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5. Unzureichende Sicherungen

Dieser Abschnitt richtet sich gegen die allzuleicht Überzeugten, wie sie zumal in den Kreisen der gläubigen Spiritisten zu finden sind.

Nur wenn ein Medium in flagranti, also beim Betrug nachweislich ertappt worden sei, dürfe Unechtheit des Phänomens behauptet werden, hört man da wohl sagen; das sei z. B. bei den Berliner Versuchen mit Valiantine nicht der Fall gewesen – (weil nämlich ehrenwörtlich versprochen war einen Versuch des Ertappens in flagranti, etwa durch plötzliche Belichtung, zu unterlassen).

Das Bestehen auf dem Ertappen in flagranti ist nun aber ganz offenkundig nicht notwendig, um Unechtheit zu behaupten. Es gibt das, was man Indizien nennt; jedes Gericht, jede wissenschaftliche Untersuchung auf normalem Gebiet arbeitet damit. Das aber heißt hier: es gilt der Satz, daß mit sehr hoher, praktisch zureichender Wahrscheinlichkeit auf Unehrlichkeit, bewußter oder unbewußter Art, geschlossen werden könne, wenn Umstände solcher Art beim Versuche vorliegen, welche gerade dann zu erwarten sind, wenn betrogen werden soll, und welche trotz ausdrücklichen Wunsches auf Abstellung nicht abgestellt werden. Solche Umstände heißen »Verdachtsmomente« und können sehr stark sein, zumal wenn sie sich summieren.

Natürlich gibt es hier sehr viele verschiedene Grade des »Verdachtes«, angefangen mit der bloßen Bedenklichkeit gegen Echtheit, weil eben doch eine Lücke in der Versuchsanordnung war, durch welche Betrug eingeschlüpft sein könnte, und endigend mit der Überzeugung: hier ist mit höchster Wahrscheinlichkeit betrogen worden.

Schon die Dunkelheit, das geforderte Singen bei physischen Beobachtungen gehören hierher; besser jedenfalls, es wäre anders. Viel schwerer wiegen aber bestimmte Einzelheiten: daß man die Füße »nicht vorstrecken dürfe«, daß das Anbringen von Leuchtnadeln oder -binden gerade an kritischen Stellen »verboten« wird und anderes mehr. Wenn solches »die Geister« verbieten, wird man mit Recht sehr mißtrauisch; häuft es sich, so wird man restlos negativ überzeugt. Und dasselbe wird sich mit Recht ereignen, falls ein »Medium« körperliche Untersuchung bei sich nicht zuläßt.

Gewiß, wir kennen sehr wenig über die Bedingungen parapsychischer Geschehnisse. In manchem mögen die »Geister« recht haben, so z. B. wenn sie verlangen, daß das Medium ruhigen Gemüts sein müsse, nicht von vornherein als Betrüger angesehen, nicht höhnisch behandelt werden dürfe und dergleichen mehr. Ein Dichter könnte wohl auch nicht dichten bei Anwesenheit einer »Kommission«, die ihn dauernd überwacht und prüft, ob er nicht etwa alles aus einem wenig bekannten, schon vorhandenen Werke abschreibt; wenn er unter solchen Umständen nicht »dichten« kann, so heißt das gewiß nicht, daß er sonst abgeschrieben hat.

Aber solche Dinge haben ihre Grenzen, und man wird zumal dann mißtrauisch, wenn gewisse »Medien« als unerläßlich verlangen oder nicht zulassen, was bei anderen sehr erfolgreichen und ehrlichen nicht verlangt oder zugelassen wird.

Ferner ist, zumal in jüngster Zeit, von den Gläubigen gesagt worden, nur »erfahrene Parapsychologen« dürften in Sitzungen zugelassen werden; wenn irgendein »unerfahrener junger Mann« sich negativ äußere, so besage das nichts. Ein »Medienverband« solle solche junge Leute überhaupt ausschließen.

Was heißt denn hier »erfahrener Parapsychologe«? Praktisch steht, wie mir scheint, das Wort »erfahren« hier immer für »gläubig«. Es kommt nun aber doch im Grunde sehr wenig auf »Erfahrung« an – ja sie kann geradezu in gefährlicher Weise ein Gewöhntsein an das bei den »Medien« nun einmal Übliche bedeuten. Viel mehr bedeutet jedenfalls die Fähigkeit, Situationen rasch zu überblicken, und scharfe Kritik, und mir scheint, daß beides gerade in parapsychischen Dingen »unerfahrene junge Leute« oft besitzen. Wenn man da, einem solchen »jungen Mann« gegenüber sagt, er wisse eben nicht, daß zum Beispiel gerade bei diesem Medium die Füße ja doch nicht vorgestreckt werden dürften, solle es »gute Phänomene« geben, so setzt man das als tatsächlich voraus, was ja gerade erwiesen werden soll, nämlich daß die Phänomene »gut« sind.

Die Überzeugten wenden sich auch gerne gegen die sogenannte Überschätzung des Experiments.

Nun haben wir selbst gesagt, daß das Experiment im eigentlichen engen Sinne nicht immer notwendig, ja, daß es oft durch die Natur der Dinge ausgeschlossen sei. Erwartende Beobachtung unter sehr scharfen Sicherungen, bei Spontantelepathie sogar schlichte Beobachtung, kann sehr wohl Positives ergeben. Aber darum bleibt das eigentliche Experiment doch immer das höchste Forschungsmittel, und scharfe Polemik dagegen erweckt stets den, sicherlich wenig beabsichtigten, Eindruck, als fürchte der, welcher es angreift, unliebsame Enthüllungen, die seinen »Glauben« stören könnten.

Spontanbeobachtung bedeutet natürlich, von echter Telepathie abgesehen, stets nur ganz und gar Vorläufiges; wie wir das ja ausgeführt haben.


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