Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Eigentlich wissenschaftlich bedeutsam wird die Sicherungsfrage erst im Rahmen bewußt erwartender Beobachtung, um vom echten Experiment zunächst noch abzusehen. Dem »Erwarten« gegenüber war alles Spontane, abgesehen von echter Telepathie, vorläufig und ziemlich bedeutungslos im streng wissenschaftlichen Sinne.
Wir beginnen wiederum mit den physischen Phänomenen, fragen also, wie man sich gegen bewußte oder unbewußte Betrügereien sichern könne, wenn es gilt, sogenannte Telekinesen, Materialisationen, Apporte und Spukphänomene erwartend zu beobachten, nachdem man auf Grund spontaner Beobachtung den Eindruck gewonnen hat, daß es sich wohl lohne, den mitgeteilten oder selbst erlebten Dingen, die in Frage stehen, weiter nachzugehen.
Falls nichts besondere »Spukorte« in Frage stehen, wird die erwartende Beobachtung meist in sogenannten Sitzungen (Séancen) stattfinden. Daß hier mehrere gleichzeitig erwartend beobachten, ist jedenfalls zu loben, schon allein, um alles rein Subjektive auszuschalten. Daß sich die Sitzungsteilnehmer den Forderungen der meist spiritistisch eingestellten, wissenschaftlich wenig gebildeten »Medien« fügen, »Kette bilden«, singen, Instrumente spielen lassen, »Geister« anrufen usw. schadet im Anfange nichts; ebenso mag im Anfange Dunkelheit erlaubt sein.
Aber dringendes Erfordernis ist, sich von diesen Forderungen sobald als möglich zu befreien, jedenfalls zu versuchen, ob es nicht auch ohne sie »geht«.
Dasselbe gilt von der Entfernung »störender« Personen aus dem Zirkel auf Befehl des Mediums.
Es mag ja sein, daß »Kette« und Gesang wirklich fördern, daß gewisse »skeptische« oder »negative« Personen wirklich schaden, daß Dunkelheit oder Rotlicht, wie bekanntlich bei der Photographie, wirklich unerläßlich sind. Angesichts unserer völligen Unwissenheit kann man nicht mit Sicherheit das Gegenteil a priori behaupten.
Aber bedenklich wird man hier doch gestimmt, und daher ist der Versuch, alle diese Beschränkungen mit der Zeit abzuschaffen, unbedingt anzuraten. Viele Sicherungshemmnisse mit Rücksicht auf Betrug würden damit von vornherein beseitigt.
Ich habe schon anderenorts Journ. Amer. Soc. Ps. Res. 21, 1927, S. 66. Dasselbe deutsch Zeitschr. f. Parapsych., Augustheft 1927. gesagt, daß man versuchen solle, die Medien nach der Suggestionsmethode Coués derart zu erziehen, daß man ihnen, etwa nach schwacher Hypnotisierung oder auch ohne sie, immer wieder eindringlich und überzeugend sagt: »Es wird auch bei sehr starkem Rotlicht, ja bei Normallicht gehen, auch ohne Gesang, ohne Kette usw.« Das zwanzig- bis dreißigmal und immer wieder.
Der Erfolg würde die Mühe lohnen, wenn auch nur gewisse sehr allgemeine Sicherungshemmnisse beseitigt wären, keineswegs aber völlige Sicherheit der Echtheit ohne weiteres erzielt wäre.
Die Beseitigung der Dunkelheit oder schwachen Lichts und ihr Ersatz durch völlige Helligkeit ist wirklich von ganz fundamentaler Bedeutung, und ich scheue mich nicht, es auszusprechen, daß ich kein physisches Paraphänomen als ganz gesichert zulassen kann, das in mattem Rotlicht oder gar Dunkelheit stattfand – womit aber nicht gesagt sein soll, daß alles, was in völliger Helligkeit angeblich stattfand, gesichert sei!
Denn es gibt eben Taschenspieler, und das sind oft sehr geschickte Leute! Als ich nach China reiste, kam in Port Said ein Araber an Bord, der im Rauchzimmer des Schiffes, ohne einen Begleiter und ohne jede Vorbereitung, den Reisenden lebendige Hühnchen aus der Westentasche zog, die dann munter herumliefen. Keiner fand den Trick; und das sollte doch gar nicht mehr als ein Trick sein!
Was nun die Sicherungen im einzelnen angeht, so liegt eine große Schwierigkeit darin, daß sowohl das Medium als auch alle Teilnehmer an der Sitzung von vornherein als »verdächtig« gelten müssen.
Gutgläubige Redensarten sind hier, leider, wertlos. Denn der Mensch ist ein seltsames Geschöpf! Wer da also sagt: »Wie könnte diese Person wohl betrügen? Sie ist die Tochter eines Generals, eines Professors; es wäre beleidigend, Betrug auch nur zu vermuten« – wer so sagt, der vergißt, daß es sich erstens ja gar nicht um bewußten Betrug ohne weiteres zu handeln braucht, und zweitens, daß auch eine Generals- oder Professorstochter bisweilen ein seltsames Geschöpf sein kann, vielleicht besessen von einem etwas merkwürdigen Geltungsbedürfnis, wenn nicht gar von einer bloßen Lust am Ulk.
Gerade ein ehrliches Medium, das haben wir schon früher gesagt, sollte hier ganz »wissenschaftlich« denken, sollte eine Betrugsvermutung nicht als beleidigend, sondern als eine Annahme ansehen, die angesichts der ungeheuren Seltsamkeit der Dinge berechtigt ist, sollte auch wissen, daß sein »Ich« für sein Unterbewußtes nicht verantwortlich ist. Und wer kennt denn sein Unterbewußtes? Kennten wir es unmittelbar bewußt, so wäre es nicht »unter«bewußt; nur empirisch mittelbar, aus seinen Äußerungen können wir es, kann jeder es an sich selbst, kennenlernen. Empirisches Wissen ist aber stets vorläufig und verbesserbar; also kann auch mein Unterbewußtes ganz anderen Wesens sein, als ich heute meine. –
Wir gehen jetzt auf die einzelnen Sicherungen gegen Betrug jeder Form der Reihe nach ein, welche angesichts der als tatsächlich behaupteten physischen Paraphänomene erforderlich sind. Gelegentlich werden wir die verschiedenen Phänomenformen gesondert zu betrachten haben; den Spuk lassen wir einstweilen überhaupt außer acht.
Für jede Art von angeblichen Tatsachen gilt, wie schon gesagt wurde, der Satz, daß, wenigstens bei der heute üblichen Art der »Sitzungen«, absolute Dunkelheit stets ein ganz endgültiges Votum zugunsten der Echtheit verhindern muß. Ich sage ausdrücklich: bei der heutigen Art der Sitzungen. Denn ich kann mir Bedingungen denken, bei denen wohl eine positive Aussage möglich wäre: Gesetzt, wovon unten zu reden sein wird, das Medium sei, nach strenger Leibesuntersuchung und unter strenger Kontrolle, mit taschenlosem Trikot bekleidet; es sei in einem Zimmer, in dem es nie zuvor war, oder das doch jedenfalls vor seinem Eintritt ganz gründlich untersucht wurde; das Zimmer sei von innen verschlossen und verriegelt, ebenso die Fenster, keiner sei in dem Zimmer außer mir selbst, allenfalls ein Paar »zuverlässige« Leute, aber auch leibesuntersucht und in taschenlosem Trikot: Wenn dann trotz völliger Dunkelheit etwas geschieht, eine Materialisation, ein Apport, so würde ich für Echtheit votieren.
Solche Versuchsbedingungen wurden bisher nie durchgeführt.
Was es bisher an Kontrolle gab, war dieses:
Erstens: Das »Kette«-bilden, d. h. wechselseitiges Sich-an-der-Hand-Fassen seitens aller Teilnehmer. Wir haben oben die »Kette« als eigentlich sachlich vielleicht überflüssig erklärt. Ihre gute, der Kontrolle dienende Seite ist die, daß eben kein Teilnehmer die Hände frei hat. Das schließt Helfershelferdienste mit den Händen aus; es müßten schon zwei Helfershelfer da sein und ihre Hände loslassen. Freilich müssen die Hände fest ineinandergreifen und sich nicht etwa nur mit den Fingern berühren. Denn im Dunklen ist es sonst mit der »geschlossenen« Kette insofern eine bedenkliche Sache, als es nicht allzu schwer (und ganz sicherlich oft praktiziert!) geworden ist, eine Hand frei zu bekommen, so daß beide Nachbarn schließlich verschiedene Finger derselben Hand berühren.
Zweitens: Die Entkleidung des Mediums – (nicht der Teilnehmer) – vor Zeugen und seine Bekleidung mit Trikot, wie sie bei Schrenck geschah.
Drittens: Leuchtnadeln in erheblicher Zahl an Ärmeln und Beinkleidern des Mediums, auch an den Stiefeln, wobei aber besonders betont sei, daß das Medium unbedingt keine niedrigen Schuhe tragen darf, aus denen der Fuß leicht herausschlüpfen kann, sondern hohe Schnür- oder Reitstiefel tragen muß, zu deren An- und Ausziehen die Hände nötig sind – die letzte Bedingung war meines Wissens nie erfüllt.
Viertens: Das Halten der Hände und Füße des Mediums durch eine zuverlässige Person.
Fünftens: Genaues Durchsuchen des Zimmers, einschließlich des sogenannten »Kabinetts«, falls das vorhanden ist, auf Drähte, Fäden, dünne lange Stäbe (das »reaching rod« der britischen Forscher).
Sechstens (bei Telekinesen): Eine solche Entfernung des voraussichtlich paranormal bewegten Gegenstandes, sowohl vom Medium wie von allen Beisitzern, daß keiner ihn mit seinen Gliedmaßen erreichen könnte.
Bei Schrenck waren diese Bedingungen zum Teil verwirklicht, und die in seinem Laboratorium ausgeführten Experimente sind sicherlich das Beste, was es hier bis jetzt gab, man möchte sagen, das einzige ganz ernst zu Nehmende und zu weiteren Untersuchungen Drängende. Es kam hinzu die von Krall erfundene elektrische Kontrolle der Hände und Füße des Mediums, die es gestattete, jeden Versuch, eine dieser vier Gliedmaßen zu bewegen, sofort wahrzunehmen – falls sie ganz exakt arbeitete.
Die Teilnehmer wurden, abgesehen von der Kette, die aber ihrerseits auch nicht kontrolliert wurde, nicht gesichert. Man »vertraute« ihnen – ich habe keinen Grund zu sagen: mit Unrecht; aber das ist natürlich nur eine »Überzeugung«.
Price hat dann die elektrische Kontrolle aller Teilnehmer, freilich mit Ausnahme der Protokollistin, die er aber auch in den letzten Versuchen »sicherte«, durchgeführt. Wie weit diese Kontrolle exakt arbeitete, entzieht sich meiner Kenntnis.
Mattes Rotlicht herrschte sowohl bei Schrenck wie bei Price.
Etwas ganz und gar Neues an Sicherungsmethodik ist jüngst im französischen Institut für Metapsychologie durch Osty E. et M. Osty: Les pouvoirs inconnus de l'esprit sur la matière. Paris 1932. Dasselbe in Rev. mitaps. 1931/32. Kurzes sehr klares Referat von Bestermann in Proc. S. P. R. XL. 1932, S. 428., bei Versuchen mit Rudi Schneider, eingeführt worden: eine sehr komplizierte mit ultrarotem Licht arbeitende Apparatur. Sie erwies, daß eine gewisse unsichtbare und unphotographierbare, den Kegel ultraroten Lichts jedoch beeinflussende »Substanz« vom Medium ausgeht und, seinem (unterbewußten) Willen unterstehend, Telekinesen hervorbringt. Ein Arbeiten auf dieser Bahn, ebenso exakt weitergeführt, wie es begonnen wurde, ist vielleicht geeignet, endlich einen alle überzeugenden Aufschluß zu bringen.
Es muß eben dauernd an der Verbesserung der Kontrollen gearbeitet werden unter Heranziehen von Physikern und Ingenieuren. Es ist nicht daran zu zweifeln, daß sich völlig Befriedigendes erzielen lassen wird – erst dann wird man endgültig urteilen können.
Ganz besonders wichtig wäre es freilich, wie schon gesagt, könnte man dem Medium die Fähigkeit aufsuggerieren, bei hellem Licht zu »arbeiten«. Wäre das da, säße das Medium zwei Meter von dem zu bewegenden Gegenstand, alle Teilnehmer ebenfalls, und bewegte sich dann, nachdem Fäden, Stäbe und Drähte als sicher nicht vorhanden erwiesen sind, der Gegenstand wirklich: dann wäre ein negatives Votum ganz unmöglich, selbst ohne komplizierte Apparatur.
Helles Licht allein genügt natürlich noch nicht; als ich Mirabelli sah, war es vorhanden; aber eine peinliche Voruntersuchung der in Frage kommenden Räume auf Fäden und dergleichen hatte nicht stattgefunden, und so blieben seine Telekinesen zwar zum Teil sehr eindrucksvoll, waren aber nicht völlig als echt gesichert.
Von der »direkten Stimme« will ich, ihrer Fragwürdigkeit wegen, hier nicht reden. Was ich mit Valiantine in Berlin erlebte, war niederschmetternd Bradley, der Valiantine hinsichtlich der angeblichen Daumenabdrücke Verstorbener beim Betruge ertappt und das in rückhaltloser Klarheit der Öffentlichkeit mitgeteilt hat, hält gleichwohl an der Echtheit der »direkten Stimme« fest, namentlich wegen des Inhalts der angeblich durch sie gemachten Mitteilungen, die sicher paranormal seien. Nun war sicherlich in Berlin auch die »direkte Stimme« Betrug; daran zweifelte keiner, der dabei war (vgl. Kröner, Zeitschr. f. Parapsych., 1929) und was sie kundgab, war des äußersten flach und inhaltleer. Aber vielleicht könnte, in anderen als den Berliner Fällen, die Sache so gelegen haben: »direkte Stimme«, d. h. die unmittelbare sprachliche Äußerung eines »Geistes« ohne Vermittlung durch den Mund eines Mediums war als solche stets betrügerisch – aber unbewußt betrügerisch; das Medium war der Sprechende, war jedoch in Trance und gab dem Inhalte nach paranormal Erworbenes kund. Dann hätte man dasselbe wie bei den Metagnomen Piper, Leonard usw. – umhüllt von nebensächlichem, unbewußt betrügerischem Beiwerk. Diese Vermutung würde das retten, woran Bradley besonders gelegen ist: das Paranormale des Inhalts der Mitteilungen., und darüber, wie es heute mit »Margery« steht, habe ich kein auf Augenschein gegründetes Urteil. Verbesserungsvorschläge, die zugleich gewisse Bedenken einschlossen, habe ich betreffs des Status von 1926 anderenorts gemacht Zeitschr. f. Parapsych., Juni-Heft 1927.. Seitdem scheint vieles verbessert; dunkel ist es aber wohl noch immer.
Die sogenannten »Raps« (Klopftöne), angeblich das einfachste physische Paraphänomen, tatsächlich, wenn es echt wäre, ein ungeheuer seltsames, pflegen unter Bedingungen vorzukommen, die jede Kontrolle gegen bewußten oder unbewußten Betrug ausschließen.
Das Tischklopfen seiner physischen Seite nach, also als »Klopfen«, ist höchstwahrscheinlich ein Produkt des Unterbewußten eines der Teilnehmer; der Inhalt der geklopften Meldung könnte paranormal sein, würde dann freilich zum Parapsychischen gehören.
Sagen wir nun noch ein Wort über »Apporte«, d. h. über das plötzliche Dasein von Gegenständen an einem bestimmten Ort, ohne daß diese Gegenstände »durch den freien Raum hindurch« von ihrem Ursprungsort her gelangt sein konnten. Oft sollen sie sogar materielle Körper, z. B. Wände, »durchdringen«. Wäre dieses Phänomen echt, dieses Allerseltsamste des Seltsamen, dann würde es viel leichter fallen, andere Phänomene geringerer Seltsamkeit trotz nicht ganz befriedigender Kontrolle zuzulassen.
Ich selbst sah »Apporte« bei zwei Medien. Das eine Mal war die Sache recht eindrucksvoll (Veilchenregen bei elektrischem Licht); aber wissenschaftliche Kontrolle hatte es nicht gegeben.
Einwandfreie Bedingungen für die erwartende Beobachtung von Apporten wären die folgenden:
Alle Teilnehmer und das Medium sind unter scharfer Kontrolle entkleidet und mit taschenlosem Trikot bekleidet worden. Das Medium sitzt ganz isoliert auf einem Stuhl, vor dem kein Tisch steht. Das Zimmer ist gründlich untersucht: wenn dann plötzlich Blumen oder andere Gegenstände am Boden liegen, dann gibt es Apporte. (Kleine Steine freilich, die das Medium im Mund halten könnte, würden wenig bedeuten.)
Einigermaßen zufrieden wäre ich schon, wenn, bei hellem Licht, nur das Medium in Trikot wäre und ganz isoliert auf einem Stuhl ohne Tisch davor säße, und wenn sich alsdann Apporte ereigneten.
Auch hier wäre man wohl nicht auf bloße Gutgläubigkeit angewiesen, wie sie zum Beispiel doch noch bestehen bleibt, wenn etwa erzählt wird, man habe ein Zimmer untersucht, es blumenleer gefunden und fest abgeschlossen, sei auch mit dem Medium ausgegangen. Bei der Rückkehr seien Blumen dagewesen. Es gibt Helfershelfer und Nachschlüssel.
In einem reich dotierten Institut ließen sich einwandfreie Apportversuche ohne weiteres machen. Man müßte sich an solche Medien halten, welche behaupten, Apporte zu leisten, und müßte ihnen ehrenwörtlich zusichern, daß sie nicht gerichtlich verfolgt werden, sollte sich nichts ereignen.
Die Prozeßwirtschaft muß überhaupt von beiden Seiten her aufhören, von Seiten der Skeptiker und von Seiten der Gläubigen; es darf hier weder Betrugs- noch Beleidigungsprozesse mehr geben – jedenfalls im Rahmen rein wissenschaftlich angestellter Versuche nicht; bei Schaustellungen und, namentlich, bei Hellseh- und Prophetieaussagen für Geld liegt die Sache natürlich etwas anders, obschon mir auch hier Duldung als Bestes erscheint. –
Von sogenanntem »Spuk« müssen wir gesondert reden.
Alles beginnt hier mit spontaner Beobachtung und auf sie gegründeten Berichten oder Gerüchten. Dann setzt, falls überhaupt die Sache weiter verfolgt wird, erwartende Beobachtung ein, wie sich zeigen wird, entweder an das Studium einer bestimmten Person oder eines bestimmten Ortes gebunden; denn es soll ortsgebundenen und personengebundenen Spuk geben; Phantome, die dann »Gespenster« heißen, sind wohl nur für die erste Spukart behauptet worden. Eine »Kommission« pflegt hier in Tätigkeit zu treten, der meist auch Polizei- und Gerichtspersonen angehören.
Als echter Spuk sollten nur objektive Phänomene bezeichnet werden, also Bewegung von Gegenständen, Lärm, wohl gar Phantome. Subjektive, von einer Person erlebte Phantome sind, jedenfalls zunächst, als Halluzinationen anzusehen, vielleicht telepathischen Ursprungs; womit freilich nicht ohne weiteres gesagt ist, daß von mehreren Personen gesehene Phantome das nicht sein könnten. Hier kann nur die photographische Platte oder, bei akustischen Phänomenen ein entsprechender schallregistrierender Apparat entscheiden. Er ist meines Wissens nie angewandt worden. Wenn wirklich, worauf Mattiesen Wert legt, Fälle existieren, in denen viele Personen, jede in der gerade für sie wichtigen Perspektive, Phantome sehen, so würde das immerhin für Objektivität sprechen, obschon es auch nicht ganz entscheidend wäre.
Über die allgemeinsten Sicherungsmaßnahmen angesichts angeblicher Spukphänomene ist schon auf Seite 17 als von spontaner Beobachtung die Rede war, gehandelt worden. Hier konnte die Sicherung nur post factum erfolgen; erwartet man Spuk aus irgendeinem Grunde, so läßt sich natürlich alles, und zwar ante factum, viel schärfer durchführen: gründliche Untersuchung des Raumes, Absperrung der Umgebung, bei personengebundenem Spuk Entkleidung der verdächtigen Person und Neubekleidung mit Trikot usw.
So seltsam es manchem klingen mag: auf Grund der vorliegenden Berichte kann eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Echtheit von Spukphänomenen heute von dem, der die Berichte wirklich kennt, nicht ohne weiteres geleugnet werden. Sie ist jedenfalls in sehr viel höherem Grade wahrscheinlich, als die von »direkter Stimme«, »Apporten« usw. Die Wissenschaft ist geradezu verpflichtet, diesen Dingen nachzugehen.
Die besten Berichte sind die des sehr vorsichtigen, bei manchen Unkritischen als »Negativist« verschrienen Walter Prince Literatur an späterer Stelle. – Bozzano ist einer unserer scharfsinnigsten Theoretiker, aber leider allzu rasch in Hinnahme angeblicher Tatsachen.; aber es gibt auch andere Berichte, z. B. von Schrenck-Notzing, die nicht ohne weiteres beiseite geschoben werden dürfen. Das gleiche gilt von den novellistisch niedergelegten Mitteilungen F. v. Gagerns. –
Wir beschließen diesen Abschnitt mit einigen Allgemeinerwägungen.
Es ist gelegentlich die Ansicht geäußert worden, daß man sich bei der Prüfung der Echtheit physischer Paraphänomene auch gegen Massen-Halluzinationen sichern müsse, ja, daß alle hier positiv oder doch wohlwollend eingestellte Forscher »Gelehrte in Hypnose« seien.
Zugegeben, wie wir schon gesagt haben, daß ein Einzelner bei solchen Prüfungen, zumal wenn Emotionales dazukommt, einer zu Halluzinationen führenden Autosuggestion verfallen kann; bei Beobachtung durch mehrere Personen scheint mir diese Annahme, wenigstens in den üblichen »Sitzungen«, ausgeschlossen zu sein.
Das Emotionale fällt fort; die Sache ist sogar ziemlich langweilig. Und der objektive Tatbestand, sei er nun echt oder unecht, ist einfach da – etwa ein Stab, der anfangs auf einem Tisch, dann auf der Erde liegt. Allenfalls bei Materialisationen könnte Suggestion in Frage kommen; diese müßte aber Massensuggestion sein. Massensuggestion bei nicht hypnotisierten Personen ist nun aber erstens eine, wenn überhaupt vorkommende, dann jedenfalls sehr seltene Sache So auch Dessoir, »Vom Jenseits der Seele«, 6. Aufl., S. 347. – Massensuggestionen sind, wenn überhaupt verwirklicht, sicherlich äußerst selten; abgesehen natürlich von Fällen, in denen zu Heilzwecken ein Arzt einer Gruppe von Patienten gleichzeitig, nach Art Coué's, bewußt bestimmtes aufsuggeriert.]; sie erscheint, zweitens, in unserem Fall deshalb ausgeschlossen, weil bei diesen Untersuchungen, gleichgültig ob echt oder unecht, alle Beobachter zugleich, also nicht etwa sozusagen kettenartig, zu sagen pflegen »da ist es« oder ähnliches. Drittens weiß ja keiner, was geschehen wird. Es müßte also schon angenommen werden, daß das Medium, aber ohne zu sprechen, allen zugleich eine Halluzination aufsuggeriert: dann aber bliebe das Phänomen ja immerhin ein »Para«-phänomen, zwar kein physisches, wohl aber ein mentales. Denn es müßte sich ja in diesem Falle um telepathische Massensuggestion, ein bisher unbekanntes Faktum, dessen Möglichkeit natürlich nicht bestritten werden soll, handeln. Aber auch dazu liegt nicht der geringste Grund vor.
Was die aus Indien stammenden Berichte (Mangobaum, Zerstückelung und Wiederganzwerden eines Menschen, Seilversuch, Feuerprobe usw.) angeht, so ist ein Urteil heute nicht möglich. Hier könnte ja Massensuggestion vorliegen, falls nicht Betrug vorliegt; es müßte aber in den meisten Fällen telepathische Suggestion sein. Stets dann wenigstens müßte sie es sein, wenn der »Fakir« entweder überhaupt nicht redet, oder wenn er sein von Europäern nicht verstandenes Hindustani spricht. Denn was geschehen wird in diesem bestimmten Augenblick, weiß ja auch keiner vorher und alle sehen es dann a tempo.
Angesichts der in Europa ausgeführten Versuche können wir jedenfalls, um das noch einmal zu sagen, die »Suggestions«-hypothese ruhig auf sich beruhen lassen.
Wir kommen zu dem wichtigen Abschnitt, der von den Echtheitssicherungen bei der erwartenden Beobachtung mentaler Paraphänomene handeln soll. Hier wird unser Ergebnis sehr viel befriedigender im positiven Sinne sein, als bei den soeben besprochenen physischen Geschehnissen, bei deren Erörterung das Endresultat doch eigentlich in einem einzigen Worte, nämlich dem Worte »abwarten« bestand.
Von sogenanntem Gedanken»lesen« und von Hellsehen haben wir zu reden. Denn echte Telepathie ist ja stets »spontan« oder aber experimental, und von Prophetie soll erst ein späterer Abschnitt handeln.
Die erwartende Beobachtung geht hier so vor sich, daß die Forscher (vielleicht nur ein einzelner) mit einem Metagnomen zusammen sind.
Der Metagnom ist entweder im sogenannten »Trance«-zustand, liegend oder sitzend, oder auch er ist, jedenfalls dem Anschein nach, nicht in Trance. Er äußert dann, sprechend oder schreibend, Dinge, von denen es heißt, daß er sie auf normalem Wege nicht in den Bereich seines Wissens gebracht haben könne. Diese Dinge betreffen beim Gedankenlesen die Wissensinhalte anderer, beim Hellsehen objektive Situationen der empirischen Welt.
Das »Para«-normale ist in allen Fällen nicht der Umstand, daß der Metagnom überhaupt etwas weiß, sei es über die Wissensinhalte anderer oder über objektive Situationen. Das Paranormale ist lediglich die Art seines Wissens- erwerbs. Der Perzipient, also der Metagnom ist, wie wir wissen, bei den jetzt zu erörternden Dingen, im Gegensatz zur Telepathie, der aktive Teil; er »will«, freilich wohl unterbewußt, Wissen erwerben, will es, wie Lehmann einmal treffend gesagt hat, falls es sich um Gedankenlesen handelt, anderen »abzapfen«. Diese anderen, also die Agenten, sind ebenso schlicht-passiv, wie es bei reiner Telepathie die Perzipienten waren.
Betrifft das vom Metagnomen paranormal erworbene Wissen die Wissensinhalte anderer, steht also Gedankenlesen in Frage, so können diese aktuell, d. h. momentan, Gewußtes oder aber Gewußtgewesenes, aber nun »Vergessenes« sein, wobei es der Person, von der das Wissen stammt, dem »Agenten«, bisweilen möglich, bisweilen aber unmöglich ist, sich des Behaupteten, das sich aber aus anderen Quellen bei Nachforschung als »wahr« erweist, zu erinnern. Ferner kann das vom Metagnomen, also dem »Perzipienten«, »abgezapfte« Wissen, im Besitz eines anwesenden oder auch eines abwesenden Menschen sein oder gewesen sein.
Wir hätten also eine große Fülle der möglichen Fälle, die sich aus der Kombination folgender Alternativen ergeben:
Der Metagnom ist in Trance oder nicht in Trance.
Das abgezapfte Wissen war im Agenten aktuell präsent oder nicht aktuell präsent.
Wenn nicht aktuell präsent, war es erinnerbar oder nicht erinnerbar.
Der Agent war anwesend oder abwesend.
Zu sichern haben sich nun die Beobachtungsleiter gegen zwei Gruppen von Fehlerquellen, je nachdem der Agent, also der, welcher sein Wissen (ohne das zu bemerken) hergibt, oder der Perzipient, also der, welcher Wissen paranormal erwirbt, d. h. der Metagnom, in Frage steht.
Unwillkürliche Zeichengebung
Zunächst wäre unwillkürliche Zeichengebung möglich.
Hier ist Sicherung natürlich nur notwendig, wenn Agent und Metagnom sich sehen können. Das wird nicht immer zu vermeiden sein; dann sollte man es jedenfalls so einrichten, daß der Metagnom die Mienen des Agenten nicht sehen kann. Überflüssig ist dieser Sicherungsakt von vornherein, wenn der Metagnom Dinge aussagt, die der Agent aktuell gar nicht weiß; denn ein Wissen, was dieser gar nicht aktuell hat, kann er ja nicht durch sein Mienenspiel unbewußt kundgeben.
In Krügers Institut und von Marbe sind gute Versuche über ein Pseudo-Gedankenlesen auf Grund unwillkürlicher Zeichengebung angestellt worden für Fälle, in denen sich scheinbare Telepathie und scheinbares Gedankenlesen durchdrangen Der Agent »wollte« geben, der Perzipient »wollte« empfangen. Es kann sich da um echtes unbewußtes Flüstern handeln, aber auch um bloße Mund-, ja Nasen- und Augenbewegungen. Man kann sich üben in solchen Beobachtungen; vielleicht hat sich der Metagnom geübt. Also Vorsicht! Am besten so, daß man, wie schon gesagt, die bloße Möglichkeit einer normalen Übertragung des Mienenspiels in den Wissensbereich des Metagnomen von vornherein ausschaltet. Bei zahlreichen unter den Versuchen Upton Sinclairs Mental Radio, 1930, von Mac Dougall mit Recht als eines der besten. parapsychologischen Werke bezeichnet, von Walter Prince sehr eingehend nachgeprüft und bestätigt. und der britischen Forscher war durch die große Distanz zwischen Agenten und Perzipienten diese Möglichkeit der Natur der Sache nach ausgeschaltet, ebenso bei vielen Versuchen Wasielewskis: der Agent in Thüringen, die Perzipientin am Mittelmeer.
Die gröbste normale Übertragungsart, die »Führung« nach Art der Schaustellungen Cumberlands oder das »Hintennachgehen« erörtern wir hier überhaupt nicht. Da könnte ja gelegentlich auch etwas Paranormales mit vorliegen; das Wesentliche ist hier aber mit Sicherheit von vornherein dem Bereich des Paranormalen entrückt, ist also nichts anderes als »Gedanken«übertragung durch Sprache und Schrift, nur daß die Übertragungszeichen raffinierter und weniger üblich sind.
Marbes Arbeiten über bevorzugte Reaktionen sind als Sicherungsmittel in gewissen Fällen sehr wertvoll, namentlich dann, wenn die Untersuchung eigentlich experimentalen Charakter annimmt. Auf die Aufforderung »Denken Sie sich eine Farbe« wird von weitaus den meisten Menschen »Rot«, sodann »Grün« gedacht. Von Zahlen wird die »5«, von Karten das As bevorzugt.
Wenn der Metagnom das weiß, hat er es leicht mit dem »Gedankenlesen«, er wird stets viele »Treffer« haben. Und es gibt noch sehr viele andere solcher Bevorzugungen.
Man kann sich am leichtesten gegen diese Fehlerquelle dadurch sichern, daß man Versuchsarten, bei denen sie sich einstellen könnte, überhaupt vermeidet. Bei dem, was nicht dem eigentlichen Experiment, sondern der erwartenden Beobachtung unterzogen wurde, also bei den Arbeiten mit Mrs. Piper, Mrs. Leonard, Mons. Forthuny u. a., kommt »Bevorzugtes« ja überhaupt nicht in Frage; ebensowenig bei den Versuchen mit Kahn, Ossowiecki und vielen anderen.
Schwerer wiegt, schon bei bloßer erwartender Beobachtung, die Sicherung gegen Unbestimmtheiten und Vieldeutigkeiten der Aussage des Metagnomen.
Hellwig hat methodisch sehr bedeutsame Untersuchungen in dieser Richtung angestellt, Untersuchungen, die ihren Wert behalten, selbst wenn man seinen Gegnern zugibt, daß er aus einer Fülle der vorliegenden Untersuchungen gerade »schlechte« Fälle ausgewählt, die guten aber übergangen habe. Die schlechten Fälle waren doch eben auch da, und für die Sicherungsfrage, an deren strenger Behandlung jedem ernsten Parapsychologen liegen muß, sind gerade sie wichtig, mögen sie auch bei einigen großen Untersuchungsreihen durch die Fülle des daneben vorhandenen guten Materials praktisch bedeutungslos werden. Viele Untersuchungsreihen haben eben kein »gutes« Material daneben, so daß Hellwigs Erwägungen hinsichtlich der Echtheitsprüfung eines bestimmten Mediums auf alle Fälle ihre Bedeutung behalten.
Hellwig Kosmos, 1930, Heft 5. fragt viele unbefangene Menschen, was sie sagen würden, wenn ihnen mitgeteilt würde, es handle sich um einen Gegenstand, der gekennzeichnet wird durch die Worte »Länglich, dunkel. Ein Ende spitz, aber nicht ganz spitz. Das dunkle Ende ist flach.« Diese Aussage war nämlich von einem Gedankenleser gemacht worden. Hellwig erhielt 200 verschiedene Antworten; eine Person hatte richtig (»Schlüssel«) geantwortet. Es gibt doch eben viele Gegenstände, auf die jene sehr unbestimmte Kennzeichnung einigermaßen paßt.
Hellwig legte, weiter, Unbefangenen eine Schriftprobe aus dem Günther-Geffers-Prozeß vor. »Was ist das für ein Name?« Über 20 verschiedene Antworten, keine davon richtig. Der geschriebene Name hätte »von Reibnitz« heißen sollen; eine Person las ihn für – »Dora Behrens«!
Um was handelt es sich hier eigentlich?
Es handelt sich um die, schon bei unserer Erörterung der Spontantelepathie besprochene, Koinzidenzfrage in bezug auf Aussage und Faktum, eine Frage, die sich jetzt aber auf den Inhalt spezifiziert. Denn nicht die Einzigkeit des zeitlichen Zusammenfallens, wie etwa bei telepathischer Übertragung von Todesfällen, steht jetzt zur Erörterung, sondern eben Inhaltskoinzidenz. Anders gesagt: Deckt sich der Inhalt zwischen Aussage des Metagnomen und dem Faktum nur »zufällig« oder ist Zufall ausgeschlossen? Bei großer Unbestimmtheit der Aussage ist die Möglichkeit des zufälligen Treffers sehr groß, und es handelt sich eben deshalb nicht ohne weiteres um echte »Treffer«.
Fast alles, was ich an deutschen »Medien« erlebte, gehört in diese Gruppe des allzu Unbestimmten und daher Wertlosen. Wir sprachen ja schon davon auf Seite 24, daß unbestimmte Angaben über »Charakter« wertlos seien, daß andererseits Angaben über Verlobung, Heirat, Kinder und dergleichen oft eine Wahrscheinlichkeit von ½ besitzen. Solche Aussagen sind also auch bedeutungslos.
Seltene, ausgefallene Einzelheiten müssen paranormal ausgesagt werden, auf daß der Fall, falls alle anderen notwendigen Bedingungen erfüllt sind, als echter »Fall« gelten kann.
Je strenger der Parapsychologe hier vorgeht, um so mehr zählen oder besser wiegen die echten Fälle, wenn die Zahl der »Fälle« überhaupt dadurch auch verringert wird.
Es bleibt natürlich immer eine Angelegenheit subjektiven persönlichen Ermessens, wie weit in einem bestimmten Falle von Inhaltskoinzidenz die Rede sein kann, aber praktisch gibt es hier doch wohl Fälle, in denen jeder zustimmt – (falls er die Literatur gut kennt, was leider nicht immer zutrifft!).
Zu Hellwigs kritischen Betrachtungen mag endlich noch gesagt sein, daß in dem Falle, wo die angeblich paranormale Aussage in den Worten »Länglich, dunkel usw.« bestand, immerhin ein echt paranormales Erfassen des wirklichen Gegenstandes, eines Schlüssels, in sehr unbestimmter Weise bestanden haben mag; was gesagt werden soll, ist nur, daß so ein Fall für sich genommen nichts bedeutet. In anscheinend guten Fällen paranormaler Betätigung haben wir ja auch oft, sozusagen, schematisch-anschauliche Aussagen – freilich zutreffendere als bei dem Schlüssel. Die Metagnomen sagen, daß sie etwas »sähen«, es aber nicht ohne weiteres »verstünden« und es dann mit dem »Intellekt« deuteten, wodurch Verfälschungen möglich seien. Anschaulicher unverstandener Schematismus allein ist also nicht ohne weiteres ein stichhaltiger Grund gegen Echtheit. Auch hier wird man abwägen müssen, darf natürlich auch nicht vergessen, daß selbst eine gute paranormale schematische Kennzeichnung nicht immer zutreffend rückgedeutet werden dürfte. Wenn z. B. in Wasielewskis Untersuchungen die Metagnomin sagt, sie sähe ihn vor einem Kasten sitzen, weiße und schwarze Striche liefen auf ihn zu; oder ein andermal: er sitze hoch, unten sei ein Licht, rechts und links etwas wie eine Mauer, und wenn sich dann herausstellt, daß er das erstemal vor einem Klavier saß, das zweitemal abends auf dem Rad mit Blendlaterne durch einen dichten Wald fuhr, so wird man hier, trotz der »bloß anschaulichen Schematik«, von guten Fällen reden, zumal der Agent absichtlich Handlungen ausführte, die nicht zu den bei ihm üblichen gehörten. In U. Sinclairs Versuchen geht der Befund meist sogar über Schematik weit hinaus, ebenso bei den Metagnomen Piper, Leonard, Forthuny, Ossowiecki usw. Beachtenswert sind hier die Pariser Versuche über das »Lesen« verschlossener Briefe ohne Berührung seitens des Metagnomen Kahn, die lauter Treffer ergaben; Versuche, die nicht die gebührende Beachtung gefunden haben Revue métapsychique, 1925, S. 65., womit ich freilich nicht sagen will, daß nicht erneute Prüfung sehr erwünscht wäre.
Gegen Täuschungen des eigenen Gedächtnisses hat sich ferner der Agent zu sichern, also, technisch gesprochen, gegen die fausse reconnaissance und das déja vu. Zu oft kommt es ja auch im normalen Leben vor, daß wir bei einer Erzählung meinen, das hätten wir ja schon gewußt, erlebt, erfahren. Des weiteren ist zu beachten, daß die meisten Menschen sich ihrer früheren Jugenderlebnisse gar nicht erinnern, sie erfassen aber dann das, was ihnen darüber von Angehörigen oder Freunden erzählt wird, mit solcher Stärke, daß sie glauben, es erlebt zu haben, und es als Selbsterlebtes, vielleicht gar noch ausgeschmückt, weitererzählen. So kann es dann auch kommen, daß beim Gedankenabzapfen ein Agent das, was der Metagnom ihm sagt, glaubt erlebt zu haben, wovon aber gar keine Rede war.
Man wird hier stets sorgfältig nachforschen müssen. Ein gutes Gegengewicht gegen diese Bedenklichkeiten sind natürlich jene Fälle, in denen der Metagnom dem Agenten, dem er sein (in diesem Falle »latentes«) Wissen abzapft, etwas sagt, was dieser vollständig vergessen hat, auch trotz aller Anstrengung erinnerungsmäßig nicht zu reproduzieren vermag, und das, wie Nachforschungen ergeben, doch ein echtes früheres Erlebnis des Agenten richtig darstellt. Wenn da alle anderen Bedingungen erfüllt sind, ist der Fall »echt«.
Betrafen die bisher erörterten Sicherungen gegen Täuschung den Agenten, der gewissermaßen vor sich selbst auf der Hut sein mußte, so gehen die folgenden den Perzipienten, also den Metagnomen, das »Medium«, an. Diese Gruppe notwendiger Sicherungen ist noch bedeutsamer als die soeben erörterte und zwar deshalb, weil hier bewußter oder unbewußter Betrug vorhanden sein kann, nicht nur wie da, wo es sich um den Agenten handelt, Irrtum oder Unvorsichtigkeit.
Die erste allgemeinste Sicherungsart besteht darin, daß man nach Möglichkeit verhindert, daß der Metagnom sich Kenntnisse über das vergangene Leben der Personen, mit denen er vermutlich in den Sitzungen zusammentreffen wird, auf normalem Wege vorher verschafft.
Der Metagnom könnte, da man gern etwas über Verstorbene hört, die Grabsteine auf Friedhöfen studieren, könnte Zeitungen durchstöbern, wohl gar Briefe, könnte Dienstboten ausfragen und dergleichen mehr.
Die britischen Forscher sichern sich gegen diese Fehlerquelle dadurch, daß sie die Medien wenig allein lassen, daß sie die Beisitzer unter falschem Namen einführen, ja, daß sie, wie es bei der Frau Piper geschah, das Medium geradezu durch Detektive überwachen lassen. Nie ergab sich, gerade bei den guten Versuchen, etwas Verdächtiges. Auch hatte man in dem Hause, in dem die Sitzungen stattfanden, das Dienstpersonal vorher gewechselt.
Eine weitere Sicherung ist nötig gegen das sogenannte Angeln ( »fishing«) der Medien.
Oft raten sie herum, warten auf zustimmende oder ablehnende Äußerungen seitens der Beisitzer, auch wohl, wenn man sich nicht dagegen geschützt hat (Seite 37), auf unbewußte Zeichengebungen, und reden dann entweder in einer bestimmten, Erfolg versprechenden Richtung oder »angeln« auch weiter.
Man sei daher sehr vorsichtig mit zustimmenden oder ablehnenden Äußerungen bewußter Art (nachdem man die Möglichkeit unbewußter Zeichengebung ausschaltete). Nur wenn etwas ganz verblüffend Zutreffendes, in Einzelheiten geschildert, kommt, mag man »Ja« oder »Gut« sagen. Sonst eröffnet man eine starke Quelle der Täuschung auf seiten des Metagnomen. Auch mit Fragen an das Medium sei man vorsichtig; sie können gar zu leicht als »Suggestivfragen« wirken und das Medium auf Aussagen bringen, bei denen von Paranormalem ganz und gar nicht mehr die Rede ist.
Es ist denkbar, daß der Metagnom, auch wenn er den Agenten nicht sehen kann, sich sogar in einem von ihm entfernten Zimmer befindet, doch ein so überempfindliches Gehör hat, daß er unwillkürlich ganz leise ausgesprochene Worte des Agenten hört. Im hypnotischen Zustand, der ja dem sogenannten Trance verwandt ist, gibt es bekanntlich diese »Hyperästhesie«.
Gegen diese Fehlerquelle muß man sich schützen, indem man eben einfach die Überempfindlichkeit des Metagnomen prüft – falls nicht ganz große Entfernung solche Sicherung überflüssig macht.
Wird vom Metagnomen ein Wissen »abgezapft«, das nicht aktuell im Agenten vorhanden war, so kommt die hier genannte Fehlerquelle natürlich überhaupt nicht in Frage.
Endlich gilt es, ebenso wie es früher galt, kritisch gegen das eigene Gedächtnis zu sein, Vorsicht zu üben gegenüber gewissen Mängeln des Gedächtnisses des Metagnomen.
Es gibt bekanntlich das Phänomen des Vergessens, ja des völligen, jede Reproduktion ausschließenden Vergessens. Das Vergessen geht aber oft, vielleicht stets, nur das Oberbewußtsein, nicht das bei paranormalen Äußerungen höchstwahrscheinlich allein in Frage kommende Unterbewußtsein an. Wissen wir doch schon aus der Erforschung des hypnotischen Zustandes, der noch keineswegs zum paranormalen Gebiet gehört, wie vieles oberbewußt vergessen sein und doch in der Hypnose an die Oberfläche kommen kann.
Das Medium also kann in voller Ehrlichkeit sagen, es habe dieses oder jenes nie gewußt – es war aber doch, vielleicht in früher Jugend, der Fall gewesen und kommt nun zutage.
Ganz besonders gilt das von »nie gelernten« Sprachen, deren Hervortreten in parapsychischen Sitzungen so oft verblüfft. Sprach da zum Beispiel ein Medium »nie gelerntes« Hindustani – aber es war in Indien geboren und hatte eine Hindustanisch sprechende »Amah« gehabt.
Bei Mirabelli, der ja über ein Dutzend »nie gelernte« Sprachen sprechen soll, erlebte ich selbst nur Italienisch und Estisch, angeblich durch »Geister« mit Hilfe seines Mundes gesprochen. Aber seine Eltern sind italienischer Abkunft und er hatte ein junges Mädchen aus Reval in seiner Begleitung. Über das Aramäisch der Therese von Konnersreuth vergleiche man Bauer Aufsatz in »Die Einkehr« (Münch. N. Nachr.), 14. Dez. 1927..
Am gesichertsten scheint hier, im Sinne der Echtheit, das altertümliche Englisch des »Patience Worth« zu sein. Walter Prince The Case of Patience Worth, Boston, 1927. ist ein sehr vorsichtiger, deshalb oft von »Gläubigen« getadelter Forscher; man findet, scheint mir, wirklich keine Lücke in seinen kritischen Sicherungen; und das Ergebnis war positiv.