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Siebentes Kapitel

Wenige Tage darauf, am Abend des Einzugs der Goten in Rom, finden wir die jungen «Ritter»: Lucius und Marcus Licinius, Piso, den Dichter, Balbus, den Feisten, Julianus, den jungen Juristen, bei Cethegus, dem Präfekten, in vertrautem Gespräch.

«Das also ist die Liste der blinden Anhänger des künftigen Papstes Silverius, meiner schlimmsten Argwöhner? Ist sie vollständig?» – «Sie ist es. Es ist ein hartes Opfer», rief Lucius Licinius, «das ich dir bringe, Feldherr. Hätt' ich gleich, wie das Herz mich antrieb, Belisar aufgesucht, ich hätte jetzt schon Neapolis mit belagert und bestürmt, statt daß ich hier die Katzentritte der Priester belausche und die Plebejer marschieren und in Manipeln schwenken lehre.» – «Sie lernen's doch nie wieder», meinte Marcus.

«Geduldet euch», sagte Cethegus ruhig, Ohne von einer Papyrusrolle aufzublicken, die er in der Hand hielt. «Ihr werdet euch bald genug und lang genug mit diesen gotischen Bären balgen dürfen. Vergeßt nicht, daß das Raufen doch nur Mittel ist, nicht Zweck.»

«Weiß nicht», zweifelte Lucius.

«Die Freiheit ist der Zweck, und Freiheit fordert Macht», sprach Cethegus; «wir müssen diese Römer wieder an Schild und Schwert gewöhnen, sonst» – der Ostiarius meldete einen gotischen Krieger. Unwillige Blicke tauschten die jungen Römer.

«Laß ihn ein!» sprach Cethegus, seine Schreibereien in einer Kapsel bergend. Da eilte ein junger Mann im braunen Mantel der gotischen Krieger, einen gotischen Helm auf dem Haupt, herein und warf sich an des Präfekten Brust.

«Julius!» sprach dieser kalt zurücktretend. «Wie sehn wir uns wieder! Bist du denn ganz ein Barbar geworden. Wie kamst du nach Rom?»

«Mein Vater, ich geleite Valeria unter gotischem Schutz: ich komme aus dem rauchenden Neapolis.» – «Ei», grollte Cethegus, «hast du mit deinem blonden Freund gegen Italien gestritten? Das steht einem Römer gut! Nicht wahr, Lucius?» – «Ich habe nicht gefochten und werde nicht fechten in diesem Krieg, dem unseligen. Weh denen, die ihn entzündet.» Cethegus maß ihn mit kalten Blicken. «Es ist unter meiner Würde und über meiner Geduld, einem Römer die Schande solcher Gesinnung vorzuhalten. Wehe, daß du ein solcher Abtrünniger, mein Julius. Schäme dich vor diesen deinen Altersgenossen. Seht, römische Ritter, hier ist ein Ritter ohne Freiheitsdurst, ohne Zorn auf die Barbaren!»

Aber ruhig schüttelte Julius das Haupt. «Du hast sie noch nicht gesehen, die Hunnen und Massageten Belisars, die euch die Freiheit bringen sollen. Wo sind denn die Römer, von denen du sprichst? Hat sich Italien erhoben, seine Fesseln abzuwerfen? Kann es sich noch erheben? Justinian kämpft mit den Goten, nicht wir. Wehe dem Volk, das ein Tyrann befreit.»

Cethegus gab ihm im geheimen recht, aber er wollte solche Worte nicht billigen vor Fremden: «Ich muß allein mit diesem Philosophen disputieren. Berichtet mir, wenn bei den Frommen etwas geschieht.»

Und die Kriegstribunen gingen, mit verächtlichen Blicken auf Julius.

«Ich möchte nicht hören, was die von dir reden!» sagte Cethegus ihnen nachsehend. – «Das gilt mir gleich. Ich folge meinen eignen und nicht fremden Gedanken.» – «Er ist Mann geworden», sagte Cethegus zu sich selbst.

«Und meine tiefsten und besten Gedanken, die diesen Krieg verfluchen, führen mich hierher. Ich komme, dich zu retten und zu entführen aus dieser schwülen Luft, aus dieser Welt von Falschheit und Lüge. Ich bitte dich, mein Freund, mein Vater: folge mir nach Gallien.» – «Nicht übel», lächelte Cethegus. «Ich soll Italien aufgeben im Augenblick, da die Befreier nahen! Wisse: ich war es, der sie herbeigerufen, ich habe diesen Kampf entfacht, den du verfluchst.» – «Ich dacht' es wohl», sprach Julius schmerzlich. «Aber wer befreit uns von den Befreiern, wer endet diesen Kampf?»

«Ich», sprach Cethegus ruhig und groß. «Und du, mein Sohn, sollst mir dabei helfen. Ja, Julius, dein väterlicher Freund, den du so kalt und nüchtern schiltst, hat auch eine begeisterte Schwärmerei, wenn auch nicht für Mädchenaugen und gotische Freundschaften. Laß diese Knabenspiele jetzt, du bist ein Mann. Gib mir die letzte Freude meines öden Lebens und sei der Genosse meiner Kämpfe und der Erbe meiner Siege! Es gilt Rom, Freiheit, Macht! Jüngling, können dich diese Worte nicht rühren? Denk dir», fuhr er, wärmer werdend, fort, «diese Goten, diese Byzantiner – ich hasse sie wie du – die einen durch die andern erschöpft, aufgerieben, und über den Trümmern ihrer Macht erhebt sich Italien, Rom in alter Herrlichkeit! Auf dem kapitolinischen Hügel thront wieder der Herrscher über Morgen- und Abendland: eine neue römische Weltherrschaft, stolzer, als sie dein cäsarischer Namensvetter geträumt, verbreitet Zucht, Segen und Furcht über die Erde...»

«Und der Herrscher dieses Weltreichs heißt Cethegus Cäsarius!»

«Ja, und nach ihm: Julius Montanus! Auf, Julius, du bist kein Mann, wenn dich dies Ziel nicht lockt!»

Julius sprach bewundernd: «Mir schwindelt! Das Ziel ist sternenhoch: aber deine Wege, sie sind nicht gerade. Ja, wären sie gerade, bei Gott, ich teilte deinen Gang.

Ja, rufe die römische Jugend zu den Waffen, herrsche beiden Barbarenheeren zu: ‹Räumt das heilige Latium!›, führe einen offenen Krieg gegen die Barbaren und gegen die Tyrannen: und dann an deiner Seite will ich stehen und fallen!» – «Du weißt recht gut, daß dieser Weg unmöglich ist.» – «Und deshalb – ist's dein Ziel!» – «Tor, erkennst du nicht, daß es gewöhnlich ist, aus gutem Stoff ein Gebilde fertigen, daß es aber göttlich ist, aus dem Nichts, nur mit eigner schöpferischer Kraft, eine neue Welt zu schaffen.» – «Göttlich? Durch List und Lüge? Nein.» – «Julius,» – «Laß mich offen sprechen, deshalb bin ich gekommen.

O könnt' ich dich zurückrufen von dem dämonischen Pfade, der dich sicher in Nacht und Verderben führt. Du weißt, – wie ich dein Bild verehre und liebe. Es will mir nicht stimmen zu dieser Verehrung, was Griechen, Goten, Römer von dir flüstern.»

«Was flüstern sie?» fragte Cethegus stolz.

«Ich mag's nicht denken, aber alles, was in diesen Zeiten Furchtbares geschehen: Athalarichs, Kamillas, Amalaswinthens Untergang, der Byzantiner Landung, du wirst dabei genannt, wie der Dämon, der alles Böse schafft. Sage mir, schlicht und treu, daß du frei bist von dunkeln –»

«Knabe!» fuhr Cethegus auf, «willst du mir zur Beichte sitzen und zu Gericht? Lerne erst das Ziel begreifen, eh du die Mittel schiltst.

Meinst du, man baut die Weltgeschichte aus Rosen und Lilien? Wer das Große will, muß das Große tun, nennen's die Kleinen gut oder schlecht.» – «Nein und dreimal nein! ruft dir mein ganzes Herz entgegen. Fluch dem Ziel, zu dem nur Frevel führen. Hier scheiden sich unsere Pfade.»

«Julius, geh nicht! Du verschmähst, was noch nie einem Sterblichen geboten ward. Laß mich einen Sohn haben, für den ich ringe, dem ich die Erbschaft meines Lebens hinterlassen kann.» – «Fluch und Lüge und Blut kleben daran. Und sollt' ich sie schon jetzt antreten: – ich will sie nie! Ich gehe, daß sich dein Bild nicht noch mehr vor mir verdunkle. Aber ich flehe dich um eins: wann der Tag kommt (und er wird kommen), da dich ekelt all des Blutes und des frevlen Trachtens und des Zieles selbst, das solche Taten fordert, – – dann rufe mich: ich will herbeieilen, wo immer ich sei, und will dich losringen und loskaufen von den dämonischen Mächten und sei's um den Preis meines Lebens.»

Leichter Spott zuckte zuerst um des Präfekten Lippe, aber er dachte: «Er liebt mich noch immer. Gut, ich werde ihn rufen, wenn das Werk vollendet: laß sehen, ob er ihm dann widerstehen kann, ob er den Thron des Erdkreises ausschlägt.» – «Wohl», sagte er, «ich werde dich rufen, wenn ich dein bedarf. Leb' wohl.» Und mit kalter Handbewegung entließ er den Heißbewegten.

Aber als die Türe hinter ihm zugefallen, nahm der eisige Präfekt ein kleines Relief von getriebenem Erz aus einer Kapsel und betrachtete es lang. Dann wollte er es küssen. Aber plötzlich flog der höhnische Zug wieder um seine Lippen. «Schäme dich vor Cäsar, Cethegus», sagte er, und legte das Medaillon wieder in die Kapsel. Es war ein Frauenkopf und Julius sehr ähnlich.


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