrag zu seiner Charakteristik ergibt. Wenn auch Eugen ein Gedicht: Querimonia aegritudinis propriae verfasst hat, so zeigt das des Alvar mit diesem doch keine Verwandtschaft. Auch in der Lyrik hat sich Alvarus versucht in 311 einem Hymnus auf den heil. Eulogius für dessen Festtag in vierzeiligen Strophen von kleineren asklepiadeischen Versen: darin wird namentlich das Martyrium des zum Heiligen gewordenen Freundes gepriesen, jedoch in keiner besseren Sprache und Metrik als in den andern Gedichten unsers Autors. Bemerkenswerth ist noch, dass am Schluss der Verse auf das Kreuz die letzten fünf Hexameter in ore auslauten. Am Ende des Gedichts auf Hieronymus finden wir zehn leoninische Hexameter, worauf schon Amad. de los Rios a. a. O. p. 116 Anm. 1 aufmerksam gemacht hat: aber diese Verse gehören nicht zu dem Gedicht, was Florez in einer Anmerkung richtig anzeigt, de los Rios aber gar nicht beachtet hat; sie scheinen gar nicht von Alvarus zu sein, und können aus einer weit späteren Zeit stammen.