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Viertes Kapitel.

Ermoldus Nigellus.

Das Fortwirken der ästhetischen Kultur des Zeitalters Karls des Grossen zeigt sich in der Jugendzeit Walahfrids auch in einem andern Dichter, der – obgleich nicht selbst ein Deutscher, doch von germanischer Abkunft Für dieselbe spricht mehr noch als der Name Ermold, seine Kenntniss des Deutschen, die er in der Etymologie von Eigennamen (s. l. I. v. 47 ff. die Ableitung von Ludwig) zeigt, oder wo er eine solche Kenntniss auch bei dem Leser voraussetzt, wenn er l. IV v. 657 f. von »Theutrammus« sagt: nomine dignus, ohne weitere Erklärung. – als ein merkwürdiger Vertreter der weltlichen Epik, zu welcher der grosse Kaiser die erste Anregung gegeben, erscheint: es ist dies Ermoldus Nigellus In: Monum. Germaniae histor. Scriptor. T. II p. 464 ff. – Uebersetzung von Pfund in: Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit. 9. Jahrh. 3. Bd. Berlin 1856 (Einleitung). – – Henkel, Ueber den historischen Werth der Gedichte des Ermoldus Nigellus. Progr. der höheren Bürgerschule in Eulenburg 1876. – Dümmler, N. A. S. 260 f., dessen Dichtung über die Thaten des Kaisers Ludwig schon selbst für die volksthümliche Epik der Nationalliteratur des Mittelalters von Bedeutung ist. Ueber seine Persönlichkeit geben uns nur seine Gedichte einige Nachricht. Ein aquitanischer Mönch, stand er in naher Beziehung zu dem König Pippin, Ludwigs des Frommen Sohn, der eben Aquitanien regierte; eine sehr einflussreiche Stellung muss er bei ihm eingenommen haben: vielleicht war er sein Erzieher gewesen und wurde später sein Kanzler. Auch Dümmler meint, man dürfe Ermold mit grosser Wahrscheinlichkeit für identisch mit dem Kanzler Hermoldus halten, der im Jahre 838 unter mehreren Urkunden Pippins erscheint. Er begleitete Pippin sogar gewappnet ins Feld bei dem Kriegszug gegen die Bretonen i. J. 824. Aber er scheint auch den Ehrgeiz des jungen Königs so angestachelt zu haben, dass dieser selbst seinem Vater gegenüber sich geltend machte. So wurde Ermold von Ludwig aus Pippins Umgebung entfernt und nach Strassburg verbannt, wo er unter die Aufsicht des Bischofs Bernold gestellt wurde, der ihn aber, wohl auch aus Liebe zu Pippin, freundlich behandelte. In dieser Verbannung schrieb 171 Ermold dann die uns von ihm erhaltenen Gedichte, zu welchen ebendieselbe sogar den Anlass gab: einmal die erwähnte epische Dichtung, durch welche er die Erlösung aus dem Exil von dem Kaiser zu erlangen hoffte, sie ist Ende 826 oder Anfang 827 verfasst Spätere Ereignisse werden nicht bloss nicht behandelt, sondern nicht einmal angedeutet, wo man dies erwarten sollte, wie z. B. Haralds Vertreibung.; dann zwei an Pippin gerichtete Elegien, von denen wenigstens die zweite nach der epischen Dichtung geschrieben ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde Ermold nach dem Siege der Söhne über den Kaiser 830 frei. –

Das epische Gedicht, dem man wohl am besten den Titel: De gestis Ludovici Caesaris zu geben hat Im Hinblick auf das Vorwort, namentlich v. 9 ff. – – quo possim Caesaris in hoc – – Carmine gesta loqui. Vgl. auch l. I v. 15 und 29. Der erste Herausgeber (Muratori) hat die Dichtung: De rebus gestis Ludovici imperatoris betitelt., ist in Distichen geschrieben und umfasst vier Bücher und ein Vorwort von 35 Hexametern, das Acrostichon und Telestichon zugleich ist, indem die Anfangs- wie Endbuchstaben der Verse den Hexameter: » Ermoldus cecinit Hludovici Caesaris arma« ergeben. In diesem Prolog bittet der Dichter Christus und den Psalmensänger David um Beistand bei seinem Unternehmen, »die Thaten des erhabenen Kaisers zu sagen«: denn nicht will er wie die wahnsinnigen Alten die Musen, noch Phöbus, noch Apollo         Nec rogo Pierides, nec Phoebi tramite limen
        Ingrediar capturus opem, nec Apollinis almi

Praef. v. 13 f. Wie hier aus Phoebus Apollo zwei Götter gemacht werden, so l. I, v. 18 aus Tullius Cicero zwei Autoren; das letztere findet sich auch in der späteren mittelalterlichen Literatur gar häufig. Für die gelehrte Bildung des Ermold ist aber beides bezeichnend.
anrufen, da sie eitle Weisheit blendete und ihre Herzen der Teufel beherrschte. Durch solchen Beistand hofft er von seiner Dichtung die Befreiung aus dem Exil. Schliesslich wendet er sich noch an den Kaiser selbst, dessen Frömmigkeit er preist, mit der Bitte, das Werk huldvoll aufzunehmen und ihn, den gefallenen Diener, wieder zu erheben. – Geben wir zunächst eine kurze Inhaltsübersicht.

Das erste Buch (616 V.) ist, nach einem Eingang worin der Dichter nochmals seine Absicht erklärt, aber auch bemerkt, nicht alle einzelnen Thaten Ludwigs besingen zu können, 172 fast durchaus der Eroberung Barcelona's durch Ludwig als König von Aquitanien (801) gewidmet (von v. 65 an); vorher wird nur noch kurz seiner Erhebung auf diesen Thron, der Bedeutung seines Namens und der Besiegung der Basken gedacht (v. 31–64).

Das zweite Buch (602 V.) beginnt mit der Kaiserkrönung Ludwigs durch Karl den Grossen 813 (v. 1–84), erzählt dann nach kurzer Erwähnung des Todes Karls Ludwigs Reise nach Achen, die einem Triumphzug gleicht durch das Herbeiströmen des huldigenden Volkes, das vielleicht in übertriebener, aber poetisch lebendiger Weise geschildert wird, – ferner seine ersten Regierungshandlungen: Gnadenbezeigungen, Aussendung von Königsboten, woran sich dann ein Elogium des Kaisers knüpft (v. 85–196). Hierauf wird ausführlich das Erscheinen des Papstes Stephan im Frankenreiche auf Befehl des Kaisers und die Krönung desselben durch ihn im Jahr 816 berichtet (v. 197–480): diese Erzählung nimmt namentlich durch die langen Reden der beiden die Hälfte des Buches ein und bildet so gleichsam den Kern desselben. Der Schluss behandelt dann noch die Reformbestrebungen Ludwigs in Betreff des Klerus und der Klöster, namentlich die Instruction der zu diesem Zweck ausgesandten Missi (818) und das Verhältniss des Kaisers zu Benedict von Aniane (v. 481–602).

Das dritte Buch zählt 628 Verse. Den grössten Theil desselben nimmt die Erzählung von dem Feldzug Ludwigs gegen den Bretonenfürsten Morman i. J. 818, womit es beginnt, ein – seine Besiegung, sein Tod, die Unterwerfung der Bretonen (v. 1–502); dann wird noch des Berichts der zurückgekehrten Königsboten gedacht und von v. 543 an ein Zweikampf als Gottesgericht geschildert, der 820 zwischen dem Grafen Bera von Barcelona, einem alten Genossen des Kaisers, und dem Grafen Sanila stattfand, und da beide gothischer Herkunft waren, in gothischer Weise, zu Ross mit Wurfspeer und Schwert.

Das vierte Buch (768 V.) hat vornehmlich die Bemühungen Ludwigs um die Bekehrung der Dänen zum Gegenstand; dies bildet den Hauptinhalt des Buchs, das nach einer kurzen Charakteristik der heidnischen Dänen oder Normannen         Hic populi porro veteri cognomine Deni
            Ante vocabantur et vocitantur adhuc;
        Nort – quoque francisco dicuntur nomine – manni,
            Veloces, agiles, armigerique nimis.
        Ipse quidem populus late pernotus habetur,
            Lintre dapes quaerit, incolitatque mare;
        Pulcher adest facie, vultuque statuque decorus,
            Unde genus Francis adfore fama refert.
v. 11 ff.
sogleich 173 mit der Aussendung des Erzbischofs Ebbo von Reims als Missionar an König Harald i. J. 823 beginnt (v. 25–112). Nachdem dann in der Kürze ein neuer Kriegszug gegen die aufrührerischen Bretonen i. J. 824, an welchem Pippin von Aquitanien und mit ihm Ermoldus selbst Theil nehmen, geschildert ist (v. 113–146), erzählt der Dichter von Ebbo's Thätigkeit und wie Harald mit einer grossen Flotte in der Pfalz Ingelheim erscheint i. J. 826, um sich dort taufen zu lassen und Ludwigs Vasall zu werden. Vorher wird hier eine höchst interessante Beschreibung des Palastes von Ingelheim und seiner Kirche, namentlich der Gemälde, welche beide schmückten, gegeben (v. 181 ff.). Die Taufe und die darauf folgenden Feste, sowie die Huldigung des Dänenkönigs werden ausführlich, mit allen Einzelheiten lebendig geschildert (v. 622). Nachdem dann Ermold den Abzug Haralds berichtet, preist er Ludwig wegen der friedlichen Eroberung, er besitze was weder das mächtige Rom noch die fränkische Krone hatte; und hier gedenkt denn der Dichter auch der Wasserorgel, die 826 ein venezianischer Presbyter Ludwig baute, ein Wunderwerk, um welches dieser allein den byzantinischen Kaiser zu beneiden gehabt hatte. Darauf aber geht Ermold auf sich und seine Verbannung über (v. 649) und erzählt von dem Dome Strassburgs und den Wundern, die dort ein frommer Priester zu Bonifatius' Zeit schaute. Zum Schluss (v. 747 ff.) bittet er dann auch hier – wie an andern Stellen der Dichtung – sein Vergehen nicht bestreitend, noch einmal den Kaiser und seine schöne Gemalin um Begnadigung.

Diese Dichtung hat keinen geringen literargeschichtlichen Werth und ist auch an manchen Stellen nicht ohne ästhetischen Reiz. Beides gilt namentlich von dem ersten Buche. Hier finden wir zum ersten Male im Abendland als Gegenstand der Epik den Kampf mit den Sarazenen, und zur Zeit Karls des Grossen, also das Sujet des volksthümlichsten der grossen 174 Sagenkreise der nationalen Weltliteratur, und zwar schon auf Grund mündlicher Ueberlieferung, der Sage, wie der Dichter selbst bemerkt Die Stelle lautet im Zusammenhang:
        Culmina terrarum, vel quot castella peragrans (sc. Ludovicus)
            Subdidit imperiis arma ferento Deo,
        Sunt mihi nota minus, vel si modo nota fuissent,
            Non poterat stolidus cuncta notare stilus:
        Sed quae fama recens stupidas pervexit ad aures,
            Incipiam canere; caetera linquo catis.
v. 65 ff.
, der sich als Ungelehrter, wenn auch mit Unrecht, hinstellt, aber in der That eine populäre Natur war. Zugleich erscheint hier bereits und als der Hauptheld jener Wilhelm, Graf oder Herzog Beide Titel hat er bei Ermold. von Toulouse, der als Guillaume d'Orange oder Guillaume au court-nez, der Mittelpunkt eines der drei Cyklen des karolingischen Sagenkreises ist, welche zuerst die nordfranzösische Nationaldichtung ausbildete. Er ist es, der in unserm Gedicht auf einer Reichsversammlung Ludwig zu dem Kriegszug gegen die Sarazenen auffordert; er kennt jenes Volk, sagt er, und es kennt ihn Quae (sc. gens) mihi nota nimis, et sibi notus ego. v. 148. Eine den Helden schön charakterisirende Wendung. – hiermit wird gewiss vornehmlich auf die Schlacht am Orbieu 793 hingedeutet, in der zwar die Franken bei ihrer Minderzahl unterlagen, aber durch ihre und namentlich Wilhelms, ihres Anführers, Tapferkeit die Araber von weiterem Vordringen abschreckten. In der Wilhelm feiernden Chanson de geste: La bataille Aliscans wird bekanntlich diese Schlacht besungen. Die Eroberung Barcelona's wird als das Ziel des Feldzugs von Wilhelm bezeichnet, sie allein sichere den Frieden: er selbst will der Führer sein. – Lebendig wird dann die Berennung der Stadt geschildert, und manche ächt epische Züge finden sich da, darunter auch solche, die recht unmittelbar an das karolingische Volksepos erinnern, wie z. B. die Rolle, welche die Streitrosse der Helden spielen. So antwortet (v. 401 ff.) Wilhelm einem Mauren, der von der Zinne herab spottet, der Hunger werde noch die Franken zum Abzug nöthigen: eher wolle er sein prächtiges Ross selbst verzehren, als die Belagerung aufheben. Da erst erschrecken die Mauren. Der Emir verlässt nun heimlich die Stadt um Entsatz zu holen: 175 aber das Wiehern seines Pferdes verräth ihn. – Episodisch wird früher erzählt (v. 207 ff.), wie bei den Einfällen der Araber einem Franken Datus seine Mutter geraubt und auf eine uneinnehmbare Felsenfeste gebracht wird: vergeblich sucht der Sohn mit dem Schwerte sie zu befreien, da wird von dem Feinde als Lösegeld das Ross des Franken gefordert; dieser aber lässt lieber die eigene Mutter vor seinen Augen tödten, als sein Pferd hinzugeben, eine Missethat, die er dann sein Lebelang als Einsiedler büsst. – Die Lebhaftigkeit der Darstellung erhöhen nicht bloss die eingelegten Reden, sondern auch manche treffende Gleichnisse: so verstecken sich die Mauren vor dem Pfeil- und Schleuderregen wie Schwimmvögel, wenn sie der Adler bedroht, der jeden fasst, der den Kopf aus der Tiefe erhebt (v. 505 ff.).

Auch die ausführliche Erzählung von dem bretonischen Krieg im dritten Buche ist recht interessant und bietet auch manche poetische Züge. Da der Dichter selbst, wenn auch nicht diesen, doch den folgenden Feldzug gegen die Bretonen mitgemacht hatte, so gibt er von Land und Leuten und der durch ihre eigenthümliche Natur bestimmten Art der Kriegsführung ein lebendiges anschauliches Bild: in dem ganz coupirten Terrain, das voller Sümpfe, Wälder und Hecken, war ein Kampf im offenen Felde mit entscheidenden Schlachten nicht möglich; es war vielmehr ein Parteigängerkrieg, von Seiten der Franken Verwüstung, von der der Bretonen Ueberfälle (v. 347 ff.). Im einzelnen hervorzuheben sind namentlich Mormans Verhandlung mit dem fränkischen Gesandten und sein Auszug zum Kampf (v. 101 ff. u. v. 361 ff.), wie er dort durch sein Weib verführt wird, den Krieg statt den Frieden zu wählen, und wie er hier von demselben Abschied nimmt, Scenen die manchen hübschen bedeutenden Zug enthalten. Auch die Rede ist bemerkenswerth, mit der Morman nach der bei seinem Weib im Rausche vollbrachten Nacht, die er als Bedenkzeit sich ausbedungen, den Gesandten entlässt l. III, v. 207 ff.:
        Ecce miser tandem potu somnoque sepultus
            Murman adest, oculos vix aperire valens.
        Ebrius haec ructans labris vix orsa remotis
            Voce sonat, numquam post placitura sibi:
        Perge, tuo regi celerans haec verba renarra:
            Nec sua rura colo, nec sua iura volo.
        Ille habeat Francos, Brittonica regmina Murman
            Rite tenet, censum sive tributa vetat.
        Bella cient Franci, confestim bella ciebo,
            Neve adeo imbellis dextera nostra manet.
Auch in diesem Buch begegnen wir trefflich ausgeführten Gleichnissen, s. z. B. v. 175 ff.

176 So ist durchaus nicht zu läugnen, dass Ermold poetisches und zwar episches Talent besass, er ist weit davon entfernt ein blosser Chronist in Versen zu sein, wie schon die Auswahl des Stoffes zeigen konnte; auch wird nicht durch die panegyrische Tendenz der epische Stil wesentlich beeinträchtigt. Ermolds Werk ist trotz all seiner sprachlichen wie metrischen Mängel Selbst an siebenfüssigen Hexametern fehlt es nicht, wenn sie auch nur ganz selten mit unterlaufen, s. z. B. l. III, v. 31. eine für seine Zeit nicht unbedeutende Leistung, zumal er sich von sclavischer Nachahmung oder übertriebener Benutzung Die gegentheilige Behauptung von Dorn, De bellis Francorum cum Arabibus gestis, S. 52 ist ganz ungerechtfertigt, wie seine eigene Vergleichung einzelner Stellen zeigt. Reminiscenzen aus Virgil waren für einen späteren lateinischen Epiker geradezu unvermeidlich, aber sie finden sich keineswegs in auffallender Zahl bei Ermoldus. Virgils frei erhält, obwohl dieser an einzelnen Stellen als Vorbild ihm vorschwebt, wie denn an einer auf sein Epos selbst Bezug genommen wird. In der Rede des fränkischen Gesandten, eines Abtes übrigens, an Morman, wo jener bemerkt, dass wenn diesem selbst solche Hülfstruppen kämen als dem Turnus, er doch nicht wagen könne es mit den Franken aufzunehmen (l. III, v. 144 ff.). Morman mochte dem Dichter wohl als ein Turnus erscheinen, da Ludwig durch das ihm schon gewöhnlich beigelegte Prädicat pius von selbst an den pius Aeneas erinnerte.

Auch die beiden Elegien Ermolds sind von geschichtlichem und die erste noch von besonderem literargeschichtlichem Interesse. In dieser (200 V.) sendet der Dichter seine Thalia zu König Pippin, ähnlich wie Theodulf an Modoin S. oben S. 82., und wohl nach diesem Vorbild Dies zeigt, von allem andern abgesehen, schon der Umstand, dass die Botin Thalia genannt wird., wenn er auch Theodulfs Muster, Ovids Elegie gekannt hat. Die Botin erscheint aber in der Pfalz an der Charente zum Osterfest, als der König mit seiner Gemalin in feierlichem Zuge den Palast verlässt – ohne Zweifel zum 177 Kirchgang. Der Dichter gibt dann die Unterredung seiner Muse mit dem König, der von dem Verbannten Kunde wünscht, in welchem Lande er weile, in welcher Stadt, wer dort der Bischof sei. Thalia schildert darauf den Elsass, seine Fülle von Korn und Wein, die er dem Wasacus – den Vogesen – und dem Rhein verdanke, zwischen welchen beiden er liege. Wenn es dem König beliebe, solle er von ihnen selbst erfahren, was ein jeder vermöge, wer von beiden seinem Volke nützlicher sei. Diesen Worten Thalia's folgt nun ein Streitgedicht zwischen Rhein und Vogesen, welche beide in Wechselrede eingeführt werden. So rühmt der Rhein die Wasserstrasse, die er für die Einfuhr reicher Waaren bietet, und seine Fische; dagegen spende nur Holz für den Herd der von Sturm und Regen gepeitschte Wasacus. Dieser entgegnet: von seinen Eichen würden Paläste und Kirchen gebaut, Könige jagten in seinem Revier Hirsche und Eber, und seine Bäche wären auch an Fischen reich; der Rhein aber entführe die Landesproducte. Der Rhein replicirt, dass er nur den Ueberfluss ausführt und zum Eintausch andrer Waaren; statt Holz biete er Gold in seinem Sande, und befruchte das Land, wie der Nil, durch seine Ueberschwemmungen. Wasacus antwortet: der Rhein ertränke vielmehr die Saaten. – Nachdem dann Thalia beiden Schweigen geboten, beantwortet sie selbst die zweite und dritte Frage des Königs, indem sie ihm das geräuschvolle, volk- und verkehrreiche Strassburg nennt und von dem Bischof Bernold erzählt, der, ein Sachse, in der Hofschule Karls des Grossen gebildet, durch Geist und Gelehrsamkeit sich auszeichnet, wie durch Herzensgüte und Frömmigkeit; er vermag geschickt durch seine deutsche Predigt das auf seine Reichthümer trotzende Volk zu Gott zu führen.         Sed gens atra nimis, cui praest modo praesul, honore,
            Divitiis pollens, nescit amare Deum;
        Barbara lingua sibi, scripturae nescia sacrae,
            Ni foret antestis ingeniosus ei:
        Hic populis noto scripturas frangere verbo
            Certat, et assiduo vomere corda terit.
v. 155 ff.
Er ist des Ermold Trost; trotzdem ist diesem die Verbannung schwer, weil er fern von der Heimath und fern von seinem Könige weilt. – Die Antwort, die der König darauf Thalia ertheilt, schliesst das Gedicht: Ermold möge sich mit dem gleichen Geschick 178 andrer – berühmter – Männer trösten, Heiden wie Christen, einem Ovid, Virgil, der sein Gut verlor und erst durch seine Dichtkunst wieder gewann, den Aposteln Johannes, Petrus und Paulus, und dem heil. Hilarius.

Auch die zweite Elegie, 222 Verse, hat Ermold an Pippin gerichtet. Nach einer Captatio benevolentiae für seine geringe Muse, die er eine Musella , eine Musa iocosa nennt, und die trotzdem dem Könige sonst gefiel, folgt das überschwängliche Lob desselben, das sich auch auf sein Aeusseres erstreckt Dieser Panegyricus schliesst:
        Si Veneris soboles, Priami si filius adsit,
        H    ector et Aeneas cedet uterque tibi.
v. 33 f.
, und darauf gute Rathschläge, wie sie ein Mentor einem jungen Manne ertheilt; der König soll zwar das Leben in erlaubter Weise geniessen, namentlich auch der Jagd sich erfreuen, aber doch nur an bestimmten Tagen, an andern nützlicheres thun; sei kein Jüngling mehr, sei ein Mann, ruft ihm der Dichter zu, und hält ihm dann seine Regentenpflichten vor; sie krönt die Liebe zu Gott, die über jede andre gehen muss. Hier flicht dann (v. 69 ff.) der Dichter eine Episode ein, in der er seiner »spasshaften Muse«, welche Pippin so besonders gefiel, das Wort leiht, indem er erzählt, wie einem Eremiten die Liebe zu einem Kater die Liebe Gottes schmälerte. Ermold zeigt dann, auf die Bibel verweisend, wie die frommen Könige von Gott begünstigt werden, und stellt Pippin seinen eigenen Vater als Muster hin Hier gedenkt Ermold seines epischen Gedichts v. 141 f.; Pippins Geschlecht Es ist bemerkenswerth dass der unter den Vorfahren aufgeführte Karl Martell hier (v. 131) Carolus magnus genannt wird, was sich ja auch sonst findet und die Identification desselben mit Karl dem Grossen durch die Sage noch fördern musste. hätte immer viel für die Kirche gethan; und bei dieser Gelegenheit rühmt der Dichter besonders Karl den Grossen (v. 159 ff.), und zollt von neuem ausgiebiges Lob Ludwig, den er stets Pippin in Worten und Schriften als Beispiel gezeigt, nur der Neid habe ihn anderes reden lassen (v. 201 ff.). Mit Segenswünschen für Pippin und seine Gemalin schliesst dann der Dichter, der sich hier mit seinem Namen nennt.         Er – modolata tibi conscripsit carmina – moldus,
            Nominis ut famuli sis memor, alme, tui.
179

 


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