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2. Täuschungsmöglichkeiten im Bereich spontaner Beobachtung

Wir beschäftigen uns an erster Stelle mit den Sicherungen gegen bewußte und unterbewußte Täuschung bei spontaner Beobachtung von Geschehnissen, die für parapsychisch ausgegeben werden.

Wie schon gesagt wurde, handelt es sich hier nicht um »Sicherung« im eigentlichen Sinne des Wortes; denn man kann sich nicht »sichern« in bezug auf etwas, von dem man nicht weiß, ja nicht einmal vermutet, daß es geschehen wird. Nur nachträglich könnte vielleicht die Echtheit des Ereignisses oder, besser gesagt, die Überzeugung von dieser Echtheit durch gewisse Erwägungen über die Bedingungen, unter denen das Ereignis stattfand, in höherem oder geringerem Grade gesichert werden. Es handelt sich ja eben nur um Beobachtung, das Experimentelle tritt nicht einmal in der schwachen Form der »erwartenden« Beobachtung ins Spiel.

a) Physische Phänomene

Bei spontanen, angeblich paranormalen physischen Geschehnissen, wie Telekinese, Materialisation, Phantom, Spuk, Apport, wird stets die nachträgliche Sicherungsmöglichkeit sehr gering sein. Es ist etwas berichtet worden, oder man hat es selbst gesehen oder gehört; das ist alles. Denn, wohlverstanden, es handelt sich in diesem Abschnitt ja um das, was wir »Phänomene in erster Instanz« genannt haben, es handelt sich um Geschehnisse bei ihrem erstmaligen, völlig unerwarteten Vorkommen. Wie die Dinge liegen, wenn nun auf Grund des Wissens um dieses erstmalige Vorkommen eine Wiederholung der Ereignisse »erwartet« wird, werden wir später sehen.

Man wird natürlich, wenn es sich um Berichte handelt, zunächst über die Vertrauenswürdigkeit des Berichterstatters reflektieren. Ist er ein Phantast oder ein nüchterner Mensch? Leidet er etwa an häufigen Halluzinationen? Würde das feststehen oder wäre er als Phantast, wohl gar als chronischer Lügner, allgemein bekannt, so würde man den Bericht gleich beiseiteschieben. Sonst würde man wohl »erwarten« und weiter prüfen.

Hat man selber derartiges gesehen oder gehört – (und hat selbst noch nie an Halluzinationen gelitten) –, so wird man den eigenen Seelenzustand prüfen: war man etwa erregt oder, weil es vielleicht dunkel war, ein wenig in Angst; oder war man ermüdet und in einem beinahe traumartigen Zustand?

Ist diese Art der Prüfung zugunsten der Echtheit des Phänomens oder wenigstens zugunsten der Möglichkeit seiner Echtheit ausgefallen, wobei immer eine völlige »erkenntnistheoretische« Neutralität, eine »positivistische«, alles logisch als »möglich« zulassende Einstellung vorausgesetzt wird Darüber später., so geht man an objektive Prüfungen.

Beherbergt das Spukhaus etwa Ratten? Oder ist es möglich, daß da »grober Unfug« verübt wurde, um Leute zu erschrecken, indem etwa Steine geworfen wurden? Sind, bei Telekinesen, verdächtige Drähte oder Fäden im Zimmer zu finden? War starker Wind? Konnte sich etwa aus diesem Grunde ein Vorhang, eine Gardine lebhaft und seltsam bewegen?

Sind alle diese Prüfungen ohne die Erregung von Verdachtsmomenten geblieben, so wird zu erwartender Beobachtung übergegangen. Denn klar ist, daß diese Prüfungen auch bei gutem Ausfall nur eine sehr vorläufige Überzeugung von der Echtheit der Phänomene bei einer auch nur einigermaßen »kritischen« Person hervorrufen können. Sehr seltsam wären sie ja doch angesichts unseres allgemeinen Wissens um die empirische Wirklichkeit und ihre Gesetze. Das darf, ja das muß sich auch der durchaus neutral und »positivistisch« eingestellte Beobachter sagen.

b) Mentale Phänomene

Bei mentalen Geschehnissen liegen schon für die spontane Beobachtung die Dinge etwas günstiger, weil die Reflexion über die Bedingungen, unter denen sie statthatten, viel mehr ins besondere Einzelne gehen kann.

Echte Telepathie

Wir reden zunächst von der echten Telepathie.

Es handelt sich bei echter Spontantelepathie bekanntlich darum, daß eine Person, die sonst nicht irgendwie als »Medium« bekannt ist, eines Tages aussagt oder aufschreibt, sie habe, wachend oder träumend, ein seltsames Erlebnis betreffs des Schicksals oder des seelischen Zustandes eines anderen, oft weit entfernten Menschen gehabt, habe ihn etwa, ohne von seiner Krankheit oder seiner gefährlichen Lage etwas zu ahnen In Bezug auf diesen Punkt sind die britischen Forscher besonders streng. »gesehen« oder »gehört«, als er sich in Todesangst befand, oder habe auch bloß eine dumpfe, aber sehr starke »Ahnung« davon gehabt, daß ihm etwas passiere.

Solche spontanen Erlebnisse können mit hoher Wahrscheinlichkeit unter Erfüllung der folgenden Bedingungen als echte Telepathien, das heißt als nicht auf »normalem« sinnesphysiologischem Wege erfolgte Erwerbungen eines Wissens um fremdseelische Zustände, gelten:

Erstens, wenn das Erlebnis vor seiner Bewahrheitung schriftlich niedergelegt oder vertrauenswürdigen anderen Personen mitgeteilt war, so daß eine Erinnerungstäuschung zum Positiven hin im Gefolge einer später erhaltenen Nachricht über das in Rede stehende Faktum, etwa einen Todesfall, ausgeschlossen ist. Dieser Punkt ist von den Forschern der Englischen Society for Psychical Research stets mit besonderer Sorgfalt beachtet worden Vgl. »Phantasms of the Living«, I., S. 134 ff..

Zweitens, wenn die Person, welche die seltsame Vision oder Audition oder Ahnung erlebte, das Einzigartige, besonders Eindringliche ihres Erlebnisses betont und etwa sagt, es sei »ganz anders« gewesen, als sonst irgendein Traum oder eine Ahnung während ihres bisherigen Lebens.

Drittens, wenn es der Fall wäre, daß das Erlebnis neben einer großen Zahl ähnlicher Erlebnisse seitens anderer Personen steht.

Viertens, wenn Koinzidenz besteht und zwar sowohl Terminkoinzidenz wie Inhaltskoinzidenz, d. h. wenn das Erlebnis zeitlich, mehr oder weniger genau, mit dem Faktum, das seinen Inhalt bildete, zusammenfällt, und wenn das Faktum selbst inhaltlich, so wie es war, paranormal erfaßt wurde.

Fünftens, was selbstverständlich ist, wenn die Entfernung zwischen dem »Sender« (Agenten) und dem »Empfänger« (Perzipienten) wirklich so groß ist, daß alles normale Sehen und Hören, auch bei vorhandener Überempfindlichkeit (»Hyperästhesie«) der Sinne, radikal ausgeschlossen ist.

Sind alle diese Bedingungen erfüllt, so darf das in Rede stehende Erlebnis als echt spontantelepathisch gelten. Ist auch nur eine der Bedingungen nicht erfüllt, so bleibt seine paranormale Tatsächlichkeit zweifelhaft.

Es gibt nun Geschehnisse, in denen alle von uns genannten Bedingungen erfüllt sind, und zwar gibt es sie, wie ein Blick in das Werk Phantasms of the Living und in seine Ergänzungen in den Proceedings of the S. P. R. zeigt, in großer Zahl.

Durch diesen letzten Umstand ist sofort die dritte unserer Bedingungen erfüllt: es gibt »eine große Zahl ähnlicher« Erlebnisse.

Die Mitteilung an andere vor der Verifikation, unsere erste Bedingung, hat, wie schon gesagt wurde, bei allen den Fällen, welche die britische Gesellschaft überhaupt der Aufzeichnung für wert hielt, stattgefunden. Auch betonte gemäß unserer zweiten Bedingung der telepathisch Betroffene (Perzipient) stets das Einzigartige des Erlebnisses. Auf sehr weite Distanz hin, ferner, ereignete sich weitaus das meiste und erfüllt so unsere fünfte Sicherungsart: Hyperästhesie zwischen England und Indien, zum Beispiel, ist unbekannt.

Bleibt die vierte Bedingung, die wichtigste, die Koinzidenz von Termin und Inhalt:

Was die Koinzidenz des Inhaltes angeht, d.h. die Abbildung des objektiven Geschehnisses im Erlebnis des telepathisch Beeinflußten, so geht diese in vielen Fällen bis in intimste Einzelheiten hinein, ja, oft in solche, die dem entgegengesetzt sind, was der Perzipient auf Grund seiner Erfahrung über den Agenten wußte. Von diesem sehr bedeutsamen Faktum wird später zu reden sein.

Betreffs der Terminkoinzidenz sind wir in der glücklichen Lage, falls es sich um Todesmeldungen handelt, exakte Wahrscheinlichkeitsuntersuchungen anstellen zu können, die den »Zufall« praktisch ausschließen. Die britischen Forscher haben es getan »Phantasms of the Living« Vol. II, S. 1 ff. Ferner Proc. S. P. R., Vol. X., ausgehend von zwei gesicherten Tatsachen: erstens von dem Faktum, daß jeder Mensch nur einmal stirbt, und zweitens von dem Sachverhalt, daß das Verhältnis der in einer bestimmten Stunde sterbenden Menschen zur Gesamtzahl der Menschen nur innerhalb sehr geringer Grenzen variabel ist. Sie fanden, daß die Zahl der für telepathisch ausgegebenen Terminkoinzidenzen bei Todesfällen die Wahrscheinlichkeit solcher Koinzidenzen um das 465fache übersteigt Gute Zusammenfassung bei Tischner, »Geschichte der okkulten Forschung«, 1924, S. 159 ff.. Damit können die für telepathisch ausgegebenen Fälle als echt paranormal gelten.

Gewisse Bedenken mögen noch insofern bestehen, als oft die Zeitkoinzidenz nicht absolut exakt ist (unter Berücksichtigung der verschiedenen »Zeiten« auf der Erde selbstredend). Aber das auf Grund der übrigen Indizien als telepathisch ausgegebene Erlebnis hinkt doch fast stets, wenn überhaupt, dem Termin des Faktums um so wenig nach – (würde es »vor-hinken«, so wäre das keine »Telepathie«, so wie wir den Begriff definiert haben!) –, daß diese Abweichung die Echtheit des Paranormalen nicht beeinträchtigen kann, zumal, wenn man erwägt, daß wir über den Gang telepathischer Übertragung doch positiv so gut wie nichts wissen. Die übliche Ansicht ist hier, daß das Unterbewußtsein des Perzipienten stets synchron beeinflußt wird, daß aber das Ergebnis dieser Beeinflussung verspätet ins Wachbewußtsein treten kann.

Gedankenlesen, Hellsehen, Prophetie

Wir scheiden begrifflich echte Spontantelepathie von Gedankenlesen, Hellsehen und Prophetie. Scharfe Begriffsformulierungen werden an späterer Stelle gegeben werden. Zunächst genügt das Folgende:

Bei Spontantelepathie »gibt« der Sender (Agent) aktiv, sei es bewußt oder unterbewußt, und empfängt der, welcher das Erlebnis hat, also der Perzipient, in reiner schlichter Passivität. Gegeben und empfangen werden seelische Erlebnisinhalte.

Beim Gedankenlesen ist umgekehrt der Perzipient, meist ein ausgesprochener Metagnom, um das in Frankreich übliche Wort an Stelle des bedenklichen Ausdrucks »Medium« zu setzen, aktiv, wenn auch meist nur unterbewußt aktiv; er »will« lesen, d. h. Wissensinhalte erwerben. Der Agent läßt rein passiv in sich lesen, gibt in reiner Passivität seine Seeleninhalte her. Denn gegebene und empfangene seelische Erlebnisinhalte stehen auch hier in Frage.

Bei Hellsehen erfaßt der Perzipient objektive Tatbestände der Natur, seien sie auch weit entfernt oder liegen sie in der Vergangenheit. Hellsehen in die Zukunft heißt Prophetie. –

Die Spontantelepathie wurde im Rahmen der schlichten Beobachtung, die für sie ja allein in Frage kommt, unter dem Gesichtspunkt der Sicherung erörtert. Mit Gedankenlesen, Hellsehen und Prophetie haben wir es also jetzt zu tun, wobei wir zunächst nur davon ausgehen wollen, daß diese drei Tatsachengruppen als existierend behauptet werden und daß es anscheinend drei verschiedene Gruppen von Tatsachen sind. Über den zweiten Punkt wird freilich später des näheren zu reden sein.

Auch alle diese Dinge erörtern wir zunächst nur, insofern sie spontan gelegentlich beobachtet sind, was etwa dadurch geschieht, daß man plötzlich, ohne es erwartet zu haben, jemanden eine Äußerung über fremde Gedanken oder über Situationen gegenständlicher Art machen hört, welche richtig ist, ohne daß anscheinend ihr Inhalt auf normale Weise zur Kenntnis des Aussagenden gelangen konnte.

Welches könnten die Kriterien der Echtheit solcher Geschehnisse sein, und inwiefern können wir uns dagegen sichern, Normales oder Zufälliges fälschlich als echt paranormal anzusehen?

Mir scheint, es handelt sich, von der Prophetie abgesehen, um die Erfüllung derselben »Bedingungen« wie bei der Spontantelepathie, also um Mitteilung vor der Verifikation, um die Einzigartigkeit des Erlebens, diesmal beim aktiven, nicht beim passiven Perzipienten, um Einreihung des Geschehens in eine große Zahl ähnlicher Fälle, um Koinzidenz, um Ausschluß normaler Übertragungswege.

Aber wie steht es damit im einzelnen?

Wenn wir alles Theoretische, alles Deutende, zunächst außer acht lassen, also besonders die Möglichkeit, daß Hellsehen vielleicht auf Gedankenlesen »zurückführbar« sei, indem ja objektive Situationen in den meisten Fällen auch von jemandem erlebt werden, so daß also dieses Erleben, nicht aber die objektive Situation als solche paranormal erfaßt werden könnte, wenn wir also vorläufig Gedankenlesen und Hellsehen als zwei begrifflich voneinander gesonderte Geschehensgruppen zulassen, so können wir hier wohl folgendes im Hinblick auf die Sicherungsfrage sagen:

Über die drei ersten Bedingungen, also Mitteilung vor der Bewahrheitung, Einzigartigkeit des Erlebens und Einreihung in eine große Zahl ähnlicher Fälle, erübrigt es sich, besonderes Neues beizubringen.

Was den Ausschluß normaler Übertragungswege, unsere fünfte Bedingung, angeht, so ist hier größere Vorsicht geboten als bei der Spontantelepathie, da praktisch oft nur geringe Distanzen zwischen Perzipient (Metagnom) und dem von ihm Erfaßten, sei es, beim Gedankenlesen, des Wissens eines anderen oder, beim Hellsehen, einer objektiven Situation, in Frage kommen.

Hier könnte Überempfindlichkeit der Sinne in Frage kommen; vielleicht spricht auch der Agent, ohne es zu wissen, seine Gedanken ganz leise »so vor sich hin«. Nur Spontanfälle bei nicht zu kleiner Distanz können also zählen und zur weiteren Prüfung »erwartender« Art hinführen.

Was aber die Koinzidenz angeht, unsere vierte Bedingung, so tritt hier die Terminkoinzidenz begreiflicherweise zurück, die Inhaltskoinzidenz dagegen gewinnt an Bedeutung. Sie wird zur Genauigkeitskoinzidenz, d. h. der Grad der Bestimmtheit, mit dem eine angeblich paranormale Äußerung getan wird, tritt in den Vordergrund. »Längliche Gegenstände« zum Beispiel gibt es doch recht viele! Auch sind recht viele Leute verlobt, verheiratet, haben Kinder usw. Der »Charakterarten« andererseits gibt es nur wenige, so daß erfolgreiches Raten nicht unwahrscheinlich ist.

Doch da wir anläßlich der erwartenden Beobachtungen und der Experimente auf mentalem parapsychischem Gebiet auf alle diese Dinge eingehend zurückkommen werden, sei es genug mit dem hier Gesagten. Spontane Beobachtung kann, sollte wenigstens, nie als Definitivum angesehen werden, sondern stets, wenn sie immerhin eindrucksvoll erschien, zu erwartender Beobachtung, wenn nicht gar zum Experiment echter Art führen. Was wir über Sicherungen bei spontanen Beobachtungen sagten, soll also nur dazu dienen, vor gröbsten Enttäuschungen und verlorener Zeit und Mühe zu bewahren. Takt und »Interesse« werden hier entscheiden, ob eine strenge Untersuchung einsetzen soll oder besser als aussichtslos unterbleibt.

Von spontan beobachteter Prophetie werden wir, wie von Prophetie überhaupt, in einem besonderen Abschnitt reden.


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