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Direktor Curtis saß Präsident Price in dessen Arbeitszimmer gegenüber. Den Stoff für ihre Unterhaltung lieferte James William Roddington.
»Der Mann gibt uns bei Gott Rätsel auf«, sagte Price. »Seit Monaten treibt er sich in der Gegend der Philippinen herum. Es gelang mir, als er nach dem großen Seebeben den Hafen von Manila aufsuchte, einen Agenten auf seiner Jacht unterzubringen. Hier habe ich die Berichte von unserem Mann. Er schreibt, daß Roddington sich an Bord der ›Blue Star‹ mit physikalischen Versuchen beschäftige. Soweit er etwas davon versteht, müsse es sich um Tieflotungen handeln. Roddingtons Gehilfe dabei ist ein Deutscher, ein Doktor Wegener, mit dem er merkwürdig vertraut sein soll.«
Price warf Direktor Curtis den Brief zu. »Vielleicht werden Sie aus dem Geschreibsel klug.«
Curtis überflog das Schreiben. »Hm, das sieht ja wirklich fast so aus, als ob Roddington neuerdings unter die Tiefseeforscher gegangen ist und kein Interesse mehr für industrielle Dinge hat.«
»Habe ich zuerst auch gedacht, Curtis, bis ich diesen andern Bericht hier bekam, der achtundvierzig Stunden nach dem ersten zur Post gegeben wurde.«
Curtis griff nach dem zweiten Schriftstück. Während er es las, spannten sich seine Züge.
»Was ist das . . . Price? Er hat im südlichen Teil von Mindanao bei Davao Waldungen mit einem Bestand von fünf Millionen Festmeter Holz gekauft? Er hat außerdem Gelände am Golf von Davao erworben? Die Errichtung eines großen Werkes soll dort geplant sein? . . . Auch dabei ist der deutsche Doktor ständig an seiner Seite . . . Er scheint ihn auch in technischen Dingen zu beraten . . . da mag der Teufel draus klug werden!«
Er stützte das Kinn in die Hand.
»Man könnte annehmen, Price, daß es sich um eine großzügige Holzverwertung handelt. Holzinteressen hat die Corporation ja nicht. Somit brauchen uns Roddingtons Käufe in Davao wohl kaum zu beunruhigen.«
»Wenn es beim Holz bleibt«, warf Price ein. »Was wir zuletzt aus Trenton hörten, läßt keinen Zweifel darüber, daß in seinen Stahlwerken mit Hochdruck gearbeitet wird.«
»Ich möchte wissen, wofür?« sagte Direktor Curtis. »Das Stahlgeschäft in den Staaten war in den letzten Monaten verdammt still. Nicht einmal das Kriegsamt machte neue Bestellungen. Wie intensiv haben wir uns während der letzten Monate in Washington um neue Rüstungsaufträge bemüht! Trotz unserer guten Beziehungen war nichts zu machen. Wie Roddington bei der augenblicklichen Marktlage seine vergrößerte Produktion absetzen will, ist mir unerfindlich.«
Price pfiff durch die Zähne.
»Hören Sie mal, Curtis, hoffentlich kommt uns Roddington nicht etwa in Washington ins Gehege. Zu Lebzeiten seines Vaters hatte der Konzern recht enge Verbindungen mit der Regierung. Man könnte versucht sein, allerlei zu kombinieren.«
»Wie meinen Sie das?« fragte Curtis.
»Ich meine es so: Auf den Philippinen werden ständig neue Befestigungen angelegt. Der Plan unserer Regierung geht dahin, diese Inseln schließlich in uneinnehmbare Forts zu verwandeln. Roddington treibt sich dauernd bei den Philippinen herum. Er erwirbt dort Land, um irgendein großes Werk von einer uns unbekannten Art zu errichten. Er baut sein Stahlwerk in den Staaten auf ein Mehrfaches der bisherigen Leistung aus, und wir bekommen plötzlich von Washington keine Aufträge mehr . . . bei Gott, Curtis, je länger ich's mir überlege, um so stärker wird mein Verdacht.«
Das Telephon auf dem Schreibtisch schrillte dazwischen. Es war Palmer, der eben aus Trenton kam. Wenige Minuten später trat er in das Zimmer.
»Setzen Sie sich und schießen sie los«, begrüßte ihn Price, »Herrn Direktor Curtis kennen Sie ja.«
Palmer breitete seine Notizen vor sich aus und begann der Reihe nach zu berichten.
»Man scheint in Trenton Überseetransporte vorzuhaben. Mr. Dickinson läßt von Trenton River aus einen neuen Stichkanal bis zu den Werken hin ausbaggern, der den großen Zehntausendtonnern vom Trenton-See her die Zufahrt gestatten wird.«
Price und Curtis warfen sich gegenseitig einen Blick zu.
»Bitte weiter, Palmer!« ermunterte Price den Agenten. Der breitete eine kleine Planskizze auf dem Tisch aus.
»Sehen Sie, Mr. Price, hier endet der Kanal in einem Hafenbecken, hier ist der Kai. Unmittelbar an ihn schließt sich die große neue Gießhalle an. Sie stößt mit der Schmalseite an den Kai, hier an der Längsseite der Halle stehen die neuen Elektroöfen.«
Interessiert beugten sich die beiden Direktoren über die Skizze. Keiner von ihnen zweifelte mehr daran, daß diese neuen Anlagen der Trenton-Werke für bedeutende Überseelieferungen berechnet waren. Nur die Frage, was und für wen geliefert werden sollte, machte ihnen noch Kopfzerbrechen.
»Wie beschafften Sie sich diese Skizze?« fragte Curtis.
»Die Verkehrsflugzeuge kommen dicht an den Werken vorbei. Die Sache hat mich nur einen Flugschein von Georgetown nach Northville und wieder zurück nach Georgetown gekostet. Übrigens, es fällt mir jetzt wieder ein . . . nach Northville flogen zwei Japaner mit, die sich auch für die Werke Roddingtons interessierten.«
Der Verdacht der beiden Direktoren, daß die Trenton-Werke irgendwelche geheimen Rüstungsaufträge von der Regierung der Vereinigten Staaten bekommen hätten, verstärkte sich bei diesen letzten Mitteilungen Palmers.
»Was machten die Japaner?« kam es fast gleichzeitig von ihren Lippen.
Palmer lächelte. »Nichts, meine Herren. Ein anderer hätte nichts Auffälliges an ihnen bemerkt. Aber . . .« – das Lächeln auf seinen Zügen verstärkte sich – »wenn man selber zu dem Metier gehört, dann weiß man Bescheid. Aus gewissen Bewegungen der beiden Gelben gewann ich die Überzeugung, daß sie Kameras unter ihren Mänteln verborgen hatten und kräftig knipsten.«
»Sie sind dagegen nicht eingeschritten?« fragte Price. Palmer zuckte die Achseln. »Wozu Lärm schlagen und unnötig Aufmerksamkeit erregen? Die Gesichter der beiden Japaner habe ich mir für alle Fälle genau gemerkt.«
»Wir schweifen ab«, sagte Price. »Mögen die Japaner machen, was sie wollen! Konnten Sie etwas über die künftige Produktion der Trenton-Werke in Erfahrung bringen?«
Palmer räusperte sich.
»Die Kontrolle ist in den Werken seit einigen Wochen sehr verschärft worden. Den Leuten der andern Abteilungen ist das Betreten der neuen Anlagen bei Strafe sofortiger Entlassung verboten . . . nur auf Umwegen konnte sich mein Gewährsmann noch einige Angaben verschaffen. In der neuen Gießhalle stehen drei schwere Deckenkrane, die gekoppelt werden können und zusammen eine Tragfähigkeit von zweitausendfünfhundert Tonnen haben.«
»Unsinn, Palmer! Zweitausendfünfhundert Tonnen . . . das entspräche dem Gewicht von fünfundzwanzig der schwersten Lokomotiven.« Price schlug mit der Hand ärgerlich auf den Tisch. »Das ist ausgeschlossen. Ihre Gewährsleute haben sich geirrt, Palmer. Oder man hat Sie absichtlich getäuscht.«
Palmer machte ein gekränktes Gesicht.
»Wenn die Herren meine Mitteilungen für unrichtig halten, dann . . .«
»Sprechen Sie weiter«, sagte Price kurz.
Palmer suchte wieder in seinen Papieren. Er zog es vor, die Zahlen, die er jetzt mitteilen wollte, direkt abzulesen.
»In der neuen Halle wurde eine Gießgrube angelegt, in der nach dem Schleudergußverfahren Hohlkörper von hundert Meter Länge und zwei Meter Stärke gegossen werden können.«
Price und Curtis schwiegen. Im Geiste sahen sie Stahlzylinder in der eben von Palmer genannten Größe. Durch den Kopf gingen ihnen phantastische, vage Ideen von irgendwelchen kaum vorstellbaren Riesengeschützen, die das amerikanische Kriegsamt für seine Befestigungen auf den Philippinen bei Roddington bestellt haben könnte. In ihr Grübeln klang die Stimme Palmers.
»Vier Elektromotoren von je zehntausend Pferden wurden für den Antrieb der Gußtrommel aufgestellt . . .«
Price machte eine müde Handbewegung.
»Hören Sie auf, Palmer! Wir haben genug davon. Fahren Sie nach Trenton zurück und versuchen Sie noch mehr zu erfahren. Die Kosten spielen keine Rolle.« –
»Es ist ja unsinnig, was er uns eben erzählt hat«, sagte Curtis, nachdem Palmer gegangen war. Nach langem Schweigen antwortete Price.
»George Palmer ist der beste Kopf in unserer Nachrichtenabteilung. Bisher waren seine Berichte stets zutreffend.«
»Ah, bah!« Curtis machte eine Bewegung, als ob er etwas Störendes beiseiteschieben wolle. »Diesmal kann sein Bericht unmöglich zutreffen. Diesmal ist er getäuscht worden.«
»Wir wollen seine nächsten Mitteilungen abwarten. Ich fürchte, Roddington und seine Leute werden uns noch mancherlei zu schaffen machen. Vor allen Dingen, Curtis, müssen wir uns Klarheit darüber verschaffen, was im Kriegsamt gespielt wird.«
Curtis stand auf. »Sie haben recht, Price. Ich werde gleich neue Informationen an unsere Vertreter in Washington telegraphieren. Die Kerls müssen unter Hochdruck gesetzt werden.«
Price schüttelte den Kopf. »Nein, Curtis, tun Sie das nicht! Diesmal ist die Sache zu wichtig. Ich werde selbst an Oberst Barton in Washington schreiben und ihn bitten, unsere Interessen zu vertreten.«
Curtis warf einen Seitenblick auf den Präsidenten. Barton, lange Jahre im Waffenamt des Kriegsministeriums an hervorragender Stelle tätig . . . seit kurzem Oberst z. D. und im Aufsichtsrat der Corporation . . ., wenn Price sich entschloß, diesen Mann vorzuschicken, dann mußte er dem Fall Roddington in der Tat größte Bedeutung beilegen.
*
Kurz nach Mitternacht schritt Frank Dickinson in Begleitung von Oberingenieur Griffith die Front der neuen Ofenanlage ab. Wie zehn gewaltige Steinwürfel standen die mächtigen Elektrostahlöfen in einer schnurgeraden Reihe neben der Längsseite der neuen großen Halle. Ein dumpfes Brausen und Brummen erfüllte die Luft, war doch elektrische Energie im Betrage von mehr als hunderttausend Pferdestärken seit dem frühen Morgen an der Arbeit, im Innern der riesenhaften Ofenbatterie den edlen Stahl zu schmelzen und garzukochen.
An jedem der zehn Öfen stand ein Schmelzmeister mit seinen Leuten, und an jedem Ofen nahm Oberingenieur Griffith die Meldung entgegen, daß alles in bester Ordnung sei.
Am letzten Ofen gesellte sich Oberingenieur Cranford zu Dickinson und Griffith. Zu dritt sahen sie durch eine kleine Seitentür der Schmalwand in die neue Halle. Starklichtlampen erfüllten den Riesenraum bis in die letzten Winkel mit blendender Helligkeit. An der den Ofen zugewandten Längsseite lag jene mächtige Gießgrube, von der Palmer kürzlich zu Präsident Price gesprochen hatte. Etwas Schwarzes, Mächtiges und Rundes war auf ihrem Grund sichtbar, das sich wie ein gigantischer Zylinder über eine Länge von reichlich hundert Meter erstreckte.
Gegenüber der Gießgrube an der anderen Längsseite der Halle befand sich auf erhöhtem Podium ein Kommandostand. Marmortafeln trugen Meßinstrumente, Schalthebel und Signallampen der verschiedensten Art. Außerdem waren Telephone und Lautsprecher vorhanden. Im übrigen war die große Halle leer. Außer Dickinson und seinen beiden Begleitern, mit denen er jetzt das Podium betrat, befand sich kein Mensch in ihr.
Oberingenieur Cranford bewegte nacheinander vier Schalter. Mit vier kurzen leichten Handbewegungen gab er jedesmal zehntausend elektrischen Pferden den Weg zu einem Motor frei. Ein Brausen, Summen und Schleifen dröhnte von der Gießgrube her. Der mächtige Zylinder auf ihrem Grunde begann sich schnell und immer schneller um seine Längsachse zu drehen. Kräftiger und schriller wurde das Brausen, während der Zeiger eines Instruments langsam über die Skala kroch . . . 900 . . . 950. Jetzt erreichte er die Zahl tausend. Mit tausend Umdrehungen in der Minute wirbelte die riesige Gußform in der Grube um ihre Achse.
»Achtung! Ofen Nummer eins«, sprach Griffith in ein Telephon. »Achtung! Ofen Nummer eins«, brüllte draußen ein Lautsprecher.
Ein Schalthebel bewegte sich unter Griffiths Hand, und gleichzeitig begann sich draußen der erste Ofen um seine Achse zu neigen. Brennend, strahlend, weiß glühend floß es aus seinem Rachen in eine Bodenrinne, strömte wie eine feurige Schlange der Halle zu, floß durch eine Wandöffnung in sie hinein und ergoß sich wie feuriger Sturzbach in die Gießgrube.
In schneller Folge schrie der Lautsprecher weitere Befehle in die Nacht hinaus.
»Ofen Nummer zwei! Ofen Nummer drei! Ofen Nummer vier!« –
An zehn Stellen zugleich wurde dem weißflüssigen Stahl der Weg freigegeben. Zehn glühende Bäche vereinigten sich zu einem Strom, der zischend und brennend in die Grube und in die wirbelnde Gießform stürzte.
Ein Klang, ein einziger sonorer Ton dröhnte auf, die Werkuhr schlug halb eins. Da begann es schwächer zu fließen, der glühende Erzstrom versiegte, die Öfen waren leer. Zweitausend Tonnen flüssigen Stahls waren in die Gußform gelaufen und wurden mitsamt der Form in rasendem Wirbel herumgerissen. Dumpfer heulten die Elektromotoren, die jetzt außer dem Gewicht der Form auch noch diese Stahlmenge rotieren lassen mußten. –
Nach dem Schleudergußverfahren, von dem Palmer gesprochen und über das Price als unmöglich gelacht hatte, wurde hier zum ersten Male ein riesenhaftes Rohr gegossen. Die Stahlmenge, die aus den Öfen hergeströmt war, füllte die Form nicht ganz aus. Mit unwiderstehlicher Gewalt wurde die glutflüssige Masse von der Zentrifugalkraft nach außen gegen die feuerfeste Wand der Form getrieben und gepreßt, während genau in der Mitte eine lichte Öffnung von einem Meter Weite entstand. –
Es war ein Experiment, das in dieser Größe bisher noch kein Stahlwerk gewagt hatte und so bald wohl kein anderes wagen würde. Hin und her bewegt von hundert Gedanken und Befürchtungen, wie im Fieber durchlebten die drei Ingenieure auf dem Kommandostand die halbe Stunde, während der das glühende Metall in die Form strömte.
Wenn sich trotz aller Sorgfalt doch ein Fehler in ihrer Berechnung befand . . . wenn die von vierzigtausend Pferdestärken herumgewirbelte Gußform dem ungeheuren Druck des glutflüssigen Stahles nicht standhielt . . . wenn sie zerriß . . . ungeheuerlich mußte die Katastrophe dann werden, eine glühende Hölle die ganze gewaltige Halle im Laufe von Sekunden. Leichter atmeten sie, als der letzte Stahl in die Form floß, in dem Bewußtsein, daß der Zentrifugaldruck nun nicht mehr größer werden könnte. Bis jetzt hatte ihre Konstruktion gehalten, ihre Rechnung gestimmt. –
Weiter ging die Zeit. Unaufhörlich dröhnte das Brausen der Elektromotoren durch die Halle. Unbeweglich saßen die drei Männer vor den Instrumenten des Kommandostandes. Schon leuchtete der aufkommende Tag durch die Fenster herein, als sich Dickinson erhob und wie übernächtig seinen Mantel zusammenzog.
»Die kritischen Stunden sind vorüber, Gentlemen. Nach menschlichem Ermessen ist nichts mehr zu befürchten. Ich denke, wir können jetzt unsere Leute an den Stand lassen.«
Cranford griff zum Telephon. In einem entfernten Schuppen wurde gehört, was er sprach. Die Bedienungsmannschaft des Kommandostandes machte sich auf den Weg zur Halle. Worte wurden dabei gewechselt und Fragen gestellt. Sie konnten es sich nicht recht erklären, weshalb sie schon seit Mitternacht in dem entlegenen Schuppen in Bereitschaft liegen mußten, und ihre Verwunderung wuchs, als sie an der Ofenbatterie vorbeikamen. Leer alle Öfen. Die Belegschaft dort bereits an der Arbeit, neue Füllung für die nächste Schmelze hineinzugeben. Und dann sahen sie in der Halle mit Staunen, daß der Leiter des Werkes mit seinen beiden Oberingenieuren den Guß allein bewerkstelligt hatte, während sie an anderer Stelle warteten. Warum? Weshalb? . . . Sie vermochten keine Erklärung dafür zu finden. Kopfschüttelnd begaben sie sich an ihre Arbeitsplätze. Cranford blieb in der Halle zurück, Dickinson und Griffith verließen das Werk. –
Achtundvierzig Stunden sangen die Motoren ihr brausendes Lied und wirbelten die große Schleuderform rastlos um ihre Achse. Zum drittenmal zog die Mitternacht herauf, als Dickinson in die Halle zurückkam. Ein kurzer Befehl, vier Hebelbewegungen, und die Motoren stellten ihre Arbeit ein, der Riesenzylinder lag ruhig. Neue Kommandos, und ein Teil der Belegschaft stieg in die Gießgrube hinab, Schraubenschlüssel klirrten, Hammerschläge dröhnten, und langsam klaffte der gewaltige Zylinder auf. Dunkel schimmernd lag in ihm wie ein Ungeheuer der Urwelt das Gußstück, ein mächtiges, hundert Meter langes Stahlrohr.
Die drei Mammutkräne der Halle setzten sich in Bewegung. Tragketten senkten sich in die offene Form. Knarrend und klingend strafften sie sich unter der Last, die an ihnen hing. Langsam stieg das gigantische Rohr aus der Grube, schwebte der Mitte der Halle zu und sank auf einen Zug von Loren nieder, die dort auf einem Gleis standen.
Auch die zweite Rechnung der Ingenieure des Trenton-Werkes stimmte. Gut niedergekühlt, nur eben noch handwarm war das gewaltige Gußstück. Knarrend öffneten sich die Schiebetüren an der Kopfseite der Halle. Lokomotiven fuhren an und holten den Lorenzug hinaus ins Freie.
Die vierte Morgenstunde war darüber herangekommen; noch stand der Mond hoch am Himmel. Sein Licht fiel auf den fahrenden Zug und das Riesenrohr. Seine Strahlen spielten auf dem schimmernden Wasser des Hafenbeckens und um die massigen Formen eines großen Ozeandampfers, der dort am Kai lag. Das Heck des Schiffes war der Kaimauer zugewandt. Über eine schwere Ladebrücke führte der Schienenstrang von der Kaimauer weiter auf eine Öffnung am Heck des Dampfers zu.
Unaufhaltsam verfolgte die Lokomotive ihren Weg. Jetzt verschwand sie im Dunkel, wie eine mächtige Raupe kroch hinter ihr der Zug mit dem Stahlrohr in den Schiffsrumpf hinein. Das erste der vielen Riesenrohre, die Roddington im Verfolg seines großen Planes in Trenton gießen mußte, befand sich an Bord des Transportschiffes. Aufatmend strich sich Dickinson über die Stirn, dann ging er, um den Funkspruch aufzusetzen, der die Meldung davon nach Davao bringen sollte. Dröhnen und Brausen klang ihm auf seinem Wege von den Öfen her entgegen. Dort brodelte bereits das glühende Stahlbad für den nächsten Guß. –
In der großen Halle war eine Belegschaft von etwa fünfzig Mann an der Arbeit. Ein Teil der Leute karrte Sand und Schamottemörtel zu der Gießgrube hin, ein anderer war auf dem Boden der Grube beschäftigt, die feuerfeste Auskleidung der großen Schleuderform überall dort, wo sie unter der Einwirkung des glutflüssigen Stahles eine Abnutzung erlitten hatte, unter Benutzung der herangebrachten Baustoffe wieder instand zu setzen und für den nächsten Guß bereit zu machen.
Das Material für diese Ausbesserungsarbeiten war im Innern der Halle an der einen Schmalseite aufgestapelt. Dort schaufelten die Leute es ein, um es zur Verbrauchsstelle zu bringen. Eben fuhren wieder zwei Arbeiter mit ihren Karren ab, für den Augenblick befand sich niemand bei dem Materiallager.
Da begann es sich plötzlich in einem dunklen Haufen zu regen. Aus dem Sande arbeitete sich ein Kopf heraus, dem Arme und Leib schnell folgten. Wie eine Schlange kroch eine graue Gestalt auf dem Boden nach der kleinen Tür an der Schmalseite. Jetzt richtete das Wesen sich empor. Das Geräusch der niederschnappenden Klinke ging in dem allgemeinen Lärm unter. Durch einen schmalen Spalt schlüpfte es ins Freie und drückte die Tür hinter sich wieder ins Schloß.
Der Mond war inzwischen unter den Horizont gesunken, im unsicheren Sternenlicht bewegte die Gestalt sich vorsichtig vorwärts, jede Deckung sorgfältig benutzend. Jetzt hatte sie den Kai erreicht und kroch im Schatten der Böschung dicht am Ufer des Stichkanals entlang . . . Zweihundert Meter . . . dreihundert Meter . . . die Stelle, wo der Kanal das Werkgelände verließ, war erreicht.
Schritte klangen auf, regungslos blieb die Gestalt liegen und preßte sich dicht an die Böschung. Kaum drei Meter von ihr entfernt ging der Wächter vorbei, der hier ständig patrouillierte. Schwächer wurden seine Schritte und verklangen im Dunkel. Geräuschlos glitt etwas von der Böschung ins Wasser, geräuschlos schwamm es in dem Kanal weiter. Zweihundert Meter . . . dreihundert Meter, dann stieg es wieder an Land, blieb eine kurze Weile stehen, um das Wasser von seiner Kleidung ablaufen zu lassen und eilte dann der Straße zu, die parallel mit dem Kanal lief.
Und nun im Licht der hier brennenden Laternen ließ sich Genaueres erkennen. Eine schlanke und zierliche Gestalt war es, der Kleidung nach ein Mann. Sein Gesicht, wenn nicht alles täuschte, war dasjenige eines Asiaten aus dem Fernen Osten.
Schnell eilte er auf der Straße vorwärts. Bald hatte er die ersten Häuser Trentons erreicht und bog in eine Seitengasse ein. Vor einem Landhaus machte er halt, ein Schlüssel in seiner Hand öffnete die Gartenpforte, ein zweiter die Tür des Hauses. Lautlos fiel sie hinter ihm wieder ins Schloß.
*
»Ich versichere Ihnen, Oberst Barton«, sagte General Grove gegen Ende der langen Unterredung, »daß Ihre Vermutungen nicht zutreffen.«
Ein leichtes Zucken ging über die Züge des Obersten. Noch vor Jahresfrist hatte er den Posten im Kriegsamt bekleidet, den jetzt General Grove innehatte. Er wußte aus langer Erfahrung, was von solchen Versicherungen der amtlichen Stellen zu halten war. Der General bemerkte die Bewegung in den Mienen des andern und fuhr mit erhobener Stimme fort.
»Ich gebe Ihnen mein Wort als Offizier, Oberst Barton, daß nichts von dem, was Sie mir hier als Vermutungen und Befürchtungen Ihres Konzerns vorgetragen haben, zutrifft.«
Oberst Barton verneigte sich kurz.
»Ich danke Ihnen, General. An Ihrem Wort zweifle ich nicht. Dann ist unsere Gesellschaft falsch informiert worden.«
Das Verhältnis zwischen Barton und Grove war etwas eigenartig. Durch das freiwillige Ausscheiden des Obersten war Grove seinerzeit avanciert. Er hatte dessen Stellung im Kriegsamt erhalten und mußte ihm eigentlich zu Dank verpflichtet sein. Aber in dies Gefühl mischte sich ein wenig Neid, wenn er die glänzende, hochdotierte Position betrachtete, die Barton jetzt bei der Corporation einnahm. Eine derartige Möglichkeit wünschte sich auch Grove für alle Fälle offenzuhalten, und deshalb war er Oberst Barton gefällig, soweit es sich mit den Pflichten seines Amtes vereinigen ließ.
»Die Informationen Ihrer Gesellschaft treffen diesmal in der Tat nicht zu, Oberst Barton«, fuhr er fort, »obwohl sie ziemlich plausibel klingen. Der Gedanke ist gar nicht so übel. Man stellt hier in den Staaten nur Guß- oder Schmiedestücke her, denen noch niemand genau ansehen kann, was später daraus werden soll. Man bringt sie nach irgendeiner weit entlegenen Werkstätte, etwa auf den Philippinen, und nimmt erst dort die restliche Bearbeitung vor. Das Geheimnis neuer Waffen, solcher Riesengeschütze etwa, von denen Sie sprachen, ließe sich dabei gut wahren . . .« Während er sprach, schien dem General eine neue Idee zu kommen, denn lebhafter fuhr er fort: »Auch eine falsche Information kann manchmal nützliche Anregungen geben, Oberst Barton. Würde die Corporation gegebenenfalls bereit sein, Werkstätten an einer uns genehmen Stelle auf einer der Philippinen anzulegen, wenn wir wirklich einmal etwas Derartiges planen?«
»Wir würden alles tun, um Ihre Wünsche zu erfüllen, General«, erwiderte Oberst Barton, »unsere Gesellschaft weiß die Aufträge des Kriegsamtes zu schätzen.«
»Und das Kriegsamt die Leistungsfähigkeit Ihrer Gesellschaft«, fiel ihm General Grove ins Wort, »wollen Sie das bitte Präsident Price wissen lassen und ihm bei dieser Gelegenheit meine persönlichen Empfehlungen übermitteln.«
Oberst Barton wollte sich verabschieden, als ihn Grove noch einmal zurückhielt. Als er kurze Zeit danach das Amt verließ, konnte er einen Auftrag mitnehmen, welcher der Corporation die Lieferung von drei schweren Küstenbatterien übertrug.
In gleicher Weise waren Grove und Barton mit dem Ausgang ihrer Unterhaltung zufrieden. Barton, weil er sich dabei als Vertreter der Corporation bewährt hatte. Grove, weil er wieder einmal für die Zukunft vorgearbeitet zu haben glaubte. –
Die gute Laune Groves hielt noch an, als er bald darauf das Restaurant in der Nähe des Kapitols betrat, in dem er den Lunch zu nehmen pflegte. Von näheren Bekannten erblickte er beim Eintreten Kapitän Bancroft vom Marineamt und nahm an dessen Tisch Platz. Er freute sich über das Zusammentreffen, denn der Kapitän war ein angenehmer Gesellschafter.
Kapitän Bancroft gehörte in seinem Amt der Nachrichtenabteilung an, deren Aufgabe offiziell darin besteht, sich aus den Berichten der Marineattachés, Zeitungsnotizen und andern legalen Quellen Informationen über alles das zu verschaffen, was für die Marine der Vereinigten Staaten wichtig und wissenswert ist. Doch nicht immer genügten diese klaren Quellen, um den Wissensdurst des Kapitäns zu stillen, und dann standen ihm andere, wesentlich trübere zur Verfügung, von denen der offizielle Dienst nichts wußte und auch nichts wissen durfte. Agenten dunkler Herkunft und unbestimmten Charakters, die gegen gute Dollars oft wertvolle Nachrichten brachten, die auf keinem andern Wege zu erhalten waren. Leute, die aber auch häufig auf beiden Achseln trugen und ebenso bereit gewesen wären, Geheimnisse des Kapitäns gegen die entsprechenden Jens, Francs oder Pfunde bei andern Stellen zu verwerten. Kapitän Bancroft kannte seine Lieferanten und verstand es meisterhaft, sie zu behandeln. Irgendeine Nachricht, die fast, aber doch nicht ganz stimmte, irgendeine Mitteilung, die nur zu dreißig Prozent richtig war, warf er ihnen als Köder hin, um dafür wirklich Wissenswertes über die Gegenseite zu erfahren.
Das schien auch heute wieder einmal der Fall gewesen zu sein. Beim ersten Blick merkte Grove ihm eine gewisse Erregung an, deren Bancroft nicht recht Herr werden konnte. Vorsichtig versuchte er ihn während des Essens zu sondieren, um der Sache auf den Grund zu kommen. Als der Kellner den Kaffee serviert hatte, war es so weit. Unvermittelt platzte der Kapitän mit der Frage heraus.
»Wie weit sind Sie mit Ihren neuen Riesengeschützen, General Grove?«
Der General setzte die Tasse wieder ab und sah den Kapitän verdutzt an.
»Was? Wie? Kapitän Bancroft . . . Riesengeschütze? Wer hat Ihnen denn den Bären aufgebunden?«
Der Kapitän lehnte sich in seinen Stuhl zurück. Deutlich war ihm die Erleichterung anzusehen, die er empfand, nachdem er seine Nachricht an den Mann gebracht hatte.
»Ja, General Grove«, sagte er nach kurzem Überlegen, »die Marine baut diese Geschütze nicht. Gebaut werden sie aber, das ist nach den Mitteilungen meiner Gewährsleute sicher, also bleibt nur die eine Möglichkeit, daß das Kriegsamt sie in Auftrag gegeben hat. Übrigens ganz geschickt, General, die letzte Bearbeitung drüben auf den Philippinen vornehmen zu lassen . . . trotzdem . . . viel wird es Ihnen auch nicht nützen. Man weiß schon ziemlich viel darüber.«
»Herr Gott im Himmel!« Der General ließ die Hand schwer auf den Tisch fallen. »Ist denn die ganze Welt verrückt geworden? Sie erzählen mir hier dasselbe Märchen, Kapitän, das mir Oberst Barton von der Grand Corporation schon vor ein paar Stunden auftischte. Kein wahres Wort ist an der ganzen Geschichte. Weiß der Teufel, welche Stelle die fette Ente in die Welt gesetzt hat.«
Kapitän Bancroft wurde für einen Augenblick unsicher.
»Wissen Sie, woher Barton die Nachricht hatte?« fragte er Grove.
»Von der Corporation natürlich, Bancroft. Es ist klar, daß Price durch seine Agenten jeden Schritt Roddingtons überwachen läßt. Er hat wahrscheinlich triftige Gründe, in den Trenton-Werken eine bedenkliche Konkurrenz zu sehen. Darf ich fragen, Bancroft, wer Ihnen den Unsinn zugetragen hat?«
»Unter dem Siegel der Verschwiegenheit will ich es Ihnen sagen, General Grove. Die Nachrichten sind mir . . . auf Umwegen natürlich . . . aus dem gelben Lager zugeflossen. Der japanische Marineattaché hier in Washington hat bereits ein Aktenstück über die neuen Riesengeschütze der amerikanischen Wehrmacht angelegt, und so einigermaßen weiß ich, was da drinnen steht.«
Grove beugte sich vor.
»Das würde mich auch interessieren, was der Herr Vicomte Oburu da zusammenfabelt, denn eine Fabel ist es, mein Wort darauf, Kapitän Bancroft. Können Sie mir Genaueres sagen?«
Der Kapitän nickte.
»Ich habe vor Ihnen keine Geheimnisse, General. Der japanische Attaché schreibt in seinem Bericht, daß die Vereinigten Staaten sich mit der Entwicklung von Riesengeschützen beschäftigen, die wahrscheinlich für die Befestigung der Philippinen bestimmt sind. Der Bericht gibt die voraussichtliche Rohrlänge mit hundert Meter, das Kaliber mit einem Meter an . . .«
»By Jove, Kapitän! Der Mann geht kräftig ins Zeug, aber ich zweifle doch, ob sie ihm den Unsinn in Tokio glauben werden. Stellen sie sich doch nur vor . . . hundert Meter Rohrlänge . . . das Ferngeschütz des Weltkrieges, das größte Geschütz, das jemals gebaut wurde, war nur dreiunddreißig Meter lang. Dazu dieses unsinnige Kaliber, das wird ihm ja kein Mensch glauben.«
»Das meinen Sie, General. Aber der strebsame Herr Oburu hat sich diese Maße nicht aus den Fingern gesogen. Seine Spione waren in der neuen Halle der Trenton-Werke, als die ersten Stücke gegossen wurden und haben alles sehr genau beobachtet. Er belegt in seinem Bericht jede Zahl und jedes Maß mit genauen Angaben seiner Agenten. Das gibt am Ende doch zu denken. In Tokio soll man die Sache durchaus ernst nehmen. Auf seine ersten Funksprüche bekam der Attaché den Befehl, ausführlichsten schriftlichen Bericht einzusenden und die Angelegenheit mit allen Mitteln weiterzuverfolgen.«
Grove trank nachdenklich den Rest in seiner Tasse aus. Erst nach geraumer Zeit antwortete er.
»Ich glaube, Bancroft, das sollten wir auch tun, und in diesem Falle müssen Kriegsamt und Marineamt endlich mal Hand in Hand arbeiten. Ich werde mich auch noch mit Oberst Barton in Verbindung setzen. Wenn wir beide, Sie und ich, unsere Nachrichtenquellen richtig ausnutzen, werden wir bald wissen, was Roddington in den Trenton-Werken und auf den Philippinen vorhat. Vielleicht wird es sogar unsere Pflicht sein, ihn vor der gelben Spionage zu warnen, aber erst müssen wir selbst einmal Klarheit haben.« –
Als die beiden Herren das Restaurant verließen, waren sie sich über die zunächst zu treffenden Maßnahmen vollkommen einig. Gemächlich schritten sie durch die Pennsylvania Avenue dem Block zu, in dem ihre beiden Ämter lagen.
Bald darauf verließ ein anderer Gast das Restaurant. Seine Hautfarbe und sein Gesichtsschnitt verrieten unverkennbar den Ostasiaten. Sein Ziel war die japanische Botschaft, in der er bald darauf eine Unterredung mit dem Marineattaché hatte.
*
Zehn Tage waren vergangen, seitdem die »City of Frisco« im neuen Hafenbecken der Trenton-Werke die Trossen loswarf. Mit Südkurs hatte der Zehntausendtonner den Atlantischen Ozean durchpflügt, die Windward-Straße zwischen Kuba und Haiti passiert und seinen Weg durch die Karibische See fortgesetzt.
Am Morgen des elften Tages tauchte Land auf. Mit halbem Dampf setzte die »City of Frisco« die Fahrt fort, und an ihrem Fockmast ging das Lotsensignal in die Höhe.
»Gute Reise bis jetzt«, sagte Ingenieur Scott, der neben Kapitän Smith auf der Brücke stand, »hoffentlich bleibt das Wetter im Pazifik ebenso gut.«
Kapitän Smith, ein alter, wettergebräunter Seebär, schnüffelte in den Wind, bevor er antwortete.
»Ich denke, es wird so bleiben, Mr. Scott. Der Funkdienst meldet leichten Südwest bis in die Gegend der Philippinen.«
Das Land war inzwischen näher gekommen. Kapitän Smith deutete mit der Hand nach Backbord voraus.
»Wenn Sie Ihr gutes Glas benutzen, Mr. Scott, werden Sie schon die Türme von Colombo sehen und vielleicht auch noch etwas anderes, das Sie möglicherweise interessieren dürfte.«
Ingenieur Scott brachte das Glas an die Augen. Silhouettenhaft erkannte er in der Ferne die Baulichkeiten einer Stadt. Davor und dem Schiff viel näher etwas Niedriges, Zackiges, aus dem zahlreiche Rohre schräg aufragten. Nach einer Weile ließ er das Glas wieder sinken.
»Haben Sie die Forts von Aspinwall gesehen, Mr. Scott? Hübsche Röhrchen hat Uncle Sam da hingestellt, für den Fall, daß mal einer dem Kanal zu Leibe will. Auf fünfzig Kilometer schießen die Dinger den dicksten Panzer zusammen.«
»Das kann ich sehr gut begreifen, Kapitän. Der Panamakanal bedeutet praktisch eine Verdoppelung unserer Seemacht. Sollten wir doch einmal mit den Herrschaften in Tokio Händel bekommen, würde ihr erstes Streben wohl sicher dahin gehen, den Kanal auf irgendeine Manier zu blockieren.«
Kapitän Smith lachte.
»Daß sie es mit allen Mitteln versuchen würden, ist klar, Mr. Scott. Gelingen wird's ihnen schwerlich, dazu ist Uncle Sam zu sehr auf der Hut, und die Zuckerhüte, die er für unerwünschte Gäste bereit hält, haben kein schlechtes Kaliber . . . freilich . . .«, fuhr er mit einem Seitenblick auf Ingenieur Scott fort, ». . . im Vergleich mit den vier Rohren, die wir in Trenton eingeladen haben, sind auch die Riesengeschütze der Panamaforts nur . . .«
Die weiteren Worte von Kapitän Smith gingen im Lärm der Schiffssirene unter. Während sie in kurzen Pausen aufheulte, schlugen die Schrauben der »City of Frisco« rückwärts. Das Schiff lag still, ein Motorkutter näherte sich und stoppte an seiner Seite. Über die Jakobsleiter stieg der Lotse an Bord. Verdutzt bemerkte Kapitän Smith, daß er nicht allein kam. Ein zweiter Mann kletterte hinter ihm an der Leiter hoch, der die Offiziersuniform der amerikanischen Marine trug. Mit kräftigem Händedruck begrüßte der Kapitän den Lotsen, den er von früheren Reisen her kannte, fragend blickte er den Seeoffizier an.
»Kapitänleutnant MacLane«, stellte sich der vor; »ich habe den Auftrag, Ihre Papiere einzusehen, Kapitän Smith, bevor Sie in die Kanalrinne einfahren.«
Kopfschüttelnd lud der Kapitän den Offizier in seine Kabine ein. Es war nicht das erstemal, daß er mit der »City of Frisco« den Panamakanal passierte, aber noch niemals hatte man dabei nach den Schiffspapieren gefragt. In den Schleusen von Gatun, wo es sowieso einen Aufenthalt gab, hatte er auf früheren Reisen stets die Kanalgebühr von zehntausend Dollar, entsprechend den zehntausend Tonnen der »City of Frisco«, gezahlt, und damit waren alle Formalitäten für die Durchfahrt erfüllt gewesen.
In der Kabine bat er MacLane, Platz zu nehmen, und legte ihm die Konnossemente vor. Der Offizier las sie sorgfältig durch.
»Hm, Kapitän Smith, Sie kommen also mit einer Ladung Stahlguß von Trenton und sind auf der Reise nach Davao. Nach den Papieren handelt es sich um vier Rohre zu je zweitausend Tonnen?«
»Yes, Sir«, brummte Kapitän Smith. Die Fragerei begann ihn zu ärgern.
Der Offizier erhob sich, aber wenn Kapitän Smith dachte, daß er nun abziehen würde, so irrte er sich.
»Ich möchte Ihre Ladung sehen, Kapitän.«
Mit einem unterdrückten Fluch griff Smith nach seiner Mütze und führte MacLane über eine eiserne Stiege nach unten. Seine Hand griff nach einem Schalter. Eine Reihe von Glühlampen flammte auf und erfüllte den großen Laderaum mit unsicherem Licht. Anders sah es hier aus als auf früheren Reisen der »City of Frisco«. Sonst pflegte der mächtige Laderaum wohl bis an die Decke mit Kisten, Ballen und Frachtstücken verschiedenster Art vollgepfropft zu sein. Jetzt wirkte er fast leer, nur vier jener riesigen Stahlrohre, wie sie Roddington in den Trenton-Werken neuerdings gießen ließ, befanden sich in ihm. Sie ruhten noch auf den Lorenzügen, auf denen man sie in Trenton in den Schiffsbauch hineingefahren hatte, und die vier Züge standen auf vier Gleisen, die sich durch die ganze Länge des Laderaums erstreckten. Es war offensichtlich, daß man den Raum für diese eigenartige Fracht besonders hergerichtet hatte.
Überrascht blieb MacLane stehen. Prüfend, abschätzend glitt sein Blick über die riesenhaften Stahlrohre, als wolle er sich ihre Maße genau einprägen.
»Was, Sir? Hübsche Dingerchen! Die Rohre von Fort Aspinwall sind Spielzeug dagegen.« Kapitän Smith konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen. Irgendwie mußte er seinem Ärger Luft machen.
Der Offizier schien seine Worte zu überhören. Schweigend gingen sie wieder nach oben, aber vergeblich hoffte Smith, daß er den ungebetenen Gast nun endlich loswerden würde. Das Gegenteil war der Fall. MacLane kam mit auf die Brücke und ersuchte Kapitän Smith, einen Funkspruch, dessen Text er ihm überreichte, sofort an die Station von Aspinwall senden zu lassen. Der Text war chiffriert. Irgendeinen Sinn konnte Kapitän Smith aus den Buchstabengruppen nicht entnehmen. Erst nachdem das Radiogramm abgegangen und der Empfang von Aspinwall her bestätigt war, durfte der Lotse seines Amtes walten und die »City of Frisco« in die gebaggerte Rinne bringen, die von der Karibischen See durch die flache Limon-Bai zu dem eigentlichen Kanal führt.
Der Lotsenkutter war längst verschwunden, und eigentlich war die Frage sehr überflüssig, die Kapitän Smith an MacLane richtete.
»Wünschen Sie an Bord der ›City of Frisco‹ zu bleiben, Sir?«
Der Offizier nickte kurz. »Yes, Sir, bis Panama.«
Langsam setzte die »City of Frisco« ihren Weg fort. Schon lag Colon quer backbord, als von dorther mit voller Maschinenkraft ein amerikanischer Kreuzer heranjagte.
»Hallo, Kapitän Smith! Sehen Sie das Signal nicht? Die ›Vermont‹ fordert Sie auf, zu stoppen!«
Kapitän Smith bekam einen roten Kopf, während er nach dem Hebel des Maschinentelegraphen griff, um den Befehl nach unten zu geben.
»Würden Sie vielleicht die Güte haben, Sir, mir zu sagen, was das alles zu bedeuten hat?« wandte er sich an MacLane.
»Es hat zu bedeuten, Kapitän Smith, daß die ›City of Frisco‹ während der Fahrt durch den Kanal eine Wache von der ›Vermont‹ an Bord bekommt.«
Kapitän Smith schob sich die Mütze ins Genick.
»Ich komme jetzt mit der ›City of Frisco‹ das vierzehnte- oder das fünfzehntemal durch den Kanal, Sir, ohne daß man es für nötig befunden hätte, mir eine Wache an Bord zu geben. Darf man den Grund für diese ungewöhnliche Maßnahme wissen?«
MacLane zuckte die Achseln. »Befehl aus Washington, Kapitän Smith. Mehr kann ich nicht sagen.«
Der Kreuzer war inzwischen dicht herangekommen. Ein Boot stieß von ihm ab und brachte einen andern Offizier mit zwanzig Mann zur »City of Frisco« herüber. Ein Grußwechsel zwischen den beiden Marineoffizieren, ein paar leise gesprochene Worte, dann wandte sich MacLane wieder an Kapitän Smith.
»Lassen Sie die gesamte Besatzung Ihres Schiffes auf Deck antreten!«
Kapitän Smith zerkaute einen Fluch zwischen den Zähnen, während er den Befehl weitergab. Die Pfeife des Bootsmannes schrillte durch das Schiff. Die Besatzung strömte nach oben und stellte sich auf dem Vorderdeck auf.
»Was soll jetzt weiter geschehen?« fragte Kapitän Smith verdrossen.
»Ich brauche Ihre Musterrolle, Kapitän.«
George Stanley, der Erste Offizier der »City of Frisco«, brachte sie herbei. MacLane nahm sie ihm aus der Hand, während er fragte: »Sie kennen jeden Mann Ihrer Besatzung persönlich?«
»Yes, Sir!«
»Dann wollen wir die Mannschaft zusammen kontrollieren.« Die Musterrolle in der Hand begann MacLane die einzelnen Namen zu verlesen. Jeder Aufgerufene mußte zur Seite treten, während sein Name in der Liste einen Strich bekam.
Kapitän Smith stand währenddes mit Ingenieur Scott etwas abseits.
»Verstehen Sie das Affentheater, Mr. Scott?« stieß er unwillig heraus. Scott wiegte den Kopf hin und her.
»Man könnte sich verschiedene Gründe dafür denken, Kapitän Smith. Unsere Fracht ist von besonderer Art. Stellen Sie sich einmal vor, daß Ihnen irgendwer, während die ›City of Frisco‹ etwa den Culebra-Durchstich passiert, die Bodenventile aufschraubt. Mit achttausend Tonnen Stahl im Bauch würde Ihr Schiff wie ein Stein wegsacken, und der Kanal wäre auf Wochen blockiert.«
Kapitän Smith machte eine abweisende Handbewegung. »Nonsens, Mr. Scott! Wer hätte ein Interesse daran, das zu tun?«
Ingenieur Scott zuckte die Achseln.
»Weiß ich nicht, Kapitän. Jedenfalls sehen Sie, daß Uncle Sam sicher zu gehen wünscht.« –
Die Verlesung war zu Ende, prüfend überblickte Mac-Lane die Musterrolle. Zwei Namen waren auf ihr, die keinen Strich hatten. Er wies sie dem Ersten Offizier.
»Was sind das für Leute, Mr. Stanley? Sie haben sich nicht gemeldet.«
George Stanley warf einen Blick auf die Namen.
»Zwei Mann von der dritten Heizerwache, Sir.«
»Lassen Sie sie sofort suchen und auf Deck bringen, Mr. Stanley!«
»All right, Sir.« Mit mehreren Maschinisten begab sich Stanley nach unten, um die Fehlenden zu holen. Geduldig ging MacLane mit dem Offizier der »Vermont« auf dem Vorderdeck hin und her. Ein Gespräch schien zwischen beiden im Gange zu sein, das immer eifriger wurde, je weiter die Zeit vorrückte. Doch es wurde so leise geführt, daß weder Kapitän Smith noch Ingenieur Scott ein Wort davon zu erhaschen vermochten.
Eine Viertelstunde verstrich und noch eine zweite. Da endlich erschien Stanley mit seinen Leuten wieder auf Deck. Sie brachten die Vermißten, die sie erst nach langem Suchen im achteren Ankerbunker zwischen den Gliedern der großen Ankerkette aufgestöbert hatten. Die Spuren ihres letzten Aufenthaltsortes waren an den beiden Heizern noch deutlich zu bemerken. Über und über mit Staub und Kettenschmiere beschmutzt, glichen sie mehr Negern als Weißen.
»Erst mal Wasser her und den Kerls die Visagen gewaschen!« befahl MacLane.
Grinsend brachte der Bootsmann der »City of Frisco« einen Eimer mit heißem Sodawasser und einen mächtigen Pferdeschwamm heran und besorgte die Reinigung mehr gründlich als schonend. Die Schmiere ging schließlich ab, aber die Gesichter der beiden Delinquenten wurden dabei nicht völlig weiß. Sie behielten einen gelblichen Schimmer, und deutlich wurde erkennbar, daß man es hier zum mindesten mit ostasiatischem Halbblut zu tun hatte.
Noch einmal verlas McLane die Namen der beiden aus der Musterrolle. Es waren gute englische Namen, und er verlas sie auch zum zweiten und zum dritten Male. Aber mochten die beiden Heizer noch durch die rauhe Waschung des Bootsmannes verwirrt sein, mochte irgendein anderer Grund vorliegen, es dauerte lange, bis sie darauf reagierten. Längere Zeit jedenfalls, als ein normaler Mensch nötig hat, um sich auf seinen Namen zu besinnen.
Ein Blickwechsel zwischen MacLane und dem Offizier vom Kreuzer »Vermont« und ein kurzer Befehl von dem an seine Leute.
Vier Matrosen traten vor, nahmen die beiden verdächtigen Heizer in die Mitte und fuhren mit ihnen zur »Vermont« hinüber. Kapitän Smith wollte aufbegehren . . . dagegen protestieren, daß man ihm zwei Heizer wegnahm, die er für die Bedienung seiner Kessel brauchte, Ingenieur Scott hielt ihn zurück.
»Seien Sie froh, Kapitän, daß Sie die beiden Galgenvögel loswerden. Denen könnte man es schon zutrauen, daß sie die ›City of Frisco‹ mitten im Kanal versacken lassen.«
»Aber zum Teufel noch mal, die Kerls fehlen mir vor den Feuern!« fluchte Kapitän Smith.
»Regen Sie sich nicht auf, Kapitän! In Gatun treibt sich genug heuerloses Volk herum. Da können Sie leicht ein paar Neue anmustern.« –
Jetzt endlich . . . die »City of Frisco« lag bereits eine gute Stunde vor Colon . . . gab MacLane dem Lotsen die Erlaubnis zur Weiterfahrt. Langsam setzte das Schiff sich wieder in Bewegung und steuerte auf Gatun zu. Dicht hinter ihr folgte die »Vermont«. Der Kreuzer hatte anscheinend auch Geschäfte im Pazifik vor.
Die weitere Fahrt verlief ohne besondere Zwischenfälle. Während die »City of Frisco« durch die Schleusentreppe bei Gatun in die Höhe geschleust wurde, glückte es Kapitän Smith, Ersatz für seine beiden verlorenen Heizer zu bekommen. Der große Gatunsee und der Bergdurchstich bei Culebra wurden passiert, und bei Miraflores stieg das Schiff durch die andere Schleusentreppe wieder zum Niveau des Weltmeeres hinab. Ein kurzer Aufenthalt noch im Hafen von Balboa, wo die »City of Frisco« die Ölbunker für die lange Reise nach Mindanao frisch füllte.
Eine halbe Stunde später hatte der Zehntausendtonner die Kanalrinne hinter sich und wiegte sich auf den Fluten des Pazifik. Von der »Vermont« her, die getreulich in seinem Kielwasser geblieben war, kam ein Boot heran, um die Wache zurückzuholen. Mit kurzem Gruß empfahl sich Kapitänleutnant MacLane und ließ sich ebenfalls zu dem Kreuzer übersetzen. Als das Boot abstieß, spuckte Kapitän Smith dreimal kräftig in die See.
»Gott sei Dank, Mr. Scott, daß wir das Kriegsvolk von Bord haben. Es ist mir auf die Nerven gegangen!«
Scott schüttelte den Kopf.
»Ich halte es im Gegenteil für ein Glück, Kapitän Smith, daß das Kommando von der ›Vermont‹ auf die ›City of Frisco‹ kam. Die Geschichte mit den beiden Heizern macht mir Kopfschmerzen. Ich muß den Herren Dickinson und Roddington sofort per Funk Mitteilung davon machen. Wenn so etwas schon an Bord Ihres Schiffes möglich war, dann dürfen wir uns in Trenton und Davao noch auf allerlei andere Überraschungen gefaßt machen.«
»Funken Sie, was Sie lustig sind«, brummte Kapitän Smith und ging in seine Kabine, um seinen Ärger mit einem steifen Whisky-Soda wegzuspülen. –
Das gute Wetter, das der Funkdienst prophezeit hatte, hielt erfreulicherweise an, während die Tage verstrichen und sich zu Wochen summierten.
Kapitän Smith konstatierte es mit Vergnügen, denn mit der schweren Stahllast dicht über dem Kiel war die »City of Frisco« außergewöhnlich steif, was in der Seemannssprache das Gegenteil von rank bedeutet. Bei einem etwa aufkommenden Sturm würde ihr Rumpf unbeweglich wie ein Block auf dem Wasser liegen und schwere Brecher über sich ergehen lassen müssen. Es war dem Kapitän lieb, daß die Wetterlage ihn vor solchen Beanspruchungen seines Schiffes bewahrte.
Die Route, welche die »City of Frisco« verfolgte, war wenig befahren. Nur zwei oder drei Schiffe begegneten ihr bis zu den Hawaiinseln. Im Hafen von Honolulu gab es einen kurzen Aufenthalt, um frischen Treibstoff zu nehmen. Noch waren die Pumpen an der Arbeit, das Öl aus dem großen Tank am Kai in die Bunker des Schiffes zu werfen, als die »Vermont« erschien und zu dem gleichen Zweck dicht neben der »City of Frisco« festmachte. Das mochte wohl das Schiff gewesen sein, das Kapitän Smith auf dem langen Wege von Balboa bis Honolulu bisweilen weit achtern am Horizont bemerkt hatte. Der amerikanische Kreuzer war noch beim Tanken, als die »City of Frisco« bereits die Trossen loswarf und den Hafen wieder verließ. Der zweite Teil ihrer Reise über das größte aller Weltmeere begann und verlief während der nächsten Tage ebenso ereignislos wie der erste.
Auf dem einhundertachtunddreißigsten Grad östlicher Länge war's, kurz nach Mitternacht, nicht allzu weit von der Insel Jap entfernt, als plötzlich von zwei verschiedenen Stellen her Scheinwerfer aufblitzten und die »City of Frisco« anleuchteten. George Stanley, der die Wache auf der Brücke hatte, kümmerte sich zunächst nicht weiter darum. Es mochten wohl Kriegsschiffe, vermutlich japanische, sein, die hier eine Nachtübung abhielten. Er wurde erst aufmerksam, als die langen Lichtbalken der Scheinwerfer mit auffallender Beharrlichkeit an dem Rumpf der »City of Frisco« hängenblieben, während die beiden Schiffe, von denen sie ausgingen, zusehends näher herankamen. Taghell war jetzt die Brücke von dem grellen Scheinwerferlicht beleuchtet. Geblendet mußte der Erste Offizier die Augen schließen, sooft er nach den fremden Schiffen auszuschauen versuchte. Eben zerkaute er einen kräftigen Fluch über gelbe Unverschämtheit zwischen den Zähnen, als ihm von der Funkstation her ein Radiogramm gebracht wurde: Aufforderung des Kreuzers »Katsura« an die »City of Frisco«, zu stoppen.
Blitzschnell gingen ihm seine Instruktionen durch den Kopf. Es war im Augenblick nirgendwo Krieg auf der Erde. Wie kam ein japanisches Kriegsschiff unter solchen Umständen dazu, einen Dampfer der amerikanischen Handelsmarine zum Beidrehen aufzufordern? Hatte es nach internationalem Seerecht überhaupt die Befugnis dazu? George Stanley war seiner Sache nicht sicher. Er schickte den Funkergast sofort nach unten, um Kapitän Smith zu wecken und auf die Brücke zu bitten. Gleichzeitig gab er Befehl »Halbe Kraft!« in den Maschinenraum.
Noch wartete er auf das Erscheinen des Kapitäns, als es auf einem der fremden Schiffe aufblitzte. Eine Granate fegte zweihundert Meter von dem Bug der »City of Frisco« über das Wasser. Der Donner des Schusses war noch nicht verhallt, als Kapitän Smith auf die Brücke eilte.
»Sofort stoppen!« schrie er Stanley zu und lief weiter in die Funkstation. Ein Radiogramm spritzte aus der Antenne der »City of Frisco«. Eine Meldung, schon fast ein Notruf war es, daß das Schiff auf offener See von japanischen Kreuzern angehalten würde.
Die »Katsura« war inzwischen bis auf hundert Meter an die »City of Frisco« herangekommen. Während sie den Dampfer mit acht Scheinwerfern anstrahlte, wurde an der ihm zugewandten Seite des Kreuzers ein Boot zu Wasser gelassen.
Zähneknirschend stand Kapitän Smith neben George Stanley auf der Brücke.
»Die Unverschämtheit wird den Gelben teuer zu stehen kommen«, rief er seinem Ersten Offizier zu. »Nicht den Schimmer eines Rechtes haben sie, uns hier anzuhalten. Jetzt müßte die ›Vermont‹ hier sein, die würde den Burschen die Zähne zeigen.«
Noch während er es sagte, blitzte es an einer dritten Stelle über der nächtlichen See auf. Scheinwerfer vermischten von dorther ihre Lichtkegel mit denen der beiden japanischen Schiffe, leuchteten diese an, leuchteten die »City of Frisco« an und wurden von Minute zu Minute stärker in ihrem Licht. Kapitän Smith sah sie und preßte die Hände zu Fäusten, bis es ihn schmerzte. Auch auf der »Katsura« hatte man das fremde Licht gesehen und schien unschlüssig zu werden. Das Boot, das eben von ihr abgestoßen war, kehrte wieder zurück und wurde an die Flaschenzüge der Davits eingehakt . . .
Und dann rauschte die »Vermont« heran. Die Kegel ihrer Scheinwerfer hafteten an den beiden japanischen Schiffen. Kapitän Smith konnte es auf seiner Brücke deutlich sehen, wie die Türme des amerikanischen Schlachtkreuzers sich drehten, seine schweren Rohre Richtung auf die beiden Japaner nahmen.
Der Funker in der Station der »City of Frisco« sah auch etwas davon, aber darüber hinaus vermochte er auch die Funksprüche mitzuhören, die jetzt zwischen der »Vermont« und dem japanischen Kreuzer hin und her gingen. Eine Anfrage der »Vermont« an die »Katsura«, kurz, knapp und scharf, was der ganze Spuk hier bedeuten solle. Eine höfliche, ausweichende Antwort von der »Katsura«: Man habe sichere Nachricht, daß zwei von der japanischen Justiz gesuchte Verbrecher sich an Bord der »City of Frisco« befänden; man hätte sich ihrer versichern wollen.
Eine grobe Antwort von der »Vermont«: Die Japaner hätten sich den Teufel was um Leute zu scheren, die sich an Bord von amerikanischen Schiffen befänden. Im übrigen kämen sie zu spät. Die beiden Verbrecher säßen schon längst in Colon in sicherer Verwahrung. Die amerikanische Union würde sich die Mühe machen, die Banditen selber hängen zu lassen.
Noch einmal eine sehr höfliche Rückantwort von der »Katsura«: Man sei den Behörden von Colon für die Unterstützung aufs Sicherste verbunden, und dadurch wäre die Sache ja erledigt.
Schon während der letzten Worte dieses Funkspruches setzten die beiden japanischen Schiffe sich wieder in Bewegung und nahmen Südkurs auf die Insel Jap zu.
Noch längst nicht wäre die Sache erledigt. Washington würde Tokio darüber noch seine Meinung wissen lassen, funkte die »Vermont« den abziehenden Kreuzern nach. Aufs tiefste bedauerte es MacLane, daß das amerikanische Kriegsschiff nicht auch aus seinen schweren Rohren hinter ihnen her funken durfte.
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