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Neuntes Kapitel

In der Stadt Florentia waltete eifriges, kriegerisches Leben. Die Tore waren geschlossen: auf den Zinnen und Mauerkronen schritten zahlreiche Wachen, in den Straßen klirrte es von Zügen reisiger Goten und bewaffneter Söldner: denn die Wölsungen Guntharis und Arahad hatten sich in diese Stadt geworfen und sie einstweilen zum Hauptwaffenplatz des Aufstandes gegen Witichis gemacht.

In der schönen Villa, die sich Theoderich in einer Vorstadt am Ufer des Arnus, aber noch in den Ringmauern der Stadt gebaut, hausten die beiden Brüder.

Herzog Guntharis von Tuscien, der ältere, war ein gefürchteter Kriegsmann und seit Jahren Graf der Stadt Florentia: rings in ihrem Weichbild lagen die Güter des mächtigen Adelsgeschlechts, von Tausenden von Colonen und Hintersassen bebaut: ihre Macht in dieser Stadt und Landschaft war ohne Schranken, und Herzog Guntharis war entschlossen, sie völlig zu gebrauchen.

In voller Rüstung, den Helm auf dem Haupt, schritt der stattliche Mann unwillig durch das marmorgetäfelte Zimmer, indes der jüngere Bruder in schmucker Freitracht, ohne Waffen, schweigend und sinnend an dem Citrustisch lehnte, der von Briefen und Pergamenten bedeckt war.

«Entschließe dich, mach' vorwärts, mein Junge!» sprach Guntharis: «es ist mein letztes Wort. Noch heute bringst du mir das Ja des störrigen Kindes, oder ich – hörst du? – ich selbst gehe, es zu holen. Aber dann, wehe ihr. Ich weiß besser als du umzuspringen mit einem launischen Mädchenkopf.»

«Bruder, das wirst du nicht.»

«Beim Donner, das werd' ich. Meinst du, ich wage meinen Kopf, ich versäume das Glück unsres Hauses um deine schmachtende Zartheit? Jetzt oder nie ist der Augenblick, den Wölsungen endlich die erste Stelle im Volk zu schaffen, die ihnen gebührt, und von der Amaler und Balten sie seit Jahrhunderten ausgeschlossen. Wird die letzte Amelungentochter dein Weib, kann niemand dir die Krone bestreiten, und mein Schwert soll sie schon schützen auf deinem Haupt gegen diesen Bauernkönig Witichis.

Aber nicht zu lange mehr darf's währen. Ich habe noch keine Nachricht von Ravenna: doch ich fürchte, die Stadt wird nur Mataswintha, nicht uns, zufallen, das heißt, nicht uns allein; wer sie hat, hat aber Italien, nachdem Neapolis und Rom verloren. Die mächtige Festung müssen wir haben. Deshalb muß sie dein Weib sein, eh' wir vor die Rabenmauern ziehen, sonst wird ruchbar, daß sie mehr unsre Gefangene als unsre Königin.»

«Wer wünscht das mehr, heißer als ich? Aber ich kann sie doch nicht zwingen?» – «Nicht? Warum nicht? Suche sie auf und gewinne sie im guten oder im bösen. Ich gehe, die Wachen auf den Wällen zu verstärken. Bis ich zurück bin, will ich Antwort!»

Herzog Guntharis ging, und seufzend machte sich sein Bruder nach dem Garten auf, Mataswintha zu suchen.

Der Garten war von einem kunstverständigen Freigelassenen aus Kleinasien angelegt. Er hatte im Hintergrund einen waldähnlichen Abschluß, der, frei von Beeten und Terrassen, das wunderbar reiche Wiesengrün noch erhalten hatte. Diese blumigen Wiesenufer und dichten Oleanderbüsche durchrieselte ein klarer Bach mit anmutigem Gewoge.

Dicht an dem Rande des Baches, im weichem Grase hingegossen, lag eine jugendliche Frauengestalt. Sie hatte von dem rechten Arm das Gewand zurückgeschlagen und schien bald mit den murmelnden Wellen, bald mit den nickenden Blumen am Rande zu spielen. Sinnend sah sie vor sich hin und warf wie träumend hier und da ein Veilchen oder einen Krokus in die Wellen, mit leise geöffneten Lippen der Blüte nachsehend, die rasch die klaren Wellen entführten.

Dicht hinter ihren Schultern kniete ein junges Mädchen in maurischer Sklaventracht, eifrig beschäftigt, einen Kranz fertig zu flechten, an welchem nur die letzten Verbindungen fehlten: sorgsam spähte die anmutfeine Kleine manchmal, ob die Träumende ihre heimliche Arbeit nicht gewahre.

Aber diese schien ganz in ihre Phantasien verloren.

Endlich war der zierliche Kranz vollendet: mit lachenden Augen drückte sie ihn auf das prachtvolle feuerfarbne Haar der Herrin und bog sich um ihre Schulter, deren Blick zu suchen. Aber diese hatte gar nicht gemerkt, wie die Blumen ihr Haupt berührten. Da ward die Kleine unwillig und rief mit schmollend aufgeworfenen Lippen: «Aber Herrin, bei den Palmenwipfeln des Auras, was denkest du wieder? Bei wem bist du?»

Mataswintha schlug die leuchtenden Augen auf: «Bei ihm!» flüsterte sie. «Weiße Göttin, das trag' ich nicht mehr!» rief die Kleine aufspringend, «es ist zu arg, die Eifersucht bringt mich um! Nicht mich, deine Gazelle nur, auch die eigne Schönheit vergißt du – über dem unsichtbaren Mann. Schau' doch nur einmal in die Wellen und sieh, wie reizend dein Haar von den dunkeln Veilchen und weißen Anemonen sich hebt.»

«Dein Kranz ist schön!» sagte Mataswintha, ihn herunterlangend und dann leicht in die Wellen werfend, «welch süße Blumen! Grüßt ihn von mir.»

«Ach, meine armen Blumen!» rief die Sklavin, ihnen nachblickend; aber sie wagte nicht, weiter zu schelten. «Sag' mir nur», rief sie, sich wieder niederlassend, «wie all dies enden soll? Da sind wir jetzt schon viele Tage, wir wissen nicht recht, Königin oder Gefangene? Jedenfalls in fremder Gewalt, haben den Fuß nicht aus deinem Gemach oder diesem hochummauerten Garten gesetzt und wissen nichts von der ganzen Welt. Du aber bist immer still und selig, als müßte das alles so sein.»

«Es muß auch alles so sein.»

«So? und wie wird es enden?»

«Er wird kommen und wird mich befreien.»

«Nun, Weißlilie! Du hast einen starken Glauben. Wären wir daheim im Mauretanierland, und sähe ich dich nachts zu den Sternen blicken, so sagte ich wohl: du habest das alles in den Sternen gelesen. Aber so! Ich begreife das nicht» – und sie schüttelte die schwarzen Locken – «Ich werde dich nie begreifen.»

«Doch, Aspa, du wirst und sollst», sprach Mataswintha sich aufraffend und zärtlich den weißen Arm um den braunen Nacken schlingend, «deine treue Liebe verdient längst diesen Lohn, den besten, den ich zu spenden habe.»

In der Sklavin dunkles Auge trat eine Träne. «Lohn?» sprach sie. «Aspa ward geraubt von wilden Männern mit roten, fliegenden Locken. Aspa ist eine Sklavin. Alle haben sie gescholten, viele geschlagen. Du hast mich gekauft, wie man eine Blume kauft. Und du streichelst mir Wange und Haar. Und bist so schön wie die Göttin der Sonne und sprichst von Lohn?» Und sie schmiegte das Köpfchen an der Herrin Busen.

«Du bist meine Gazelle!» sagte diese, «und hast ein Herz wie Gold. Du sollst alles wissen, was niemand weiß, außer mir. Höre also: Ich hatte eine Kindheit ohne Freude, ohne Liebe, und doch verlangte meine junge Seele nach Weichheit, nach Liebe. Meine arme Mutter hatte einen Knaben, einen Thronerben heiß gewünscht und sicher erwartet, und mit Widerwillen, mit Kälte und Härte behandelte sie das Mädchen. Als Athalarich geboren war, nahm die Härte ab, aber die Kälte nahm zu, dem Erben der Krone allein ward alle Liebe und Sorge. Ich hätte es nicht empfunden, hätte ich nicht in meinem weichen Vater den Gegensatz gesehen. Ich fühlte, wie auch er litt unter der kalten Härte seiner Gattin, und oft drückte mich der kranke Mann mit Seufzen, mit Tränen an die Brust.

Und als er gestorben und begraben war, da war mir alle Liebe in der Welt erstorben. Wenig sah ich Athalarich, der von andern Lehrern und im andern Teil des Palastes erzogen ward, weniger noch die Mutter, fast nur, wenn sie mich zu strafen hatte. Und doch liebte ich sie so sehr, und doch sah ich, wie meine Wärterinnen und Lehrerinnen ihre eignen Kinder liebten, herzten und küßten: und nach gleicher Wärme verlangte mit aller Macht mein Herz.

So wuchs ich heran, wie eine bleiche Blume ohne Sonnenlicht!

Da war denn mein liebster Ort in der Welt das Grab meines Vaters Eutharich im stillen Königsgarten zu Ravenna. Da suchte ich bei dem Toten die Liebe, die ich bei den Lebenden nicht fand, und sowie ich meinen Wärtern entrinnen konnte, eilte ich dorthin, zu sehnen und zu weinen. Und dies Sehnen wuchs, je älter ich ward: in Gegenwart der Mutter mußte ich all meine Gefühle zusammenpressen, sie verachtete es, wenn ich sie zeigte.

Und wie ich vom Kind zum Mädchen heranwuchs, merkte ich wohl, daß die Augen der Menschen oft wie bewundernd auf mir ruhten. Aber ich dachte, sie bedauerten mich, und das tat mir weh. Und öfter und öfter flüchtete ich zum Grabe des Vaters, bis es der Mutter gemeldet ward, und ich ward verklagt, daß ich dort weinte und ganz verstört zurückkäme.

Zornig verbot mir die Mutter, ohne sie das Grab wieder zu besuchen, und sprach von verächtlicher Schwäche.

Aber dawider empörte sich mein Herz, und ich besuchte das Grab trotz dem Verbot. Da überraschte sie mich einst daselbst, und schlug mich, und ich war doch kein Kind mehr, und führte mich in den Palast zurück, und schalt mich schwer. Sie drohte, mich zu verstoßen für immer, und fragte im Scheiden zürnend den Himmel, warum er sie mit einem solchen Kinde gestraft.

Das war zuviel.

Namenlos elend beschloß ich, dieser Mutter zu entrinnen, der ich zur Strafe leben sollte, und davonzugehen, wo mich niemand kennte: ich wußte nicht wohin, am liebsten in das Grab zu meinem Vater.

Als es Abend geworden, stahl ich mich aus dem Palast, ich eilte nochmals an das geliebte Grab zu langem, tränenreichen Abschied. Schon gingen die Sterne auf, da huschte ich aus dem Garten, aus dem Palast und eilte durch die dunkeln Straßen der Stadt an das faventinische Tor. Glücklich schlüpfte ich an der Wache vorbei ins Freie und lief nun eine Strecke auf der Straße fort, gradaus in die Nacht, ins Elend.

Aber auf der Straße kam mir entgegen ein Mann im Kriegsgewand. Als ich an ihm vorüber wollte, schritt er plötzlich heran, sah mir ins Antlitz und legte die Hand leicht auf meine Schulter: ‹Wohin, Jungfrau Mataswintha, allein, in so später Nacht?›

Ich erbebte unter seiner Hand, Tränen brachen aus meinen Augen, und schluchzend rief ich: ‹In die Verzweiflung!›

Da faßte der Mann meine beiden Hände und sah mich an, so freundlich, so mild, so besorgt. Dann trocknete er meine Tränen mit seinem Mantel und sprach in weichem Ton der tiefsten Güte: ‹Und warum? Was quält dich so?›

Mir ward so weh und wohl ums Herz beim Klange dieser Stimme. Und wie ich in sein mildes Auge sah, war ich meiner selbst nicht mehr mächtig. ‹Weil mich die eigne Mutter haßt, weil's keine Liebe für mich gibt auf Erden.› – ‹Kind! Kind! Du bist krank›, sagte er, ‹und redest irr. Komm, komm mit mir zurück! Du? Warte nur! Du wirst noch eine Königin der Liebe werden.›

Ich verstand ihn nicht. Aber ich liebte ihn unendlich für diese Worte, diese Milde. Fragend, staunend, hilflos sah ich ihm ins Auge. Ich bebte und zitterte. Es mußte ihn rühren; oder er dachte, es sei die Kälte.

Er nahm seinen warmen Mantel ab, schlug ihn um meine Schultern und führte mich langsam zurück durchs Tor, auf unbelebten Straßen, durch die Stadt nach dem Palast.

Willenlos, hilflos, wankend wie ein krankes Kind folgte ich ihm, das Haupt, das er mir sorglich verhüllte, an seine Brust gelehnt. Er schwieg und trocknete mir nur manchmal die Augen. Unbemerkt, wie ich glaubte, gelangten wir an die Türe der Palasttreppe. Er öffnete sie, schob mich sanft hinein: dann drückte er mir die Hand. ‹Gut sein›, sagte er, ‹und ruhig. Dein Glück wird dir schon kommen. Und Liebe genug.› Und er legte leise die Hand auf mein Haupt, schloß die Türe hinter mir und stieg die Treppe hinab.

Ich aber lehnte an der halbgeschlossenen Tür und konnte nicht fort. Mein Fuß versagte, mein Herz pochte.

Da hört' ich, wie eine rauhe Stimme ihn ansprach:

‹Wen schmuggelst du da zur Nachtzeit in das Schloß, mein Freund?› Er aber antwortete: ‹Du bist's, Hildebrand? Du verrätst sie nicht! Es war das Kind Mataswintha: sie hat sich verirrt in der Nacht, in der Stadt, und fürchtete den Zorn ihrer Mutter.› – ‹Mataswintha!' sprach der andre, die wird täglich schöner.› Und mein Beschützer sprach» – und sie stockte, und flammend Rot schoß über ihre Wangen... –

«Nun», fragte Aspa, sie groß ansehend, «was sagte er?»

Aber Mataswintha drückte Aspas Köpfchen nieder an ihre Brust. «Er sagte», flüsterte sie – «er sagte: – ‹die wird das schönste Weib auf Erden!›»

«Da hat er recht gesagt», sprach die Kleine, «was brauchst du da rot zu werden? Ist's doch so! Nun aber weiter! Was tatest du?»

«Ich schlich auf mein Lager und weinte, weinte Tränen der Trauer, der Wonne, der Liebe, alles durcheinander. In jener Nacht stieg eine Welt, ein Himmel in mir auf: er war mir gut, das fühlte ich, und er nannte mich schön. Ja, jetzt wußte ich es: ich war schön, und ich war selig darüber. Ich wollte schön sein: für ihn! O wie glücklich war ich! Seine Begegnung brachte Glanz in mein Dunkel, Segen in mein Leben. Ich wußte jetzt, man konnte mir gut sein, man konnte mich lieben! Sorglich pflegte ich des Leibes, den er gelobt. Die süße Macht in meinem Herzen breitete eine milde Wärme über mein ganzes Wesen: ich ward weicher und inniger, und selbst der Mutter strenger Sinn ward jetzt liebevoller gegen mich, seit ich nur sanfte Liebe ihrer Härte entgegengab. Und täglich wurden alle Herzen gütiger gegen mich, wie ich weicher gegen alle.

Und all das dankte ich ihm. Er hatte mir die Flucht in Schmach und Elend erspart und mir eine ganze Welt von Liebe gewonnen. Seitdem lebte ich nur für ihn.» Und sie hielt inne und legte die Linke auf die wogende Brust.

«Aber, Herrin, wann hast du ihn wiedergesehen? Gesprochen? Lebt deine Liebe von so karger Kost?»

«Gesprochen nie mehr, gesehen nur einmal noch: am Todestage Theoderichs befehligte er die Palastwache, da sagte Athalarich seinen Namen, denn nie hätte ich gewagt, nach ihm zu forschen, aus Furcht, meine Flucht, ach, mein Geheimnis zu verraten. Er war nicht am Hof: und wann er dort erscheinen mochte, war ich auf den Villen.»

«So weißt du weiter gar nichts von ihm, von seinem Leben, von seiner Vergangenheit.»

«Wie hätt' ich forschen können! Glühende Scham hätte mich verraten! Lieb' ist des Schweigens Tochter und der Sehnsucht. Aber von seiner, von unsrer Zukunft weiß ich.»

«Von eurer Zukunft?» lächelte Aspa.

«An den Hof kam alle Sonnenwende die alte Radrun und erhielt von König Theoderich fremde Kräuter und Wurzeln, die er ihr aus Asien bringen ließ und vom Nil. Das hatte sie sich ausbedungen zum einzigen Lohn dafür, daß sie ihm als Knaben sein ganzes Schicksal geweissagt hatte, und war alles eingetroffen aufs Haar. Sie braute Salben und mischte Tränke: ‹das Waldweib› nannte man sie laut, aber leise: ‹die Wala, das Zauberweib.› Und wir alle am Hof wußten – außer den Priestern, die hätten es gewehrt –, daß jede Sommersonnenwende, wann sie kam, der König sich das Jahr vorhersagen ließ. Und kam sie von ihm heraus, so riefen sie, das wußte ich, meine Mutter und Theodahad und Gothelindis und fragten aus, und nie blieb noch aus, was sie verkündet.

Da, in der nächsten Sonnenwende, faßte auch ich mir ein Herz, lauerte der Alten auf und lockte sie, wie ich sie allein fand, in mein Gemach und bot ihr Gold und lichte Steine, wenn sie mir weissagen wollte.

Aber sie lachte und zog ein Fläschchen von Bernstein hervor und sprach: ‹Nicht um Gold! Aber um Blut! Um mächtig Blut einem reinen Königskind.›

Und sie ritzte mir eine Ader im linken Arm und fing den Strahl in ihrem Bernstein. Dann sah sie forschend in meine beiden Hände und sang endlich tonlos: ‹Den du hältst im Herzen hoch, der gibt dir größten Glanz und größtes Glück, schafft dir allerschärfsten Schmerz, wird dein Gemahl, dein Gatte nicht.› Und damit war sie hinaus.»

«Das ist wenig tröstlich, – soviel ich's fasse.»

«Du kennst der Alten Sprüche nicht: sie sind alle so dämmmer-dunkel. Sie fügt jeder Verheißung eine Drohung bei, für alle Fälle. Ich aber halte mich an das Helle, nicht an das Dunkle. Weissagung erfüllt sich, wie man sie faßt. Ich weiß: er wird mein und bringt mir Glanz und Glück, den Schmerz daneben will ich tragen: Schmerz um ihn ist Wonne.»

«Ich bewundre dich, Herrin, und deinen Glauben. Und auf den Spruch der Hexe hin hast du ausgeschlagen all die Könige und Fürsten, vom Vandalen- und Westgoten-, Franken- und Burgunderland, die um dich freiten? Selbst Germanus, den edeln, den kaiserlichen Prinzen von Byzanz, und harrst auf ihn?»

«Und harr' auf ihn! Aber nicht des Spruches allein wegen. In meinem Herzen lebt ein Vögelein, das singt mir alle Tage: ‹er wird dein, er muß dein werden›. Ich weiß es sternengewiß», schloß sie das Auge zum Himmel aufschlagend und in die frühere Träumerei versinkend.

Rasche Schritte tönten von der Villa her. «Ah», rief Aspa, «dein schmucker Freier! Armer Arahad, du verlierst deine Mühe!»

«Ich will dem Spiel ein Ende machen heut'!» sprach Mataswintha, sich erhebend, und auf ihrer Stirn, in ihren Augen lag jetzt eine zornige Strenge, die das Blut der Amaler in ihren Adern bekundete. Es lebte eine seltsame Mischung von lodernder Leidenschaft und hinschmelzender Weichheit in dem Mädchen. Aspa staunte oft über das verhaltne Feuer in ihrer Herrin. «Du bist wie die Götterberge in meiner Heimat», sagte sie: «Schnee auf dem Gipfel: Rosen um den Gürtel: aber im Innern versengendes Feuer, das oft über Schnee und Rosen strömt.»

Indes bog Graf Arahad aus dem buschigen Wege und neigte sich vor dem schönen Weibe mit einem Erröten, das ihm wohl anstand. «Ich komme», sagte er, «Königin...»,

Aber herb unterbrach sie ihn. «Hoffentlich, Graf von Asta, kommst du, endlich diesem schnöden Spiel von Gewalt und Lüge ein Ende zu machen.

Nicht länger will ich's tragen. Dein kecker Bruder überfällt mich plötzlich, die wehrlose, in die Trauer um ihre Mutter versunkene Waise, in meinen Gemächern, nennt mich in einem Atem seine Königin und seine Gefangene und hält mich wochenlang in unwürdiger Haft. Er bringt mir den Purpur und nimmt mir die Freiheit. Darauf kommst du und verfolgst mich mit deiner eiteln Werbung, die dich nie zum Ziele führt. Ich habe dich verschmäht in der Freiheit: glaubst du, gefangen, in deiner Zwanggewalt, wird dich, du Tor, das Kind der Amaler erhören? Du schwörst, du liebest mich? Wohlan, so achte mich. Ehre meinen Willen, laß mich frei. Oder zittre, wenn mein Befreier naht.» Und drohend trat sie auf den Bestürzten zu, der keine Worte finden konnte.

Da eilte heftigen Schrittes Herzog Guntharis herbei, mit funkelnden Augen.

«Auf, Arahad», rief er, «komm zu Ende. Wir müssen fort, sogleich. Er naht, er dringt mit Macht heran.» – «Wer?» fragte Arahad hastig. – «Er sagt, er kommt sie zu befreien. Er hat gesiegt, der Bauernkönig, und unsre Vorposten geschlagen bei Castrum Sivium.»

«Wer?» fragte jetzt Mataswintha eifrig.

«Nun», antwortete Guntharis zornig, «jetzt magst du's erfahren: es ist doch nicht mehr zu bergen: Graf Witichis von Fäsulä.»

«Witichis!» hauchte Mataswintha mit leuchtenden Augen und hochaufatmend.

«Ja! Ihn haben die Rebellen von Regeta, das Recht des Adels vergessend, zum König der Goten erhoben.»

«Er! Er mein König!» sprach Mataswintha wie im Traume.

«Ich hätte dir's gesagt, schon da ich dich als Königin begrüßte; aber in deinem Gemach stand seine Marmorbüste, bekränzt. Das war mir verdächtig. Später sah ich's: es war ein Zufall, es ist ein Areskopf.»

Mataswintha schwieg und suchte die glühende Röte zu verbergen, die ihr Antlitz überflog.

«Nun», rief Arahad, «was ist zu tun?»

«Wir müssen fort. Wir müssen ihm zuvorkommen in Ravenna. Florentia, die Feste, hält ihn eine Weile auf, indessen gewinnen wir Ravenna, und wenn du Beilager gehalten in der Burg Theoderichs mit dessen Enkelin, ist alles Volk der Goten unser. Auf, Königin! Ich lasse deinen Wagen schirren: in einer Stunde gehst du nach Ravenna in der Mitte unsrer Scharen.» Und die Brüder eilten hinweg.

Blitzenden Auges sah ihnen Mataswintha nach:

«Ja, führt mich fort, gefangen und gebunden; wie der Adler aus der Höhe wird mein König auf euch niederstoßen und mich retten aus eurer Gewalt. Komm, Aspa, der Befreier naht.»


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