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Der Franzosenkrieg.

Eine seltsame Laune des Geschicks fügte es, daß viele Deutsche, welche in der Heimat unter der Brutalität der Franzosen gelitten hatten und infolgedessen ausgewandert waren, sich in der Neuen Welt den gleichen Feinden abermals gegenübersahen.

Bei der Aufteilung Amerikas hatten die Franzosen sich am St. Lorenzstrom festgesetzt und von dort aus nicht bloß Canada, sondern auch die südlich von den fünf großen Seen gelegenen Länder am Ohio und Mississippi erforscht. Diese bis zum Golf von Mexiko reichende Ländermasse erhielt zu Ehren des Königs Louis XIV. den Namen Louisiana. Eine vom St. Lorenzstrom bis zur Mündung des Mississippi reichende Kette von 60 Forts sollte dieses gewaltige Kolonialreich gegen die Engländer sichern.

Die Kolonien der letzteren beschränkten sich auf den schmalen, vom französischen Arkadien bis zum spanischen Florida reichenden Küstenstreifen. Nach dem Innern hin verliefen die Grenzen unbestimmt und waren durch kein Übereinkommen mit den Franzosen festgelegt. Da die Engländer langsam gen Westen, die Franzosen hingegen durch das Ohiotal gen Osten vorrückten, so war ein Zusammenstoß der beiden um die Vorherrschaft in Amerika rivalisierenden Mächte auf die Dauer unvermeidlich.

Schon ehe dieser Grenzkrieg ausgefochten wurde, kam es infolge der in Europa zwischen den Engländern und Franzosen geführten Feldzüge auch in der Neuen Welt zu blutigen Kriegen. Dieselben nahmen einen wahrhaft grausamen Charakter an, als beide Gegner die ihrem Einfluß zugängigen Indianerstämme zur Teilnahme an dem Kampf aufreizten. Auf Seite der Franzosen fochten die Huronen, Ottowas, Miamis, Illinois und Schaunies. Die Engländer bemühten sich, den aus den Mohawks, Oneidas, Onondagas, Cayugas, Senecas und Tuscaroras bestehenden Irokesenbund, ferner die Delawaren, Cherokesen und Chikasaws auf ihre Seite zu bringen.

Alle diese Wilden feierten nicht bloß in dem Blut ihrer rothäutigen Gegner, sondern auch der weißen Ansiedler wahre Orgien und schleppten tausende von Kopfhäuten als schauerliche Trophäen hinweg, um damit ihre Waffen, Gewänder und Wigwams zu schmücken.

Insgesamt wurden vier Kriege zwischen den Franzosen und Engländern auf dem Boden der Neuen Welt ausgefochten. Der erste erstreckte sich über die Jahre 1689 bis 1697. Durch die von Jakob Leisler vorgeschlagenen gemeinsamen Angriffe der englischen Kolonien auf Canada war er bemerkenswert.

Der zweite Krieg währte von 1702 bis 1713. Deutsche Ansiedler wurden durch denselben nicht betroffen.

Der dritte Krieg erstreckte sich über die Jahre 1744 bis 1748. Das wichtigste Ereignis bildete die Eroberung der bei Kap Breton angelegten französischen Festung Louisburg. Bewohner der deutschen Ansiedlung Waldoburg nahmen daran Anteil. Im weiteren Verlauf des Feldzugs wurden die zurückgebliebenen Bewohner Waldoburgs am 21. Mai 1746 von canadischen Indianern überfallen und teils niedergemacht, teils in die Gefangenschaft geschleppt.

Kaum sechs Jahre nach dem Friedensschluß entbrannte der große Entscheidungskampf um die Herrschaft in Nordamerika. Von 1754 bis 1763 während, brachte er sowohl über die am Mohawk und Schoharie wohnenden Pfälzer wie auch über die am Fuß der Alleghanygebirge lebenden Ansiedler schreckliche Heimsuchungen.

Die erbittertsten Kämpfe spielten sich in dem das Hauptstreitobjekt bildenden Quellgebiet des Ohio ab. Die Franzosen basierten ihre Ansprüche auf dasselbe darauf, daß sie den Ohio entdeckt hätten, demgemäß das ganze Gebiet bis zu den die Wasserscheide bildenden Alleghanys zu ihrer Interessensphäre gehöre. Die Engländer weigerten sich, diese Ansprüche anzuerkennen, weil manche aus den englischen Kolonien stammende Bewohner jene Gebiete zuerst besiedelt hätten, und weil diese außerdem Besitztum des den Engländern verbündeten Irokesenbundes seien.

In der Tat waren verschiedene verwegene Pelzhändler vom Mohawk und von Pennsylvanien aus in das Ohiogebiet vorgedrungen und hatten dort Handelsstationen errichtet. Unter diesen Pionieren, die als erste verwegen über die Alleghanys hinwegstiegen und den Blick über jene ungeheure Wildnis hinwegschweifen ließen, durch welche die Flüsse in westwärts gerichtetem Lauf dem sagenhaften Mississippi zueilten, befanden sich zahlreiche Deutsche.

Bereits vor dem Jahre 1728 errichtete der Deutsch-Pole Anton Sodowsky am Südwestende des Eriesees einen Handelsposten, an dessen Stelle heute die Stadt Sandusky steht. Thomas Mehrlin und Johann Salling waren die ersten, die im Jahre 1740 in einem aus Büffelhäuten angefertigten Kanu den Ohio hinabfuhren. Sie wurden in der unbekannten Wildnis von Cherokesen überfallen. Mehrlin entkam; Salling aber ward als Gefangener in die Dörfer des Stammes am oberen Tennessee gebracht und in den Stamm aufgenommen. Drei Jahre lebte er, gleich einem Indianer bemalt und mit Ringen durch Nase und Ohren, mit den Söhnen der Wildnis. Später geriet er während eines Gefechtes mit den Illinoisindianern in die Gewalt der letzteren und kam so nach dem Dorf Kaskaskia, wo eine alte Indianerin ihn als Sohn adoptierte. Mit seinen neuen Stammesgenossen vollführte Salling Streifzüge durch die westlichen Prärien bis zum Meerbusen von Mexiko, wo seine Adoptivmutter ihn an eine spanische Handelskarawane verkaufte. Als Dolmetscher kam er mit dieser nach Canada, von wo er später nach seinem frühern Wohnort Williamsburg in Virginien zurückkehrte.

Ein anderer deutscher Pionier war der aus Pennsylvanien stammende Peter Diete. Zusammen mit Jakob Dimmew trieb er an den Ufern des oberen Ohio Pelzhandel. Beide wurden aber von dem französischen Dolmetscher Chartier mit 400 Schaunies überfallen und ihrer Boote wie der darin befindlichen Ladung beraubt. Man verbot darauf den beiden Abenteurern unter Androhung sofortigen Todes, je wieder den Fluß zu befahren.

Dort, wo heute die Stadt Toledo steht, baute im Jahre 1739 Martin Hertel ein Blockhaus. Andere Deutsch-Pennsylvanier errichteten unter den Piankeschaws, einem Zweig der Miamis, im heutigen Shelby County in Ohio den befestigten Handelsposten Pickawilleny.

Um die Besiedelung des Ohiogebietes zu fördern und den dortigen Pelzhandel an sich zu ziehen, rief die englische Regierung die aus virginischen und Londoner Kaufleuten gebildete »Ohio Gesellschaft« ins Leben. Dieselbe erhielt im Jahre 1748 nicht nur das Anrecht auf ein 500 000 Acker großes Gebiet am Monongahela, dem südlichen Quellarm des Ohio, sondern auch das Monopol des Tauschhandels mit den am Ohio seßhaften Indianerstämmen. Die Gesellschaft übernahm dagegen die Verpflichtung, auf dem ihr zugewiesenen Landgebiet binnen sieben Jahren mindestens hundert Familien anzusiedeln und zu deren Schutz auf eigene Kosten ein Fort zu bauen.

Bevor damit begonnen werden konnte, galt es, das nur wenigen verwegenen Pelzhändlern bekannte Quellgebiet des Ohio genauer zu erforschen. Mit dieser gefährlichen Aufgabe betraute man einen kühnen Hinterwäldler deutscher Abstammung, den am Yadkin wohnenden Trapper Christoph Gist oder Geist. Er erhielt die Weisung, zunächst einen über die Alleghanygebirge führenden Paß zu ermitteln, dann die Stärke der am Ohio wohnenden Indianerstämme auszukundschaften, und drittens eine Karte der von ihm durchwanderten Länder anzufertigen.

Gist trat seine beschwerliche Wanderung im Oktober 1750 an, überstieg zunächst die Blue Ridge, durchquerte dann das Tal des Shenandoah, durchwatete die Schneewehen der Alleghanygebirge und drang endlich bis zum Ohio vor. Die franzosenfreundlichen Ottawaindianer respektierten ihn zwar als Abgesandten des Königs von England, ließen ihm sonst aber eine kühle Aufnahme zuteil werden.

Gist wandte sich darauf zu den am Muskingum wohnenden Wyandots. Hier traf er zu seiner Überraschung einen Pennsylvanier, George Groghan, der mit der Absicht gekommen war, die Rothäute für eine von den Pennsylvaniern geplante Niederlassung freundlich zu stimmen. Gemeinschaftlich besuchten die beiden Abenteurer ferner die am Scioto hausenden Delawaren, die auf beiden Ufern des Ohio sitzenden Schawnes oder Schaunies sowie die nördlich davon wohnenden Miamis. Es gelang Gist, die meisten dieser Indianerstämme zu bewegen, Abgesandte zu einer großen Beratung zu schicken, die mit Vertretern der Kolonie Virginien und der Ohio-Gesellschaft in Logstown, einer heute nicht mehr nachweisbaren Pelzhandelsstation, statthaben solle. Der Hauptzweck dieser Zusammenkunft sollte in der Anerkennung der Besitztitel der Ohio-Gesellschaft seitens der Indianer bestehen.

Ein Indianer mit den Zeichen seiner Kriegstaten geschmückt.

Die Beratung fand im Juni des Jahres 1752 an der vereinbarten Stelle statt. Gist vertrat dabei die Ohio-Gesellschaft; Oberst Frey sowie zwei andere Bevollmächtigte vertraten die Kolonie Virginien. Aber die um ihre Zukunft besorgten Rothäute wollten sich zur Anerkennung irgendwelcher Ansprüche oder Besitztitel, gleichviel ob englische oder französische, nicht verstehen.

»Die Engländer beanspruchen alles Land auf dieser, die Franzosen alles Land auf jener Seite des Ohio. Wo bleiben wir Indianer?« Mit dieser Frage lehnten sie jede weitere Erörterung der Angelegenheit ab und setzten allen von den Weißen vorgebrachten Überzeugungsgründen hartnäckiges Schweigen entgegen.

Die ablehnende Haltung der Rothäute schreckte die Leiter der Ohio-Gesellschaft aber nicht von weiteren Bemühungen zur Befestigung ihrer Ansprüche ab. Sie sandte sogar Feldmesser aus, welche die geplante Niederlassung am Ohio vorbereiten und mit dem Bau eines Forts beginnen sollten. Als geeignetste Stelle erkor man eine durch den Zusammenfluß des Alleghany und Monongahela gebildete Landzunge. Dorthin schaffte man Kriegsmaterial und Waren für den Tauschhandel mit den Indianern.

Aber die Franzosen erhielten durch ihre indianischen Verbündeten von diesen Vorbereitungen Wind und erschienen am 11. April 1754 1000 Mann stark mit zahlreichen Geschützen auf einer aus 60 Schiffen und 300 Kanus bestehenden Flotte. Dieser bedeutenden Macht räumte der mit der Verteidigung des Platzes betraute Fähnrich Ward das Feld, worauf die Franzosen sofort mit dem Bau des starken Forts Duquesne begannen.

Noch war kein Blut geflossen, aber die Entscheidung ließ nicht lange auf sich warten. Als Befehlshaber einer Anzahl virginischer Provinzialtruppen befand sich der junge Offizier George Washington in der Nähe des heutigen Cumberland. Als er erfuhr, daß ein französisches Streifkorps in der Gegend sei, rückte er demselben mit seinen Leuten entgegen und ließ beim Ansichtigwerden der Feinde sofort das Feuer eröffnen. Damit war der Anlaß zum offenen Krieg gegeben, zu einem Krieg, der die ganze Welt in Flammen setzte und Europa eine Million Menschen kostete.

Der rasch entworfene Feldzugsplan der Engländer sah, soweit er den Krieg in Nordamerika betraf, die Entsendung von vier getrennt marschierenden Expeditionen vor, von denen die erste unter General Edward Braddock das Fort Duquesne nehmen sollte. Die zweite Expedition unter General Shirley erhielt Befehl, das am Ausfluß des Niagara in den Ontariosee gelegene Fort Niagara zu erobern und in Canada einzufallen. Die dritte unter William Johnson sollte sich der französischen Befestigung Crown Point am Champlainsee bemächtigen; während die vierte die Aufgabe hatte, die Franzosen aus Neu-Schottland zu vertreiben.

Von diesen Unternehmungen beansprucht der Zug des Generals Braddock insofern unser Interesse, als sein Fehlschlagen für die deutschen Grenzbewohner in West-Virginien und Pennsylvanien äußerst verhängnisvoll wurde, Braddock brach mit 2000 Mann im Frühling 1755 nach den Alleghanys auf, geriet aber am 9. Juli am Monongahela in einen Hinterhalt und erlitt eine furchtbare Niederlage. Die Hälfte seiner Truppen nebst 63 Offizieren wurden getötet oder verwundet. Nur der umsichtigen Leitung George Washingtons, welcher sich mit seinen Milizsoldaten der Expedition als Freiwilliger angeschlossen hatte und den Rückzug deckte, war es zu danken, daß Braddocks Armee nicht gänzlich aufgerieben wurde.

Infolge dieser Katastrophe waren die zerstreut wohnenden Ansiedler in West-Virginien und Pennsylvanien den Angriffen der Franzosen und ihrer indianischen Verbündeten schutzlos preisgegeben.

Eine wahrheitsgetreue Schilderung der nun hereinbrechenden Schreckenszeit ist nie geschrieben worden, da die einzelnen Episoden derselben sich fern von Augenzeugen inmitten der Wildnis zutrugen. Deshalb widmen ihr auch die meisten Geschichtswerke nur wenige Zeilen, welche sagen, daß jene Regionen mehrere Jahre hindurch von Rothäuten und Weißen aufs furchtbarste verwüstet wurden. Wie viele tausend Hütten dabei in Flammen aufgingen, wie viele Ansiedler abgeschlachtet, skalpiert oder am Marterpfahl verbrannt, wie viele Frauen geschändet, erwürgt oder in eine an scheußlichen Entehrungen reiche Gefangenschaft geschleppt wurden, wird verschwiegen. Nur da und dort stoßen wir in halbvergessenen Lokalchroniken auf die Schilderungen einzelner Begebnisse, welche die Greuel jener Schreckenszeit mit unheimlicher Schärfe vor Augen rücken. Wir greifen einige heraus, welche deutsche Ansiedler betrafen.

Eine halbe Meile von dem durch Herrnhuter gegründeten christlichen Indianerdorf Gnadenhütten entfernt lag der aus mehreren Häusern bestehende Weiler Mahoming. Die hier wohnenden herrnhutischen Familien wurden an einem schaurigen Novemberabend von Indianern überfallen. Drei Personen gelang es, zu entkommen. Alle anderen, neun Männer, drei Frauen und ein Kind, fielen unter den Beilen der Rothäute, oder kamen in den Flammen der in Brand gesetzten Häuser um.

Im Lehigh County wurden sämtliche Angehörigen des Ansiedlers Jakob Gerhardt abgeschlachtet. Zwei Kinder, die angsterfüllt unter ein Bett gekrochen waren, verbrannten, als die Indianer das Haus anzündeten.

Im Berks County bewohnte der Ansiedler Friedrich Reichelsdorfer ein einsam gelegenes Gut. Im Bewußtsein der bedrohten Lage desselben brachte er seine Angehörigen nach der Ortschaft Neu-Hannover, kehrte aber von Zeit zu Zeit zu seinem Gehöft zurück, um nach dem zurückgelassenen Vieh und der Ernte zu sehen. Bei einem dieser Gänge war Reichelsdorfer von seinen beiden erwachsenen Töchtern begleitet, welche helfen wollten, den Weizen zu dreschen. Nach getaner Arbeit wurden in später Abendstunde die beiden Mädchen von bangen Ahnungen befallen und vereinigten sich mit ihrem Vater zu einem gemeinsamen Gebet, wobei sie den Choral sangen: »Wer weiß, wie nahe mir mein Ende.« Als am folgenden Morgen Reichelsdorfer mit dem Einfangen der Pferde beschäftigt war, brachen plötzlich unter gellendem Geheul einige scheußlich bemalte Indianer auf ihn herein. Von jähem Schrecken befallen, ergriff er die Flucht und rannte den nächsten Wohnplätzen zu, um bei zwei dort wohnenden deutschen Familien Schutz zu suchen. Als er aber in die Nähe der Hütten kam, hörte er das entsetzliche Angstgeschrei ihrer Bewohner und sah, wie zahlreiche Indianer eben dabei waren, die Familien abzuschlachten. Erst jetzt fielen ihm die eigenen Töchter ein, und er lief in Eile zu seiner Wohnung zurück. Schon vom Walde aus sah er, daß Haus, Scheunen und Ställe lichterloh in Flammen standen, die über die höchsten Bäume emporzüngelten. Durch das Knattern der Glut hörte er das erbärmliche Gebrüll des verbrennenden Viehs, das scheußliche Geheul der Wilden und das Wehgeschrei seiner Töchter. Von Entsetzen erfüllt, floh Reichelsdorfer nach Neu-Hannover. Von dort brach sofort eine Anzahl beherzter Männer zu dem Schauplatz der Tragödie auf. Aber als sie dort anlangten, waren die Indianer verschwunden. Das ganze Besitztum lag in Asche. Von der ältesten Tochter fand man nur wenige halbverkohlte Überreste; die jüngere, obwohl schrecklich verstümmelt und skalpiert, lebte noch. Mit ersterbender Stimme bat sie ihren Vater, sich zu ihr zu neigen, damit sie ihm den letzten Abschiedskuß geben könne. Wenige Minuten später verschied sie in seinen Armen.

Die Abschlachtung einer Ansiedlerfamilie durch Indianer.

Ähnliche Greuelszenen, von denen jede Kunde fehlt, ereigneten sich auf zahlreichen anderen Gehöften. Nachgewiesenermaßen wurden am Ostabhang der Blauen Berge über 300 Pfälzer von den Indianern ermordet. Sogar an größere Ortschaften wagten sich die Rothäute. An diese Tatsache knüpft Rev. F. J. E. Schantz im 10. Band der Proceedings der Pennsylv. German Society folgende Bemerkung: »Es war die traditionelle Politik der Regierung, die Deutschen an die Grenzen zu schicken, – an die Stellen der Gefahr. Laßt der Wahrheit ihr Recht, so wie die Geschichtschreibung von heute sie berichtet. Die früheren Geschichtschreiber rühmten, das Verfahren der Quäker den Indianern gegenüber sei so mild und edel gewesen, daß infolgedessen nie ein Tropfen Quäkerbluts von Indianern vergossen worden sei. Soll ich sagen warum? Weil der Gürtel der Quäkerniederlassungen in einem Halbkreis von 50 Meilen von Philadelphia lag. Jenseits dieses Halbkreises lagen die Niederlassungen der wackeren Deutschen, der Reformierten, Lutheraner, Tucker, Mennoniten und Herrnhuter, welche es nachdrücklich verhinderten, daß die Wilden Quäkerblut vergießen konnten. Anstatt dessen färbten sich die indianischen Kriegsbeile und Skalpiermesser mit dem Blut der Pfälzer. Laß die geopferten Leben von mehr als 300 Männern, Frauen und Kindern aus dem Rheinland, welche während der Jahre 1754 und 1763 in den blauen Bergen abgeschlachtet wurden, die wahre Antwort auf die Prahlerei der Quäker geben. Vor 1750 gab es in Ost-Pennsylvanien viele Niederlassungen, in denen keine andere als die deutsche Sprache gehört wurde.« So fielen sie im November 1755 die Ansiedlungen der Pfälzer am Tulpehocken an, töteten 15 Personen und brannten mehrere Häuser nieder.

In Tulpehocken sah es damals, wie noch erhaltene Briefe melden, entsetzlich aus. Der Ort. war mit Flüchtlingen überfüllt. In manchen Häusern drängten sich 50 bis 70 Menschen zusammen. Frauen beweinten den Tod ihrer Männer, Männer ihre Weiber, Eltern die Kinder und den Verlust ihrer ganzen Habe. Ringsum im Lande stiegen Rauchsäulen auf, welche den Untergang blühender Heimstätten verkündeten.

Noch schwerer als die Deutschen in Pennsylvanien und Virginien litten die Pfälzerkolonien im New Yorker Mohawktale. Während der ersten beiden Kriegsjahre waren sie von den Greueln derselben verschont geblieben, da das am Südufer des Ontariosees liegende Fort Oswego gegen den Einbruch der Franzosen Schutz gewährte. Nichtsdestoweniger hatten die Pfälzer einen Zufluchtsort für den Fall der Not angelegt, indem sie das aus Steinen erbaute Wohnhaus des Johann Jost Herchheimer mit hohen, an den Ecken durch Bastionen verstärkten Palisaden umgaben. Außerhalb dieser Befestigung befand sich ein tiefer Wassergraben. Hinter den Palisaden erhob sich ein Erdwall, der es den Verteidigern ermöglichte, über die Umzäunung hinwegzublicken und auf die Angreifer zu feuern. Wie nötig diese Vorsichtsmaßregeln waren, zeigte sich, nachdem Fort Oswego den Franzosen in die Hände gefallen war.

Am 11. November 1757 gelang es dem französischen Kapitän Belletre, mit 300 Soldaten und Indianern durch die dicken Urwälder unbemerkt in die Nähe der auf dem Nordufer des Mohawk gelegenen Pfälzerniederlassungen zu schleichen. In der folgenden Nacht, drei Uhr morgens, brach er mit seiner Horde über die im tiefsten Schlaf liegenden Ansiedler herein und metzelte alle nieder, die nicht schnell genug die Flucht ergreifen konnten. Vom Feuerschein der brennenden Hütten und Ställe färbte sich der Himmel blutigrot. Von den flackernden Flammen grell beleuchtet, sah man allerorten kämpfende Männer, verzweifelte Frauen und Kinder, die von unbarmherzigen Feinden niedergeschlagen und skalpiert wurden. Viele wurden von dem in panischem Schrecken flüchtenden Vieh umgerannt und zertreten. Andere ertranken im Fluß, als sie sich auf das jenseitige Ufer retten wollten. 40 Personen wurden ermordet, 120 als Gefangene nach Canada geschleppt. Nur diejenigen entrannen dem Verderben, denen es gelang, das Fort Herchheimer zu erreichen. Dieses anzugreifen, wagten die Feinde nicht, da sie glaubten, es habe eine starke Besatzung.

Dem noch erhaltenen von Prahlsucht strotzenden Bericht des französischen Kapitäns zufolge hätte seine Truppe 1500 Pferde, 3000 Rinder und ebensoviele Schafe, an barem Geld und Wertgegenständen außerdem anderthalb Millionen Pfund Sterling erbeutet! Einer englischen Berechnung zufolge bewertete sich der Verlust immerhin auf über 50 000 Dollar.

Am 30. April des folgenden Jahres wiederholte Belletre seinen Raubzug, überfiel diesmal aber die auf der Südseite des Mohawk gelegenen Wohnstätten, wobei wiederum 33 deutsche Ansiedler ihren Tod fanden. Als jetzt die Feinde auch das Fort angriffen, wurden sie von der Besatzung desselben mit einem Verlust von zahlreichen Verwundeten und 15 Toten zurückgeschlagen. In diesem Kampf leitete der älteste Sohn Herchheimers, Nikolas, der spätere Held von Oriskany, die Verteidigung.

Während dieser furchtbaren Kriegsstürme waren die Ansiedler fast durchweg auf Selbsthilfe angewiesen. Die Kolonialbehörden, besonders in dem ganz von Quäkern beherrschten Pennsylvanien, zeigten sich in ihren Bemühungen, den Bedrängten Beistand zu leisten, so saumselig, daß es energischer Beschwerden, ja förmlicher Demonstrationen bedurfte, um sie an die Erfüllung ihrer Pflicht zu erinnern. Über eine solche Demonstration berichtet die »Philadelphische Zeitung« vom November 1755: »Am Dienstag, den 25., sind ungefähr 600 meistenteils Deutsche aus dem Lande in die Stadt friedlich und in geziemender Ordnung gekommen, zu vernehmen, ob sie, ihre Weiber, Kinder, Plantagen und Religion länger in Gefahr der unbarmherzigen und blutdürstigen Wilden bleiben sollen oder Schutz vom Gouverneur erwarten können.«

Um ihre Beschwerde so eindrucksvoll als möglich zu machen, brachten die Ansiedler mehrere schrecklich verstümmelte und skalpierte Leichen mit, und stellten dieselben als Opfer der langsamen, kriegerischen Maßnahmen abgeneigten Quäkerpolitik vor den Türen des Assemblyhauses zur Schau. Der Gouverneur erklärte sich darauf zwar bereit, alles in seiner Macht Stehende zum Schutz der Ansiedler zu tun, aber es verstrichen doch wieder Monate voller Schrecken, ehe energische Maßregeln zur Abwehr der Feinde getroffen wurden. Erst im Frühling des Jahres 1756 bot man bewaffnete Mannschaften zum Schutz der bedrohten Ansiedler auf. Daß sich unter diesen Milizen viele Deutsche befanden, ergibt sich aus folgender Notiz der »Philadelphischen Zeitung« vom 6. März 1756: »Wir haben das Vergnügen gehabt, zu sehen, daß unsere teutschen Leute einen ansehnlichen Teil dieser Mannschaft ausgemacht haben.«

Die militärische Tüchtigkeit der deutschen Grenzbewohner war auch der Regierung in England nicht entgangen. Denn sobald ihr die Niederlage Braddocks bekannt geworden, erließ sie einen Befehl, aus deutschen und schweizerischen Ansiedlern in Pennsylvanien und Maryland ein besonderes Regiment zu bilden, »da diese kräftigen, ausdauernden und an das Klima gewöhnten Leute für den Kampf gegen die Franzosen besonders geeignet seien«.

Beim Zusammenstellen des Regiments ergab sich eine Schwierigkeit: die eingemusterten Leute verstanden kein Englisch! Man sah sich deshalb genötigt, dem Regiment, welches den stolzen Namen » The Royal Americans« erhielt, Deutsch sprechende Offiziere zu geben. Mit dem Oberbefehl betraute man den in Bern geborenen Heinrich Bouquet, der in verschiedenen europäischen Heeren gedient und sich große Erfahrungen angeeignet hatte.

Die »Royal Americans« beteiligten sich zunächst an der Expedition des Generals Joseph Forbes zur Eroberung des Forts Duquesne. Beim Zug über die unwegsamen Gebirge bildeten sie die Vorhut und errangen den ersten Erfolg, indem sie bei Loyal Hanna die Franzosen nach vierstündigem Gefecht mit schweren Verlusten zurückwarfen.

Mehr noch als diese Schlappe trug ein anderes Ereignis zur Entmutigung der Franzosen bei. Dem Herrnhuter Missionar Christian Friedrich Post, der seit Jahren unter den Indianern am oberen Ohio wirkte, gelang es in kritischer Stunde, durch seine glühende Beredsamkeit die in der Umgebung des Forts Duquesne lagernden Rothäute der französischen Sache abwendig zu machen und zur Neutralität zu bestimmen. Das war für die nun ihrer Bundesgenossen beraubten Franzosen ein so schwerer Schlag, daß sie den Anmarsch der feindlichen Hauptarmee nicht abwarteten. Sie sprengten am 24. November sämtliche Befestigungen des Forts Duquesne in die Luft und flüchteten auf ihren Booten den Ohio hinab. Bereits am folgenden Morgen zogen die Amerikaner in die zerstörte Festung ein. Nachdem sie wieder aufgebaut war, wurde sie zu Ehren des damaligen englischen Staatsmannes Pitt mit dessen Namen belegt.

Von den späteren Episoden des Franzosenkrieges blieben die deutschen Niederlassungen in Nordamerika glücklicherweise verschont. Dagegen erwarben sich die »Royal Americans« noch manche Lorbeeren. Ihre Bataillone beteiligten sich an den Expeditionen gegen die am Champlainsee gelegene Festung Crown Point und die bei Kap Breton gelegene Festung Louisburg. Sie waren ferner bei der Einnahme des Forts Niagara; desgleichen in der ruhmreichen Schlacht bei Quebec, wo das Regiment sich sein stolzes Motto »celer et audax« erwarb.

Noch hatten die Kämpfe mit den Franzosen auf dem Boden der Neuen Welt nicht ihren Abschluß gefunden, als jenseits der Alleghanygebirge neue Gewitter heraufzogen. Die an den Grenzen von Karolina und Virginien lebenden Cherokesen erhoben mitsamt den ihnen verbündeten Stämmen von Tennessee, Alabama und Georgia im Frühjahr 1760 die Waffen und verheerten diejenigen Gebiete, welche von den Gräueln des Franzosenkrieges bisher verschont geblieben waren. Da gab's auch für die »Royal Americans« frische Arbeit. Im Verein mit 700 Karolina-Rangers brachen sie in die Jagdgründe der Cherokesen ein und bekämpften die Rothäute trotz hartnäckigster Gegenwehr so erfolgreich, daß sie bereits im Juni 1761 um Frieden baten.

Kaum hatte sich dieser Sturm gelegt, als im Nordwesten ein noch gefährlicheres Unwetter losbrach, ein Indianerkrieg, der unter dem Namen »Die Verschwörung Pontiacs« in die Geschichte übergegangen ist.

Noch ehe Frankreich im Frieden zu Paris (10. Februar 1763) seine gesamten, östlich vom Mississippi gelegenen Besitzungen an England abtrat, waren Scharen deutscher, englischer, schottischer und irischer Ansiedler in das Quellgebiet des Ohio eingeströmt. Gleichzeitig besetzten englische Truppen die von den Franzosen geräumten Befestigungen.

Wie dies bei der Eröffnung jedes neuen Landes zu geschehen pflegt, so brachte der plötzliche Wechsel aller Verhältnisse auch hier Mißstände der verschiedensten Art mit sich. Sie wurden von den Urbewohnern am schlimmsten empfunden.

Die Franzosen hatten es vortrefflich verstanden, die Indianer anzuziehen. Beim Tauschhandel ließen sie ihnen, um ihr Vertrauen zu erhalten, volle Gerechtigkeit widerfahren. Im persönlichen Verkehr behandelten sie dieselben als ebenbürtig und trugen keinerlei Bedenken, sich mit ihnen zu vermischen.

Die nun ins Land einrückenden Engländer brachten hingegen die ganze Rücksichtslosigkeit und Selbstsucht der anglikanischen Rasse mit. Ohne die Rechte der Urbewohner zu beachten, bemächtigten sie sich der schönsten und wertvollsten Grundstücke, schossen das Wild zusammen und brannten die Wälder nieder, wo diese hindernd im Wege standen. Im Tauschhandel wurden die Rothäute von gewissenlosen, nur auf schnellen Gewinn bedachten englischen Händlern aufs fürchterlichste betrogen. Die britischen Offiziere begegneten den Häuptlingen mit hochfahrender Geringschätzung und spielten sich ihnen gegenüber als die Herren auf.

Dadurch steigerte sich die den Indianern durch die Franzosen eingeimpfte Abneigung gegen die Engländer zu grimmigen Haß. Sämtliche südlich von den großen Seen wohnenden, ihre Existenz bedroht sehenden Stämme schlossen Schutz- und Trutzbündnisse miteinander. An die Spitze der Bewegung trat Pontiac, der oberste Häuptling der Ottawas, ein Mann von hohem Mut, scharfem Verstand, glänzender Beredsamkeit und großer Entschlossenheit. Er plante, noch ehe die Engländer sich überall festgesetzt hätten, ihre Macht mit einem gewaltigen Schlag zu zertrümmern. Zu diesem Zweck forderte er durch Sendboten sämtliche der Verschwörung beigetretenen Stämme zu einem gemeinsamen Schlage auf. Alle westlich von den Alleghanygebirgen liegenden Forts und Ansiedlungen sollten an einem bestimmten Tage überrumpelt, zerstört, und ihre Besatzungen und Bewohner ermordet werden. Infolge der schlauen Vorbereitungen fielen den Rothäuten die Forts Sandusky, Le Boeuf, Venango, St. Joseph, Quatonon, Miami, Presqu'Isle und Michillimackinac in die Hände. Diejenigen Weißen, welche nicht während der Überrumplung umkamen, wurden ausnahmslos abgeschlachtet.

Ein gleiches Schicksal erlitten 36 Deutsch-Pennsylvanier, welche unter dem Befehl des Hauptmanns Schlosser den mit Palisaden umgebenen Posten St. Joseph hielten. Am Morgen des verhängnisvollen Tages erschien eine mit Pelzen schwerbeladene Bande Pottawatomi-Indianer vor dem Fort. Sie erhielten Einlaß, da sie vorgaben, Handel treiben zu wollen. Als derselbe in vollem Gange war, zogen die Indianer plötzlich auf ein verabredetes Zeichen ihre in den Pelzbündeln verborgenen Flinten und Tomahawks hervor und metzelten die ganze Besatzung nieder, ehe die Überraschten sich zu ernstem Widerstand sammeln konnte. Hauptmann Schlosser wurde als Gefangener in das am Südufer des Michigansees gelegene Dorf der Pottawatomis geschleppt. Durch eine ähnliche List bemächtigten sich die Indianer des von dem Leutnant Pauly befehligten Forts Sandusky. Pauly war der einzige, welchem man das Leben ließ. Aber man stellte ihm in Aussicht, daß er im Lager Pontiacs zum Ergötzen der roten Krieger am Marterpfahl sterben solle. Tatsächlich wurden die Vorbereitungen für seine Hinrichtung bereits getroffen, als ein altes Weib, dessen Mann kurz zuvor gestorben, den Gefangenen nach indianischer Sitte zum Gatten begehrte. In seiner Notlage fügte Pauly sich dieser Wahl, worauf die jungen Mädchen des Dorfs ihn zunächst in einen Indianer verwandelten, indem sie sein Haar bis auf ein Büschel in der Mitte des Schädels ausrauften und diese Skalplocke mit Perlen und Federn schmückten. Dann warfen sie den Weißen mehrmals in einen Fluß, »um das weiße Blut aus seinen Adern wegzuschwemmen«. Zum Schluß bemalten sie sein Gesicht und die Glieder mit bunten Farben und führten ihn nun unter dem Jubel aller Stammesgenossen seiner mit Altersrunzeln bedeckten Gattin zu. Pauly ertrug geduldig diese Behandlung in der Hoffnung, es möge sich eines Tages eine Gelegenheit zur Flucht bieten. Tatsächlich glückte es ihm wenige Wochen später, den Rothäuten zu entrinnen und das Fort Detroit zu erreichen, an dessen Verteidigung er später lebhaften Anteil nahm.

Die Forts Detroit, Pitt und Niagara waren die einzigen, die dem Verderben entgingen, da ihre Besatzungen glücklicherweise früh genug gewarnt worden waren. Aber sie mußten monatelange Belagerungen ertragen, während welcher die Eingeschlossenen schreckliche Entbehrungen litten. Gleichzeitig mit den eingenommenen Befestigungen gingen Tausende von Ansiedlungen in Flammen auf. Sämtliche Niederlassungen in Westvirginien und Westpennsylvanien wurden zerstört und über 20 000 Personen zur Flucht nach dem Osten getrieben. Wie viele Ansiedler in jenen Schreckenstagen umkamen, ist nie ermittelt worden.

Sowohl bei der Verteidigung der Forts wie bei der Rückeroberung der verwüsteten Stätten hatten die Deutschen wiederum reichlichen Anteil. Manche verrichteten dabei wahre Wunder an Tapferkeit. So leistete die nur aus zwölf »Royal Americans« bestehende Besatzung der Station Bedford wochenlang den weit überlegenen Feinden erfolgreichen Widerstand. Die ebenso kleine Besatzung des Forts Le Boeuf schlug sich, als die Blockhütten durch hereingeschleuderte Feuerbrände in Flammen aufgingen, mannhaft durch und gelangte glücklich nach Fort Pitt.

Heinrich Bouquet.

Dieses wurde durch den wackeren Schweizer Heinrich Bouquet entsetzt. An der Spitze von 500 eben aus Havanna zurückgekehrten »Royal Americans« befreite er zunächst die in Station Bedford Eingeschlossenen und rückte dann behutsam gegen das hart belagerte Fort Pitt vor. 25 Meilen von demselben entfernt, am Bushy Run, kamen die Deutschen am 5. August in Fühlung mit den Feinden. Dieselben glaubten Bouquet ein ähnliches Schicksal wie seiner Zeit dem englischen General Braddock bereiten zu können. Aber sie hatten es diesmal mit Männern zu tun, welchen der Kampf in der Wildnis wohl vertraut war. In guter Ordnung zogen die Deutschen sich auf einen Hügel zurück und bildeten, auf dem Gipfel desselben aus Proviantwagen und Mehlsäcken eine ringförmige Verschanzung, die zu erobern den Wilden trotz aller Anstrengungen nicht gelingen wollte. Die erbitterten Kämpfe erstreckten sich über zwei Tage. Am ersten währte das Gefecht sieben Stunden und nahm erst bei Einbruch der Nacht ein Ende. Obwohl die Weißen sich der größten Vorsicht befleißigten, zählten sie am Abend bereits 60 Tote und Verwundete. Alle litten entsetzlich unter brennendem Durst, da die geringen Wasservorräte bald erschöpft, Quellen auf dem Hügel aber nicht vorhanden waren. Kaum graute der Morgen, so begann das Gefecht aufs neue. Da der Wassermangel unerträglich wurde, so entschloß Bouquet sich zu einer verzweifelten Tat. Um die in den Wäldern verborgenen Indianer aus ihren Verstecken zu locken und zu einer Masse zusammenzubringen, in der das Gewehrfeuer der Amerikaner größere Wirkung habe, ließ er zwei Kompagnien seiner Leute einen Ausfall unternehmen und bald darauf, als ob sie entmutigt seien, eiligst den Rückzug nach der Wagenburg antreten. Was Bouquet erhofft hatte, trat ein. Die Indianer stürmten den Fliehenden in gewaltigen Massen nach, wurden aber von zwei im Wald versteckten Abteilungen im Verein mit den rasch eine Flankenbewegung ausführenden Truppen in ein so vernichtendes Kreuzfeuer genommen, daß der Boden sich im Nu mit Hunderten von Leichen bedeckte und die Überlebenden von Schrecken erfüllt die Flucht ergriffen.

Nachdem die Amerikaner ihre Verwundeten gesammelt hatten, setzten sie weiter unangefochten ihren Marsch nach Fort Pitt fort und wurden von der fast dem Hungertod nahen Besatzung mit lautem Jubel empfangen.

Dem wackeren Bouquet war später noch die glückliche Ausführung einer andern wichtigen Mission beschieden.

Die englische Regierung hatte die Torheit ihrer bisherigen Indianerpolitik eingesehen und ließ es nun an Bemühungen nicht fehlen, die Rothäute zu versöhnen. Man versprach, daß fortan alle Landkäufe durch die Regierung geschehen sollten, damit fernere Betrügereien seitens der Landsspekulanten verhütet würden. Desgleichen hob man das der Ohio-Gesellschaft bewilligte Monopol des Pelzhandels auf, damit die bisher schrecklich geprellten Wilden wieder angemessene Preise erzielen könnten. Bouquet erhielt gleichzeitig Auftrag, an der Spitze einer starken Truppenabteilung gen Westen vorzurücken, um Friedensverträge mit den Indianern abzuschließen und die Auslieferung der in ihren Händen befindlichen weißen Gefangenen zu verlangen.

Die über das Mißlingen ihrer Erhebung enttäuschten Indianer waren zum Entgegenkommen weit mehr geneigt, als Bouquet erwartet hatte. Bereits am 12. November 1764 kam mit den Delawaren, Senecas und Schawnes ein Friede zustande, wobei 206 weiße Gefangene, 81 Männer und 125 Frauen und Kinder, ausgeliefert wurden.

Bei der späteren Identifizierung der nach der Ansiedlung Carlisle überführten Befreiten ereigneten sich wahrhaft erschütternde Szenen. Aus viele hundert Meilen weiten Entfernungen, aus Pennsylvanien, Virginien und Maryland kamen Leute herbei, um zu sehen, ob sich unter den Geretteten Angehörige oder Verwandte befänden, die man seit dem Ausbruch der Franzosen- und Indianerkriege vermißte. Männer und Frauen, Eltern und Kinder, die einander längst als Tote beklagt hatten, fanden sich nach jahrelanger Trennung wieder.

Nicht immer war die Identifizierung leicht. Manche Kinder hatten während der langen Gefangenschaft sowohl ihre Namen wie ihre Muttersprache vollkommen vergessen. Da war z. B. ein deutsches Mädchen, Regina Hartmann, die im Alter von neun Jahren von den Wilden geraubt worden war und nun als 18 jährige Jungfrau wieder in die Zivilisation zurückkehrte. Ihre aus Ostpennsylvania gekommene Mutter erkannte die Vermißte und rief sie bei Namen. Aber diese gab durch kein Zeichen Kunde, daß sie sich ihrer Mutter erinnere. Erst als die letztere mit zitternder Stimme die Strophe einer alten deutschen Kirchenhymne sang:

»Allein und doch nicht ganz alleine
Bin ich in meiner Einsamkeit,
Denn wenn ich ganz verlassen scheine,
Vertreibt mir Jesus selbst die Zeit.
Ich bin bei ihm und er bei mir,
So kommt mir's gar nicht einsam für« ...

da fielen der Tochter, die so oft gemeinsam gesungenen Strophen dieses Liedes wieder ein und sie warf sich ihrer alten Mutter weinend an den Hals.

Nicht alle Gefangenen kehrten freiwillig zu ihren Stammesgenossen zurück. Manche hatten sich so an das Leben der Rothäute gewöhnt, daß sie vorzogen, auch fernerhin bei denselben zu bleiben. Mehrere Mädchen, darunter eine Deutsche namens Elisabeth Studebecker, waren Frauen indianischer Krieger geworden und benutzten die erste Gelegenheit, um heimlich zu entfliehen und in die Wigwams ihrer roten Ehegenossen zurückzukehren.

Der wackere Oberst Bouquet wurde wegen seines tapferen Verhaltens zum Brigadegeneral ernannt, eine Anerkennung, die in ganz Pennsylvanien freudigsten Widerhall fand. »Sie können sich kaum vorstellen,« so schrieb ein Offizier an Bouquet von Lancaster aus, »wie dieser Ort durch die Nachricht Ihrer Beförderung freudig erregt ist. Die Bewohner sowohl wie die deutschen Farmer halten uns in den Straßen auf, um zu fragen, ob es wahr sei, daß der König den Hauptmann Bouquet zum General gemacht habe. Und wenn wir dies bestätigen, marschieren sie hocherfreut weiter. So sehen Sie, daß das alte Sprichwort: ›Der Erfolgreiche werde beneidet‹ für diesmal nicht zutrifft. Denn ich bin sicher, daß alle Welt durch die Nachricht Ihrer Beförderung mehr erfreut ist, als wenn die Regierung die Stempelsteuer aufgehoben hätte.«

Die Heimkehr aus indianischer Gefangenschaft.

Gleich nach Beendigung des Indianerkriegs in Ohio wurde Bouquet nach Pensacola in Florida beordert, um den Befehl über die im Süden stehenden Truppen zu übernehmen. Leider wurde der tapfere Mann bereits wenige Tage nach seiner Ankunft in Pensacola vom Gelben Fieber befallen und von demselben am 2. September 1765 hinweggerafft. Bouqets Name ist aber für immer mit der ruhmvollen Geschichte des aus Deutschen gebildeten Regiments der »Royal Americans« verbunden.

Indianischer Tomahawk.


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