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XXXVII

Tarnowski hat sich einen der Diener des Hotel Ritz eingefangen, die in ihrer blauen Livree mit Silbertressen beladen im Foyer herumlungern und ihm zwanzig Frank zugesteckt.

»Lieber Freund, Sie müssen mir einen Gefallen tun. Hier im Hause wohnt ein Brasilianer, Conte Lobositz. Er hat eine Frau mit kurzgeschnittenen roten Haaren. Haben Sie die Dame schon gesehen?«

Der Diener grinst zustimmend.

»Dieser Dame müssen Sie diese Zeilen zukommen lassen, ohne daß ihr Herr Gemahl etwas merkt. Werden Sie das können?«

Der Diener ist fast beleidigt.

»So etwas Einfaches soll ich nicht können! Wofür hält mich der Herr ...?«

»Also abgemacht.«

Der Brief bleibt in den Händen des Dieners zurück.

Eine Stunde später hat ihn Lilith.

»Ist eine Antwort?« fragt der Diener.

»Nein. Sie haben gesehen, was ich mit dem Brief gemacht habe ...«

»Allerdings, Madame.«

»Nun also, das ist die Antwort.«

Respektvoll sich verbeugend verschwindet der Diener aus dem Foyer, wo er auf Madame Lobositz gelauert hat.

Der Tag ist schön – also hinaus nach Malmaison ... Oder anderswohin: sie wird Lobositz vom Crédit Lyonnais abholen, wohin er vorausgefahren ist.

Tarnowski wartet an dem Treffpunkt, wohin er Lilith in dem Briefe bat, vergebens.

Er ist verblüfft. Er ist wütend.

Sollte er sich so verrechnet haben? Das ist ihm noch nicht passiert.

Noch vor zehn Uhr ist er am anderen Morgen wieder beim Diener.

»Was war? Haben Sie keine Gelegenheit gehabt, meinen Brief zu übergeben?«

»O doch!« lächelt der Diener malitiös und berichtet.

In einem Winkel, der durch einen Paravent geschützt ist, schreibt Tarnowski im Lesezimmer einen zweiten Brief. »Warum haben Sie mir das angetan? Ich bin verzweifelt. Ich liebe Sie, wie ich noch nie eine Frau geliebt. Ich weiß, ich bin ein Narr – ich weiß, es ist hoffnungslos – aber haben Sie Erbarmen! Nur die Spitzen Ihrer Finger reichen Sie mir zum Kuß – und ich bin selig. Ich werde heute nochmals warten. Ihr verzweifelter Tarnowski.«

Wieder bringt der Diener den Brief in Liliths Hände – wieder zerreißt sie ihn. Aber diesmal sagt sie dem Diener:

»Heute nicht – aber vielleicht morgen, wenn der Herr wiederkommen sollte, können Sie ihm das sagen.«

Sie hatte ganz kalt, fast wegwerfend gesprochen. Aber innerlich jubelte sie. Ein wildes Triumphgefühl jagt durch ihr Blut.

Wart' nur! Dich zähme ich mir! Du wirst noch aus der Hand fressen, mein Lieber, und wirst mich kennenlernen! Ich bin nicht das Lamm, das man zur Schlachtbank schleppt und das seinem Henker noch die Hände leckt, ehe er es schlachtet. Nicht du wirst mich haben! Ich werde dich haben und dich wegwerfen, wenn es mir beliebt. Diesmal bist du an die Unrechte gekommen!

Alle Muskeln ihres jungen, geschmeidigen Körpers spannen sich, als würde sie eines jener Assants ausfechten mit dem Rapier in der Faust und in den Augen ihres Gegners jede Finte und jeden Hieb von vornherein verspüren und parieren.


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