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Der Anbruch des 20. Jahrhunderts bedeutete für das Deutschtum der Vereinigten Staaten zugleich den Beginn einer neuen verheißungsvollen Zeit. In Philadelphia, der alten Hochburg des Deutschtums, wurde nämlich zur Förderung aller würdigen Interessen desselben der » Deutschamerikanische Nationalbund« gegründet.
Der Gedanke, das bisher nur durch die lockeren Bande der gemeinsamen Sprache und Erinnerungen an das alte Vaterland zusammengehaltene Deutschtum der Vereinigten Staaten fester zusammenzuschweißen, damit die ihm innewohnende gewaltige Kraft nachdrücklicher als bisher zu seinem eignen Besten wie zum Wohl der neuen Heimat verwertet werden könne, war nicht neu. Er bewegte schon in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts die Herzen und Köpfe vieler Deutschen, denen es klar wurde, daß weder sie selbst noch ihre früher hierher gekommenen Landsleute die Anerkennung fanden, zu welcher sie wegen ihrer Bildung, Strebsamkeit und unbestreitbaren Verdienste um die kulturelle Entwicklung des Landes berechtigt gewesen wären.
Aber die in den Jahren 1837, 1838, 1839 und 1841 auf Anregung mehrerer patriotischer Bürger der Stadt Pittsburg dort abgehaltenen Zusammenkünfte von Abgeordneten deutscher Vereine führten, obwohl manche tüchtige Männer sich an denselben beteiligten, zu keinem dauernden Ergebnis. Nicht einmal das unter großen Mühen gegründete deutsche Lehrerseminar zu Phillipsburg in Pennsylvanien konnte aufrechterhalten werden, da es sowohl an Mitteln wie an Schülern gebrach.
Es fehlte der damaligen Zeit noch das erhebende Bild eines geeinigten Deutschland; es fehlte der großen Masse des Deutschamerikanertums noch die Erkenntnis, daß, um wahrhaft große Dinge zu erringen, ein enger Zusammenschluß sowohl der Individuen und Berufsgenossen wie der verwandten Völkerstamme nötig ist. Jene Erkenntnis brach sich erst Bahn, seitdem man die Einigung Deutschlands, Italiens und der australischen Kolonien, die Gründung der Zoll- und Münzverbände, der »Alliance française« und des »Israelitischen Bundes«, der Verschmelzung zahlloser kleiner Geschäftsbetriebe zu ungemein kapitalkräftigen Körperschaften, den Zusammenschluß sowohl der Industriellen wie der Arbeiter zu mächtigen Verbänden erlebte.
Besonders die Verwirklichung des Einheitsgedankens in Deutschland übte auf die deutschen Bewohner der Vereinigten Staaten nachhaltige Wirkung. Die vorher scharf getrennten Landsmannschaften begannen sich mehr und mehr zu vermischen. Man erinnerte sich dessen, was die Deutschen während der zwei Jahrhunderte ihres Verweilens in Amerika geleistet und welche Wunder sie durch ihren Fleiß und ihre Intelligenz verrichtet hatten. Das Jahr 1883 mit seiner erhebenden Gedächtnisfeier zur Erinnerung an die Landung der deutschen Pilgerväter, die immer weitere Verbreitung findende Feier des »Deutschen Tages« vertieften das Einheitsgefühl. Auch fehlte es nicht an äußeren Gründen, die auf einen engeren Zusammenschluß hindrängten. An vielen Orten hatten deutsche Vereine berechtigte Ursache, sich über direkte Eingriffe in ihr Hausrecht zu beklagen, indem man ihnen den Genuß geistiger Getränke in den eignen Hallen verwehren wollte. An anderen Orten bestrebten sich kurzsichtige Nativisten, die fernere Einwandrung zu erschweren und sowohl den Turn- wie den deutschen Sprachunterricht aus den öffentlichen Schulen zu verdrängen.
Alle diese Ereignisse sowie das Verlangen, dem Deutschtum in den Vereinigten Staaten die ihm gebührende Achtung zu sichern, bestimmten im Juni 1900 eine Anzahl Männer, einen »Deutschamerikanischen Nationalbund« zu gründen.
Die erste konstituierende Versammlung wurde auf den »Deutschen Tag« des folgenden Jahres, den 6. Oktober 1901, einberufen. Als dieser Zeitpunkt kam, versammelten sich in der festlich geschmückten Halle der ehrwürdigen, bereits seit dem Jahre 1764 zu Nutz und Frommen deutscher Einwandrer wirkenden »Deutschen Gesellschaft von Pennsylvanien« zahlreiche, aus allen Teilen der Union gekommene Abgeordnete größerer deutscher Vereinigungen. Da waren kernige Gestalten, die den fast unvermischt gebliebenen Typus der früheren deutschen Einwandrung zeigten, echte Deutschpennsylvanier. Da waren wackere Männer aus dem sonnigen Maryland und dem herrlichen Virginien, aus dem Distrikt Columbia, aus New York, New Jersey, Ohio und Missouri. Sogar die fern entlegenen, von deutschen Einwandrern seit langer Zeit bevorzugten Staaten Wisconsin, Minnesota, Idaho und Kalifornien hatten Abgeordnete entsendet. Auch der Deutschamerikanische Lehrerbund, sowie das Lehrerseminar zu Milwaukee waren durch Mitglieder vertreten.
Nachdem am Abend des 5. Oktober diese Repräsentanten des Deutschamerikanertums in Gemeinschaft mit der deutschen Bevölkerung Philadelphias den »Deutschen Tag« gefeiert hatten, begannen sie am 6. Oktober ihr Werk. Nach längeren Beratungen einigten sie sich über folgende Grundsätze:
»Der Bund erstrebt das Einheitsgefühl in der Bevölkerung deutschen Ursprungs in Amerika zu wecken und zu fördern, zu nützlicher, gesunder Entwicklung der, wenn zentralisiert, ihr innewohnenden Macht, zum gemeinsamen energischen Schutz solcher berechtigter Wünsche und Interessen, die dem Gemeinwohle des Landes und den Rechten und Pflichten guter Bürger nicht zuwider sind; zur Abwehr nativistischer Übergriffe; zur Pflege und Sicherung guter, freundschaftlicher Beziehungen Amerikas zu dem alten deutschen Vaterlande. Was die deutsche Einwandrung zur Förderung der geistigen und wirtschaftlichen Entwicklung dieses Landes beigetragen und ferner beizutragen berufen ist, wie sie allzeit in Freud und Leid treu zu ihm stand, das beweist und lehrt seine Geschichte. Der Bund fordert deshalb volle, ehrliche Anerkennung dieser Verdienste und bekämpft jedweden Versuch zur Schmälerung derselben. Allzeit treu dem Adoptivvaterlande, stets bereit, das Höchste einzusetzen für dessen Wohlfahrt, aufrichtig und selbstlos in der Ausübung der Bürgerpflichten, den Gesetzen Untertan – bleibt auch ferner die Losung! Er beabsichtigt keine Sonderinteressen, keine Gründung eines Staates im Staate, erblickt aber in der Zentralisierung der Bevölkerung deutschen Ursprungs den kürzesten Weg und die beste Gewähr für die Erreichung seiner in dieser Verfassung klargelegten Ziele; er fordert deshalb alle deutschen Vereinigungen auf – als die organisierten Vertreter des Deutschtums – für seine gesunde, kräftige Entwicklung mitzuwirken und befürwortet deshalb ferner die Bildung von Vereinigungen zur Wahrung der Interessen der Deutschamerikaner in allen Staaten der Union, zu schließlicher Zentralisierung derselben zu einem großen Deutschamerikanischen Bunde, und macht es allen deutschen Vereinigungen zur Ehrenpflicht, der Organisation in ihrem Staate beizutreten. Der Bund verpflichtet sich, mit allen verfügbaren gesetzlichen Mitteln unentwegt und jederzeit einzutreten für die Erhaltung und Verbreitung seiner Prinzipien, zu ihrer kräftigen Verteidigung, wo und wann immer in Gefahr; er stellt zunächst die folgende Plattform auf:
1. Der Bund als solcher enthält sich der Einmischung in die Parteipolitik, jedoch unbeschadet des Rechts und der Pflicht zur Verteidigung seiner Grundsätze auch auf dem politischen Gebiete, sollten dieselben durch politische Angriffe oder Maßregeln behelligt oder gefährdet werden.
2. Fragen und Sachen der Religion sind strengstens ausgeschlossen.
3. Er empfiehlt die Einführung des Unterrichts der deutschen Sprache in öffentlichen Schulen auf der folgenden breiten Grundlage: Neben der englischen bildet die deutsche Zunge die Weltsprache; in den entferntesten Winkeln der Erde, wohin die Pioniere der Zivilisation, des Handels und Verkehrs gedrungen, finden wir die Völker beider Zungen vertreten; wo allgemeinere, eigene Kenntnis herrscht, bildet sich leichter selbständiges, klares und vorurteilfreies Verständnis und fördert so wechselseitige, freundschaftliche Beziehungen.
4. Wir leben in dem Zeitalter des Fortschritts und der Erfindungen; rasch ist das Tempo dieser Zeit, unerbittlich die Ansprüche, die es den einzelnen stellt; die damit verbundene körperliche Anspannung steigert die Ansprüche an die körperliche Kraft; ein gesunder Geist sollte in einem gesunden Körper wohnen! Auf dieser Grundlage erstrebt der Bund die Einführung eines systematischen und zweckdienlichen Turnunterrichts in den öffentlichen Schulen.
5. Er erklärt sich ferner für die Befreiung der Schule von der Politik, denn nur ein von politischen Einflüssen freies Erziehungswesen kann dem Volke wahre Lehranstalten bieten.
6. Er fordert alle Deutschen auf, das Bürgerrecht zu erwerben, sobald sie gesetzlich dazu berechtigt, sich rege am öffentlichen Leben zu beteiligen und ihre Bürgerpflicht an der Wahlurne furchtlos und nach eigenem Ermessen auszuüben.
7. Er empfiehlt eine liberale, zeitgemäße Handhabung oder die Tilgung solcher Gesetze, welche die Erwerbung des Bürgerrechts unnütz erschweren und häufig ganz verhindern. Guter Ruf, unbescholtener, rechtschaffener Lebenswandel, Gesetzesliebe sollten entscheiden, nicht aber die Beantwortung oder Nichtbeantwortung beliebig herausgegriffener, den Ansuchenden leicht verwirrender, politischer oder geschichtlicher Fragen.
8. Er nimmt Stellung gegen jedwede Beschränkung der Einwandrung gesunder Menschen aus Europa, mit Ausschluß überführter Verbrecher und Anarchisten.
9. Er befürwortet die Löschung solcher veralteter, dem Zeitgeist nicht länger entsprechender Gesetze, welche den freien Verkehr hemmen und die persönliche Freiheit des Bürgers beschränken.
10. Er empfiehlt die Gründung von Fortbildungsvereinen als Pflegestätten der deutschen Sprache und Literatur, zur Weiterbildung Lernbegieriger, Abhaltung von Vorlesungen über Kunst und Wissenschaft und Fragen von allgemeinem Interesse.
11. Er empfiehlt eine systematische Forschung der deutschen Mithilfe an der Entwicklung des Adoptivvaterlandes in Krieg und Frieden auf allen Gebieten deutschamerikanischen Wirkens, von den frühesten Tagen an, zur Gründung und Weiterführung einer deutschamerikanischen Geschichte.
12. Er behält sich das Recht vor, diese Plattform zu erweitern oder zu ergänzen, wenn neue Ereignisse im Rahmen seiner Zeit und Zwecke es wünschenswert oder erforderlich machen.«
Der Nationalbund hatte das Glück, in Dr. Charles John Hexamer, dem im Jahre 1862 zu Philadelphia geborenen Sohn eines »Achtundvierzigers«, einen ebenso begeisterten wie klarblickenden, zielbewußten und zäh ausdauernden Führer zu finden, der die große Bewegung in das richtige Fahrwasser zu leiten und in demselben zu erhalten verstand.
Im September 1903 fand in Baltimore der zweite, im Oktober 1905 in Indianapolis der dritte, im Oktober 1907 in New York der vierte und im Oktober 1909 in Cincinnati der fünfte Konvent des Deutschamerikanischen Nationalbundes statt. Aus den dortverlesenen Berichten ergab sich die erfreuliche Tatsache, daß der Einigungsgedanke im Deutschtum der ganzen Union Wurzel geschlagen hat.
Im Jahre 1909 erstreckte sich der Bund bereits über 42 Staaten. Die Mitgliederzahl der ihm angehörigen Vereinigungen belief sich auf 1½ bis 2 Millionen.
Die Konvente zu Baltimore, Indianapolis und New York bildeten in ihrem Verlauf würdige Fortsetzungen des ersten, und es konnte ein um so größeres Pensum bewältigt werden, als während der vergangenen Jahre die Ansichten über die anzustrebenden Ziele und einzuschlagenden Wege klarer, bestimmter geworden waren. Obenan unter den zahlreichen Beschlüssen, die zur Annahme gelangten, stand eine politische Unabhängigkeitserklärung, die den Krebsschaden des politischen Lebens Amerikas, die Ämterjägerei, aufs nachdrücklichste verurteilt und es allen Bürgern und Parteien ans Herz legt, dahin zu wirken, daß bei den Wahlen nicht wie bisher Beeinflussungen durch Geld und Versprechungen, sondern wirkliche Befähigung und ehrliches Wollen den Ausschlag geben sollen. Das Stimmrecht sei das höchste Recht des Bürgers und müsse unverfälscht zum Ausdruck gelangen. Es sei daher die Pflicht der Behörden, darüber zu wachen, daß das System der Beeinflussung durch Begünstigungen irgendwelcher Art aufhöre und bestraft werde. Die Ämterjägerei müsse einer Gleichberechtigung aller guten Bürger, Ämter zu bekleiden oder in die Gemeinde- und gesetzgebenden Körperschaften gewählt zu werden, Platz machen. Dieses Ziel zu erreichen, sollten alle politischen Parteien behilflich sein, denn nichts sei ehrender für eine solche, als wenn sie den Willen des Volkes in der lautersten Weise zum Ausdruck bringe. Sollten die Parteien es unterlassen oder sich weigern, dies zu tun, so sei es Pflicht jedes Deutschamerikaners, sich von seiner Partei loszusagen.
Um jeden Verdacht zu ersticken, daß der Nationalbund jemals eine selbstsüchtige Politik, etwa im Interesse seiner eigenen Mitglieder, ausüben werde, wurde ferner beschlossen, daß kein Beamter des Nationalbundes oder eines Zweiges desselben sich um ein wählbares öffentliches Amt bewerben darf. Beabsichtigt er dies zu tun, so muß er seinen Ehrenposten zuvor niederlegen.
Bekundete so der Bund seinen Entschluß, in durchaus neutraler Weise zum besten des ganzen Landes wirken zu wollen, so bekräftigte er dies durch Annahme des Antrags, auch Frauenvereinigungen aufzunehmen, da die Frau und Mutter von überaus wichtigem Einfluß auf die Heranbildung der Jugend sei.
Es wurde ferner beschlossen, für Franz Pastorius und die Gründer von Germantown ein würdiges Denkmal zu errichten, das deutschamerikanische Lehrerseminar sowie das an der Harvard-Universität gegründete Germanische Museum zu unterstützen und alle Maßnahmen zum Schutz und zur Erhaltung der natürlichen Hilfsmittel Amerikas, insbesondere seiner Wälder, zu fördern.
Aus alledem ist ersichtlich, daß das Programm des »Deutschamerikanischen Nationalbundes« ein großes ist. Im Ausführen desselben hat der Bund trotz seiner Jugend, trotz mancher Hindernisse schon vieles erreicht. Und diese Erfolge werden sich steigern, je mehr man auch in solchen Kreisen, die anfänglich hinter den Zielen des Bundes »deutschpolitische Bestrebungen« witterten, erkennen lernt, daß es amerikanischer Patrioten würdig ist, das Selbstvertrauen der Deutschen Amerikas zu wecken, um all das Schöne, Edle, Gute und Große, das im deutschen Volkscharakter enthalten ist, der erst im Werden begriffenen amerikanischen Nation einzuimpfen.
*
Wir sind mit unserer Geschichte des Deutschtums in den Vereinigten Staaten zu Ende. Wo immer wir die Blätter dieser Geschichte aufschlagen, strahlt uns stiller, erwärmender Glanz entgegen. Zur Ehre des Deutschamerikanertums darf es betont werden, daß diese Geschichte nirgendwo ein Blatt enthält, dessen es sich schämen müßte, das ihm zur Unzierde gereicht.
Und deshalb darf sie von allen Deutschamerikanern als ihr wertvollstes Besitztum, als die kostbarste Hinterlassenschaft ihrer Väter betrachtet werden, als ein Dokument, auf welches sie sich allezeit wie auf ihren Bürgerbrief berufen können. Sie ist ihr Ehrenschild, wenn selbstsüchtiger Nativismus versuchen will, den Deutschen das Recht auf den Mitbesitz Amerikas streitig zu machen. Mit nichts können derartige Angriffe so nachdrücklich abgeführt werden, als mit den Worten: »Blickt hin auf unsere Vergangenheit und beurteilt offen und ehrlich, ob wir Deutschamerikaner nicht ebensoviel und ebenso Wertvolles zur Entwicklung der Union beitrugen und beitragen, wie irgendein Volksstamm, der an ihrem Aufbau beteiligt ist!«
Aus seiner glorreichen Geschichte soll das Deutschamerikanertum aber auch selber Lehren ziehen. Es muß sich bewußt sein, daß auch auf diese Geschichte das Dichterwort Anwendung hat: »Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen!«
Die gegenwärtigen wie die kommenden Geschlechter müssen sich ihrer Väter wert erweisen, indem sie fortfahren, durch ehrliche Arbeit und unermüdlichen Fleiß ihr volles Anrecht auf den von ihren Vorfahren überkommenen Boden täglich neu zu verdienen. Sie müssen sich der Tatsache bewußt bleiben, daß sie ihre Pflicht der Union gegenüber am treuesten erfüllen, wenn sie das hochhalten, was ihre Väter auszeichnete: Ehrenhaftigkeit, Beständigkeit, echtes Familienleben und einen empfänglichen Sinn für alles Gute und Schöne. An ihrer eigenen Veredelung arbeitend, müssen sie die besten Züge des deutschen Charakters der in den Vereinigten Staaten entstehenden neuen Nation einzuverleiben suchen, damit dieselbe befähigt werde, die hohe Aufgabe zu erfüllen, zu der sie berufen ist.
Das Amerikanertum der Zukunft wird nicht, wie manche die Welt glauben machen möchten, ein Zweig des englischen Volkes sein, sondern eine aus Bestandteilen aller Völker hervorgegangene neue Nation, wie sie eigenartiger die Welt bisher nie gesehen hat. Wir befinden uns mitten innerhalb dieses Verschmelzungsprozesses, dessen Ende noch gar nicht abzusehen ist. Was das schließliche Ergebnis dieser in gleicher Großartigkeit noch nicht erlebten Völker- und Rassenmischung sein und wodurch der Nationalcharakter des amerikanischen Volkes sich einst kennzeichnen wird, wenn er seine bestimmtere Ausprägung erhalten hat, kann man wohl ahnen, aber nicht mit Sicherheit voraussagen. Das Amerikanertum der Zukunft wird einen neuen Menschenschlag darstellen, dessen Bestimmung es ist, die von der Alten Welt übernommene Kultur auf dem Boden der Neuen Welt in großartiger und eigentümlicher Weise weiter zu entwickeln, was wiederum nicht ohne die segensreichste Rückwirkung auf die Kultur der Alten Welt, der ganzen Menschheit bleiben kann.
Keinem Volke war es bisher vergönnt, an die Erfüllung seiner Mission unter so günstigen Verhältnissen heranzutreten, wie den Amerikanern. Über einen mit schier unerschöpflichen Reichtümern ausgestatteten ungeheuren Tummelplatz gebietend, nicht bedroht von feindlichen Nachbarn, frei von beengenden Traditionen, nicht der Willkür eines Monarchen oder der Soldatenherrschaft untertan, kann und sollte dies Land zu einem Hort geistiger und körperlicher Freiheit, zu einer Heimstätte edler Menschlichkeit werden, zu dem die Völker der ganzen Erde allezeit mit der gleichen Hoffnungsfreudigkeit emporblicken, wie in den Tagen George Washingtons, als die hier aufgehende Sonne der Freiheit die Welt mit ihrem Glänze erhellte.
Will Amerika diese große Bestimmung erfüllen, so kann es die idealen Züge des deutschen Charakters nicht entbehren. Je inniger und nachhaltiger dieselben das Amerikanertum durchdringen und sich mit demselben vermählen, um so bestimmter wird das letztere seiner Sendung gerecht werden können. Und deshalb ist es für die Deutschamerikaner eine Pflicht, festzuhalten an allem, was am deutschen Volke gut und lobenswert ist. Zugleich aber sollen sie auch dasjenige in sich aufnehmen, was am Anglo-Amerikanertum groß und bewundernswert erscheint. Bewahren sie so, was sie besitzen und nehmen an, was andere ziert, so arbeiten sie nicht bloß an der eigenen Veredelung, sondern vererben auf ihre Nachkommen diejenigen Eigenschaften, die den Erfolg ihrer Sendung gewährleisten.