Annette von Droste-Hülshoff, Levin Schücking
Briefe von Annette von Droste-Hülshoff und Levin Schücking
Annette von Droste-Hülshoff, Levin Schücking

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Wohl ebenfalls aus dem Frühjahr 1841.

Liebes, liebes Mütterchen, um Gotteswillen, plagen Sie sich so nicht, das muß ich Ihnen noch heute sagen und hoffe, daß Sie diese Zeilen morgen früh bekommen. Mit dem, was Sie mir aufschreiben wollen, hat's jedenfalls Zeit bis Sie Zeit haben, ich bin bange, Sie machen sich krank mit Ihrem nächtlichen Arbeiten, und das könnte ich mir nie vergeben, wenn ich mit Schuld daran wäre. Schreiben Sie mir, wenn Sie so viel zu thun habend nur die eine Linie, daß Sie mich noch lieb haben, und wenn Sie sich erholen, an mich zuweilen denken, aber plagen dürfen Sie sich so nicht mehr!

Ich schicke Ihnen hier Nr. 4 und 5 von den Heften des Malerischen und romantischen. Bitte, lesen Sie jetzt es durch; um die vielen Abschweifungen darin schelten Sie mich nicht, ich bereue sie jetzt schon. – Adieu Mütterchen, es ist bald halbzwei, ich muß zu Tisch.

Ihr treues Pferd.

Sonntag Morgen, oder Nachmittag vielmehr.

Montag Abends.

Daß ich auch Alles von Ihnen erben muß, mein liebes Mütterchen, sogar jetzt auch das Briefschreiben! Sechs Briefe müssen noch morgen fertig werden, aber ich mache sie freilich nicht so ausführlich, wie Sie es thun, und komme deshalb schon eher durch. Sie sind auch so gar schlimm daran mit den kleinen Schriftzügen, die freilich Ihrer elfenhaft kleinen Hand schon adäquat sind, aber Sie zwingen unendlich viel mehr als andre Leute zu schreiben, daß es wie ein ordentlicher Brief aussieht.

Es thut mir so leid, daß dieser Brief am Sonntag zu spät nach Ahlers kam; ich habe das Packet wieder aufgebrochen, und da also meine Abmahnung vom Schreiben zu spät kommt, schwanke ich zwischen der Befürchtung, Sie seien so fortgefahren, sich zu quälen und das um meinetwillen, der Hoffnung, Sie haben's mit der Ungeduld gekriegt und Papier und Feder fortgeworfen, um sich zu verschnaufen (schöner Ausdruck für so'n Elfenmütterchen!) und dem leisen, frohen Erwarten, daß ich morgen doch wenigstens eine Zeile noch von Ihnen als Begleitung vom Manuscript bekomme. So mischt sich der egotism, wie die Engländer sagen, in unsre gentlest sensations, aber ich hoffe, diesmal waschen Sie mir den Kopf nicht so wieder über das Geständniß, wie in Ihrem letzten Briefe mit der ätzenden savon à la August Wilh. von Schlegel. Das ist doch ein Kopfwaschen gar zu schreckhaft, und es hat mir lebhaft frühere Samstagabende zurückgerufen, wo Mutter uns waschen ließ und wusch, daß Einem Hören und Sehen verging; dann wurde Einem die ganze Wochenladung von Staub und Schmutz »abgeschwemmset«, und schon am Mittwoch stieg dämmernd eine trübe Ahnung in uns auf bei dem Gedanken an das Ende der Woche, am Donnerstag verdüsterte sie sich, am Freitag wurde man unruhig, der Samstag wurde hingebracht mit Plänen, wie sich einmal die Sache noch auf acht Tage vertagen ließ, aber das ging nur selten durch, – es war aber auch 'ne Wonne, wenn man nun geschwemmset war und im Bette sich dehnen konnte, daß die weidengeflochtenen Korbwände krachten. Es war doch 'ne Lust, als man noch ein Kind war und im Bette lag! – Abends wurde bei uns vorgelesen aus W. Scott meist, dann setzten wir uns an den Ofen oder Kaminfeuer und hörten erzählen von der alten Klosterherrlichkeit von »Märrjenfeld« und Liesborn, oder von der Wahl von Victor Anton. Ich kann Ihnen nicht beschreiben, wie unendlich genußreich diese kurze Zeit für mich gewesen ist, wenn wir vor dem Zubettgehen uns erst die Füße wärmen durften und unterdeß hörten, wie der Domprobst vom Apostelgange den neuen Fürsten proclamirt, wie dann der gedrängt volle Dom von Vivatjauchzen erschollen, wie die Kanonen von allen Wällen gedonnert und eine Reihe auf dem Domplatz aufgestellter Estafetten die Kunde in alle Ämter zu bringen, auseinandergesprengt seien. Ich habe nur einmal wieder etwas Ähnliches empfunden: es war zu Mannheim, als Eßlair den Wallenstein spielte, aber kein Glanz, keine Hoheit, die moderner Zeit angehört, kann mir das träumerische Hangen an früherer Reichs- und Stiftsherrlichkeit verdrängen, und Alles was dahin gehört . . . .


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