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Lange Plaudereien sind das glückliche Vorrecht der Leute, die sich nichts mehr zu sagen haben. Nach dem Glück, zu schweigen oder durch Zwischenworte zu wünschen, ist unstreitig das größte Glück, viel zu sprechen ohne Phrasen.
Zwei Stunden, nachdem man den Wagen weggeschickt, waren der Cardinal und die Gräfin auf dem Punkt, von dem wir sagen. Die Gräfin hatte nachgegeben, der Cardinal hatte gesiegt, und dennoch war der Cardinal der Sclave; die Gräfin war der Triumphator.
Zwei Männer hintergehen sich, indem sie sich die Hand geben. Ein Mann und eine Frau hintergehen sich in einem Kuß.
Hier täuschte aber Jedes das Andere nur, weil das Andere getäuscht sein wollte.
Jedes hatte einen Zweck. Für diesen Zweck war die Vertraulichkeit nothwendig. Jedes hatte also sein Ziel erreicht.
Der Cardinal gab sich auch gar nicht die Mühe, seine Ungeduld zu verbergen. Er beschränkte sich darauf, daß er einen kleinen Umweg machte und dann das Gespräch wieder auf Versailles und auf die Ehren zurückführte, die dort der neuen Günstlingin der Königin harrten.
»Sie ist freigebig,« sagte er, »und nichts ist ihr zu theuer für die Leute, die sie liebt. Sie hat den seltenen Verstand, vielen Leuten ein wenig und wenigen Freunden viel zu geben.«
»Sie halten sie also für reich?« fragte Frau von La Mothe.
»Sie weiß sich mit einem Wort, mit einer Geberde, mit einem Lächeln Mittel zu schaffen. Nie hat ein Minister, Turgot vielleicht ausgenommen, den Muth gehabt, der Königin abzuschlagen, was sie verlangte.«
»Nun! mir,« sprach Frau von La Mothe, »mir kommt sie minder reich vor, als Sie sie machen. Arme Königin, oder vielmehr, arme Frau!«
»Wie so?«
»Ist man reich, wenn man sich Entbehrungen auferlegen muß?«
»Entbehrungen! Erzählen Sie mir das, liebe Jeanne.«
»Oh! mein Gott, ich werde Ihnen sagen, was ich gesehen habe, nicht mehr, nicht weniger.«
»Sprechen Sie, ich höre.«
»Stellen Sie sich zwei furchtbare Martern vor, welche die unglückliche Königin ausgestanden hat.«
»Zwei Martern? Was für denn?«
»Wissen Sie, was ein Frauenverlangen ist, mein lieber Prinz?«
»Nein, aber ich wünschte, Sie würden es mir sagen, Gräfin.«
»Wohl! die Königin hat ein Verlangen, das sie nicht befriedigen kann.«
»Nach wem?«
»Nein, nach was.«
»Gut! nach was?«
»Nach einem Halsband von Diamanten.«
»Ah! warten Sie doch, ich weiß. Meinen Sie nicht die Diamanten von Böhmer und Bossange?«
»Ganz richtig.«
»Oh! die alte Geschichte, Gräfin.«
»Alt oder neu. Ist es nicht eine wahre Verzweiflung für eine Königin, das nicht besitzen zu können, was beinahe eine einfache Favoritin besessen hatte? Noch vierzehn Tage Leben für König Ludwig XV., und Jeanne Vauvernier hatte, was Marie Antoinette nicht haben kann.«
»Ah! meine liebe Gräfin, darin täuschen Sie sich, die Königin konnte fünf- bis sechsmal diese Diamanten haben, und hat sie immer ausgeschlagen.«
»Oh!«
»Ich sage Ihnen, der König hat sie ihr selbst angeboten, und sie hat sie aus der Hand des Königs ausgeschlagen.«
Und der Cardinal erzählte die Geschichte von dem Schiff.
Jeanne hörte gierig, und als der Cardinal geendigt hatte, sagte sie:
»Nun! und hernach?«
»Wie, hernach?«
»Ja, was beweist das?«
»Daß sie nicht wollte, wie mir scheint.«
Jeanne zuckte die Achseln.
»Sie kennen die Frauen, Sie kennen den Hof, Sie kennen die Königin, und lassen sich von einer solchen Antwort bethören?«
»Ah! ich bestätige eine Weigerung.«
»Mein lieber Prinz, das constatirt Eines: daß die Königin nothwendig einen glänzenden, einen volksthümlichen Ausspruch thun mußte und daß sie ihn gethan hat.«
»Gut!« sprach der Cardinal, »so glauben Sie an die königlichen Tugenden? Ah! Sie Skeptikerin! Der heilige Thomas war ein Gläubiger gegen Sie.«
»Skeptisch oder gläubig, ich kann Sie eines Umstandes versichern.«
»Nun?«
»Daß die Königin nicht so bald das Halsband ausgeschlagen hatte, als sie von einer tollen Begierde nach demselben ergriffen wurde.«
»Sie schmieden sich solche Ideen, meine Theure, und glauben Sie mir vor Allem, daß die Königin bei allen ihren Fehlern eine ungeheure Tugend hat.«
»Welche?«
»Sie ist uneigennützig. Sie liebt weder das Gold, noch das Silber, noch die Edelsteine. Sie wiegt die Mineralien nach ihrem Werthe ab; für sie ist eine Blume am Schnürleibe so viel werth, als ein Diamant im Ohr.«
»Ich leugne das nicht. Nur behaupte ich zu dieser Stunde, daß sie Lust hat, sich mehrere Diamanten an den Hals zu hängen.«
»Oh! Gräfin! beweisen Sie das.«
»Nichts kann leichter sein; ich habe heute das Halsband gesehen.« – »Sie?« – »Ich habe es nicht nur gesehen, sondern auch berührt.« – »Wo dieß?« – »In Versailles.« – »In Versailles?« – »Ja, wohin die Juweliere es brachten, um die Königin zum letzten Mal in Versuchung zu führen.« – »Ist es schön?« – »Es ist wunderbar.« – »Dann begreifen Sie als ein wahres Weib, daß man an dieses Halsband denkt?« – »Ich begreife, daß man den Appetit und den Schlaf darüber verliert.« – »Ah! warum habe ich nicht dem König ein Schiff zu geben?« – »Ein Schiff?« – »Ja, er gäbe mir das Halsband, und sobald ich es hatte, könnten Sie ruhig essen und schlafen.« – »Sie scherzen.« – »Nein, ich schwöre Ihnen.« – »Nun, so will ich Ihnen etwas sagen, worüber Sie sich ungemein wundern werden.« – »Sprechen Sie.« – »Ich möchte dieses Halsband nicht.« – »Desto besser, Gräfin, denn ich könnte es Ihnen nicht geben.« – »Ach! weder Sie, noch irgend Jemand, das ist es, was die Königin fühlt, und warum sie darnach verlangt.« – »Ich wiederhole Ihnen, daß der König es ihr angeboten hat.«
Jeanne machte eine rasche, beinahe ungestüme Bewegung und erwiderte:
»Und ich, ich sage Ihnen, daß die Frauen solche Geschenke ganz besonders lieben, wenn sie nicht von Leuten gemacht werden, die ihre Annahme erzwingen können.«
Der Cardinal schaute Jeanne noch aufmerksamer an und sagte dann:
»Ich verstehe nicht ganz.«
»Desto besser; brechen wir hievon ab. Was geht Sie das Halsband an, da wir es nicht haben können?«
»Oh! wäre ich der König und Sie wären die Königin, so würde ich Sie wohl nöthigen, es anzunehmen.«
»Wohl! ohne der König zu sein, nöthigen Sie die Königin, es anzunehmen, und Sie werden sehen, ob sie über diese Gewaltthat so ärgerlich ist, als Sie glauben.«
Der Cardinal schaute Jeanne noch einmal an.
»Wahrhaftig,« sagte er, »sind Sie sicher, daß Sie sich nicht täuschen? Die Königin hat dieses Verlangen?«
»Sie wird davon verzehrt. Hören Sie, lieber Prinz, haben Sie mir nicht einmal gesagt, oder habe ich nicht sagen hören, es wäre Ihnen nicht unangenehm, Minister zu sein?«
»Es ist wohl möglich, daß ich dieß gesagt habe, Gräfin.«
»Wohl! so wetten wir, mein lieber Prinz.«
»Was?«
»Daß die Königin den Mann, der es so einzurichten wüßte, daß das Halsband in acht Tagen auf ihrem Putztische läge, zum Minister machen würde.«
»Oh! Gräfin!«
»Ich sage, was ich sage ... Wollen Sie lieber, daß ich ganz leise denke?«
»Oh! nie.«
»Was ich übrigens sage, betrifft Sie nicht. Es ist sehr klar, daß Sie nicht anderthalb Millionen von einer königlichen Laune verschlingen lassen; das hieße, bei meiner Treue! zu theuer ein Portefeuille bezahlen, das Sie umsonst haben werden und das man Ihnen schuldig ist. Nehmen Sie also das, was ich gesagt habe, für Geschwätz. Ich bin wie die Papageie, man hat mich an der Sonne geblendet, und nun wiederhole ich beständig, es sei heiß. Ah! Monseigneur, welch eine harte Prüfung ist doch ein Tag der Gunst für ein Provinzdämchen! man muß Adler sein, wie Sie, um diesen Strahlen in's Gesicht zu schauen.«
Der Cardinal wurde träumerisch.
»Ah! ah!« sagte Jeanne, »nun beurtheilen Sie mich schlecht, nun finden Sie mich so gemein und elend, daß Sie nicht einmal mit mir sprechen mögen.«
»Ah! ich bitte.«
»Die Königin, wie ich sie beurtheilt habe, bin ich selbst.«
»Was wollen Sie? ich glaubte, sie verlange nach den Diamanten, weil sie seufzte, als sie dieselben sah; ich glaubte es, weil ich an ihrer Stelle darnach verlangt hätte; entschuldigen Sie meine Schwäche.«
»Sie sind eine anbetungswürdige Frau, Gräfin, Sie haben durch eine unglaubliche Verbindung die Schwäche des Herzens und die Stärke des Geistes: Sie sind in gewissen Augenblicken so wenig Weib, daß ich darüber erschrecke. Sie sind es in andern auf eine so liebenswürdige Weise, daß ich den Himmel darüber preise und Sie anbete.«
Der artige Cardinal punctirte diese Galanterie durch einen Kuß.
»Wir wollen nicht mehr von allen diesen Dingen sprechen,« sagte er.
»Gut!« murmelt« Jeanne leise, »doch ich glaube, daß die Angel das Fleisch gepackt hat.«
Doch während der Cardinal sagte: Sprechen wir nicht mehr von diesen Dingen, fuhr er fort:
»Und Sie glauben, Herr Böhmer habe diesen Angriff erneuert?«
»Mit Bossange, ja,« antwortete unschuldig Frau von La Mothe.
»Bossange ... warten Sie doch,« sagte der Cardinal, als ob er sich besänne, »Bossange, ist das nicht sein Associé?«
»Ja, ein großer, dürrer Mann.«
»Ganz richtig.«
»Er wohnt? ...«
»Er muß irgendwo, wie auf dem Quai de la Ferraille, oder auch de l'Ecole wohnen, ich weiß nicht genau, doch in jedem Fall in der Gegend des Pont-Neuf.«
»Des Pont-Neuf, Sie haben Recht. Ich habe diese Namen im Vorüberfahren über einer Thüre gelesen.«
»Ah! ah!« murmelte Jeanne, »der Fisch beißt immer mehr an.«
Jeanne hatte Recht, und die Angel war auf das Tiefste bei der Beute eingedrungen.
Am andern Morgen, als er sich aus dem kleinen Hause des Faubourg Saint-Antoine entfernte, ließ sich der Cardinal also unmittelbar zu Böhmer führen.
Er gedachte das Incognito zu behaupten, doch Böhmer und Bossange waren die Juweliere des Hofes, und bei den ersten Worten, die er sprach, nannten sie ihn Monseigneur.
»Nun wohl, ja, Monseigneur,« sprach der Cardinal, »doch da Sie mich erkennen, seien Sie darauf bedacht, daß mich die Andern nicht erkennen.«
»Monseigneur kann ruhig sein. Wir erwarten die Befehle von Monseigneur.«
»Ich komme, um Ihnen das Halsband von Diamanten abzukaufen, das Sie der Königin gezeigt haben.«
»Wahrhaftig! wir sind in Verzweiflung, doch Monseigneur kommt zu spät.«
»Wie so?«
»Es ist verkauft.«
»Unmöglich! da Sie es gestern Ihrer Majestät abermals angeboten haben.«
»Die es abermals ausgeschlagen hat, Monseigneur, darum bleibt es bei dem alten Handel.«
»Und mit wem ist dieser Handel abgeschlossen worden?« fragte der Cardinal.
»Das ist ein Geheimniß, Monseigneur.«
»Zu viel der Geheimnisse, Herr Böhmer!« sagte der Cardinal. Und er stand auf.
»Aber, Monseigneur ...«
»Mein Herr,« fuhr der Cardinal fort, »ich glaubte, ein Juwelier der Krone Frankreichs müßte damit zufrieden sein, daß er in Frankreich diese schönen Steine verkaufe; Sie ziehen Portugal vor; nach Ihrem Belieben, Herr Böhmer.«
»Monseigneur weiß Alles!« rief der Juwelier.
»Wohl! was sehen Sie Erstaunliches hierin?«
»Wenn Monseigneur Alles weiß, so kann es nur durch die Königin sein.«
»Und wenn dem so wäre?« sagte Herr von Rohan, ohne die Vermuthung, die seiner Eitelkeit schmeichelte, zurückzuweisen.
»Oh! das würde die Sache sehr ändern, Monseigneur.«
»Erklären Sie sich, ich verstehe nicht.«
»Will mir Monseigneur erlauben, ganz frei mit ihm zu sprechen?«
»Sprechen Sie.«
»Wohl! die Königin hat Lust zu unserem Halsband.«
»Sie glauben?«
»Wir sind dessen sicher.«
»Ah! und warum kauft sie es dann nicht?«
»Weil sie es dem König ausgeschlagen hat, und weil es launisch erscheinen würde, wenn sie von diesem Beschluß abginge, der Ihrer Majestät so viel Lob eingetragen.«
»Die Königin steht über allem Gerede.«
»Ja, wenn das Volk, oder sogar wenn die Höflinge sprechen; doch wenn der König spricht ...«
»Der König wollte, wie Sie wohl wissen, der Königin dieses Halsband geben.«
»Allerdings, doch er beeilte sich, der Königin zu danken, als sie es ausschlug.«
»Was schließt Herr Böhmer hieraus?«
»Daß die Königin das Halsband gern bekommen möchte, ohne den Anschein zu haben, als kaufte sie es.«
»Wohl! Sie täuschen sich, mein Herr,« sagte der Cardinal, »es handelt sich nicht hierum.«
»Das ist ärgerlich, Monseigneur, denn es wäre dieß für uns die einzige entscheidende Ursache gewesen, dem Herrn Gesandten von Portugal das Wort zu brechen.«
Der Cardinal dachte nach. So stark die Diplomatie der Diplomaten auch sein mag, die der Kaufleute ist ihr überlegen ... Vor Allem unterhandelt die Diplomatie beinahe immer um Werthe, die sie nicht hat; der Kaufmann hält den Gegenstand, der die Neugierde erregt, in seiner Klaue fest; wenn man ihm denselben abkauft und noch theuer bezahlt, so ist es beinahe, als ob man ihn plünderte. Als Herr von Rohan sah, daß er in der Gewalt dieses Mannes war, sagte er:
»Mein Herr, nehmen Sie, wenn Sie wollen, an, die Königin habe Lust zu Ihrem Halsband.«
»Das ändert Alles, Monseigneur. Ich kann alle Händel brechen, wenn der Königin der Vorzug gegeben werden soll.«
»Wie hoch verkaufen Sie Ihr Halsband?«
»Zu fünfzehnmal hunderttausend Livres.«
»Wie ordnen Sie die Bezahlung?«
»Der Portugiese bezahlte mir etwas auf Abschlag, ich sollte das Halsband selbst nach Lissabon bringen, wo man mich nach Sicht bezahlen würde.«
»Diese Zahlungsweise ist bei uns nicht ausführbar, Herr Böhmer, aber eine Abschlagszahlung sollen Sie bekommen, wenn sie vernünftig ist.«
»Hunderttausend Livres.«
»Man kann sie finden. Was das Uebrige betrifft?«
»Eure Eminenz möchte gern Zeit haben?« sagte Böhmer. »Mit der Garantie Eurer Eminenz ist Alles thunlich. Nur zieht Zügelung einen Verlust nach sich; denn bemerken Sie wohl, Monseigneur, bei einer Sache von dieser Bedeutung wachsen die Zahlen von selbst, ohne Grund. Die Interessen von fünfzehnmal hunderttausend Livres zu fünf Procent machen fünfundsiebzigtausend Livres, und fünf Procent sind ein Ruin für die Kaufleute. Zehn Procent sind höchstens ein annehmbarer Preis.«
»Das wären hundertfünfzigtausend Livres für Ihre Rechnung?«
»Ja, Monseigneur.«
»Nehmen wir an, Sie verkaufen das Halsband um sechszehnmal hunderttausend Livres, Herr Böhmer, und vertheilen die Bezahlung der fünfzehnmal hunderttausend Livres auf drei vierteljährige Zieler. Ist es abgemacht?«
»Monseigneur, wir verlieren fünfzigtausend Livres bei diesem Handel.«
»Ich glaube das nicht, mein Herr. Hätten Sie morgen fünfzehnmal hunderttausend Livres einzunehmen, so wären Sie in Verlegenheit. Ein Juwelier kauft kein Gut um einen solchen Preis.«
»Wir sind zu zwei, Monseigneur, mein Associé und ich.«
»Ich will es wohl glauben, doch gleichviel, und Sie werden viel bequemer die fünfmal hunderttausend Livres jedes Vierteljahr einziehen, das heißt zweimal hundert und fünfzigtausend Livres Jeder.«
»Monseigneur vergißt, daß diese Diamanten nicht uns gehören. Oh! wenn sie uns gehörten, so wären wir reich genug um uns weder um die Bezahlung, noch um die Anlage bei Eingang der Gelder zu kümmern.«
»Wem gehören sie denn?«
»Vielleicht zehn Gläubigern, denen wir diese Edelsteine im Einzelnen abgekauft haben. Wir sind den einen in Hamburg, den andern in Neapel, einem in Buenos-Ayres, zwei in Moskau schuldig. Unsere Gläubiger erwarten den Verkauf des Halsbandes, um befriedigt zu werden. Der Profit, den wir machen, ist unser einziges Eigenthum; aber ach! Monseigneur, seitdem dieses unglückliche Halsband dem Verkauf ausgesetzt ist, das heißt, seit zwei Jahren verlieren wir schon zweimal hunderttausend Livres Interesse. Beurtheilen Sie, ob wir im Vortheil sind.«
Herr von Rohan unterbrach Böhmer.
»Bei dem Allem,« sagte er, »habe ich es noch nicht gesehen, dieses Halsband.«-
»Es ist wahr, Monseigneur, hier ist es.«
Und nach allen üblichen Vorsichtsmaßregeln, legte Böhmer das kostbare Kleinod aus.
»Herrlich!« rief der Cardinal, indem er voll Liebe die Schließen berührte, die sich auf dem Halse der Königin hatten eindrücken müssen.
Als er geendigt und als seine Finger zur Genüge auf den Steinen die sympathetischen Ausflüsse, die daran hängen geblieben sein konnten, gesucht hatten, sagte er: »Abgeschlossener Handel?«
»Ja, Monseigneur, und ich gehe auf der Stelle zur Gesandtschaft, um abzusagen.«
»Ich glaubte nicht, daß es in diesem Augenblick in Paris einen Gesandten von Portugal gäbe.«
»In der That, Monseigneur, Herr von Suza befindet sich in diesem Augenblick hier.«
»Um in dieser Angelegenheit zu unterhandeln?« rief der Cardinal lachend.
»Ja, Monseigneur.«
»Oh! armer Suza! ich kenne ihn genau. Armer Suza!«
Und er verdoppelte seine Heiterkeit.
Herr Böhmer glaubte sich der Heiterkeit seines Kunden anschließen zu müssen.
Man belustigte sich lange über diesen Schmuck auf Kosten des Portugiesen.
Herr von Rohan wollte sprechen.
Böhmer hielt ihn zurück.
»Will mir Monseigneur sagen, wie er die Angelegenheiten ordnen wird? fragte er.
»Auf eine ganz natürliche Weise.«
»Der Intendant von Monseigneur?«
»Nein, Niemand außer mir; Sie werden nur mit mir zu thun haben.«
»Und wann?«
»Schon morgen.«
»Die hunderttausend Livres?«
»Ich bringe sie Ihnen morgen hierher.«
»Gut, Monseigneur. Und die Papiere?«
»Ich unterzeichne sie morgen hier.«
»Vortrefflich, Monseigneur.«
»Und da Sie ein discreter Mann sind, Herr Böhmer, so bedenken Sie, daß Sie eines der wichtigsten Geheimnisse in Händen haben.«
»Monseigneur, ich fühle es, und ich werde Ihr Vertrauen verdienen, sowie das Ihrer Majestät der Königin,« fügte er sein bei.
Herr von Rohan erröthete und ging unruhig, aber glücklich weg, wie jeder Mensch, der sich in einem Paroxismus der Leidenschaft zu Grunde richtet.
Am andern Tag wandte sich Herr Böhmer mit einer ernsthaften Miene nach dem Hotel der portugiesischen Gesandtschaft.
In dem Augenblick, wo er im Begriffe war, anzuklopfen, ließ sich Herr Beausire, der erste Secretär, Rechnungen von Herrn Ducorneau, dem Canzler, vorlegen, und Don Manoel Suza, der Gesandte, erklärte seinem Verbündeten, dem Kammerdiener, einen neuen Feldzugsplan.
Seit dem letzten Besuche von Herrn Böhmer in der Rue de la Jussienne hatte das Hotel viele Veränderungen erlitten.
Das ganze Personal, das, wie wir gesehen, aus den zwei Postchaisen ausgestiegen war, hatte sich je nach den Bedürfnissen und in den verschiedenen Attributen, die es zu versehen hatte, im Hause des Gesandten aufgepflanzt.
Man muß sagen, daß die Verbündeten, indem sie so unter sich die Rollen theilten, welche sie bewunderungswürdig gut durchführten, da sie dieselben wechseln mußten, Gelegenheit hatten, ihre Interessen selbst zu überwachen, was immer, selbst bei den peinlichsten Geschäften, ein wenig Muth gibt.
Entzückt über die Verständigkeit all dieser Leute, bewunderte Herr Ducorneau zugleich, daß der Gesandte sich wenig genug um das nationale Vorurtheil bekümmert hatte, um ein vom ersten Secretär bis zum dritten Kammerdiener herab vollständig französisches Haus anzunehmen.
Ueber diesen Punkt knüpfte er daher, als er mit Herrn von Beausire die Rechnungen machte, auch mit dem Letzteren ein Gespräch voll Lobeserhebungen auf den Chef der Gesandtschaft an.
»Sehen Sie,« sagte Beausire, »die Suza gehören nicht zu jenen eingetrockneten Portugiesen, die sich an das Leben des vierzehnten Jahrhunderts halten, wie Sie viele in unsern Provinzen sehen würden. Nein, es sind reisende Edelleute, Millionen reich, und sie wären irgendwo Könige, wenn sie die Lust dazu ankäme.«
»Doch die Lust kommt sie nicht an,« versetzte geistreich Herr Ducorneau.
»Wozu denn, Herr Kanzler? Ist man denn mit einer Anzahl von Millionen und einem fürstlichen Namen nicht so viel als ein König?«
»Oh! das sind philosophische Lehren,« erwiderte Ducorneau ganz erstaunt. »Ich erwartete solche Gleichheitsmaximen nicht aus dem Munde eines Diplomaten.«
»Wir machen eine Ausnahme,« sprach Beausire, ein wenig verblüfft über seinen Anachronismus; »ohne gerade ein Voltarianer oder ein Armenier auf Rousseau's Weise zu sein, kennt man doch seine philosophische Welt, man kennt die natürlichen Theorien der Ungleichheit der Lagen und der Kräfte.«
»Wissen Sie,« rief der Kanzler begeistert, »wissen Sie, daß es gut ist, daß Portugal nur ein kleiner Staat ist?«
»Ei! warum?«
»Weil es mit solchen Männern an seiner Spitze schnell sich vergrößern würde, mein Herr.«
»Oh! Sie schmeicheln uns, lieber Kanzler. Nein, nein, wir treiben philosophische Politik. Das ist scheinbar, aber nicht sehr practisch. Doch brechen wir hievon ab. Es sind also hundert und achttausend Livres in der Casse, sagen Sie?«
»Ja, Herr Secretär, hundert und achttausend Livres.«
»Und keine Schulden?«
»Kein Pfennig.«
»Das ist musterhaft. Ich bitte, geben Sie mir den Sortenzettel.«
»Hier ist er ... Wann soll die Vorstellung stattfinden, Herr Secretär? Ich sage Ihnen, daß dieß im Quartier ein Gegenstand der Neugierde, unerschöpflicher Commentare, beinahe der Unruhe ist.«
»Ja, man sieht von Zeit zu Zeit Leute um das Hotel schweifen, welche gerne möchten, daß die Thüre von Glas wäre.«
»Leute! ...« versetzte Beausire, »Leute aus dem Quartier?«
»Und Andere. Oh! da die Sendung des Herrn Botschafters eine geheime ist, so können Sie sich wohl denken, daß sich die Polizei rasch damit beschäftigen wird, die Motive dazu zu ergründen.«
»Ich habe das gedacht wie Sie,« erwiderte Beausire ziemlich unruhig.
»Hören Sie, Herr Secretär,« sagte Ducorneau, indem er Beausire an das Gitter eines Fensters führte, das sich gegen die abgeschnittene Mauer vor einem Pavillon des Hauses öffnete, »sehen Sie dort auf der Straße jenen Menschen in einem schmutzigen braunen Ueberrock?«
»Ja. ich sehe ihn.«
»Wie er schaut, was?«
»In der That. Was glauben Sie, daß dieser Mensch ist?«
»Was weiß ich! ... Ein Spion des Herr von Crosne.«
»Das ist wahrscheinlich.«
»Unter uns gesagt, Herr Secretär, Herr von Crosne ist kein Beamter von der Stärke des Herrn von Sartines. Haben Sie Herrn von Sartines gekannt?«
»Nein, mein Herr, nein.«
»Oh! dieser hätte Sie schon zehnmal errathen. Sie gebrauchten allerdings Vorsichtsmaßregeln ...«
Man klingelte.
»Der Herr Gesandte ruft,« sagte hastig Beausire, den das Gespräch zu beängstigen anfing.
Und er öffnete mit ganzer Kraft die Thüre und stieß mit den beiden Flügeln dieser Thüre zwei Verbündete zurück, die, der Eine mit der Feder hinter dem Ohr, der Andere mit dem Besen in der Hand, der Eine ein Dienstbote vierten Rangs, der Andere Livreebedienter, das Gespräch sehr lang fanden und daran Theil nehmen wollten, und wäre es auch nur durch den Sinn des Gehörs. Beausire dachte, er werde beargwöhnt, unb nahm sich vor, seine Wachsamkeit zu verdoppeln.
Er ging also zu dem Gesandten hinauf, nachdem er in der Dunkelheit seinen beiden Freunden und Mitbeteiligten die Hand gedrückt hatte.