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Frau von La Mothe hatte ihren Posten wieder eingenommen: sie stand als bescheidene Frau auf der Seite und war aufmerksam wie eine Frau, der man zu bleiben und zuzuhören erlaubt hat.
Die Herren Böhmer und Bossange erschienen in Galakleidern in der Audienz der Souveränin. Sie vervielfältigten ihre Verbeugungen bis zum Lehnstuhl von Marie Antoinette.
»Juweliere kommen nur hierher, um von Juwelen zu sprechen,« sagte sie plötzlich. »Sie haben es schlecht getroffen, meine Herren.«
Herr Böhmer nahm das Wort, er war der Redner der Association.
»Madame,« sprach er, »wir kommen nicht hierher, um Waaren anzubieten, denn wir müßten befürchten, unbescheiden zu sein.«
»Oh!« versetzte die Königin, die es schon bereute, zu viel Muth gezeigt zu haben. »Man kann Juwelen sehen, ohne sie zu kaufen.«
»Allerdings, Madame.« fuhr Böhmer fort, der den Faden seiner Phrase suchte, »doch wir kommen, um eine Pflicht zu erfüllen, und das hat uns ermuthigt.«
»Eine Pflicht?« versetzte die Königin erstaunt.
»Es handelt sich abermals um das schöne Halsband von Diamanten, das Eure Majestät nicht zu nehmen geruhte.«
»Ah ... gut ... das Halsband ... Hiebei sind wir also wieder!« rief die Königin lachend.
Böhmer blieb ernst.
»Es war in der That schön!« fuhr Marie Antoinette fort.
»So schön, Madame,« sagte Bossange schüchtern, »daß Eure Majestät allein würdig war, es zu tragen.«
»Was mich tröstete,« sprach Marie Antoinette mit einem leichten Seufzer, der Frau von La Mothe nicht entging, »was mich tröstete, war der Umstand, daß es anderthalb Millionen kostete; nicht wahr, Herr Böhmer?«
»Ja. Eure Majestät.«
»Und daß,« fuhr die Königin fort, »und daß es in der liebenswürdigen Zeit, in der wir leben, wo die Herzen der Völker erkaltet sind, wie die Sonne Gottes, keinen Fürsten mehr gibt, der fünfzehnmal hunderttausend Livres für ein Halsband bezahlen kann.«
»Fünfzehnmal hunderttausend Livres!« wiederholte Frau von La Mothe wie ein treues Echo.
»So daß Niemand haben wird, was ich nicht kaufen konnte, nicht kaufen durfte, meine Herren ... Sie werden mir antworten, die Stücke davon seien gut. Das ist wahr, doch ich werde Niemand um zwei oder drei Diamanten beneiden; ich würde um sechzig beneiden.«
Die Königin rieb sich die Hände mit einer Art von Befriedigung, woran das Verlangen, die Herren Böhmer und Bossange zu ärgern, einigen Theil hatte.
»Das ist es gerade, worin sich Eure Majestät irrt,« sprach Böhmer, »und dieser Art ist auch die Pflicht, die wir bei ihr zu erfüllen gekommen sind: das Halsband ist verkauft.«
»Verkauft!« rief die Königin, sich umwendend.
»Verkauft!« sagte Frau von La Mothe, der die Bewegung ihrer Beschützerin Unruhe über ihre angebliche Verleugnung einflößte.
»An wen denn?« fragte die Königin.
»Ah! Madame, das ist ein Staatsgeheimniß.«
»Ein Staatsgeheimniß! gut, wir können darüber lachen,« rief freudig Marie Antoinette. »Was man nicht sagt, das kann man oft nicht sagen, nicht wahr, Böhmer?«
»Madame ...«
»Oh! die Staatsgeheimnisse ... damit sind wir Leute vertraut. Nehmen Sie sich in Acht, Herr Böhmer, wenn Sie mir das Ihrige nicht anvertrauen, so lasse ich es Ihnen durch einen Agenten des Herrn von Crosne stehlen.«
Und sie lachte treuherzig und offenbarte unverschleiert ihre Ansicht über das vorgebliche Geheimniß, das Böhmer und Bossange abhielt, den Käufer des Halsbandes zu nennen.
»Gegen Eure Majestät benimmt man sich nicht, wie gegen andere Kunden,« erwiderte Böhmer ernst; »wir sind gekommen, um Eurer Majestät zu sagen, das Halsband sei verkauft, weil es wirklich verkauft ist, und wir mußten den Namen des Käufers verschweigen, weil der Kauf in der That geheim in Folge der Reise eines incognito abgeschickten Botschafters geschehen ist.«
Bei dem Worte Botschafter wurde die Königin von einem neuen Anfall von Heiterkeit ergriffen. Sie wandte sich gegen Frau von La Mothe um und sagte zu ihr:
»Was ich an Böhmer bewundere, ist seine Fähigkeit Alles das zu glauben, was er mir so eben gesagt hat. Ah! Böhmer, nennen Sie mir nur das Land, aus dem dieser Botschafter kommt! ... Nein, das ist zu viel!« rief sie lachend ... »Den ersten Buchstaben seines Namens, nicht mehr.«
»Es ist der Herr Gesandte von Portugal,« antwortete Böhmer, die Stimme dämpfend, als wollte er sein Geheimniß wenigstens vor den Ohren von Frau La Mothe beschützen.
Bei dieser so entschiedenen, so scharf ausgesprochenen Erwiderung hielt die Königin plötzlich inne. »Ein Gesandter von Portugal!« sagte sie, »es gibt keinen hier, Böhmer.«
»Er ist ausdrücklich gekommen, Madame.«
»Zu Ihnen ... incognito?«
»Ja, Madame.«
»Wer ist es denn?«
»Herr von Suza.«
Die Königin erwiderte nichts. Sie wiegte einen Augenblick ihren Kopf; dann sagte sie wie eine Frau, die ihren Entschluß gefaßt hat:
»Nun! desto besser für Ihre Majestät die Königin von Portugal; die Diamanten sind schön. Sprechen wir nicht mehr davon.«
»Im Gegentheil, Madame; Eure Majestät wird die Gnade haben, mir zu gestatten, daß ich davon spreche ...«
»Uns zu gestatten,« sagte Böhmer,« seinen Associé anschauend.
Bossange verbeugte sich.
»Kennen Sie diese Diamanten, Gräfin?« rief die Königin mit einem Blick auf Jeanne.
»Nein, Madame.«
»Schöne Diamanten! ... Es ist Schade, daß diese Herren sie nicht mitgebracht haben.«
»Hier sind sie,« erwiderte Böhmer voll Eifer.
Und er zog aus dem Grunde seines Hutes, den unter dem Arm trug, das kleine platte Etui, das den Schmuck enthielt.
»Sehen Sie, Gräfin, Sie sind ein Weib, das wird Sie ergötzen,« sagte die Königin.
Und sie entfernte sich ein wenig von dem Sèvres-Tischchen, auf welchem Böhmer mit Kunst das Halsband so ausgebreitet hatte, daß das Tageslicht, auf die Steine fallend, das Feuer aus einer größeren Anzahl von Facetten hervorspringen ließ.
Jeanne stieß einen Schrei der Bewunderung aus. Man konnte in der That nichts Schöneres sehen; man hätte glauben sollen, es wäre eine Zunge von Feuern, bald grün und roth, bald weiß wie das Licht selbst. Böhmer ließ das Etui Schwingungen machen und die Wunder dieser flüssigen Flamme rieseln.
»Bewunderungswürdig! bewunderungswürdig!« rief Jeanne im Wahnwitz begeisterter Bewunderung.
»Fünfzehnmal hunderttausend Livres, die in meiner hohlen Hand Platz hätten,« sprach die Königin, ein philosophisches Phlegma heuchelnd, wie Herr Rousseau von Genf unter solchen Umständen es entwickelt haben würde.
Jeanne sah aber in dieser Verachtung etwas Anderes, als die Verachtung selbst, denn sie verlor die Hoffnung nicht, die Königin zu überreden, und nach einer langen prüfenden Beschauung sagte sie:
»Der Herr Juwelier hat Recht, es gibt auf der Welt nur Eine Königin, welche würdig ist, dieses Halsband zu tragen, und das ist Eure Majestät.«
»Meine Majestät wird es aber nicht tragen,« entgegnete die Königin.
»Wir durften es nicht aus Frankreich lassen, ohne unser ganzes Bedauern Eurer Majestät zu Füßen zu legen. Es ist ein Juwel, den ganz Europa jetzt kennt. Daß in Folge der Weigerung der Königin von Frankreich irgend eine andere Fürstin sich damit schmücke, wird uns unser Nationalstolz nur dann erlauben, wenn Sie, Madame, ihn noch einmal entschieden und unwiderruflich zurückgewiesen haben.«
»Meine abschlägige Antwort ist ausgesprochen, sie ist öffentlich geworden,« sagte die Königin. »Man hat mich zu sehr gelobt, als daß ich es bereuen sollte.«
»Oh! Madame,« erwiderte Böhmer, »hat es das Volk schön gefunden, daß Eure Majestät ein Schiff einem Halsband vorzog, so würde es der Adel, der französisch ist, auch nicht befremdend gefunden haben, wenn die Königin von Frankreich ein Halsband kaufte, nachdem sie ein Schiff gekauft.«
»Sprechen wir nicht mehr hievon,« sagte Marie Antoinette, indem sie einen letzten Blick auf das Etui warf. Jeanne seufzte, um den Seufzer der Königin zu unterstützen.
»Ah! Sie seufzen, Gräfin! Wenn Sie an meiner Stelle wären, würden Sie es machen wie ich.«
»Ich weiß nicht,« murmelte Jeanne.
»Haben Sie wohl angeschaut?« fragte die Königin hastig.
»Ich würde immer anschauen, Madame.«
»Lassen Sie diese Neugierige, meine Herren, sie bewundert. Das benimmt den Diamanten nichts: sie sind leider immer fünfzehnmal hunderttausend Livres werth.«
Das Wort leider schien der Gräfin eine günstige Gelegenheit.
Die Königin bedauerte, folglich hatte sie Lust gehabt. Hatte sie Lust gehabt, so mußte sie noch ein Verlangen tragen, da sie nicht befriedigt worden.
»Fünfzehnmal hunderttausend Livres, die an Ihrem Halse allen Frauen, und wären sie Cleopatra, wären sie Venus, den tödtlichsten Neid einflößen würden.«
Und sie nahm das königliche Halsband aus dem Etui und befestigte es so geschickt, so zauberhaft auf der Atlashaut von Marie Antoinette, daß diese sich in einem Augenblick von Phosphor und einem Schimmer von allen Farben des Regenbogens überströmt fand.
Marie Antoinette näherte sich rasch dem Spiegel: sie blendete.
Ihr Hals, so geschmeidig und zart wie der von Johanna Gray, dieser Hals, so zierlich wie ein Lilienstengel, bestimmt, wie die Blumen Virgils unter dem Eisen zu fallen, erhob sich anmuthig, umgeben von seinen goldenen, gekräuselten Locken aus dem Schooße dieser leuchtenden Woge.
Jeanne hatte es gewagt, die Schultern der Königin zu entblößen, so daß-die letzten Reihen des Halsbandes auf ihre perlmutterartige Brust fielen. Die Königin war strahlend, die Frau war herrlich. Liebende oder Unterthanen, Alles hätte sich niedergeworfen.
Marie Antoinette vergaß sich dergestalt, daß sie sich selbst bewunderte. Dann wollte sie, von Furcht ergriffen, das Halsband von ihren Schultern reißen und sprach:
»Es hat Eure Majestät berührt,« rief Böhmer, »es kann Niemand mehr anstehen.«
»Unmöglich,« entgegnete fest die Königin. »Meine Herren, ich habe ein wenig mit den Diamanten gespielt; aber es wäre ein Fehler, wenn ich das Spiel weiter fortsetzte.«
»Eure Majestät hat jede erforderliche Zeit, um sich an diesen Gedanken zu gewöhnen,« flüsterte Böhmer der Königin zu; »wir kommen morgen wieder.«
»Spät bezahlen bleibt immer bezahlen. Und dann warum spät bezahlen? Sie haben Eile. Man bezahlt Sie ohne Zweifel vortheilhafter?«
»Ja, Eure Majestät, baar,« erwiderte der Kaufmann, der wieder Kaufmann geworden.
»Nehmen Sie, nehmen Sie!« rief die Königin, »die Diamanten in das Etui! Geschwind, geschwind!«
»Eure Majestät vergißt vielleicht, daß ein solches Kleinod Geld ist, und daß in hundert Jahren das Halsband immer so viel werth sein wird, als es heute werth ist.«
»Geben Sie mir fünfzehnmal hunderttausend Livres, Gräfin, und wir werden sehen,« sagte die Königin mit einem gezwungenen Lächeln.
»Wenn ich sie hätte!« rief Jeanne, »oh! ...«
Sie schwieg; die langen Sätze haben oft nicht den Werth eines glücklichen Schweigens.
Böhmer und Bossange mochten immerhin eine Viertelstunde brauchen, um ihre Diamanten einzulegen und zu verschließen, die Königin rührte sich nicht.
Man sah an ihrer gezwungenen Miene, an ihrem Stillschweigen, daß der Eindruck lebhaft, der Kampf peinlich gewesen.
Ihrer Gewohnheit gemäß, wenn sie ärgerlich war, streckte sie die Hand nach einem Buche aus und blätterte ein wenig darin, ohne zu lesen.
Die Juweliere nahmen Abschied und fragten noch einmal:
»Eure Majestät hat es ausgeschlagen?«
»Ja ... und abermals ja,« seufzte die Königin, die dießmal für Jedermann seufzte.
Sie entfernten sich.
Jeanne sah, daß der Fuß von Marie Antoinette sich über dem Sammetpolster, auf dem noch sein Eindruck bezeichnet war, bewegte.
»Sie leidet,« dachte die unbewegliche Gräfin.
Plötzlich stand die Königin auf und ging einmal im Zimmer auf und ab, dann blieb sie vor Jeanne, deren Blick sie blendete, stehen und sprach:
»Gräfin, es scheint, der König kommt nicht mehr. Unsere kleine Bittschrift ist auf eine nächste Audienz verschoben.«
Jeanne verneigte sich ehrerbietig und wich bis zur Thüre zurück.
»Doch ich werde an Sie denken,« fügte die Königin wohlwollend bei.
Jeanne drückte ihre Lippen auf die Hand der Königin, als ob sie ihr Herz darauf legte, ging hinaus und ließ Marie Antoinette ganz belagert und bestürmt von Verdruß und Schwindel zurück.
»Der Verdruß der Ohnmacht, der Schwindel des Verlangens,« sagte Jeanne zu sich selbst. »Und sie ist Königin! Oh! nein, sie ist Weib!«