Annette von Droste-Hülshoff, Levin Schücking
Briefe von Annette von Droste-Hülshoff und Levin Schücking
Annette von Droste-Hülshoff, Levin Schücking

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Rüschhaus den 11ten September 1842.

Endlich ein Brief von dem kleinen Pferde! Wissen Sie, Levin, daß ich ganz zürnig war? Obwohl ich es generöser Weise, vielleicht auch mit aus Hochmuth, in meiner königlichen Brust verschlossen hielt und that, als könne ich noch gar keinen Brief erwarten. Wer hätte denken sollen, daß der Klüngelpeter von Laßberg sein Breve, dem schon bei meiner Abreise nicht viel mehr als das Couvert fehlte, erst nach Wochen vom Stapel lassen sollte! Mein Junge darf sich also nicht wundern, daß ich mich wunderte, etwas ängstete und ziemlicher Maßen erzürnte; denn eine innere Stimme sagte mir, daß er gesund wie ein Fisch und rund wie ein Kegel sei, und bloß grenzenlos faul. Ich gäbe viel darum, liebes Herz, wenn Sie grade dieses Mal so recht offen und ausführlich geschrieben hätten, ganz wie zu Ihrem Mütterchen; denn ich sitze hier seit sechs Wochen mutterseelenallein, und weder Hahn noch Huhn kräht nach den Briefen, die ich bekomme, und mich verlangte so nach einem recht langen, warmen, lieben; aber das konnten Sie freilich nicht wissen, das Erstere nämlich. Von der Mitte dieses Monats an bin ich nicht mehr allein, also schon in der Woche, die heute beginnt. Daß Briefe an mich erbrochen würden, ist fortan gar keine Gefahr mehr vorhanden, selbst wenn ich grade abwesend sein sollte; aber ich wünsche dennoch dringend sie allein zu bekommen, um nicht genöthigt zu sein, sie vorzulesen, wo man dann, noch unvertraut mit dem Inhalte, beim Übergehen so leicht ungeschickt stockt, was allerlei Fatalitäten nach sich ziehn könnte. Lassen Sie uns also, wenn es Ihrerseits möglich ist, einen regelmäßigen Briefwechsel verabreden, wo es mir dann leicht wird den Moment abzupassen; schreiben Sie den ersten jedes Monats, ich will dann jeden fünfzehnten die Antwort zur Post schicken; so fällt auch das fatale Kreuzen fort, was Einen desperat macht, wenn man so eben sein Schiff mit defekter Ladung hat absegeln lassen.

Liebes Herz, Sie werden von Elisen einen Brief erhalten haben, worin sie ihre Briefe und Portrait, so wie auch Beides von mir, zurück wünscht. Sie können sich auf mein Wort verlassen, daß diesem Wunsch Elisens keine Bitterkeit zum Grunde liegt, sondern nur eine natürliche Furcht vor dem Schwerte des Damokles, das ihr durch die Klatscherei der Bornstedt erst recht sichtbar geworden ist. Daß diese Klatscherei, die übrigens nur Wenigen bekannt war, fast in der Geburt erstickt ist, haben wir theils Schlüters zu verdanken, theils dem Umstande, daß die Bornstedt mich ganz auf dieselbe Weise angegriffen und dadurch ihrem boshaften Plane zwei Köpfe gegeben hat, die sich einander auffraßen. Ich habe übrigens Elisens Wunsch nicht angeregt, aber ihr allerdings Recht gegeben: Beides ist besser bei ihr aufgehoben. Dazu kömmt der fatale Umstand, daß Jedermann das Bild kennt; Rüdiger glaubt, es sei in Minden, ihre Eltern, es sei in Münster, und so muß sie sich damit durchlügen, was auf die Dauer gar nicht geht, sobald die beiden Parteien zusammen kommen; es liegt also Alles daran, daß sie es gelegentlich vorzeigen kann, während es doch Dein Eigenthum bleibt. Ich habe Elisen über Erwartung gut gefunden, wohl aussehend, und nicht trübsinniger, als dieses einmal in ihrer Natur liegt. Sie hat Deine Absicht vollkommen begriffen und geht mit einer Klarheit darauf ein, die ich hauptsächlich dem durch die Klatscherei der Bornstedt gewonnenen Gefühl, wie wenig sie dazu gemacht sei, der Meinung der Welt zu trotzen, zuschreibe; doch haben auch ihre religiösen Ansichten, die jetzt sehr klar und bestimmt sind, großen Antheil daran. Sie ist Dir vielleicht herzlicher zugethan als je, aber in einer andern Weise. Auch in ihrer äußern Lage hat sich Manches besser gestaltet. Sie hat das Band mit Schlüters – mit ThereschenTherese, Schwester des Professor Schlüter, die von Junkmann später als Gattin heimgeführt wurde. duzt sie sich jetzt –, mit Annchen Junkmann und Louise Delius, die jetzt mit ihr gemeinschaftlich schriftstellert, was Beiden viel Erheiterung giebt, viel enger gezogen und in Nanny Scheibler eine neue Freundin gewonnen. Sie liest viel, schreibt, wie gesagt, zuweilen kleine Aufsätze, wozu ich sie möglichst ermuntere, obwohl ihr Talent sich nicht so entwickelt, wie ich es erwartete, und vielmehr sie gleich anfangs die Grenzen ihrer Leistungen scheint erreicht zu haben, was aber immer schon ganz hübsch und hinlänglich ist, ihr eine angenehme gesellige Stellung zu sichern. Auch hat sie jetzt die Hoffnung, beide Kinder ihrer Schwester in Kost und Erziehung zu bekommen, worauf sie sich sehr freut. Daß ich ihr getreuer Pylades bin, darfst Du wohl voraussetzen; ich habe sie sehr, sehr lieb, und sie mich auch. Wir schreiben uns jede Woche, und sie wird übermorgen, schon zum drittenmal in dieser kurzen Zeit, auf mehrere Tage zu mir kommen – ich denke, der Gewinn ist auf beiden Seiten –, wir sind dann froh wie Kinder, fangen allerlei dummes Zeug an, reden fast immer von Dir, und es thut mir unsäglich wohl, anzuhören, wie heiter, herzlich und doch ganz im Gefühle ihrer jetzigen Stellung Elise von Dir spricht. Darüber, daß Du mir auf vier Briefe nicht geantwortet, schien sie mir pikirter, als sie es sich gegen mich wollte dünken lassen, und vielmehr behauptete, es müsse ein Brief verloren gegangen sein; ich dagegen machte auch bonne mine à mauvais jeu und sagte, Du seist bloß ein fauler Schlingel, obwohl mir innerlich schlecht genug dabei zu Muthe war. Zu Deiner Rechtfertigung habe ich ihr nun, nebst dem Gelde, den ganzen Brief geschickt, sie aufmerksam darauf gemacht, daß Laßbergs Brief mit meiner Aufforderung an Dich statt vor sechs Wochen erst jetzt eingelaufen, einige Reue über eine Pikirtheit, die ich wohl nicht ganz verbergen können, geäußert, schließlich alle Deine Aufträge, nach denen sie nur die Hand auszustrecken braucht, da Junkmann in Münster ist, ich aber meine armen Füße durch Regen und Koth treiben müßte, bei ihr nieder gelegt und erwarte nun stündlich die Antwort. Du wunderst Dich wohl, daß ich auch mein Bild und Briefe zurückverlangt habe? Mein gutes Herz, das habe ich bloß aus Rücksicht für Elisen gethan; mich dünkte, es war ein Opfer, was ich ihrem Selbstgefühl schuldig war, um der Sache so ganz das trübe Ansehn eines Austausches alter Liebespfänder zu nehmen. Zum Glücke ist jetzt von ihr selbst die Idee ausgegangen, daß dieses ja gar nicht nöthig sei, und sie ist in ihrem letzten Briefe ganz der Meinung, daß ich Dir mein Portrait doch ja lassen solle; ich brauche Dir nicht zu sagen, wie angenehm mir dieses zu lesen war, und mit wie betrübtem Herzen ich es würde haben wieder anrücken sehn. Mit den Briefen ist es ein Andres; manche sind gefährlich für Elisen, und diese müssen durchaus aus der Welt – auch dieser Brief darf das Leben nicht behalten; deshalb lasse ich mich auch so ruhig gehn mit dem lieben alten Du, dem es mir recht schwer wird fortan zu entsagen. – Wenn ich sicher wüßte, daß Du Deine Faulheit so weit bezwingen könntest, sie alle, d. h. die meinigen, gewissenhaft wieder durchzulesen und nebst jenen, worin von Elisen die Rede ist, noch alle zu verbrennen, worin ich Dich duze, oder die sonst Mißverständnisse und Spöttereien über mich schütten könnten, so wollte ich Dir die andern gern lassen. Aber das kannst Du nicht, Du kannst keine alten Briefe lesen, das geht gegen Deine Natur; darum sind sie Dir auch zu nichts nütze. Wenn die vor-Meersburglichen aber noch in Münster sind, und Du auf Elisens Vorschlag, daß wir, mit einem Passe von Dir versehn, hingehn und Jeder das Seinige zu sich nehmen soll, eingehst, so kann ich nach geschehener Auswahl Dir den Rest ja zuschicken, wenn Du es wünschest, obwohl Du noch neue Briefe genug von mir bekommen wirst. NB. Richte Deine Briefe von jetzt an doch so ein, daß ich sie, wenigstens zuweilen, Elisen zeigen kann; es wird Dir nicht schwer werden, denn da sie einerseits Dein volles Vertrauen besitzt und anderseits wohl weiß, wie lieb Du mich hast, so kannst Du Dich ja fast ganz gehn lassen, und willst Du mir ein Extrablatt einlegen, nun, so läugne ich nicht, daß dies mir um so lieber ist, und ich es wohl eher lesen werde als alles Übrige. Mein altes Kind! mein liebes, liebstes Herz! Ich denke in meiner Einsamkeit alle Tage wohl zehnmal an Dich und wette, Du Schlingel denkst alle zehn Tage kaum einmal an mich; darum mag ich es Dir auch gar nicht sagen, wie lieb ich Dich habe, denn »Spiegelberg, ich kenne Dir!« Ich bin zwar eine unvergleichliche Person, und Rüschhaus ist ein höchst grandioses Schloß, aber die zuletzt aus dem Nile gestiegenen Kühe Pharaonis fraßen auch die alten auf, so hundsmager und schäbicht sie selbst waren, und so schön fett und gleißend die andern. Und NB. was stellt das für, daß Du behauptest, gar kein Material zu haben? Wo sind denn diejenigen glänzenden, poetischen, gediegenen, mit (Gesichts-) Schmerzen gebornen »jüngsten Kinder meiner Laune«, die ich Dir in meinem letzten Briefe von Meersburg gesendet? Heißt es hier wirklich: parturiunt montes, nascetur ridiculus mus? zu Deutsch: kannst Du wirklich ganz und gar nichts davon brauchen? Mich dünkt, es kamen doch eine Masse schöner Gebräuche darin vor, die es nicht verdienten, so ganz für die Hunde zu gehn; wirklich, konntest Du nicht wenigstens Einiges umarbeiten? Sag' es mir nur frei heraus; Du weißt, ich hülle mich dann in meine Größe und tröste mich mit Deinem schlechten Geschmacke. Wegen meines Onkels August kann ich nichts sagen, bis ich durch Mama erfahre, wo er steckt; ob noch in Berlin, berauscht von der neuen Gnade und bis über die Ohren in Acten, in welchem Falle nichts von ihm zu hoffen ist, oder ob für kurze Zeit in Abbenburg, wo er dann ebenfalls nur Geschäfte halber und zu Extraarbeiten weder fähig noch lustig sein wird, aber vielleicht aus früherer Zeit noch halb ausgearbeitetes Material vorräthig haben könnte, wie Du es eben brauchst. In diesem Falle – wenn er in Abbenburg ist – will ich ihm selbst sogleich schreiben, da er gewiß nicht lange bleibt, und hoffe ihm mit Hülfe Deines Briefes und Erläuterung des Zwecks der ganzen Schrift Deine Wünsche schon begreiflich zu machen.

Da kömmt soeben Hermann mit Elisens Antwort. Das ist schlimm. Sie will, daß ich nichts von Zurückgabe ihres Bildes schreibe – ein Zeichen, daß sie also auch nichts davon geschrieben –, sondern bloß von den Briefen, und ich kann doch mein langes Sendschreiben deshalb nicht zerreißen; thue also, als wüßtest Du nichts davon. Nach meiner Meinung ist das Bild zwar geeignet, nicht den größten, aber wohl den nächsten Verdruß herbeizuführen; indessen – wie sie will! Übrigens zeugt es freilich nicht so entschieden wie Briefe, besonders wenn es nicht gleicht. Es scheint, sie fürchte, Dich mit diesem Wunsche, obschon die Gründe dazu auf der Hand liegen und durchaus nichts Kränkendes haben, doch zu beleidigen.. Ich soll Dich auch fragen, ob Du den Brief quaestionis, vom 5ten September, dem sie einen hübschen Thomas a Kempis als Namenstagsgeschenk hinzugefügt, auch erhalten hättest. Man hatte Annchen Junkmann, die ihn zur Post gebracht, dort das Überkommen der Entfernung halber als sehr bedenklich vorgestellt; schöne Posten! Ferner soll ich Dir ausdrücklich sagen, daß sie nie einen Augenblick daran gezweifelt, daß Du Deine guten Gründe zu dem langen Stillschweigen gegen mich gehabt; ich sei ihr dieses wahrlich schuldig, zur Rechtfertigung einiger Stellen ihres Briefes, die sie unter meinem zweifelsüchtigen Einflusse geschrieben; sie freue sich jetzt doppelt, daß sie noch ein herzliches Blättchen über meine Sorge um Deinen Kahlkopf und unser letztes Zusammensein in Rüschhaus hinzugefügt habe. Ferner: Rüdiger würde gern Statistisches beitragen, – Anderes schwerlich, – verreise aber morgen auf acht Tage, könne also nicht sogleich; an Hüffer möchtest Du doch ein paar Worte schreiben, der würde sich dadurch grenzenlos geschmeichelt fühlen und könnte Dir gewiß die pikantesten Details geben; ferner: mit Junkmann wolle sie reden, die Bücher für Dich seien soeben angekommen, und sie werde sie übermorgen mit hieher bringen; und endlich: sie habe wegen Paulinen an Antonie Ziegler geschrieben, die ihr, da sie katholisch sei, in Frankreich vielleicht eine gute Stelle verschaffen könne. Und jetzt bin ich müde, als ob ich gedroschen hätte; es ist auch elf Uhr vorüber. Gute Nacht, mein liebstes Herz, Gott segne Dich.

Den 12ten. Guten Morgen, Levin, es regnet draußen, in mir aber ist heller Sonnenschein, weil ich bei Dir bin und Dein gutes Affengesicht mir so recht vor Augen tritt. NB. Dein Portrait ist mir doch jetzt von großem Werthe, und ich gäbe es um Vieles nicht hin, obwohl Du mich ansturst wie ein grimmiger Leu, daß ich immer sagen möchte: friß mich nicht, kleines Pferd! Um jetzt auch mal auf mich selbst zu kommen: es geht mir denn so leidlich; von meinen Gesichtsschmerzen bin ich, Gottlob, total geheilt, durch eine wahrhaft wunderbar wirkende Salbe, die mir ein altes Laienschwesterchen in Meersburg gegeben. Aber übrigens ist mir doch zuweilen hundsschlecht, und ich kann des Climas noch ganz und gar nicht gewöhnen, obwohl ich alle Tage renne wie ein Postbote, immer den Weg durch die Haide entlang, bis zu dem Schlagbaum, wo ich Dich zuerst konnte kommen sehn, – ich denke doch auch jedesmal daran! – was zusammen anderthalb Stunde macht, siebenmal auf und nieder nämlich; dennoch ist mir häufig übel, schwindlig, ohrensauserig, und auch zuweilen beklemmt; doch ists schon etwas besser geworden, und ich habe es für den Anfang gar nicht anders erwartet.

Zu meinem Gedichten ist noch manches recht Gelungene hinzugekommen, und die Pastete bald gar. Dann habe ich aber einen Plan damit, den ich Dir nur im Vertrauen mittheile, und über den ich voraussehe, sehr ausgeschumpfen zu werden. Liebes Herz, die arme – freilich nicht besonders schätzbare – Bornstedt ist sehr, sehr unglücklich, von Jedermann verlassen, in eine Melancholie versunken, daß man allgemein für ihren Verstand fürchtet, von ihrem Liebhaber fortwährend schändlich betrogen und geplündert – während man in ihrem jetzigen Zustande es nicht wagen darf, eine Aufklärung herbeizuführen – und gewiß in großer Geldnoth, vielleicht hungernd, obwohl sie alle dergleichen Andeutungen mit stolzer Empörung zurückweist; aber sie hat keine einzige Stunde mehr. Nähern werde ich mich ihr nie wieder, aber ich müßte ein Stein sein, um kein Mitleid zu fühlen. Zum letzten Mittel, dem Erwerb durch Schriftstellerei, ist sie jetzt auch unfähig, obwohl sie sich noch einmal zusammen gerafft und bei Anwesenheit des Königs ins Unterhaltungsblatt ein gar nicht schlechtes Lobgedicht hat rücken lassen, auf das sie die glänzendsten Luftschlösser von Gnade, Pension &c. baute, was ihr aber nichts eingebracht hat als Spott und einen dummen, unverdienten Ekelnamen vom Publikum. Nun hat sie sich, gewiß mehr aus Noth als Eitelkeit, an Velhagen und Klasing um eine zweite Auflage ihrer »Pilgerklänge« gewendet – durch Nanny Scheibler – und die furchtbar demüthigende Antwort erhalten, »daß er dieses nicht anders übernehmen könnte, als wenn sie ein Empfehlungsschreiben von mir beibrächte.« (Ich bitte Dich, Levin, sei jetzt nicht malitiös, sondern setz Dich einmal in ihre Lage und was sie leiden muß.) Nanny hat ihr dieses getreulich wieder gesagt, und es versteht sich, daß die Bornstedt lieber erfriert und verhungert, als mir darum ankömmt. Was meinst Du nun, liebes Herz, – Du bist doch, Gottlob, auch einer von denen, die den glimmenden Docht nicht verlöschen und das geknickte Rohr nicht zerbrechen, – soll ich nicht, unter Forderung der strengsten Verschwiegenheit, Velhagen meine Gedichte umsonst anbieten, falls er der Bornstedt ein ordentliches Honorar zukommen läßt, ohne ihr den Grund anzugeben? Da mir dieses Rettungsmittel einmal eingefallen ist, glaube ich es, nach meinem Gewissen, nicht zurückweisen zu dürfen und gewissermaßen verantwortlich zu sein für Alles, was aus einem Übermaß von Bedrängniß entstehn könnte. Elise und Schlüter, in deren Gegenwart mir der Einfall kam, wissen darum und billigen ihn, haben aber die gewissenhafteste Verschweigung gelobt und auch so nöthig gefunden, daß Elise meint, ich dürfe selbst Dir nicht sagen; das geht aber nicht anders, da Du die Sache unter Händen hast, und ich bitte Dich nur dringend, Dich gegen sie nichts merken zu lassen. Velhagen scheint, seinem Briefe nach, zwar mir selbst nichts geben zu wollen, Cotta giebt mir aber gewiß nichts, und von Velhagen denke ich, er wird sich schon dazu herbeilassen; denn aus bloßer Liebe zur Litteratur verlangt kein Buchhändler so demüthig einen Verlag. Wenigstens kann ich es versuchen, und weigert er sich, dann immer noch zu Cotta übergehn; ich brauche ja Velhagen auch nur die erste Auflage zu überlassen, und jedenfalls wird mein Buch über Westphalen schnell nachfolgen, was dann Cotta bekommen kann. Ruf, oder wie Du es lieber nennst, Ruhm, bekomme ich doch, dessen bin ich jetzt sicher; denn ich habe ihn schon zum Theil, Dank dem von mir so verachteten Morgenblatt, und es ist mir seit Deiner Abreise in dieser Hinsicht viel Angenehmes passirt. Daß Wessenberg nach Meersburg gekommen ist, eigens meinetwegen, wie er selbst an Laßberg schrieb, habe ich Dir schon früher gesagt, aber auch Bothe, der bekannte Herausgeber der Klassiker, hat einen förmlich exaltirten Brief an Laßberg geschrieben, worin es fortwährend heißt: diese objective Anschaulichkeit, diese Naivetät und Innigkeit, diese Kraft der Sprache, diese Lebendigkeit der Darstellung, fern von aller Manier &c.; doch ich fürchte Dir auch dieses schon einmal abgeschrieben zu haben. Was Du aber sicher noch nicht weißt, da ich Dir seitdem noch nicht geschrieben, ist, daß, wie ich in Münster gehört, eine Kritik über meine Judenbuche in der »Revue« stehn soll, wo sie dem Besten, was Immermann in seinem Münchhausen geleistet, an die Seite gestellt wird; selber gelesen habe ich sie nicht. (Sie ist doch nicht am Ende von meinem kleinen Jungen? Ich bin verhenkert mißtrauisch in solchen Dingen.) Ferner hat mich auch Pfeiffer in Stuttgart aufgesucht, nachdem er sich vorher durch Schott die Erlaubniß dazu erbeten, und Simrock, mein alter Feind, hat mir nun vollends die unerwartetere Ehre angethan, indem er, während meiner Anwesenheit in Bonn verreist und erst am Vorabend meiner Abreise zurückkommend, mir durch seine Frau schreiben ließ, »daß er so dringend wünsche, meine Bekanntschaft zu machen, daß, falls ich mit dem frühesten Dampfboot reise, er, obwohl er schon am Abend wieder in Coblenz sein müsse, mich doch bis Düsseldorf begleiten wolle.« Ich mußte dies ablehnen und ging statt dessen gleich zu Simrocks, wo ich Ursache hatte, mit meiner Aufnahme vollkommen zufrieden zu sein, und Simrock mir, als auf meine Judenbuche die Rede kam, und ich sagte, sie sei nur ein Bruchstück eines größeren Werks, dessen Inhalt ich andeutete, äußerte, – wie es schien, mit großem Ernste – er sei überzeugt, daß ich in diesem Genre das Beste leisten würde, was sich nur leisten ließ. Ich muß Dich aber ernstlich bitten, nichts hierüber an Freiligrath zu schreiben; Du würdest mich doch ungern lächerlich machen? Und dies Ausposaunen einzelner Schmeicheleien müßte mir nothwendig einen miserabeln, kleinlichen Anstrich bei ihm geben und könnte auch Simrock verdrießen und seine alte Aversion wieder herbeiführen. Aber kurz, Du siehst, liebes Herz, daß ich Cottas wenigstens nicht so dringend und augenblicklich bedarf, um in ein gutes Gleis zu kommen, und die Bornstedt das Nachschieben jetzt unendlich nöthiger hat. Selbst der Narr FralingFraling, ein in Münster lebender Journalist. Mit seinen Versuchen in der Literatur hatte er ebenso wenig Glück wie mit einem von ihm konstruirten Perpetuum mobile und einem nach seinem Plane gebauten Schiffe, das sofort verunglückte. als es auf der Ems auslaufen sollte. hat, wie ein rechter Esel, der verscheidenden – zwar nicht Löwin – noch einen Nackenschlag gegeben und in ich weiß nicht welchem Blatte den armen hochmüthigen Wurm so arg zertreten als mich hervorgehoben; das Beste ist noch, daß er sie »die schöne (groß gedruckt) F. v. Bornstedt, mit ihrem hochadligen Schwanenhalse« nennt – freilich eine bittre, furchtbar gemeine Ironie, von der Elise und Schlüter meinen, daß sie der Bornstedt eben das Härteste sein müsse; ich aber bin überzeugt, daß sie es à la pied de lettre nimmt und daraus noch einigen Trost saugt.

Nun muß ich Dir noch sagen, daß Simrock mit mir über Freiligrath sprach, dessen Umständen mit der kleinen Pension noch lange nicht aufgeholfen sei, und ob Du ihn nicht irgendwo empfehlen könntest; Simrock meint, als Hofmeister. Kenntnisse besitze er hinlänglich und sei übrigens jetzt sehr verändert und von den wilden Ranken gesäubert. Ich machte ihn aufmerksam darauf, daß dieses nicht hinlänglich sei, und ein Hofmeister gradezu vorleuchten müsse durch musterhafte Ordnung, musterhafte Sitten, Consequenz &c., und endlich ein feines, höchst taktvolles Benehmen unerläßlich sei. Simrock schien es hierbei etwas gelb und grün vor den Augen zu werden, doch meinte er, Manches hiervon habe sich bereits durch den Umgang mit der Frau eingefunden, die ihm auch immer hülfreich und überwachend zur Seite stehn würde, und – der Hauptgrund blieb, daß die Sache sehr erwünscht wäre. Lieber Levin, der arme Freiligrath dauert mich selber, Du kennst ihn durch und durch: kannst Du ihm mit Ehre und gutem Gewissen anhelfen, so brauche ich Dich gewiß nicht dazu anzutreiben; aber gieb Dich nicht ans Recommandiren ins Zeug hinein; bedenk, daß Deine eigne Stellung noch sehr unsicher ist, und Du diese und Dich selbst arg compromittiren könntest, ohne dem Freiligrath dauernd zu nützen, wenn Du ihn unter eine Bürde schöbst, die vielleicht durchaus nicht für seine Schultern gemacht ist. Du würdest als thöricht und unzuverlässig erscheinen – grade in Deiner Stellung zwei fatale Voraussetzungen –, und Freiligrath würde, einmal als unbrauchbar fortgeschickt, es auch nachher weit schwerer finden, irgendwo unter zu kommen. Nicht wahr, da ist Dein Mütterchen wieder recht im Zuge? Aber wozu wäre sie auch sonst da, als, wie es alten Leuten zukömmt, zu moralisiren und die Erfahrungen ihrer schönen langen Jahre für das junge Volk in Münze auszuprägen. Bist Du nicht mein kleiner Junge? Und hast Du nicht zwei Schächtelchen mit Münzen und Salzen für mich zusammen gespart? Gutes, gutes, liebes Herz! Du glaubst nicht, wie mich dieses gerührt und in dem Glauben an Deine treue Anhänglichkeit und Erinnerung gestärkt hat. Ich habe auch allerlei für Dich, Du wirst schon sehn; jetzt kriegst Du's noch nicht, aber etwas später.

Laß mich doch etwas von Vater hören! Paulinchen schreibe ich, sobald ich wieder Geld habe, um ihr das bewußte Foulardtuch zu kaufen; ich habe noch genug bei Werner zu fordern, kann es aber nicht sogleich kriegen.


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