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Der Anteil der Deutschen am amerikanischen Unabhängigkeitskriege

Der Freiheit Morgengrauen.

Bei einem Rückblick auf die ältere Geschichte der deutschen Einwandrung in Amerika wird sofort klar, daß es zwei Hauptbeweggründe waren, welche die Deutschen bestimmten, ihr Vaterland zu verlassen und jenseits des Ozeans neue Heimstätten zu suchen. In erster Linie wollten sie der durch endlose Kriegsläufte und die maßlose Verschwendung der deutschen Fürsten verursachten materiellen Not entrinnen. Dann auch hofften sie, die Neue Welt werde sich in der Tat als jene Hochburg religiöser und politischer Freiheit erweisen, als welche man sie in mündlichen wie schriftlichen Berichten hatte rühmen hören.

Aber die in Amerika bestehenden Verhältnisse entsprachen durchaus nicht immer den Erwartungen. Manche erregten sogar den bitteren Unmut der Einwandrer. Namentlich der tief religiös gesinnten Deutschen.

Wie sehr die in allen englischen Kolonien bestehende Sklaverei ihren Empfindungen widerstrebte, wie energisch sie gegen diese allen Lehren des Christentums hohnsprechende Einrichtung eiferten, ist in einem früheren Abschnitt gezeigt worden. Der im Jahre 1688 erlassene Protest der Bewohner von Germantown leuchtet als eine der glänzendsten Ruhmestaten der Deutschen in Amerika durch die Jahrhunderte.

Außer der Sklaverei fand man aber noch andere Mißstände, die Anlaß zum Grollen gaben. Die Kolonien waren überlaufen von Günstlingen der englischen Regierung und bankerotten Höflingen, denen die Krone nicht nur die fettesten Ämter, sondern auch ungeheure Strecken wertvollen Landes verschrieb, damit sie Gelegenheit hätten, in den Kolonien ihre zerrütteten Finanzen wieder aufzubessern. Unter diesen hochfahrenden Aristokraten befanden sich viele, die auf alle Landwirte, Handwerker und Gewerbetreibende als eine tief unter ihnen stehende Kaste herabblickten. Gehörten solche vom Ertrag harter Arbeit Lebenden obendrein fremden Nationen an und waren der englischen Sprache wenig oder gar nicht mächtig, so behandelten sie solche mit verletzender Geringschätzung, als Halbbarbaren. Denn nicht wenige dieser hochgeborenen Drohnen huldigten der Ansicht, daß Unkenntnis der englischen Sprache gleichbedeutend mit Unwissenheit sei, und daß der wahre Mensch erst mit dem Engländer anhebe.

Das von den Holländern und Engländern nach den Kolonien übertragene Feudalsystem hatte die Kastenbildung gleichfalls mächtig gefördert, und so standen sich, wie wir aus der Geschichte Jakob Leislers erkannten, bereits zu Ende des 17. Jahrhunderts zwei Parteien gegenüber, die des Volks und jene der mit den Beamten Hand in Hand gehenden, dieselben an Selbstsucht und Überhebung noch übertreffenden Geld- und Landaristokraten.

Daß die Bürger und Ansiedler diese Zustände nicht widerstandslos auf die Dauer ertragen würden, daß es über kurz oder lang zu ernsten Kämpfen kommen müsse, war unschwer vorauszusehen. In einem früheren Abschnitt betonten wir bereits, daß die stürmischen Auftritte zwischen dem Volksmann Leisler und den Aristokraten der Kolonie New York recht eigentlich die ersten Zusammenstöße in dem bevorstehenden Kampf des amerikanischen Volks für seine Unabhängigkeit bedeuteten.

Einen noch ausgesprocheneren Sieg errang die Volkspartei in dem Prozeß der Regierung gegen den New Yorker Drucker Peter Zenger. Dieser war im Jahre 1710 als 13jähriger Knabe mit den von Gouverneur Hunter nach Amerika gekommen. Bald nach seiner Landung trat er bei dem Drucker William Bradford in die Lehre.

§§§

Namenszug von Peter Zenger

Der Beruf eines Druckers war damals mancherlei Einschränkungen unterworfen. Solange die Drucker sich auf das Herstellen religiöser Erbauungsschriften beschränkten, legten die Kolonialregierungen ihnen keine Hindernisse in den Weg. Kaum wurden aber Versuche zur Herausgabe von Zeitungen unternommen, so trafen die Behörden schleunigst Maßnahmen, um diese Mittel zur Verbreitung politischer Nachrichten und der Volksaufklärung im Keim zu ersticken. So kam die am 25. September 1690 zu Boston von Benjamin Harris geplante Zeitung »Public Occurences«, das erste neuweltliche Unternehmen dieser Art, nicht über die erste Nummer hinaus. In Virginien und Maryland wurde das Aufstellen einer Druckerpresse rundweg verboten. In Philadelphia mußte William Bradford im Jahre 1692 seine Offizin auf höheren Befehl schließen. Er siedelte deshalb nach New York über, wo er nach langem Petitionieren im Jahre 1725 die Erlaubnis zur Herausgabe der »New York Gazette« erwirkte. Allerdings nur unter der Bedingung, daß diese Zeitung ausschließlich die Interessen der Regierung vertrete. Bei diesem Bradford bestand Zenger eine vierjährige Lehrzeit, nach deren Ablauf er seines Meisters Gehilfe, später sogar sein Geschäftsteilhaber wurde. Im Jahre 1733 trennte Zenger sich von seinem Partner, vermutlich infolge bestehender Gegensätze in den politischen Anschauungen. Denn er gründete eine neue Druckerei und begann gleichzeitig mit der Herausgabe des »Weekly Journal«, welches das erklärte Organ der Volkspartei wurde und an der korrupten Regierung scharfe Kritik übte.

Dieses Vorgehen verwickelte Zenger bald in einen Preßprozeß, den ersten in Amerika. Die Ursache war folgende: Als im Jahre 1730 der Gouverneur Montgomerie plötzlich starb, übernahm bis zum Eintreffen eines Nachfolgers der Älteste des Kolonialrates, Rip van Dam, die interimistische Regierung, wofür er sich das volle Gehalt des Gouverneurs auszahlen ließ. Als nach dreizehn Monaten der neue Gouverneur Crosby aus England eintraf, verlangte dieser, obwohl er bisher nicht die geringsten Dienstleistungen getan, daß van Dam ihm die Hälfte des bezogenen Gehaltes ausbezahle. Da van Dam sich weigerte, diesem Ansinnen zu entsprechen, strengte der Gouverneur eine Klage an. Als der Oberrichter Morris gegen ihn entschied, setzte er denselben ab und ernannte neue, willfährige Richter, welche van Dam zur Herausgabe der Hälfte der streitigen Gelder verurteilten.

Andrew Hamilton

Nun stellte Zenger sowohl dem abgesetzten Oberrichter wie auch den Anhängern van Dams die Spalten seines Journals zur Verfügung und veröffentlichte mehrere, die Handlungsweise des Gouverneurs aufs schärfste mißbilligende Aufsätze. Der darüber ergrimmte Gouverneur ließ die betreffenden Nummern der Zengerschen Zeitung öffentlich durch den Henker verbrennen und Zenger wegen Verbreitung falscher, aufrührerischer Schmähschriften vor Gericht fordern.

In dem nun anhebenden berühmtesten aller amerikanischen Preßprozesse wäre Zenger zweifellos gleichfalls von den willfährigen Richtern verurteilt worden, hätten nicht seine Anhänger ihm in dem ausgezeichneten Juristen Andrew Hamilton von Philadelphia einen vorzüglichen Verteidiger zur Seite gestellt. Derselbe gab die Veröffentlichung der Aufsätze durch Zenger ohne weiteres zu, behauptete aber zugleich, daß die in denselben enthaltenen Ausführungen wahr seien und daß die unumwundene und unbeschränkte Meinungsäußerung, sofern sie als wahr bewiesen werden könne, zu den Rechten jedes freien englischen Bürgers gehöre. Der Erklärung des Kronanwaltes, daß der Gouverneur als direkter Vertreter des Königs unantastbar sei und nicht in abfälliger Weise kritisiert werden dürfe, setzte Hamilton entgegen, daß bei der Untersuchung gegen eine angebliche Schmähschrift das Gericht den Beweis der Wahrheit der tatsächlichen Behauptungen zuzulassen habe, und daß die Aufgabe der Geschworenen nicht bloß im Feststellen des Tatbestandes, sondern auch des Rechtes bestehe. Bei der Ausführung dieser Gesichtspunkte bewies Hamilton so glänzend, daß die in den fraglichen Aufsätzen der Regierung vorgeworfenen Fehler auf Tatsachen beruhten, daß die Geschworenen den Angeklagten unter dem tosenden Beifall der ganzen Bevölkerung, soweit sie nicht blind für den Gouverneur Partei ergriffen hatte, als nichtschuldig erklärten. Durch den Zengerschen Prozeß war dem amerikanischen Zeitungswesen sein höchstes Vorrecht, die Preßfreiheit, erkämpft worden.

Das durch diesen Sieg in seinem Selbstbewußtsein mächtig gestärkte Volk strebte nun auch nach Befreiung von dem auf ihm lastenden materiellen Druck, der um so tiefer empfunden und um so unwilliger getragen wurde, als er von der eignen Regierung, von den in England lebenden Kaufleuten und Fabrikherren über die Kolonien verhängt wurde.

Kaum war nämlich die Herrschaft der mit den Engländern in scharfem Wettbewerb stehenden Franzosen in Nordamerika niedergeworfen worden, so erzwangen die in England wohnenden Kaufleute im Parlament Gesetze, welche nicht etwa die Bedürfnisse und berechtigten Ansprüche der in Amerika lebenden Ansiedler, sondern ausschließlich die Interessen der im Mutterlande verbliebenen Kaufherren berücksichtigten. Um diesen möglichst große Einkünfte zu sichern, wurde den Ansiedlern das Anfertigen sämtlicher industriellen Erzeugnisse sowie der Handel mit dem Auslande verboten. Sie sollten genötigt sein, alle Gebrauchsgegenstände vom Mutterland zu beziehen, dorthin auch ihre eignen Erzeugnisse abzuführen. Keine Pflugschar, kein Wagenrad, kein Hufeisen, kein Werkzeug, kein Hut, keine Kleiderstoffe, kein Papier sollten in Amerika hergestellt werden dürfen. Es wurde verlangt, daß die Kolonisten die von den englischen Krämern für solche Dinge geforderten Wucherpreise bezahlen, für die eignen Produkte aber sich mit jenen Angeboten bescheiden sollten, die von den englischen Kaufleuten festgesetzt würden. Daß diese Angebote stets weit unter jenen Preisen blieben, die von den Kolonisten im freien Handel mit anderen Völkern hätten erzielt werden können, ist selbstverständlich.

Aber damit nicht genug. Man verlangte von den Kolonisten obendrein schwere Steuern, ohne ihnen im Parlament zu London, der gesetzgebenden Körperschaft, eine eigne Vertretung zuzugestehen.

Nur ein jeder Manneswürde beraubtes Volk hätte sich solchen von Selbstsucht diktierten Verordnungen auf die Dauer gefügt. Von den die freie Luft der Wälder und Meere atmenden Amerikanern war dies nicht zu erwarten. Am wenigsten von den Abkömmlingen fremder Völker, die keinen besondern Anlaß hatten, den ihnen nicht durch nationale Verwandtschaft näherstehenden englischen Königen treu zu bleiben. So sehen wir denn auch solche fremdgebornen Kolonisten in den vordersten Reihen jener Unzufriedenen, die gegen die ungerechten Bedrückungen Widerspruch erhoben. Bereits im Jahre 1765 unterzeichneten zahlreiche Deutsche eine Beschwerdeschrift, in der Kaufleute und Gewerbtreibende der Stadt Philadelphia mit dem Boykott englischer Waren drohten, wenn die Regierung nicht die von ihr eingeführte Stempelsteuer aufhebe. Und bald darauf vereinigten sich solche Deutsche zu der » Patriotischen Gesellschaft der Stadt und Grafschaft Philadelphia,« um die Rechte und Freiheiten zu wahren, welche der Provinz in früheren Zeiten durch bestimmte Gesetze und Freibriefe verliehen worden seien. Sie beteiligten sich auch an jener, von 8000 Personen besuchten Versammlung, die am 18. Juni 1774 einen »Korrespondenz-Ausschuß« erwählte, der mit den Bewohnern der andern an der Ostküste gelegenen Kolonien gemeinschaftliche Maßnahmen zur energischen Abwehr der englischen Übergriffe beraten sollte. Unter den Mitgliedern dieses Ausschusses finden wir die Deutschen Peter Hillegas, Christoph Ludwig, Paul Engel und Georg Schlosser.

Aber auch die deutschen Bewohner der anderen Kolonien zeigten die gleiche entschlossene Gesinnung. Unter dem Vorsitz des wackern Pastors Peter Mühlenberg faßte der aus lauter Deutschen bestehende Sicherheitsausschuß der virginischen Ortschaft Woodstock folgende, in englischer Sprache geschriebene Erklärung: »Es sei beschlossen, daß wir uns bereitwillig solchen Verordnungen der Regierung unterwerfen, wie Seine Majestät nach den Bestimmungen des Gesetzes für die Untertanen zu erlassen das Recht hat. Aber nur solchen allein. Es sei ferner beschlossen, daß es das ererbte Recht aller britischen Untertanen ist, nur von solchen Vertretern, die sie selbst erwählten, regiert und besteuert zu werden. Ferner, daß wir jede vom britischen Parlament in bezug auf die innere Verwaltung Amerikas abzielende Handlung als einen gefährlichen und verfassungswidrigen Eingriff in unsre Rechte und Privilegien betrachten. Daß die gewaltsame Ausführung solcher Parlamentsakte durch militärische Gewalt notwendigerweise einen Bürgerkrieg verursachen muß, durch welchen jene Verbindung gelöst würde, die so lange zwischen dem Mutterland und den Kolonien bestanden hat. Es sei endlich beschlossen, daß wir mit unseren notleidenden Brüdern in Boston sowohl wie in irgendwelchen anderen Teilen Nordamerikas, welche die direkten Opfer solcher Tyrannei sind, herzlich sympathisieren und alle geeigneten Maßnahmen befürworten, durch welche so schreckliches Unheil abgewendet, unsere Beschwerden beachtet und unsere gemeinschaftlichen Freiheiten gesichert werden können.«

Ob diese nicht mißzuverstehenden Erklärungen, die am 4. August in der »Virginia Gazette« zum Abdruck kamen und großes Aufsehen erregten, den einen Monat später in Philadelphia zusammentretenden »Ersten Kontinental-Kongreß« beeinflußten, ist nicht mehr nachzuweisen. Aber auch diese Körperschaft faßte ähnlich lautende Beschlüsse. Obendrein ermahnte sie das Volk, für den Notfall sich im Gebrauch der Waffen zu üben. Die vielbesprochene Unabhängigkeitserklärung der Bürger von Charlotte im Bezirk Mecklenburg, Nord-Karolina, bleibt an dieser Stelle unberücksichtigt, da weder der genaue Wortlaut ihrer am 31. Mai 1775 gefaßten Beschlüsse feststeht, noch die Namen der unter den Unterzeichnern befindlichen Angehörigen der Familie Alexander mit Sicherheit als diejenigen deutscher Ansiedler betrachtet werden können.

Der Geist der Erhebung ging natürlich auch unter den wackern Pfälzern um, die am Mohawk und Schoharia saßen. Sie waren von allen Kolonisten der englischen Regierung am wenigsten zu Dank verpflichtet. Denn hatte diese Regierung sie nicht stets in selbstsüchtiger Weise ausgebeutet und obendrein auf die gefährlichsten Posten an die äußersten Grenzen der Zivilisation gestellt, wo sie beständig den Anfällen der Indianer und Franzosen preisgegeben waren? Und hatte die Kolonialverwaltung sich etwa beeilt, in den Stunden der Bedrängnis ihnen Hilfe zu senden?

Seit wann es unter jenen, in steten Kämpfen und Gefahren großgewordenen Bauern gärte, wissen wir nicht. Aber auch sie fanden sich bereits am 27. August 1774 an den Ufern des Mohawk zu einer großen Protestversammlung zusammen, die, als die englische Regierung ihre schroffen Maßregeln verschärfte, den Bostoner Hafen sperrte und den bedrängten Bewohnern jener Stadt tätigen und moralischen Beistand versprach. Auch den in New York und Albany tagenden Ausschüssen der Freiheitsfreunde ließen sie ihre Bereitwilligkeit verkünden, sämtliche vom Kontinental-Kongreß verordneten Maßregeln ausführen zu wollen. Diesen Vorsatz bekräftigten sie durch die Erklärung: »Wir, die wir durch die Bande der Religion, Ehre, Gerechtigkeit und Vaterlandsliebe aufeinander angewiesen sind, vereinen uns in dem festen Entschluß, nie Sklaven werden zu wollen, sondern unsre Freiheit mit Gut und Blut zu verteidigen.«

Der leitende Geist dieser Pfälzer war Nikolas Herchheimer, der nämliche, welcher sich in den Kämpfen gegen die Franzosen bei der Verteidigung des in den German Flats errichteten Forts rühmlich hervorgetan hatte. Er leitete auch die erste, auf den 2. Juni 1775 einberufene Versammlung von Abgeordneten aus allen Bezirken des Mohawktals, deren wichtigste Maßnahme im Einsetzen eines Sicherheitsausschusses bestand, welcher die im Tal wohnenden zahlreichen Anhänger des Königtums, die sogenannten Tories, überwachen sollte. Die Organisierung dieser aus fünf Bataillonen Milizen, einem Bataillon Scharfschützen, drei Kompagnien Jäger und einer Kompagnie Hilfstruppen bestehenden Macht wurde von Herchheimer so geschickt durchgeführt, daß die Abgeordneten der Kolonie New York Herchheimer in Anerkennung seiner Verdienste mit dem Befehl über alle westlich von Schenectady stehenden Milizen betrauten und ihn zum Brigadegeneral ernannten. Die strengen Anordnungen, welche Herchheimer nun zur Beaufsichtigung der Tories traf, flößten diesen solchen Schrecken ein, daß sie ihre Habseligkeiten packten und Hals über Kopf nach Canada flohen.

In Pennsylvanien, wo die Behörden schon längst Klage führten, daß die früher so friedliebenden Deutschen jetzt widerspenstig würden, sorgte die im Jahre 1764 gegründete »Deutsche Gesellschaft« dafür, daß der Freiheitsgedanke auch in die von zahlreichen Deutschen bewohnten westlichen Teile der Kolonie getragen wurde. Sie tat dies durch Verbreitung einer gemeinschaftlich mit den Vorständen und Predigern der lutherischen und reformierten Kirchen Philadelphias verfaßten Flugschrift, welche die Gründe darlegte, die den Kontinental-Kongreß bestimmten, die Bevölkerung zum bewaffneten Widerstand gegen die widerrechtlichen Handlungen der Regierung aufzurufen. Die bedeutungsvolle Flugschrift hebt mit folgenden Worten an:

»Wir haben von Zeit zu Zeit täglich mit unseren Augen gelesen, daß das Volk in Pennsylvanien, Reiche und Arme, den Entschluß des Congresses approbiren. Sonderlich haben sich die Teutschen in Pennsylvanien nahe und ferne von uns sehr hervorgethan und nicht allein ihre Milizen errichtet, sondern auch auserlesene Corpos Jäger formirt, die in Bereitschaft sind zu marschiren, wohin es gefordert wird. Diejenigen unter den Teutschen, welche selbst nicht Dienste thun können, sind durchgehends willig nach Vermögen zum gemeinen Besten zu contributiren.«

Der von dem Drucker Heinrich Miller veröffentlichte »Staatsbote« befürwortete die Empfehlungen der »Deutschen Gesellschaft« mit folgendem feurigen, an alle Deutsche gerichteten Aufruf: »Gedenkt daran, wie bitter die Knechtschaft war, die ihr in Deutschland erfahren mußtet. Gedenkt und erinnert die Eurigen daran, daß ihr nach America gegangen seid, um der Dienstbarkeit zu entrinnen und die Freiheit zu genießen. Gedenkt, daß die englischen Staatsdiener und ihr Parlament America auf eben den Fuß wie Deutschland und vielleicht ärger haben möchten.«

Angeregt durch diese flammenden Worte, begannen manche deutsche Pastoren auch von den Kanzeln herab die Sache der Freiheit zu verfechten. Daß sie dadurch die Rache der Regierung über sich heraufbeschworen, ist selbstverständlich. Und so mußten manche dieser Streiter als heimatlose Flüchtlinge im Lande umherirren. Unter ihnen befanden sich die Pastoren Helfenstein von Lancaster, Johann Wilhelm Schmidt von Germantown, Nevelling von New Jersey sowie die beiden Söhne des Pastors Peter Mühlenberg. Nevelling hatte auf seinen Grundbesitz hohe Anleihen aufgenommen und das Geld dem Kontinentalkongreß überwiesen. Wo die Regierung solcher Prediger habhaft wurde, strafte sie dieselben mit monatelanger Kerkerhaft. Solchem Geschick verfielen beispielsweise die Prediger Weyberg und Schlatter, deren Häuser obendrein durch britische Soldaten geplündert wurden. Das Haus des in der Salzburger Niederlassung Ebenezer angestellten Pfarrers Rabenhorst wurde sogar bis auf den Grund niedergebrannt.

Aber alle diese Maßregeln konnten das Weitergreifen des entfachten Freiheitsgedankens nicht aufhalten. Die prophetischen Worte, welche Andreas Hamilton, der Verteidiger des Druckers Zenger, bereits im Jahre 1734 gesprochen: »Die unterdrückte Freiheit wird sich endlich doch erheben!« gingen in Erfüllung. Und als der virginische Advokat Patrik Henry mit dem zündenden Ausruf »Give me liberty or give me death!« die stolze Losung gab, da flogen die Freunde der Freiheit allerorten zu den Waffen. Unter den ersten befanden sich die Deutschen.

Der Ruf zu den Waffen. Nach einem Gemälde von Chapella.

Deutsches Heldentum und deutsche Opferwilligkeit im Freiheitskrieg.

Eine ungeheure Bewegung durchbrauste sämtliche an der Ostküste von Nordamerika gelegenen Kolonien. Man sprach nicht länger über Handel, Saaten, Ernten, Jagd und Fischfang. Die Arbeitsräume der Handwerker, die Geschäftsräume der Kaufleute verödeten. Nur in den rußigen Werkstätten der Waffenschmiede und Büchsenmacher erklangen unablässig die Hämmer, knirschten die Feilen und drehten sich die Schleifsteine. Denn, wie der Pfarrer Helmuth in einem an die in Deutschland erscheinenden »Hallischen Nachrichten« schrieb: »Durch das ganze Land rüstet man sich zum Krieg. Beinahe jeder Mann ist unter den Waffen. Der Eifer, welcher bei diesen traurigen Umständen gezeigt wird, läßt sich nicht beschreiben. Wenn hundert Mann verlangt werden, stellen sich sofort viel mehr und sind ärgerlich, wenn sie nicht alle genommen werden. Quäker und Mennoniten entsagen ihren religiösen Grundsätzen und nehmen teil an den kriegerischen Übungen. Das ganze Land von Neu-England bis Georgia ist eine Seele und in vollkommener Begeisterung für die Freiheit.«

Beweise dafür, daß die Deutschen an Begeisterung hinter ihren angloamerikanischen Mitbürgern nicht zurückstanden, finden sich in Hülle und Fülle. Als in der hauptsächlich von Deutschen bewohnten pennsylvanischen Ortschaft Reading die jungen, waffenfähigen Männer drei Kompagnien einer Bürgergarde bildeten, ließ es den Deutschen Graubärten keine Ruhe. Sie wollten nicht zurückstehen, sondern vereinigten sich zu einer »Kompagnie der alten Männer«. Einem Bericht des »Pennsylvanischen Staatsboten« zufolge bestand dieselbe aus 80 Hochdeutschen von mehr als 40 Jahren. Viele waren bereits in Deutschland Soldaten gewesen. So hatte z. B. der 97 Jahre alte Hauptmann dieser Veteranen in 40jährigem Kriegsdienst 17 große Schlachten mitgemacht. Und der 84 Jahre zählende Trommler konnte auf eine fast ebenso bewegte Vergangenheit zurückblicken.

Wo die Begeisterung so hohe Wogen schlug, ist es selbstverständlich, daß die Deutschen auch außerordentlich starke Prozentsätze zu den aus Freiwilligen oder »Associators« gebildeten Truppenkörpern stellten, die einem vom Kongresse erlassenen Aufruf zufolge überall zusammentraten. Nach einem Beschluß vom 14. Juni 1775 sollten Pennsylvanien sechs, die Kolonien Maryland und Virginien je zwei Kompagnien Scharfschützen stellen. Anstatt dessen rüstete Pennsylvanien neun Kompagnien aus, von welchen vier ausschließlich deutsche Offiziere besaßen. Mehrere Abteilungen derselben befanden sich bereits drei Wochen später auf dem Hunderte von Meilen weiten Marsche nach Boston, um zu der von George Washington befehligten amerikanischen Hauptarmee zu stoßen. Die ersten, welche dort eintrafen, waren die von den Hauptleuten Nagel und Daudel befehligten deutschen Scharfschützen der pennsylvanischen Grafschaft Berks, herrlich gewachsene, wettergebräunte Männer, von denen jeder dem preußischen König Friedrich dem Großen für seine Riesengarde willkommen gewesen wäre. In ihren aus Hirschleder oder derbem »home spun« gefertigten Jagdröcken, den fransenbesetzten Leggins, den indianischen Mokassins und der aus einem Fuchs- oder Otterfell gefertigten Pelzmütze boten diese mit Riflebüchse, Tomahawk und Jagdmesser bewaffneten Gestalten unstreitig einen imponierenden Eindruck dar. Und die in großen Lettern über jeder Brust zu lesende Losung »Liberty or Death!« zeugte für die Entschlossenheit, welche diese ernsten Männer beseelte.

Ihnen rückten bald darauf die aus anderen Teilen Pennsylvaniens sowie die aus Maryland und Virginien kommenden Scharfschützen nach. Die Virginier hatten den später zu großem Ruhm gelangenden Daniel Morgan als Hauptmann. Bevor sie sich am 17. Juni bei Schäferstown (Shepherdstown) zum Abmarsch rüsteten, kamen sie dahin überein, daß diejenigen, welche nach 50 Jahren noch am Leben seien, sich am gleichen Datum an der gleichen Quelle, an welcher sie sich versammelt hatten, wieder einfinden sollten. Es waren nur vier Männer: Heinrich und Georg Michel Bedinger (der erste aus Virginien, der zweite aus Kentucky), Peter Lauck (aus Winchester) und Gotthold Hulse (aus Wheeling), welche dieser Verabredung am 17. Juni 1825 entsprachen. Aus den echt deutschen Namen dieser Veteranen läßt sich mit Sicherheit schließen, daß die Deutschen Virginiens einen großen Prozentsatz zu den berühmten Scharfschützen Morgans gestellt haben müssen.

§§§

Daniel Morgan, der Führer der virginischen Scharfschützen.

Es war am 10. August, als Morgans Truppe nach einem 600 Meilen weiten Marsch bei der Belagerungsarmee vor Boston eintraf. Der gerade auf einem Rekognoszierungsritt befindliche Oberbefehlshaber George Washington erspähte die Ankömmlinge in der Ferne. Im Galopp ritt er auf sie zu und sprang, als Morgan meldete: »Scharfschützen vom rechten Ufer des Potomac!« vom Pferde, um mit Freudentränen im Antlitz jeden einzelnen der wackern Virginier, von denen manche in der Nähe seines eignen Landgutes wohnten, mit kräftigem Händedruck zu begrüßen. Die von Kapitän Morgan geführten virginischen Scharfschützen erhielten noch vor der Einnahme von Boston Befehl, sich der Expedition Arnolds nach Canada anzuschließen. Unter furchtbaren Mühseligkeiten drangen sie mit den anderen Truppen jenes Zuges den Kennebec hinauf, und unternahmen mit ihnen am Abend des 30. Dezember 1775 den Versuch, die Zitadelle von Quebec zu erstürmen. Bekanntlich mißglückte dieser verwegene Anschlag, während dessen Morgans Truppen so schwere Verluste erlitten, daß ihr Führer, um seine Schar vor gänzlichem Untergang zu bewahren, es für geraten hielt, sich zu ergeben. Morgan wurde später ausgelöst und nahm mit einer anderen Abteilung Scharfschützen an den Schlachten bei Monmouth und bei Saratoga und anderen Treffen teil.

Während der Belagerung der Stadt Boston leisteten diese Scharfschützen insofern sehr wichtige Dienste, als sie hauptsächlich die feindlichen Offiziere aufs Korn nahmen und dadurch die englischen Regimenter der Führung beraubten. Die Zahl solcher Gefallenen oder kampfunfähig Gewordenen war so überraschend groß, daß der englische Abgeordnete Burke im Parlament bestürzt ausrief: »Diese Amerikaner wissen von unsrer Armee weit mehr, als wir uns träumen lassen. Sie schließen dieselbe ein, belagern, vernichten und zermalmen sie. Wo unsere Offiziere ihre Nasen zeigen, da werden sie von den amerikanischen Riflebüchsen weggefegt.«

Da nur die deutschen Grenzbewohner gezogene Riflebüchsen führten, so müssen die schlimmen Verluste, welche die Offizierslisten der in Boston belagerten Engländer erlitten, wohl in erster Linie den deutschen Scharfschützen gutgeschrieben werden. Deren Leistungsfähigkeit scheint auch dem Kontinentalkongreß nicht entgangen zu sein. Denn er erließ am 25. Mai 1776 den Aufruf zur Formierung eines rein deutschen Bataillons, dessen acht Kompagnien zur Hälfte aus Pennsylvaniern, zur Hälfte aus Deutschen der Kolonie Maryland bestehen sollten. Die Pennsylvanier begnügten sich aber nicht mit den ihnen vorbehaltenen vier Kompagnien, sondern hatten bereits im Juli eine fünfte vollzählig.

Unter seinen einander folgenden Obersten Nikolas Hausegger, Baron Arendt und Ludwig Weltner vollbrachte dieses deutsche Bataillon manche kühne Waffentat. Zunächst beteiligte es sich bei dem Überfall der Engländer in Trenton. Später erntete es in den Schlachten bei Princeton, am Brandywine und bei Germantown Lorbeeren. Der Brigade des Generals Peter Mühlenberg zugeteilt, durchlebte es die schrecklichen Monate im Winterlager zu Valley Forge. Dann fand es als Bestandteil des Expeditionskorps des Generals Sullivan in den Quellgebieten des Susquehanna und Mohawk Verwendung, wo seine Aufgabe darin bestand, die Grenzniederlassungen gegen die Überfälle der von Canada hereinbrechenden Engländer und Irokesen zu schützen.

Überaus zahlreich waren die Deutschen auch in den von Pennsylvanien gestellten regulären Regimentern, vornehmlich im zweiten, dritten, fünften, sechsten und achten. Das ergibt sich schon aus der Tatsache, daß ein Drittel jener von 53 Bataillonen kommenden Abgesandten, die am 4. Juli 1776 in Lancaster, Pa. zusammenkamen, um über gemeinsame Angelegenheiten zu beraten, Deutsche waren.

Zur selben Stunde, wo diese Wackeren schworen, Leib und Leben für die Unabhängigkeit des Landes zu opfern, nahm der im Staatshause zu Philadelphia versammelte, aus Vertretern sämtlicher Kolonien bestehende Kongreß die Unabhängigkeitserklärung an. Es war einer deutschen Zeitung, dem von Heinrich Miller in Philadelphia herausgegebenen »Staatsboten«, vorbehalten, die erste gedruckte Mitteilung über diesen hochwichtigen Akt zu bringen. Die Unabhängigkeitserklärung erfolgte bekanntlich am 4. Juli 1776, einem Donnerstag. Da der »Staatsbote« die einzige am Freitag erscheinende Zeitung Philadelphias war, so kam sie mit ihrer Mitteilung allen in englischer Sprache gedruckten Zeitungen voraus. Die in fetten Lettern gegebene Nachricht lautet folgendermaßen:
»Philadelphia, den 5. July. Gestern hat der achtbare Congreß dieses vesten Landes die vereinigten Colonien freye und unabhängige Staaten erkläret. Die Declaration in Englisch ist gesetzt in der Presse: sie ist datirt den 4ten July, 1776, und wird heut oder morgen in Druck erscheinen.«

Auch in den südlichen Kolonien bildeten sich rein deutsche Truppenkörper. So brachte beispielsweise der Württemberger Michael Kalteisen in Charleston, Süd-Karolina, eine Kompagnie Füsiliere zusammen, die durchweg aus Deutschen bestand und im Jahre 1779 beim Sturm auf Savannah sich auszeichnete.

Leider fehlen über die Beteiligung der Deutschen in den Kolonien Georgia, Karolina, Virginien, Delaware, Maryland, New York, Massachusetts und Maine sichere Angaben, da fast alle Musterrollen und sonstigen Urkunden bei einem im Jahre 1800 im Kriegsministerium zu Washington ausgebrochenen Brande untergingen. Sicher ist aber, daß die Deutschen auch in den von jenen Kolonien gestellten regulären Regimentern mit stattlichen Zahlen vertreten waren.

Wollte man die Namen aller Deutschen, die sich durch tapfere Taten vor dem Feinde auszeichneten, in einer Liste vereinen, so würde dieselbe manche Seiten füllen. Da wären beispielsweise die zahlreichen Mitglieder der aus Westfalen nach Pennsylvanien eingewanderten Familie Heister. Mehrere dienten als Offiziere in pennsylvanischen Regimentern. Von allen mußte Joseph Heister die schlimmsten Erlebnisse bestehen. Während der unglücklichen Schlacht auf Long Island wurde er gefangen und später auf der berüchtigten Fregatte »Jersey« und in den Kerkern der Stadt New York furchtbaren Leiden ausgesetzt. Nach seiner Auslösung schloß er sich den Freiheitskämpfern aufs neue an, schwang sich durch seine Tapferkeit zum Obersten empor und füllte nach erfolgtem Friedensschluß noch verschiedene angesehene Stellen aus.

Von gleichem Schlage war der Pennsylvanier Kichlein, der als Hauptmann einer 100 Mann starken Kompagnie jenen Helden angehörte, die nach der Schlacht auf Long Island den Rückzug Washingtons deckten, und von welcher ein amerikanischer Geschichtsschreiber sagte: »Long Island war das Thermopylae des Unabhängigkeitskrieges, und die Deutschpennsylvanier waren seine Spartaner!« Von Kichleins Kompagnie fielen 70 Mann.

Auch der in manchen europäischen Kriegen grau gewordene Hannoveraner Georg Gerhard von der Wieden zählt zu den Helden jener großen Zeit. Er hatte bereits als Leutnant mit den von Heinrich Bouquet geführten »Royal Americans« den Feldzug gegen die Franzosen im Quellgebiet des Ohio mitgemacht. Als Oberst trat er später in das 1. virginische Regiment und brachte es dank seiner ausgezeichneten Fähigkeiten bis zum Brigadegeneral. In den Kämpfen am Brandywine, bei Germantown und vor Yorktown spielte dieser in amerikanischen Geschichtswerken unter dem Namen »Weedon« erscheinende Mann eine wichtige Rolle.

Eine echte Soldatennatur bekundete ferner der deutsche Hauptmann Leonhardt Helm, der mit nur zwei Gemeinen die Besatzung des westlichen Grenzforts St. Vinciennes bildete. Diese Veste zu nehmen, zogen die Engländer in beträchtlicher Zahl heran. Daß er sich gegen die gewaltige Übermacht nicht behaupten könne, wußte Hauptmann Helm wohl. Aber er pflanzte sich mit brennender Zündschnur an einer der von den Wällen herabdrohenden Kanonen auf, gebot den anrückenden Feinden Halt und fragte, ob man der Besatzung des Forts freien Abzug mit allen Waffen und unter Beobachtung der üblichen Kriegsehren bewillige, falls sie das Fort freiwillig übergebe. Dessen waren die Engländer nur zu froh. Sie machten aber doch lange Gesichter, als Helm mit seinen beiden Leuten erschien. Aber das Soldatenwort war verpfändet, und so mußten die Briten zu ihrem großen Ärger die drei Amerikaner ungehindert ziehen lassen.

Auch die südlichen Kolonien hatten ihren deutschen Helden. Alexander Gillon, ein von kurhessischen Eltern stammender Kaufmann in Charleston, stach im Mai 1777 mit einem wohlausgerüsteten Schiff in See, nahm drei englische Kreuzer weg, mietete dann eine französische Fregatte und kaperte mit derselben zahlreiche englische Handelsfahrzeuge. Im Frühling des Jahres 1782 brachte er ein größeres Geschwader zusammen und annektierte die Bahamainseln.

Von besonderem Interesse ist es, daß auch die 150 Mann starke Leibwache George Washingtons ausschließlich aus Deutschen der pennsylvanischen Grafschaften Berks und Lancaster bestand. Der ehemalige preußische Major Bartholomäus von Heer befehligte die kleine, aber auserlesene Schar. Ihr Hauptmann war Jakob Meytinger; als Leutnants dienten Philipp Strübing und Johann Nutter. Die Gründe, welche maßgebend dafür waren, diese Leibwache ausschließlich aus Deutschen zusammenzustellen, sind nicht bekannt. Die Tatsache hingegen, daß es unter den englisch sprechenden Truppen des amerikanischen Heers von im englischen Sold stehenden Spionen wimmelte, und daß die königstreuen Tories die verschlagensten Mittel anwendeten, um amerikanische Offiziere und Soldaten zum Verrat militärischer Geheimnisse, ja zur Gefangennahme und Auslieferung des obersten Befehlshabers zu verleiten, hat zu der Vermutung Anlaß gegeben, daß man die Person Washingtons weit mehr gesichert glaubte, wenn man ihn mit einer Leibwache umgebe, deren Soldaten der englischen Sprache wenig oder gar nicht mächtig und darum den Verlockungen der Tories auch weniger ausgesetzt wären.

Wie immer dem sein mag, gewiß ist, daß die Deutschpennsylvanier von jeher als zuverlässige Leute galten. Diesen guten Ruf behaupteten sie auch in diesem Falle, denn die deutsche Leibwache schützte den Heerführer während aller Fährnisse des sieben Jahre dauernden Krieges. Als nach dem glücklichen Ausgang desselben das Heer sich auflöste, wurde auch die Leibwache überflüssig. Nur der wackere Major von Heer, der Hauptmann Meytinger, ein Sergeant, ein Trompeter und acht Gemeine blieben bis zum 31. Dezember 1783 im Dienst. Ihnen fiel die Ehre zu, den obersten Kriegsherrn auf sein in Virginien gelegenes Landgut Mount Vernon zurückzugeleiten. Dort angekommen, stellten sie sich vor der Front des stattlichen Herrensitzes vor dem Sieger in so vielen Schlachten zur letzten Parade auf. Noch einmal erscholl der Kommandoruf, zum letztenmal senkten sich die funkelnden Degen. Dann, nachdem diese militärische Ehrung erwiesen war, ritten die wackeren Soldaten schweigend von dannen. Denn ihre Herzen waren schwer, daß sie von dem geliebten Feldherrn, den sie so viele Jahre beschirmt, dessen Leiden und Lasten sie so lange geteilt, für immer scheiden mußten.

Marie Heis (Molly Pitcher) in der Schlacht bei Monmouth.
Nach einem Gemälde von D. M. Carter.

Außer diesen Patrioten berichtet die Geschichte von drei deutschamerikanischen Heldinnen. Die erste war Marie Heis, die Gattin eines als Kanonier mit Washington ins Feld gezogenen Freiwilligen. Entschlossen, alle Leiden und Freuden ihres Mannes zu teilen, hatte die Frau sich dem gleichen Regiment angeschlossen und um das Wohl der Soldaten sich verdient gemacht, indem sie den im Kampf Befindlichen Wasser zutrug und die Verwundeten pflegte. Da man sie selten ohne ihren mächtigen Wasserkrug (englisch pitcher) sah, so legten die Soldaten ihr den Spitznamen » Molly Pitcher« bei.

Es war in der Schlacht bei Monmouth, wo Molly Pitcher zu bleibendem Ruhm gelangen sollte. Infolge der zweideutigen Haltung des Generals Lee drohte die Schlacht einen für die Amerikaner ungünstigen Ausgang zu nehmen. Allerwärts zeigten die Reihen der Amerikaner klaffende Lücken. Das Bedienungspersonal der Batterien war bereits so zusammengeschmolzen, daß infolge mangelnden Ersatzes die Mannschaften ihre Tätigkeit fast einstellen mußten. Eine Katastrophe schien unvermeidlich, zumal die Briten sich gerade jetzt zu einem mächtigen Vorstoß anschickten. In diesem Augenblick erschien »Molly Pitcher« auf dem Schauplatz. Die Gefahr erkennend, stellte sie schleunigst ihren Krug zur Erde, griff einen Kanonenwischer und bediente an Stelle ihres verwundet am Boden liegenden Mannes das Geschütz. Brausende Beifallrufe erschollen für Molly Pitcher. Von allen Seiten eilten tapfere Männer herbei, um die freigewordenen Plätze in den Batterien einzunehmen. Und als die Feinde anrückten, wurden sie mit so lebhaftem Kanonenfeuer begrüßt, daß es den Amerikanern gelang, den Angriff abzuschlagen.

In Süd-Karolina unterzog sich die 18jährige Pflanzerstochter Emilie Geiger der gefährlichen Aufgabe, wichtige Mitteilungen des Generals Greene an die Generale Marion und Sumter zu überbringen, wobei sie ein weites, durch feindliche Patrouillen höchst unsicher gemachtes Gebiet durchreiten mußte. Obendrein mußte das Mädchen mit dem Pferde den angeschwollenen Watereefluß durchschwimmen. Nachdem dies gelungen, fiel die junge Heldin am zweiten Tage ihrer Reise feindlichen Kundschaftern in die Hände. Da diese aber keine verdächtigen Dokumente fanden, ließ man das Mädchen frei, welches nun seinen Ritt fortsetzte und wenige Stunden später die ihm anvertraute Botschaft ausrichten konnte.

In West-Virginien erzählt man sich noch heute von Elisabeth Zane, die mit ihren Brüdern eine an Stelle der heutigen Stadt Wheeling erbaute Blockhütte bewohnte. Als Zufluchtsort bei feindlichen Anfällen hatten die wenigen dort lebenden Ansiedler aus starken Baumstämmen einen festen Turm errichtet, in welchen sie flüchteten, als im September 1777 eine von dem englischen Befehlshaber des Forts Detroit ausgeschickte Bande von Indianern die kleine Niederlassung überfiel. Die Belagerung zog sich bedenklich in die Länge. Die Zahl der waffenfähigen Männer sank von 42 auf nur 12 herab. Dazu kam, daß das Pulver ausging. Zwar lag noch ein Fäßchen in der Hütte der beiden Brüder Zane versteckt. Um desselben habhaft zu werden, mußte man aber eine 180 Schritt weite Strecke zurücklegen, die von den Büchsen der in den Wäldern versteckten Wilden bestrichen wurde. Trotzdem mußte man suchen, das Pulver zu erlangen. Als Freiwillige, die es wagen wolle, das Fäßchen zu holen, trat die siebzehnjährige Elisabeth Zane vor. Sie begründete ihren Entschluß damit, daß das Leben der so sehr zusammengeschmolzenen männlichen Verteidiger der Befestigung zu wertvoll sei, um ein solches aufs Spiel zu setzen. Einwände wollte sie nicht gelten lassen, und so öffnete man der jungen Heldin das Tor, das sie so ruhig durchschritt, als ob es in der weiten Welt keine Indianer gebe.

Da die letzteren nicht wußten, um was es sich handle, so ließen sie es ruhig geschehen, daß die Jungfrau die zwischen Turm und Blockhütte gelegene Strecke zurücklegte und die Hütte betrat. Erst als sie, das Fäßchen in den Armen tragend, wieder erschien, errieten die Rothäute die Bedeutung des Vorgangs und eröffneten von allen Seiten ein lebhaftes Feuer auf die raschen Laufs Davoneilende. Aber keine Kugel traf. Wohlbehalten schlüpfte die junge Heldin wieder ins Fort, worauf die Indianer, nicht länger auf den Fall der so wacker verteidigten kleinen Feste rechnend, wutschnaubend abzogen.

Außer diesen Beispielen finden sich noch zahlreiche andere, welche die opferfreudige Begeisterung bekunden, die in den Herzen der deutschen Kolonisten Amerikas lohte.

Wir müssen zunächst der hochherzigen Frau Margarete Greider geb. Arkularius gedenken, die nicht nur dem Oberbefehlshaber George Washington die bedeutende Summe von 1500 Guineen zu beliebiger Verwendung für das Heer übergab, sondern obendrein mit ihrem Manne, einem Bäcker, die Soldaten vier Monate lang mit Brot versorgte, ohne für ihre Dienste irgendwelche Entschädigung anzunehmen.

Jenem wackern Ehepaar stand der in Philadelphia wohnende Bäcker Christoph Ludwig nicht nach, ein Mann, der an allen das Wohl und Wehe des Landes angehenden Fragen stets lebhaften Anteil nahm. Bereits im ersten Stadium der Freiheitsbewegung, als man in einer öffentlichen Versammlung um freiwillige Gaben bat, um für die Bürgerwehren Flinten beschaffen zu können, sprang er, als niemand mit einer Beisteuer den Anfang machen wollte, auf und rief: »Herr Vorsitzender, ich bin nur ein einfacher Pfefferkuchenbäcker, aber schreiben Sie meinen Namen in die Liste mit 200 Pfund.«

Während des Krieges bewies Ludwig immer wieder und wieder seine Opferwilligkeit. Seine eignen Interessen hintenan setzend, opferte er sein ganzes Vermögen für die große Sache. Für seine Uneigennützigkeit spricht auch ein anderes Vorkommnis. Im Jahre 1777 übertrug man ihm die Stelle des Oberbäckers der Armee. Seine Vorgänger im Amt hatten sich die Unerfahrenheit der mit der Heeresverwaltung betrauten Personen zunutze gemacht und für jeden ihnen überwiesenen Zentner Mehl auch nur 100 Pfund Brot geliefert und den Profit eingesteckt. Ludwig klärte die Verwaltung über den unbemerkt gebliebenen Betrug auf, indem er darauf hinwies, daß man mit 100 Pfund Mehl und dem zum Kneten benötigten Wasser 135 Pfund Brot herstellen müsse. Soviel werde er für jeden Zentner Mehl liefern, da er nicht das Verlangen trage, sich durch den Krieg zu bereichern.

Als Ludwig nach Beendigung des Krieges sein Geschäft wieder aufnahm und abermals ein stattliches Vermögen erwarb, gab er bei seinem Ableben einen letzten Beweis seines Gemeinsinnes, indem er sein ganzes Hab und Gut wohltätigen Anstalten vermachte und in erster Linie die Mittel zur Gründung einer Freischule für arme Kinder stiftete.

Um die Verpflegung der im Felde stehenden Truppen sowie der Verwundeten und Kranken machten sich auch die in Pennsylvanien wohnenden deutschen Sektierer, vor allen die Mennoniten, Herrnhuter und Tunker hochverdient. Bekanntlich hielten diese es mit ihren religiösen Anschauungen als unvereinbar, Waffen zu tragen, Kriegsdienste zu leisten und Beisteuern für kriegerische Zwecke zu entrichten. Auf diese Satzungen ihres Glaubens sich berufend, reichten sie am 5. November 1775 dem Kongreß ein Bittgesuch ein, daß sie von allen derartigen Leistungen entbunden werden möchten, sie würden sich dagegen verpflichten, in anderer Weise, durch Lieferung von Lebensmitteln, Kleidern, Verbandstoffen und ähnlichen Dingen zum Gelingen der großen Sache beizutragen. Nachdem der Kongreß ihnen diese Ausnahmsrechte zugestanden, kamen die Sektierer ihrem Versprechen in großartiger Weise nach und führten von den Erträgnissen ihrer Felder und Hausindustrien dem Heere während der ganzen Dauer des Feldzugs gewaltige Mengen zu. Ohne die Beihilfe dieser Sektierer wären die im Hungerlager zu Valley Forge verweilenden Soldaten wahrscheinlich der Not erlegen.

Versorgung der Soldaten im Winterlager von Valley Forge durch die Herrnhuter.

Aber mehr noch. Die Sektierer erwiesen sich auch als echte barmherzige Samariter, indem sie in ihren Wohnungen und Versammlungsplätzen zahlreiche Verwundete und Kranke aufnahmen und denselben die sorgsamste Pflege zuteil werden ließen. Die Gemeindehäuser zu Bethlehem, Lititz und Ephrata waren die bedeutendsten Lazarette in den Mittelkolonien und zeitweise mit Verwundeten überfüllt. Nach der Schlacht am Brandywine nahm das Kloster Ephrata über 500 Schwerverwundete auf, von welchen 200 starben und auf dem bescheidenen Friedhof des Klosters neben den bereits abgeschiedenen Klosterbrüdern und Schwestern eine Ruhestätte fanden. In der Herrnhuterstation Lititz fanden Hunderte von Typhuskranken Unterkunft. Während der Verpflegung derselben wurden fünf herrnhutische Brüder, der Prediger Schmick und zwei herrnhutische Ärzte von der tückischen Krankheit weggerafft.

Noch eines deutschen Mannes müssen wir gedenken, der zwar nicht im heißen Kampfe stand oder sich in Werken der Nächstenliebe betätigte, aber auf einem der schwierigsten Posten stand, den der junge Bund der Vereinigten Staaten zu besetzen hatte. Dieser Mann war der Kaufmann Michael Hillegas. Ihn erkor man im Jahre 1776 zum Schatzmeister der Bundesregierung. Als solcher diente er treu und redlich bis zum Jahre 1789, wo er endlich auf seinen Wunsch dieses Amtes entbunden wurde, das um so sorgenvoller gewesen, als die Regierung während des ganzen Krieges beständig von den schwersten finanziellen Verlegenheiten bedrängt war.

Michael Hillegas, erster Schatzmeister der Vereinigten Staaten.

Nikolas Herchheimers Wohn- und Sterbehaus im Mohawktal.

Nikolas Herchheimer und die Helden von Oriskany.

Während der Stürme des Jahres 1775 waren die in den Tälern des Schoharie und Mohawk wohnenden Pfälzer nicht müßig geblieben. Beständig übten sie sich im Gebrauch der Waffen. Waren sie sich doch der Tatsache wohl bewußt, daß sie einen der gefährlichsten Posten innehielten und über kurz oder lang einen Angriff der nach Canada geflohenen königstreuen Engländer, der Tories, erwarten mußten. Sie waren sich ferner darüber klar, daß die Tories in ihrem Rachedurst nicht davor zurückschrecken würden, die in den Grenzgebieten und in Canada umherstreifenden Indianer durch reiche Geschenke und Versprechungen auf ihre Seite zu ziehen und als Verbündete in den Kämpfen gegen die Amerikaner zu benutzen. Gerüchte, daß englische Abgesandte sich in den Lagern der Rothäute, vornehmlich des mächtigen Irokesenbundes, gezeigt hätten, traten immer bestimmter auf. Daraus ergab sich für die Amerikaner die zwingende Notwendigkeit, alle Mittel aufzubieten, diese blutdürstigen Horden zu bewegen, sich neutral zu verhalten.

Nikolas Herchheimer, der bewährte Befehlshaber der Milizen im Mohawktal, erhielt deshalb den Befehl, mit 400 Milizsoldaten das am oberen Susquehannah gelegene Irokesendorf Unadilla aufzusuchen, wo Thayendanegea, der den Weißen unter dem Namen Joseph Brant bekannte Kriegshäuptling der Irokesen, seinen Wohnsitz aufgeschlagen hatte. Es war im Juni 1777, als Herchheimer dort anlangte. Aber alle Bemühungen, den gefürchteten Häuptling freundlich zu stimmen, schlugen fehl. Denn die Engländer hatten ihn durch Zuwendung glänzender Geschenke längst gewonnen und die Sache der Amerikaner als gänzlich aussichtslos geschildert. Daß dem so sein werde, hatte der kriegskundige Wilde nach einem Einblick in die Pläne der Engländer, in denen ihm selbst eine wichtige Rolle zugedacht war, erkannt. Die Engländer hatten nämlich beschlossen, eine mächtige Flotte von New York aus den Hudson hinaufzusenden und dadurch wie durch einen gleichzeitigen Vorstoß des Generals Burgoyne mit 8000 Mann vom Georgsee aus die Neu-Englandkolonien von den südlichen Kolonien zu trennen, um sie dann einzeln um so leichter unterwerfen zu können. Zur selben Zeit sollte der Oberst St. Leger mit 750 Soldaten und 1000 unter der Führung Thayendanegeas stehenden Indianern von Westen her in das Mohawktal eindringen, den Amerikanern in die Flanke fallen und dadurch deren Untergang besiegeln. Da ein Mißlingen des meisterhaften Plans fast ausgeschlossen schien, so blieben natürlich alle Bemühungen Herchheimers, den Irokesenhäuptling für die Sache der Amerikaner zu gewinnen, vergeblich.

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Namenszug von Nikolas Herchheimer.

Kaum war Herchheimer mit seinen Truppen ins Mohawktal zurückgekehrt, so brachten befreundete Oneida-Indianer die Botschaft, daß St. Leger sowohl wie General Burgoyne ihren Marsch bereits angetreten hätten. Gleichzeitig habe der Gouverneur Hamilton fünfzehn starke Indianerbanden auf die amerikanischen Ansiedlungen losgelassen.

Ohne Zögern forderte General Herchheimer in einem am 17. Juli erlassenen Aufruf sämtliche Jünglinge, Männer und Greise, die imstande seien Waffen zu tragen, auf, sich in dem an Stelle der heutigen Stadt Herkimer gelegenen Fort Dayton zu versammeln. Ihrer 800 strömten herbei, entschlossen, entweder zu siegen oder zu sterben. Denn jedermann wußte, daß es sich hier um einen Kampf bis aufs Messer handle und daß, wenn man unterliege, allen ein grauenhaftes Ende unter den Beilen und Skalpiermessern der Wilden, unter den Bajonetten der englischen Soldaten beschieden sei.

Der erste Angriff der unter dem Obersten St. Leger vereinigten Engländer und Indianer mußte auf das im Quellgebiet des Mohawk gelegene, von einer kleinen Besatzung unter dem Obersten Gansevoort verteidigte Grenzfort Stanwix geschehen. Bereits am 4. August empfingen die Pfälzer die Meldung, daß die Feinde vor der Befestigung angekommen seien und mit ihrer Belagerung begonnen hätten. Es galt nun, nicht nur das Fort zu entsetzen, sondern den Feinden womöglich auch eine Niederlage zuzufügen. Zu diesem Zweck sandte Herchheimer an den Obersten Gansevoort einen Boten, um ihn von dem Anmarsch der Pfälzer zu unterrichten und zu einer gemeinsamen Aktion aufzufordern. Am gleichen Morgen, wo Herchheimer den Belagerern in den Rücken fallen wolle, sollten die Eingeschlossenen einen Ausfall unternehmen und die Gegner von vorne fassen. Drei vom Fort abzugebende rasch aufeinanderfolgende Kanonenschüsse sollten den Pfälzern anzeigen, wenn man zu dem verabredeten Ausfall bereit sei.

Unglücklicherweise gelang es dem Boten erst am Mittag des verabredeten Tages, durch die Linien der Belagerer in das Fort zu schleichen. Inzwischen waren auch die Engländer durch ihre indianischen Kundschafter von dem Anmarsch der Pfälzer unterrichtet worden. Eiligst legten sie in einer engen, von den Pfälzern zu durchschneidenden Waldschlucht mehrere hunderte Indianer und eine Abteilung Scharfschützen in den Hinterhalt, um die Anrückenden abzufangen.

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Ein Originalbrief des Generals Nikolas Herchheimer.

Es war neun Uhr morgens, als die Deutschen in der Nähe der Schlucht eintrafen. Kein Laut verriet die im Dunkel der unabsehbaren Urwälder lauernde Gefahr. Doch kaum befanden die Deutschen sich in der Mitte der Schlucht, als plötzlich von allen Seiten das grauenhafte Kriegsgeheul der Wilden und krachende Salven ertönten. Und gleich darauf tauchten hinter allen Büschen, Bäumen und Felsen scheußlich bemalte Rothäute auf, um gleich blutgierigen Bestien die Überrumpelten zu überfallen.

Aber die im Kampf mit solchen Gegnern Geübten bewahrten die nötige Kaltblütigkeit. Wußten sie doch, daß von ihrem Sieg oder Fall Wohl oder Wehe ihrer daheimgebliebenen Frauen und Kinder abhingen. In fester Entschlossenheit die Zähne zusammenbeißend und mit der Wut der Verzweiflung fechtend, bemühten sie sich, den furchtbaren Anprall der Gegner abzuwehren. Es entspann sich ein entsetzliches Handgemenge, in dem indianische Gewandtheit und Schläue mit deutscher, durch harte Hinterwäldlerarbeit gestählter Kraft um die Oberhand rangen. Wer könnte die mit blitzartiger Schnelle wechselnden Szenen eines solchen Kampfes beschreiben, die ineinanderverschlungenen Knäuel keuchender, blutüberströmter Menschenleiber; die schlangenartig sich windenden, in ihrer bunten Bemalung wahrhaft teuflisch aussehenden Gestalten der Rothäute, die grimmigen Gesichter und kraftvollen Körper der Hinterwäldler, die sich keinen Fuß breit Bodens abstreiten lassen wollten. Jeder hieb, stach oder schoß. Weiße und Rote sanken, von schneller Kugel oder blitzendem Stahl ereilt, übereinander. Hier klaffte ein durch einen Beilhieb zerspalteter Schädel, dort troffen Ströme Blutes aus einer zerschlitzten Kehle oder durchbohrten Brust.

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Bronzetafel am Schlachtendenkmal bei Oriskany.

Gleich beim Beginn des Gefechtes wurde Herchheimers Roß durch eine Kugel getötet. Dasselbe Geschoß zerschlug dem General das linke Bein unterhalb des Knies. Aber der auf den Boden Gestürzte verlor nicht die Geistesgegenwart. Er ließ sich während des fürchterlichen Gemetzels auf eine kleine, die Schlachtstätte überschauende Höhe tragen, von wo er auf einem Sattel sitzend und gegen den Stamm einer mächtigen Buche gelehnt, mit weitschallender Stimme seine Milizen anfeuerte, bis sie den ersten wütenden Ansturm der Feinde zurückgewiesen hatten.

Kaltblütig seine Pfeife in Brand setzend, die in der Nähe einschlagenden Kugeln und das Zischen der Pfeile nicht achtend, bemühte der alte Graubart sich dann, seine Leute zu einer systematischen Bekämpfung der Gegner anzuhalten. Das war um so notwendiger, als die Indianer, sobald einer der Deutschen gefeuert hatte, zu mehreren auf denselben losstürzten und ihn niederschlugen, ehe er Zeit fand, seine Büchse wieder zu laden. Um solchen Überrumpelungen vorzubeugen, ließ Herchheimer je zwei seiner Leute hinter jeden der mächtigen Bäume treten. Während der eine seine Flinte lud, stand der andere schußbereit. Feuerte dieser, so legte sein Genosse sofort an, um die in Erwartung leichten Sieges anstürmenden Feinde niederzuknallen und inzwischen seinem Genossen Gelegenheit zu geben, die Büchse wieder zu laden. Diese Anordnung bewährte sich so vorzüglich, daß nach kurzer Zeit kein Indianer mehr wagte, die bisherige Kampfart anzuwenden.

Während so indianische List und hinterwälderische Erfahrung einander die Wage zu halten suchten, während bald da, bald dort die Büchsen krachten und der Todesschrei der Getroffenen die Wälder durchhalte, verstrichen Stunden. Noch erbitterter gestalteten sich die Kämpfe, als eine vom Oberst St. Leger schleunigst entsandte Abteilung von Königsjägern auf dem Kampfplatz erschien und die englisch-indianische Streitmacht erheblich verstärkte. Die Mehrheit dieser frischen Truppen bestand aus früheren königstreuen Bewohnern des Mohawktals, die durch die scharfen Maßnahmen des von Herchheimer befehligten Sicherheitsausschusses nach Canada getrieben worden waren, wo sie sich den englischen Regimentern anschlossen. Der bittere politische Zwiespalt, der die einstigen Freunde und Nachbarn entfremdet hatte, lohte nun zu rasendem Brand empor. Die Tories lechzten danach, für den Verlust ihrer Güter an den Pfälzern blutige Rache zu nehmen. Diese hingegen waren entschlossen, den verhaßten Königsknechten das Wiederkommen für allezeit zu verleiden.

Es schien, als wollten auch die Elemente an dem tobenden Aufruhr, an dem gegenseitigen Morden und Vernichten Anteil nehmen. Die unter den Wäldern herrschende Dämmerung verwandelte sich plötzlich in tiefe Dunkelheit. Ein schweres Gewitter war heraufgezogen und entlud sich über den im Sturme rauschenden Wipfeln der Urwaldriesen in blendenden Blitzen und betäubenden Donnerschlägen. Die gleich einer Sintflut herabströmenden Regenmassen, die niederbrechenden Äste zwangen die Kämpfenden zum einstweiligen Einstellen des Gemetzels. Aber kaum war das Unwetter vorübergebraust, so hob das Schlachtgetöse aufs neue an und forderte seine Opfer.

Mittag war bereits vorüber. Da endlich dröhnte vom Fort Stanwix her der dumpfe Schall drei schnell einander folgender Kanonenschüsse herüber, das von den Pfälzern längst ersehnte Zeichen, daß die Besatzung des Forts den verabredeten Ausfall unternommen habe. Frischer Kampfesmut durchzuckte die Deutschen und als nun rasselnder Trommelwirbel und schmetternder Hörnerschall den Befehl zum Vorrücken gaben, da gestaltete sich ihr Angriff zu einem so unwiderstehlichen, daß die bereits mächtig dezimierten Rothäute Fersengeld gaben und dadurch auch die englischen Truppen zu eiligem Rückzug zwangen. Als sie im Lager wieder eintrafen, erblickten sie dieses in wildester Unordnung. Der Besatzung des Fortes Stanwix war es nämlich gelungen, bei ihrem Ausfall zahlreiche Zelte zu verbrennen, einen großen Teil des Gepäckes und fünf Fahnen zu erbeuten.

Leider waren die Pfälzer durch den stundenlangen Kampf zu sehr erschöpft und an Zahl aufgerieben worden, als daß sie es hätten wagen dürfen, die Verfolgung der Feinde aufzunehmen. Über 240 Deutsche waren gefallen. Die noch Lebenden hatten fast alle Wunden davongetragen. Da obendrein der Abend nahte, so galt es, zunächst für die rascher Hilfe Bedürftigen zu sorgen und sie unter Dach zu bringen. Als die wenigen Unverwundeten am 8. August mit ihrer schweren Last in den heimischen Dörfern eintrafen, erhob sich überall jammervolles Klagen. Denn es gab im weiten Mohawktal kaum eine Hütte, in der man nicht Tote betrauerte oder Verwundete langer Pflege bedurften. Wie furchtbar manche Familien gelitten, ergibt sich aus der Tatsache, daß die Wohlhöfers und Müllers je vier, die Walrats drei, die Fuchs fünf, die Schelk sogar neun ihrer männlichen Mitglieder verloren.

Auch der wackere General Herchheimer starb an den Folgen seiner Verwundung. Man hatte ihn auf einer Tragbahre in sein unterhalb der heutigen Stadt Little Falls gelegenes Haus gebracht. Dort verfuhr aber der ihn behandelnde Wundarzt bei der notwendig gewordenen Amputation des zerschossenen Beines so ungeschickt, daß der tapfere Soldat am 17. August 1777 verblutete.

Trotz alledem heischte die Lage von den Pfälzern weitere schwere Opfer. Denn die Belagerung des Forts Stanwix war noch nicht aufgehoben, der Feind noch nicht nach Canada zurückgeworfen worden.

So scharten sich die übriggebliebenen Männer aufs neue zusammen und zogen, durch eine stattliche Zahl inzwischen eingetroffener regulärer Truppen unter dem Befehl des Generals Benedikt Arnold verstärkt, zum zweitenmal aus, um Fort Stanwix zu entsetzen. Es kam aber nicht zu neuen Kämpfen. Denn als die Belagerer durch ihre Kundschafter vom Anmarsch der Pfälzer unterrichtet wurden, räumten sie schleunigst das Feld und zogen sich mit Hinterlassung sämtlicher Zelte und Kanonen zurück.

Dieser Rückzug hatte das gänzliche Scheitern des vortrefflich ersonnenen englischen Feldzugsplans zur Folge. Denn die beabsichtigte Vereinigung des Obersten St. Leger mit General Burgoyne unterblieb. Ja, es gelang den Amerikanern, auch dem Heer des letzteren den Weg zu verlegen und es nach blutigen Kämpfen bei Saratoga so einzuschließen, daß es 5000 Mann stark am 17. Oktober die Waffen strecken mußte.

Seit ihrem Eindringen in die Kolonie New York hatten die Briten mit Einschluß der bei Oriskany und Fort Stanwix kampfunfähig Gewordenen oder in Gefangenschaft geratenen Truppen einen Gesamtverlust von nahezu 10 000 Mann erlitten. Außerdem fielen den Amerikanern 42 Geschütze, mehrere tausend Gewehre und bedeutende Vorräte an Munition in die Hände.

Da obendrein die Anschläge der Engländer gegen die im Hochland des Hudson gelegenen Stellungen der Amerikaner mißlangen, so war eine der drohendsten Gefahren des jahrelangen Feldzugs zerronnen.

Daß die wackeren Pfälzer unter Herchheimer zu dieser glücklichen Wendung ihr redlich Teil beitrugen, erkannte der hochaufatmende Oberbefehlshaber George Washington mit den Worten an, daß Herchheimer und seine Leute die verhängnisvollen Aussichten des Jahres 1777 zuerst ins Gegenteil verwandelt hätten.

In Würdigung dieser Tatsache bewilligte der Kongreß bereits im Oktober des Jahres 1777 500 Dollar für ein zu Herchheimers Ehren bestimmtes Denkmal. Wenngleich die furchtbaren Kriegsstürme der folgenden Jahre die Ausführung dieses Vorsatzes in den Hintergrund drängten, so erinnerten spätere Geschlechter sich aber dieser Dankesschuld und errichteten zunächst auf dem Schlachtfeld bei Oriskany einen mächtigen Obelisken, dessen Bronzetafeln Szenen aus den dort stattgefundenen Kämpfen sowie die Namen der in der Schlacht gefallenen Bewohner des Mohawktals verewigen. Herchheimer ist dargestellt, wie er, verwundet auf seinem Sattel sitzend, die brennende Pfeife in der Hand, Befehle erteilt.

Auch das unweit seines Hauses auf einem niedrigen Hügel gelegene Grab Herchheimers wurde im Jahre 1896 mit einem hochragenden Obelisken aus weißem Marmor geschmückt. Und der Staat New York, der dieses weithin sichtbare Denkmal setzen ließ, ehrte den Namen des darunter Ruhenden ferner dadurch, daß er sowohl den Ort, wo Herchheimer geboren wurde, wie auch die Grafschaft, in der er lebte und sein Leben beschloß, mit Herchheimers Namen taufte.

Herchheimers Grabstätte im Mohawktal.

Generalmajor Peter Mühlenberg.

Generalmajor Peter Mühlenberg.

Gedenkt das amerikanische Volk der Helden des Unabhängigkeitskrieges, so darf es den Namen des Pastors Peter Mühlenberg nicht vergessen, des gleichen Mannes, der im Jahre 1775 mit einer Anzahl gleichgesinnter Bewohner der virginischen Ortschaft Woodstock jene aufsehenerregenden Beschlüsse verfaßte, über die bereits ein früherer Abschnitt berichtete und welche als der erste öffentliche Widerspruch gegen die widerrechtliche Bedrückung der Kolonien seitens der englischen Regierung angesehen werden können.

Aber der Anteil, den Mühlenberg an diesem papiernen Protest hatte, genügte dem freiheitsliebenden Manne nicht. Er beschloß sein Amt niederzulegen und als Soldat in das Heer der Freiheitsstreiter einzutreten. Als er im Januar 1776 dieses Vorhaben seiner Gemeinde verkündigte und die Mitglieder für den folgenden Sonntag zu seiner letzten Predigt einlud, fanden sich in der Kirche zu Woodstock Hunderte aus weitem Umkreis gekommene Menschen zusammen, um von dem geliebten Gottesstreiter, der ihnen in Sturm und Not so oft beratend und helfend zur Seite gestanden, Abschied zu nehmen. Das kleine Kirchlein war bis zur äußersten Fassungskraft gefüllt. Desgleichen drängten sich auf dem es umgebenden Friedhof viele, die ihren Seelsorger noch einmal von Angesicht zu Angesicht sehen und von ihm Abschied nehmen wollten. Mühlenberg sprach in seiner Predigt über die Pflichten guter Bürger gegenüber dem Vaterlande und schloß mit den Worten: »Alles hat seine Zeit, das Predigen und Beten, aber auch das Kämpfen. Die Zeit des Kampfes ist jetzt gekommen!« Und damit entledigte er sich auf der Kanzel seines Priesterornates und stand da in voller Soldatenuniform. Die durch diesen unerwarteten Vorgang überraschten Gemeindemitglieder brachen in tosenden Jubel aus. Und als nun draußen die Werbetrommel gerührt wurden, da strömten Männer und Jünglinge scharenweise herbei, um sich zum Kampf für die Freiheit zu verpflichten. Von Begeisterung fortgerissen, bestimmten Frauen ihre Gatten, betagte Eltern ihre Söhne, sich dem Dienst für das Vaterland zu weihen. Und ehe der Abend kam, hatten über 300 Mann sich bereit erklärt, den Fahnen der jungen Union zu folgen.

Mühlenberg hatte in seinen jungen Jahren einem englischen Regiment angehört. Da er infolgedessen mit militärischen Dingen vertraut war, so übertrug man ihm den Befehl über ein aus Deutschen bestehendes Regiment. Mit diesem focht er ein Jahr lang in den südlichen Kolonien Georgia, den beiden Karolinas und Virginien so erfolgreich, daß er im Jahre 1777 zum Brigadegeneral befördert wurde.

Seine vier Regimenter zählende Brigade wurde der Hauptarmee Washingtons zugeteilt und deckte nach deren Niederlage am Brandywine den Rückzug Wie sie hier ihren guten Ruf bewährte, so focht sie auch in den Schlachten bei Germantown und Monmouth mit Auszeichnung.

Nach mancherlei Streifzügen im Süden bot sich Mühlenberg zuletzt noch Gelegenheit, der in Yorktown zusammengezogenen englischen Hauptarmee den Rückzug nach dem Süden zu verlegen und an ihrer Einschließung in Yorktown teilzunehmen. Mühlenbergs Brigade glückte es während der Belagerung durch einen kühnen Bajonettangriff eine der wichtigsten Redouten der Festung zu nehmen und dadurch die Kapitulation zu beschleunigen. Die glänzende Waffentat trug Mühlenberg den Rang eines Generalmajors ein.

Nach erfolgtem Friedensschluß bemühte die Gemeinde zu Woodstock sich, ihren ehemaligen Pfarrer wieder zu gewinnen. Aber Mühlenberg hielt es für unziemlich, dem im blutigen Kriegshandwerk rauh gewordenen Soldaten nochmals den Pfarrer aufzupfropfen. Er wandte sich dem öffentlichen Leben zu und war zunächst als zweiter Vorsitzender im Staatsrat von Pennsylvanien, später als Abgeordneter im ersten, zweiten und sechsten Bundeskongreß, und endlich als Vertreter des Staates Pennsylvanien im Bundessenat mit ausgesprochenem Erfolg tätig.

Während der Jahre 1788, 1802 bis 1807 stand Mühlenberg an der Spitze der zu Philadelphia im Jahre 1764 gestifteten »Deutschen Gesellschaft von Pennsylvanien«, die sein Andenken noch heute als das eines um das Deutschtum hochverdienten Mannes in Ehren hält.

Der pennsylvanische Geschichtsschreiber Seidensticker zeichnete Mühlenbergs Charakterbild mit folgenden warmen Worten:

»Er war von der Natur gewissermaßen zum Soldaten geschaffen und glitt in diese Bestimmung, sobald die Gelegenheit sich bot. Sein Mut und seine Entschlossenheit paarten sich mit der ruhigen Überlegung, welche die Lage richtig zu erfassen weiß; und so fand Washington, mit dessen Charakter der seinige viele Ähnlichkeit hatte, in ihm nicht allein einen vortrefflichen Offizier, sondern auch einen zuverlässigen Ratgeber. In seinem Auftreten war er offen, liebenswürdig und anspruchslos. Soll aber ein Zug genannt werden, der sein Leben, seine politischen Grundsätze und sein innerstes Wesen kennzeichnet, so war es die Liebe zur Freiheit.«

Namenszug Peter Mühlenbergs.

Vom Herde weg in ferne Lande. Nach einer Zeichnung von F. Darley in Lossings History of the United States.

Der Soldatenhandel deutscher Fürsten und die deutschen Söldlinge im englischen Heer.

Als die englischen Kolonien der vom Mutterland über sie verhängten Bedrückungen müde wurden und sich entschlossen zeigten, das englische Joch abzuschütteln, fehlte es den Engländern an Truppen, um den Aufstand niederzuwerfen. Ihre über die Kolonien verteilten Streitkräfte beliefen sich auf nur 15 000 Mann. Diese Zahl mußte um mindestens 40 000 vermehrt werden, sollten die zum Unterdrücken des Aufstandes gemachten Anstrengungen irgendwelche Aussicht auf Erfolg haben. Woher diese Truppen nehmen? Die Engländer liebten es damals so wenig wie heute, die eigne Haut zu Markt zu tragen. Man beschloß darum in einer Kabinettssitzung, fremde Hilfstruppen anzuwerben und nach Amerika zu senden. Mit Geld, das wußten die Engländer, war alles zu haben. Folglich auch Soldaten. Zuerst wandte König Georg III. sich an die Kaiserin Katharina von Rußland mit der Bitte, ihm gegen gute Bezahlung 20 000 Mann für den Dienst in Amerika abzulassen. Aber er erhielt von der Herrscherin die verdiente Antwort, sie halte es mit ihrer kaiserlichen Würde unvereinbar, einen solchen Handel abzuschließen. In Holland hatten die Engländer ebensowenig Erfolg, worauf der König beschloß, in Deutschland, bei den allezeit geldbedürftigen kleinen Fürsten, von denen mehrere mit ihm durch das Haus Hannover verwandt waren, sein Glück zu versuchen.

Deutschland war von jeher die Vorratskammer, aus der fremde Herrscher mit Vorliebe das Menschenmaterial für ihre Heere bezogen. Schon während des Siebenjährigen Krieges fochten deutsche Söldlinge unter Englands Fahnen. In Stade hielt sich noch der englische Oberst William Faucitt auf, der jene Söldlinge in den englischen Dienst eingemustert hatte. Da er die geeignete Person schien, um Verhandlungen mit den deutschen Fürsten anzubahnen, so erhielt er am 24. November 1775 dazu förmlichen Auftrag. Nach den damals in Deutschland obwaltenden Staatsbegriffen betrachteten die Regenten ihre Soldaten als unbeschränktes Eigentum, mit dem sie nach Gutdünken schalten und walten dürften. Besonders die Landgrafen von Hessen machten seit längerer Zeit ein förmliches Gewerbe daraus, ihre Untertanen als Soldaten für alle möglichen und unmöglichen Zwecke zu vermieten. Faucitt richtete deshalb sein Hauptaugenmerk zunächst auf Hessen. Der Weg dahin führte von Stade über Braunschweig, dessen Herrscher Herzog Karl I. durch seine verschwenderische Hofhaltung dem kaum 150 000 Bewohner zählenden Ländchen eine Schuldenlast von 12 Millionen Taler aufgebürdet hatte. Alljährlich mußte es an Steuern 1½ Millionen Taler aufbringen, die meist zum Unterhalt des Hofes, der italienischen Oper, des französischen Balletts und für andere Zwecke vergeudet wurden. Der Theaterdirektor strich jährlich 30 000 Taler ein, weniger seiner Leistungen als seiner Kupplerdienste halber. Denn daß Karl I. geistige Leistungen nicht zu würdigen verstand, geht aus der Tatsache hervor, daß der unsterbliche Lessing, der die Stelle eines herzoglichen Bibliothekars bekleidete, sich mit einem Jahresgehalt von 300 Talern begnügen mußte. Neben dem verschwenderischen Herzog fungierte der Erbprinz Ferdinand als Mitregent. Ohne seine Einwilligung konnte nichts geschehen, weshalb Faucitt, der unter dem Erbprinzen schon während des Siebenjährigen Krieges gedient hatte, zuerst bei ihm anklopfte. Obwohl der Erbprinz mit einer Schwester des englischen Königs vermählt war, war er doch Kaufmann genug, um die Gelegenheit auszunutzen. Unter dem Vorwand, daß die Soldaten das einzige Vergnügen seines Vaters seien, und daß dieser sich nur schwer von ihnen zu trennen vermöge, ließ er den Obersten eine Weile zappeln. Erst als er gewiß war, sehr vorteilhafte Bedingungen herausschlagen zu können, versprach er, sich bei dem Herzog zu verwenden. Dieser, längst vorbereitet, ging nach scheinbarem Zögern auf den Handel ein und beauftragte seinen Minister Féranco mit dem Abschluß des Vertrags. Dies geschah am 9. Januar 1776. Demzufolge übernahm der Herzog die Verpflichtung, den Engländern 3964 Fußsoldaten und 336 Reiter ohne die Pferde zu liefern, wogegen England dem Herzog für jeden Soldaten ein Handgeld von 30 Kronen oder 51½ Talern zahlte. Außerdem wurde vereinbart, daß für jeden Soldaten, der im Kriege falle, nochmals derselbe Betrag entrichtet werden müsse, und daß drei Verwundete gleich einem Toten angerechnet werden sollten. Als Miete für die Truppen mußte England dem Herzog jährlich die Summe von 11 517 Pfund Sterling bezahlen, außerdem das Doppelte desselben Betrags für die Dauer von zwei Jahren nach der Rückkehr der Soldaten in ihre Heimat. Die englische Löhnung der Truppen begann zwei Monate vor ihrem Abmarsch.

Nachdem dieser Schacher in Menschenfleisch abgeschlossen war, begab Faucitt sich nach Kassel. Dort regierte Friedrich II., ein sehr reicher Fürst, der den Grund zu dem bei seinem Tod auf 60 Millionen Taler geschätzten Vermögen hauptsächlich durch den bereits von seinen Vorfahren schwungvoll betriebenen Soldatenhandel legte. Obwohl sein Ländchen kaum 300 000 Bewohner zählte, unterhielt er doch ein stehendes Heer von 16 bis 20 000 Mann, führte in Kassel und Wilhelmshöhe zahlreiche Prachtbauten auf und suchte es in bezug auf glänzende Hofhaltung allen andern Fürsten Deutschlands zuvorzutun. Nachäfferei des Franzosentums und Maitressenwirtschaft waren für seine Regierung bezeichnend. Es kostete Faucitt keine Schwierigkeiten, für seine Vorschläge das Ohr des Landgrafen zu gewinnen. Nur mußte er sich, da derselbe nicht wie der Braunschweiger von Geldnot bedrückt war, zu erheblich höheren Verpflichtungen verstehen. Zunächst stellte der Landgraf die Grundbedingung, daß eine ältere Forderung für Soldatenlieferungen, die während des Siebenjährigen Krieges gemacht worden, im Betrag von 41 820 Pfund Sterling sofort beglichen werde. Dann verlangte er, daß außer dem Handgeld für die zu liefernden 12 000 Soldaten die Löhnungen nicht an die Soldaten, sondern an ihn zu entrichten seien, da ein großer Teil dieser Gelder dann von ihm eingestrichen werden konnte. Ferner mußte sich England verpflichten, für das Darleihen der Truppen eine Summe von 108 281 Pfund Sterling jährlich zu zahlen, und diesen Betrag auch für das nach der Rückkehr der Hessen in ihr Vaterland folgende Jahr zu leisten. Bezüglich der Toten und Verwundeten traf der Landgraf keine Abmachungen, was den Vorteil hatte, daß er jahrelang die Löhnung von Soldaten fordern konnte, die längst gestorben oder davongelaufen waren. Endlich behielt sich der Fürst die Bekleidung und Ausrüstung seiner Leute vor, wobei, da er den Betrag in Rechnung stellen durfte, abermals ein schöner Gewinn in seine Taschen floß.

Von Kassel begab sich der englische Bevollmächtigte nach Hanau, wo Wilhelm von Hessen-Hanau, ein seinen Nachbarn geistesverwandter Fürst residierte. Mit diesem schloß Faucitt einen Vertrag auf eine Lieferung von 668 Mann ab. Darauf besuchte Faucitt den Hof des Fürsten von Waldeck, der, tief in Schulden steckend, die Prediger seines Landes veranlaßte, von der Kanzel aus alle waffenfähigen Männer aufzufordern, sich an dem »heiligen Krieg der Engländer« zu beteiligen. Er selbst ging seinem Lande mit Opfermut voran, indem er seine beiden Schloßkompagnien dem Engländer verschacherte.

Nach dem Waldecker kamen die Markgrafen Karl Alexander von Anspach-Bayreuth und Friedrich August von Anhalt-Zerbst an die Reihe. Der erste lieferte 1225, der letzte 1152 Mann. Im ganzen stellten die vorhin genannten Fürsten den Engländern ein Heer von 29 867 Mann, für welche England insgesamt die Summe von 1 770 000 Pfund Sterling = 35 400 000 Mark an die deutschen Fürsten bezahlte. Von diesen Truppen lieferte Hessen 16 992, Braunschweig 5723, Hanau 2422, Anspach-Bayreuth 2353, Waldeck 1225 und Anhalt-Zerbst 1152.

Ein Anhalt-Zerbstsches Werbeplakat aus dem 18. Jahrhundert.

Wo man nicht die eignen Soldaten zur Verfügung stellen konnte, suchten die Landesherren die nötigen Leute durch Werber herbeizuziehen. Desgleichen ließen sie alle wandernden Handwerksburschen, Studenten und Handlungsdiener aufgreifen, steckten sie in die Soldatenjacke und beförderten sie mit den übrigen auf die Schiffe. Diesem Schicksal verfiel auch der später berühmt gewordene Dichter Johann Gottfried Seume, dem es erst nach langen Irrfahrten glückte, wieder die deutsche Heimat zu erreichen.

Zur Ehre des deutschen Namens, der durch deutsche Fürsten in so schmählicher Weise besudelt wurde, kann festgestellt werden, daß jener Soldatenhandel in Deutschland nicht ohne Widerspruch blieb. Vor allen war es Friedrich der Große, der sich in harten Worten darüber ausließ, indem er schrieb: »Wäre der hessische Landgraf aus meiner Schule hervorgegangen, so würde er seine Untertanen nicht wie Vieh, das an die Schlachtbank geführt wird, an die Engländer verkauft haben. Das ist ein unwürdiger Zug in dem Charakter eines Fürsten. Solches Betragen ist durch nichts als schmutzige Selbstsucht hervorgerufen.«

Um seine Mißbilligung auch öffentlich auszudrücken, verbot er im Oktober 1777 den für die Engländer bestimmten Truppen den Durchzug durch preußisches Gebiet. Friedrich der Große gab seiner aufrichtigen Sympathie für die Sache der amerikanischen Kolonien auch noch in anderer Weise Ausdruck. Er war der erste, welcher deren Selbständigkeit anerkannte. Und um gar keinen Zweifel über seine Stellung aufkommen zu lassen, schickte er dem Oberbefehlshaber der amerikanischen Armee, George Washington, als besonderes Zeichen seiner Bewunderung einen Degen. Dadurch verzögerte sich der Transport der Söldlinge so sehr, daß alle Berechnungen der dringend Nachschub benötigenden englischen Generäle in Nordamerika zuschanden wurden. Sie wagten infolgedessen nicht, das im Winterlager bei Valley Forge liegende, nur 5000 Mann starke amerikanische Heer anzugreifen und ließen so den günstigsten Augenblick zum Unterdrücken des Aufstandes verstreichen.

Der Abscheu gegen die mit dem Blut und Leben ihrer eignen Untertanen handeltreibenden dunklen Ehrenmänner auf Deutschlands Thronen machte sich auch in allen anderen Teilen des Reiches geltend. Kant, Herder, Klopstock, Arndt und Lessing eiferten gegen den Menschenschacher. Desgleichen sprach sich Friedrich Schiller bitter gegen denselben in seinem Drama »Kabale und Liebe« (zweiter Akt, zweiter Aufzug) aus. Er läßt Lady Milford, die Maitresse des in dem Drama auftretenden Fürsten, dessen Diamanten voll Verachtung und Entsetzen zurückweisen, als sie erfährt, daß die Juwelen mit dem für die verkauften Soldaten gewonnenen Geld beschafft sind. Auch in anderen Teilen Europas wurde der Soldatenhandel lebhaft besprochen. Mirabeau schrieb einen aufreizenden »Aufruf an die Hessen und andere von ihren Fürsten an England verkaufte deutsche Stämme«, durch den der Landgraf von Hessen sich so unangenehm getroffen fühlte, daß er alle Exemplare der Schrift, deren er habhaft werden konnte, aufkaufen und verbrennen ließ. Zugleich ordnete er die Herausgabe eines Schriftchens »Vernünftigerer Rat an die Hessen« an, in dem er Mirabeaus Aufruf beantwortete und seine Handlungsweise mit einer Berufung auf seine feudalen Rechte zu verteidigen suchte.

Selbst in England wurde der zwischen der Regierung und den deutschen Fürsten betriebene Soldatenhandel scharfer Kritik unterworfen. Besonders diejenigen, welche die Klagen der Kolonisten über die ungerechte Bedrückung seitens des Mutterlandes für begründet hielten, verurteilten das Verfahren, die Kolonisten durch fremde Truppen zum Gehorsam zurückzuführen, aufs strengste. »Wäre ich,« so rief der Abgeordnete Chatam im Parlament, »ein Amerikaner, wie ich ein Engländer bin, und müßte zusehen, wie ein fremdes Heer in meinem eignen Lande erschiene, so würde ich meine Waffen niemals niederlegen – niemals – niemals!«

Diese Worte entsprachen in der Tat der tiefen Empörung, welche alle in Amerika lebenden Ansiedler erfaßte, als sie die Kunde erhielten, daß England zu ihrer Unterwerfung deutsche Söldlinge aufgeboten habe. Die beklagenswerten Opfer fürstlicher Niedertracht und Habgier hielt man für die Hindernisse, die sie durch ihre unfreiwilligen Dienste der Sache der Freiheit in den Weg legten, keineswegs verantwortlich. Man empfand für sie mehr Mitleid als Haß und bemühte sich, sie von der Unwürdigkeit ihrer Stellung zu überzeugen und auf die amerikanische Seite herüberzuziehen.

Als in der Schlacht bei Trenton 1000 Hessen gefangen wurden, ließ Washington dieselben in Philadelphia einquartieren. Zugleich ersuchte er den dort bestehenden Sicherheitsausschuß, an die Bürger folgendes Rundschreiben zu richten: »Der General hat uns empfohlen, geeignetes Quartier für diese Gefangenen zu finden. Es ist sein ernster Wunsch, daß sie gut behandelt werden und während ihrer Gefangenschaft Erfahrungen machen, welche ihren noch im Dienst des Königs von Großbritannien stehenden Landsleuten die Augen öffnen. Diese armen Geschöpfe erregen unser gerechtes Mitleid. Sie hegen keine Feindschaft gegen uns. Nach den willkürlichen Gebräuchen despotischer deutscher Fürsten wurden sie ihrem Vaterland entrissen und an einen fremden Monarchen verkauft, ohne daß ihre Neigungen berücksichtigt oder sie selbst in Kenntnis gesetzt worden wären.«

Auch die in den Kolonien lebenden Deutschen, denen die schmachvolle Stellung ihrer Landsleute besonders zu Herzen ging, ließen es an Bemühungen nicht fehlen, die Söldlinge über die Bedeutung des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges aufzuklären. Sie schmuggelten allerhand in deutscher Sprache gedruckte und auf Tabakspakete geklebte Zettel bei den deutschen Söldnern ein. »Ihr braucht euch,« so heißt es auf einem dieser Zettel, »keine Sorge zu machen, daß das Verlassen des hessischen Sklavendienstes Sünde sei. Nein, es ist vielmehr eine Tugend, die eine der edelsten ist. Denn der, welcher sich gegen sein Gewissen und seine Vernunft zu diesem henkermäßigen Mordhandwerk gebrauchen läßt, verdient wahrlich nicht, ein Mensch zu sein.«

Ein im amerikanischen Heer fechtender deutscher Füsilier erließ sogar an seine bei den Engländern dienenden Landsleute folgendes Gedicht:

»Ihr kämpfet nur für niedern Lohn,
Für Freiheit kämpft ihr nicht,
In unserm Heer ist Washington,
Der nur für Freiheit ficht.
Kommt zu uns frei von Groll und Trug,
Und eßt das Freundschaftsmahl,
Wir haben hier der Hütten g'nug
Und Länder ohne Zahl.« –

Von dem patriotischen deutschen Bäcker Christoph Ludwig wird erzählt, daß er sich als vorgeblicher Überläufer in das auf Staten Island gelegene Lager der Hessen begeben und durch seine Schilderung des deutschpennsylvanischen Lebens so großen Eindruck bei den Söldlingen gemacht habe, daß ihrer mehrere Hundert bei erster Gelegenheit desertierten. Ludwig war es auch, der dem Kongreß vorschlug, die deutschen Kriegsgefangenen bei ihren in Philadelphia und in anderen deutschen Ansiedlungen lebenden Landsleuten unterzubringen. »Zeigt ihnen,« so schrieb er, »unsre schönen deutschen Kirchen, laßt sie unsern Rindsbraten kosten und unsern Hausrat sehen. Dann schickt sie wieder fort zu den Ihrigen und ihr sollt sehen, wie viele uns zulaufen werden!«

Dieser Vorschlag leuchtete dem Kongreß ein, und als derselbe obendrein in einer vom 29. April 1778 datierten Proklamation jedem zu den Amerikanern übergehenden Soldaten 50 Acker Land, jedem Hauptmann, der 40 Mann mit sich bringe, 800 Acker, 4 Ochsen, 1 Bullen, 2 Kühe und 4 Schweine verhieß, ohne daß solche Leute genötigt sein sollten, gegen die Engländer die Waffen zu erheben, da nahm, wie die »Philadelphische Zeitung« alsbald berichten konnte, »das Ausreißen unter den britischen Truppen außerordentlich überhand. Die meisten, die zu uns kommen, sind Deutsche, welche bezeugen, daß die ganze deutsche Hilfsarmee herüberkommen würde, wenn sie nur Gelegenheit dazu hätte«.

Es stand solchen Überläufern vollkommen frei, entweder sofort mit dem Bestellen der ihnen überwiesenen Güter zu beginnen, oder, falls sie sich zum Waffendienst in der amerikanischen Armee entschlossen, irgendeinem Truppenteil beizutreten. Offiziere, die sich einreihen ließen, wurden stets um einen Rang befördert.

Aus sprachlichen Gründen lag der Gedanke nahe, aus solchen Überläufern besondere, von deutschsprechenden Offizieren befehligte Abteilungen zu bilden. Ein solches Korps war die vom preußischen Hauptmann Nikolaus Dietrich von Ottendorf befehligte leichte Infanterie. Sie wurde später durch die Freischärler des im Kampf gefallenen Polen Pulaski sowie des in Gefangenschaft geratenen preußischen Hauptmanns Paul Schott verstärkt, aber in eine Reiterabteilung verwandelt. Später dem Befehl des französischen Marquis Armand de la Rouerie unterstellt, nahm die Abteilung an den Kämpfen im Süden, unter andern auch an der unglücklichen Schlacht bei Camden teil.

Den im britischen Heer dienenden deutschen Söldlingen darf man die Anerkennung nicht versagen, daß sie sich tapfer schlugen. Ihre Generäle Riedesel, Knyphausen, Heister, Frazer und Philipps, sowie die Obersten Donop, Specht, Rhal u. a. erwarben sich durch kühne Waffentaten sogar die Anerkennung der amerikanischen Geschichtsschreiber. Frazer, Philipps und Donop büßten an der Spitze ihrer Truppen das Leben ein.

Von den 29 867 deutschen Hilfstruppen sahen nur 17 313 ihr Vaterland wieder. Von den 12 554 nicht zurückkehrenden Soldaten fielen 1200 in Schlachten; 6354 starben an Wunden und an Krankheiten; 5000 desertierten oder wurden gefangen genommen. Diese letzteren wurden hauptsächlich in solchen pennsylvanischen und virginischen Ortschaften untergebracht, wo sie mit dort wohnenden Landsleuten in stete Berührung kamen: in Lancaster, Reading, Lebanon, Winchester und Charlottesville. Dort stellten sich in ihren Lagern gar bald die wohlhabenden deutschen Bauern ein, um mit folgenden Worten auf sie einzuwirken: »Eure Fürsten haben euch an die Engländer verkauft und machen sich lustig mit dem empfangenen Sündengeld. Bleibt hier! Wir nehmen euch als Ackerknechte. Und wenn ihr ein paar Jahre fleißig seid, habt ihr Land, Vieh und Häuser wie wir. Und dann schaut euch unsere Mädels an! Sind es nicht wackere deutsche Dirnen? Heiratet sie und gründet mit ihnen den eignen Herd!«

Solche Überzeugungsgründe leuchteten den Gefangenen ein. Ganze Scharen entsagten dem rauhen Kriegshandwerk, um, der werktätigen Beihilfe ihrer Landsleute gewiß, sich als wohlbestallte Farmer unter denselben niederzulassen. Mit ihren Nachkommen nahmen viele später auch an der Besiedlung von Ohio, Kentucky und Tennessee teil, und halfen dort Ortschaften und Städte gründen.

Von den in die Heimat zurückgekehrten deutschen Offizieren, Feldärzten und Feldpredigern schilderten manche ihre Erlebnisse und Beobachtungen in Büchern, von denen einige, wie z. B. jenes des beim Ansbach Bayreuthischen Regiment angestellten Feldschers Dr. Johann David Schöpf weite Verbreitung fanden. Durch ihre Mitteilungen über Amerika, seine Bewohner, die deutschen Niederlassungen und die gewaltigen Hilfsquellen des Landes trugen sie erheblich dazu bei, die während des Krieges ins Stocken geratene deutsche Auswandrung nach Amerika aufs neue anzuregen.

Und so erblühte den Vereinigten Staaten aus den zu ihrer Vernichtung über das Weltmeer geschleppten deutschen Söldlingen nach den verschiedensten Seiten hin reicher Gewinn.

Die deutschen Ansiedler im Kampf gegen die indianischen Verbündeten der Briten.

Thayendanegea.

Beging die englische Regierung eine verächtliche Handlungsweise, indem sie die nur auf ihren Rechten bestehenden Kolonien mit fremden Hilfstruppen bekriegte, so machte sie sich obendrein eines geradezu empörenden Frevels schuldig, als sie die ihrem Einfluß zugängigen Indianerstämme zu Verbündeten machte und gegen die eignen Untertanen in den Kampf hetzte. Diesen Rothäuten fiel die doppelte Aufgabe zu, die westlichen Ansiedlungen zu zerstören und gleichzeitig den Amerikanern, während sie die von den Küsten aus erfolgenden britischen Angriffe abwehrten, in den Rücken zu fallen und dadurch zum Zersplittern ihrer Streitkräfte zu nötigen. Man stachelte die angeborene Mordgier der Wilden an, indem man für jede amerikanische Kopfhaut, gleichgültig, ob von einem Mann, Weib oder Kind stammend, eine Belohnung von 8 Dollar aussetzte. Es bedurfte nicht mehr, um die Indianer zu den kühnsten Anfällen auf die Kolonisten zu verführen. In kleineren und größeren Scharen durchstreiften sie alle Grenzgebiete, überfielen sämtliche Niederlassungen und richteten grauenhafte Blutbäder an.

Zum Ausführen ihres teuflischen Werks versicherten die Engländer sich in erster Linie der Beihilfe des bereits erwähnten Thayendanega oder Joseph Brant. Derselbe beunruhigte mit seinen Banden jahrelang die in den westlichen Teilen von New York und Pennsylvanien gelegenen Niederlassungen und fügte ihnen außerordentlich schweren Schaden zu. Niedergebrannte Hütten, Scheunen, Ställe und Felder, die Leichen skalpierter Ansiedler, geschändeter Frauen und ermordeter Kinder bezeichneten ihren Weg. Beim Verüben solcher Verbrechen leisteten englische Soldaten und Offiziere, ehemalige königstreu gebliebene Bewohner der durchzogenen Landstriche hilfreiche Hand.

Das Wyomingtal.

Im August des Jahres 1777 begleitete der Häuptling mit 1000 indianischen Kriegern den englischen Oberst St. Leger auf dessen Zug ins obere Mohawktal. Die geplante Verwüstung desselben scheiterte bekanntlich infolge des Kampfes bei Oriskany.

Um die gleiche Zeit, wo Thayendanegea gegen die von Herchheimer befehligten Pfälzer focht, brachen andere indianische Banden in Gemeinschaft mit dem schottischen Kapitän Mc Donald und mehreren hundert Tories in das Tal des Schoharie, wurden aber ebenfalls zurückgeworfen.

Am 1. Juni des folgenden Jahres überfielen 700 Indianer und 400 unter dem Befehl des Majors John Butler stehende Engländer die Ansiedlung Cobelsville, wobei die dortige Bürgerwehr in einen Hinterhalt geriet und niedergemacht wurde. Von Cobelsville wandten die Rotten sich dem oberen Susquehannah zu. Derselbe eilt durch das wunderschöne Wyomingtal. Hier lagen mehrere Ortschaften, deren Bewohner glücklich und in Frieden lebten.

Der größte Teil der männlichen Bevölkerung befand sich in Washingtons Armee, so daß die Ansiedlungen fast wehrlos lagen.

Als die Zurückgebliebenen die erste Kunde von dem Nahen der feindlichen Horden erhielten, flohen die Frauen und Kinder in die im Tal angelegten Befestigungen. 300 Männer hingegen, unter ihnen viele Greise und Knaben, zogen am 3. Juli mutig den Feinden entgegen, um dieselben zurückzutreiben.

Aber die wackeren Wyominger hatten deren Zahl arg unterschätzt. Nach mehrstündigem heldenmütigem Kampf erlagen sie der gewaltigen Übermacht und wurden rücksichtslos niedergemacht. Nur 140 entkamen ins Fort.

Am nächsten Morgen erschienen die grausamen Sieger vor der kleinen Befestigung und forderten deren Übergabe. Die Nachrichten über den Verlauf der Verhandlungen widersprechen einander. Mehreren Überlieferungen zufolge hätten die Insassen sich ergeben, wären aber von den Wilden samt und sonders erbarmungslos ermordet worden. Andere Nachrichten sagen, sie seien durch das rechtzeitige Eintreffen von Hilfstruppen vor dem Untergang bewahrt geblieben.

Bei der Verteidigung des Wyomingtales spielte der im Tal ansässige deutsche Friedensrichter Hollenbach eine hervorragende Rolle. Leider sind die Nachrichten über das sogenannte »Blutbad im Wyomingtal« zu verworren, als daß sich der Anteil des Friedensrichters mit Sicherheit feststellen ließe. Einer in Rupps »Geschichte von Berks- und Lebanon County« enthaltenen Angabe zufolge wäre Hollenbach der Hauptheld der Verteidigung gewesen.

Nach den am Susquehannah verübten Schandtaten wandten die Rothäute und Briten sich wieder dem Mohawktal zu, brannten dort am 1. September 63 Häuser, 57 Scheunen und 5 Mühlen der Pfälzeransiedlung German Flats nieder, und schleppten zugleich 235 Pferde, 239 Rinder, 93 Ochsen und 269 Schafe fort. Sie wagten nicht, die durch Späher zeitig genug gewarnten und in die Forts Herchheimer und Dayton geflohenen Pfälzer anzugreifen. Und so kamen jene für diesmal mit einem Verlust von nur zwei Menschenleben davon.

Um die Grenzbewohner vor weiteren Überfällen zu schützen, sandte Washington im Jahre 1779 den General Sullivan mit 5000 Mann, darunter zahlreiche deutsche Scharfschützen aus Pennsylvanien und Virginien, gegen die Irokesen. Im Verlauf dieses überaus schwierigen Feldzugs gelang es den Amerikanern, die Rothäute und Briten am 29. August bei Newton, in der Nähe der heutigen Stadt Elmira, zu schlagen, 40 indianische Dörfer zu vernichten und die Feinde über die canadische Grenze zu treiben.

Aber bereits im folgenden Jahr begannen die Raubzüge in das New Yorker Gebiet aufs neue. Da war kaum eine Ortschaft, die nicht unter feindlichen Angriffen zu leiden gehabt hätte. In Canajoharie brannte eine aus 500 Indianern und Tories bestehende Bande am 2. August 63 Häuser samt Scheunen und Ställen nieder, tötete 300 Pferde und Rinder, ermordete 16 Männer und schleppte 60 Frauen und Kinder fort. Wenige Tage später überfielen 73 Indianer und 5 Tories die vereinzelt stehenden Häuser im Schoharietal. Am 16. Oktober brachen dort unter der Führung des früher im Mohawktal ansässig gewesenen Sir John Johnson 1000 Indianer und Tories herein, um die von den Talbewohnern eingebrachten Ernten zu rauben und alles andere zu zerstören.

Glücklicherweise waren die Talbewohner auch diesmal durch ausgestellte Wachtposten zeitig genug gewarnt worden, und hatten sich in die Forts flüchten können. Hier lagen 150 Mann Kontinentaltruppen und 100 Freiwillige, welche den Angriffen der Feinde so kräftigen Widerstand entgegensetzten, daß diese noch am gleichen Tage abzogen. Aber der Feuerschein von 300 brennenden Häusern und Scheunen beleuchtete ihren Weg.

Vom Schoharie zog Johnson ins Mohawktal, ließ am 18. Oktober Caughnawaga niederbrennen und sämtliche am Nordufer des Flusses liegende Ansiedlungen bis Stone Arabia verwüsten. Mehrere kleinere Truppenabteilungen, die sich ihm in den Weg stellten, wurden überwältigt und niedergemacht.

Lagen die Wohnstätten der Ansiedler vereinzelt, so entgingen diese selten dem Untergang. Denn nicht jeder war imstande, die Feinde so heldenhaft abzuwehren, wie dies der wackre deutsche Bauer Johann Christian Schell vermochte. Derselbe wohnte eine Stunde nordöstlich von German Flats inmitten einer einsamen Wildnis. Am 6. August 1781 wurde sein Blockhaus von 48 Indianern und 16 Engländern überfallen. Mit Mühe gelang es dem gerade mit Feldarbeiten beschäftigten Ansiedler, sich mit seiner Frau und vier Söhnen in das Haus zu flüchten. Zwei Söhne, welche nicht rasch genug folgen konnten, fielen den Feinden in die Hände. Schells Blockhaus war aus starken Baumstämmen gezimmert und besaß im untern Stockwerk keine Fenster, sondern nur schmale Schießscharten. Den einzigen Eingang schloß eine schwere Tür. Das obere Stockwerk ragte über das untere einen Meter weit vor und hatte in seinem Boden Luken, durch die man Angreifer, falls sie versuchten die Tür zu erbrechen oder das Haus anzuzünden, beschießen konnte. Die Feinde versuchten mehrere Male das Haus zu stürmen, mußten sich aber stets vor dem heftigen Feuer der Insassen zurückziehen. Während Schell und seine vier Söhne schossen, lud die Frau die Gewehre. In den Abendstunden suchte der Führer der Engländer das Haus mit Gewalt zu erstürmen und ergriff einen Hebebaum, um die Tür zu sprengen. Dabei erhielt er aber einen Schuß ins Bein und wurde überdies von Schell, der rasch die Tür öffnete, in das Haus hineingezogen und gefesselt. Diese kühne Tat verblüffte die Belagerer so, daß sie für eine Weile ihre Angriffe einstellten. Bald aber begannen sie den Sturm aufs neue, um an den Ansiedlern Rache zu nehmen und ihren Führer zu befreien. Als sie von allen Seiten gegen das Haus anrückten, stimmte Frau Schell das Schlachtlied der Reformierten an: »Ein' feste Burg ist unser Gott.« Noch waren die ersten Verse nicht verklungen, als die Angreifer mit mächtigen Sätzen ankamen, ihre Flinten durch die Schießscharten des untern Stockwerkes stießen und in den Innenraum zu feuern begannen. Frau Schell war aber mit einer Axt bei der Hand und führte auf die Flinten so wuchtige Schläge, daß die Läufe unbrauchbar wurden. Mehrere gutgezielte Schüsse aus den Büchsen Schells und seiner Söhne nötigten die Belagerer zum endgültigen Abzug. Sie hatten elf Tote verloren und zählten zwölf schwer Verwundete, von denen neun bald darauf starben. Die Feinde schleppten die beiden gefangenen Söhne mit nach Canada, von wo sie erst nach Beendigung des Krieges zurückkehrten. Sie fanden ihren Vater aber nicht mehr unter den Lebenden; er war ein Jahr nach der ersten Heimsuchung zum zweitenmal von Indianern überfallen und so schwer verwundet worden, daß er bald nach der glücklichen Abweisung der Rothäute seinen Wunden erlag.

Ein anderes Beispiel echten Heldenmutes lieferten die wackeren Verteidiger des virginischen Grenzforts Rice. Dasselbe bestand nur aus mehreren Blockhütten. Es wurde im September 1782 von hundert Indianern angegriffen, aber von seinen sechs deutschen Insassen Georg und Jakob Leffler, Peter Fullenweider, Jakob Müller, Daniel Reis und Georg Fellbaum mit solcher Entschlossenheit verteidigt, daß die Feinde schließlich abzogen. Fellbaum starb an den im Kampf erhaltenen Wunden.

Ein indianischer Skalp

Als echte Heldin erwies sich auch die in Pennsylvanien wohnende Christiana Zeller. Während sie sich eines Tages mit ihren Kindern allein in der Behausung befand, sah sie mehrere Indianer vorsichtig heranschleichen. Rasch verrammelte die Frau die schwere Holztür, stellte sich mit einer Axt an die Kelleröffnung und beförderte drei Rothäute, die ihre Köpfe durch die Öffnung zwängten, um einen Zugang ins Innere auszuspähen, mit wuchtigen Streichen in die glücklichen Jagdgründe.

Ein grelles Licht auf die Kriegführung jener schrecklichen Zeit wirft das folgende Ereignis. Im Februar 1782 fielen bei einem Kampf zwischen Amerikanern und einer englisch – indianischen Streiftruppe den ersten neben anderer Kriegsbeute acht große Bündel in die Hände. Als man diese Bündel öffnete, zeigte es sich, daß sie nicht weniger als 1062 getrocknete Kopfhäute enthielten, welche die Indianer während ihrer Streifzüge durch New York, Pennsylvanien und Neu-England erbeutet hatten. Bei den Skalpen befand sich ein von dem Engländer James Crawfurd an den canadischen Gouverneur Haldimand gerichteter Brief, in dem der Gouverneur ersucht wurde, die Kopfhäute im Namen der Seneca-Indianer an den König von England zu schicken. Auf einem besonderen Zettel war eine Rede des Häuptlings Conciogotchie niedergeschrieben, worin er an den canadischen Gouverneur folgende Worte richtete: »Vater, wir wünschen, daß Du diese Skalps an den großen König sendest, damit er durch ihren Anblick erfrischt werde und die Überzeugung gewinne, daß seine Geschenke einem dankbaren Volk gemacht wurden, welches seine Treue durch die Vernichtung der Feinde des Königs beweist.« Unter diesen schauerlichen, von nur einer einzigen Streiftruppe eroberten Siegeszeichen befanden sich zweifellos die Kopfhäute mancher deutschen Ansiedler, die bei der Verteidigung ihrer Hütten und Angehörigen der Blutgier der Rothäute sowie der Barbarei der Engländer, die sich jener Wilden zur Kriegführung bedienten, zum Opfer fielen.

Als endlich der Friede kam, waren weite Länderstrecken, die früher mit ihren blühenden Obstgärten, wohlbestellten Feldern und schmucken Wohnstätten eine wahre Augenweide gewesen, in menschenleere Wüsten verwandelt. In den deutschen Dörfern am Mohawk und Schoharie stieß man überall auf die traurigen Ruinen niedergebrannter Häuser und Scheunen. 500 Witwen und 3000 Waisen beweinten den Tod ihrer Ernährer.

Während jener Zeit schwerster Gefahren und Bedrängnisse bildeten viele der wackern, von Rachedurst erfüllten deutschen Ansiedler sich zu kühnen Indianerjägern aus, von denen manche geeignet gewesen wären, einem Fenimore Cooper als Modell für seine Lederstrumpffigur zu dienen.

Im Mohawktal machte sich Johann Adam Hartmann aus Edenkoben in der Pfalz, ein Hüne an Kraft und Gestalt, den Rothäuten gefürchtet. In Pennsylvanien, Ohio und Indiana lebt das Andenken der Gebrüder Weitzel, des Georg Rufner, des Daniel Bolaus, des Friedrich Behrle, des Peter Niesvanger, des Kaspar Mansker, des Michel Steiner und Wilhelm Wells als berühmter Indianertöter fort.

Über mehrere dieser kühnen Männer müssen wir in einem späteren Abschnitt ausführlicher berichten.

Eine zerstörte Heimstätte.

Johann von Kalb.

Generalmajor Johann von Kalb.

Es gab unter den Völkern Europas keines, welches die in den fünfziger und sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts immer deutlicher werdenden Anzeichen der Unzufriedenheit in den englischen Kolonien mit so fieberhafter Erregung und Genugtuung beobachtete, wie die Franzosen. Sie hatten gute Gründe. Denn war ihnen nicht ihre, von der Mündung des St. Lorenzstroms bis zum Mississippi reichende vielverheißende Kolonie Neu-Frankreich, die man in mühseligen Entdeckungsreisen, unter blutigen Kämpfen und ungeheuren Geldopfern erschlossen hatte, von ihren alten Erbfeinden, den Briten, entrissen worden? Den Verlust dieser gewaltigen Ländermassen und die Schmach der dabei erlittenen Niederlagen vermochten die stolzen Franzosen nicht zu überwinden. Die noch frischen Wunden brannten wie Feuer und man dürstete nach einer Gelegenheit, wo man für die erlittene Schmach furchtbare Vergeltung üben könne.

Die Zeit der Rache schien zu kommen, als die Gegensätze zwischen den englischen Kolonien und dem britischen Mutterlande sich immer mehr zuspitzten und in offenen Aufruhr auszuarten drohten. Um über die Lage Gewißheit zu erlangen, schickte die französische Regierung bereits im Jahre 1767 einen Vertrauten nach Amerika, der zugleich den Auftrag hatte, die dortige Bevölkerung im Kriegsfall der Unterstützung Frankreichs zu versichern.

Mit dieser keineswegs ungefährlichen Mission beauftragte man den am 20. Juni 1721 in Hüttendorf bei Erlangen geborenen Deutschen Johann von Kalb, einen Mann, der bereits in jungen Jahren in das aus Elsässern und Lothringern zusammengesetzte französische Regiment Löwendal eingetreten war und sich in mancherlei Kriegszügen zum Obersten emporgeschwungen hatte. Eine reiche Heirat erlaubte es ihm später, sich in Paris den besten Gesellschaftskreisen anzuschließen.

Von Kalb entledigte sich seiner Aufgabe mit vollendetem Geschick. Und als nach Ausbruch des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges der feurige Marquis de Lafayette eine Expedition ausrüstete, um in Amerika an dem Kampf gegen die Briten teilzunehmen, da schloß der von der französischen Regierung zum Brigadegeneral erhobene von Kalb sich Lafayette an und trat, in Amerika herzlichst willkommen geheißen, in die Armee der Freiheitsreiter ein.

Dem zum Generalmajor ernannten tatendurstigen Mann bot sich schon bald Gelegenheit, in zahlreichen Gefechten seine Fähigkeiten zu beweisen. Aber eine recht eintönige Periode folgte, als er in den Sommermonaten der Jahre 1778 und 1779 mit seinen Regimentern zum Beobachten der in der Stadt New York sitzenden Engländer abkommandiert wurde. Es gab dabei zwar manche Scharmützel von untergeordneter Bedeutung zu bestehen; aber es kam nicht zu einer entscheidenden Schlacht. So wenig die Amerikaner stark genug waren, die Engländer aus ihren festen Stellungen zu werfen, so wenig glückte es diesen, die Gegner zu vertreiben.

Der Untätigkeit längst müde, begrüßte es von Kalb mit Freuden, als er im Jahre 1780 den Befehl erhielt, mit 2000 Mann nach der im Süden gelegenen Stadt Charleston zu marschieren, wo der von den Engländern eingeschlossene General Lincoln der Hülfe dringend bedurfte. Aber schon vor dem Eintreffen des Kalbschen Ersatzheeres mußte die Stadt kapitulieren. Da der Zweck der Expedition hinfällig geworden, so zog von Kalb nach Südkarolina, um die Bürgerwehren dieser Kolonie zu einer neuen Südarmee zu vereinigen, die dem dort stehenden 12 000 Mann starken englischen Heer das Gegengewicht bilde.

Das Zusammenschweißen dieser Milizen erwies sich aber als eine fast unlösbare Aufgabe. Die Befehlshaber der über die ganze Kolonie verstreuten Truppen zogen vor, auf eigne Faust Krieg zu führen, anstatt sich einem fremden Offizier unterzuordnen. Forderte von Kalb von den Behörden Transportmittel, so kamen diese nie zur Stelle. Versprechungen wurden selten erfüllt. Obendrein verursachte die Verpflegung der Truppen in dem verarmten Lande fast unüberwindliche Schwierigkeiten. Kurz, alle Zustände waren so widerwärtig, daß von Kalb hoch aufatmete, als der Bundeskongreß dem General Gates den Oberbefehl über sämtliche im Süden befindlichen Truppenkörper übertrug.

Aber auch Gates vermochte nicht der trostlosen Zustände Meister zu werden. Um die Lage durch einen verwegenen Handstreich zum Abschluß zu bringen, faßte Gates den törichten Plan, geradeswegs auf die in Südkarolina gelegene Stadt Camden zu marschieren und die dort stehenden englischen Truppen zu überfallen.

Dieser Vorsatz war um so gewagter, als der gerade Weg nach Camden den ödesten Teil Südkarolinas durchquerte, wo die Verpflegung eines größeren Heerkörpers schon in guten Jahren ungeheure Schwierigkeiten verursachen mußte. Von Kalb machte auf diesen Umstand aufmerksam und empfahl, falls der Plan beibehalten werden solle, auf Umwegen durch fruchtbarere Gebiete nach Camden zu marschieren. Aber General Gates ließ sich nicht zur Änderung seines verhängnisvollen Entschlusses bewegen, sondern brach mit dem von vornherein schlecht verproviantierten Heer auf.

Der wahnwitzige Marsch beanspruchte drei Wochen, während welcher die Sonne glühendheiß herniederbrannte und den hungernden und durstenden Soldaten fürchterlich mitspielte. Zu Dutzenden, zu Hunderten sanken sie nieder, oder suchten ihr Heil in der Flucht. Nicht mehr fern vom Ziel war die Armee auf nur 2000 todmüde, abgezehrte Leute zusammengeschmolzen. Damit wollte Gates in der Nacht des 15. August die Engländer überfallen.

Aber diese waren durch ihre Spione vom Nahen der Gegner längst unterrichtet worden und hatten aus weitem Umkreis ihre gesamten Streitkräfte zusammengerafft. Den Amerikanern weit überlegen, beschlossen sie, diese unversehens in deren eignem Lager zu überrumpeln. Zu diesem Zweck hatten sie sich gleichfalls am Abend des 15. August auf den Weg gemacht. So traf es sich, daß beide, gleiche Absichten verfolgenden Armeen während der Nacht zusammenprallten. Sofort begann das Kleingewehrfeuer der auf beiden Seiten die Vorhut bildenden Schützen. Kaum dämmerte der Morgen, so begann der eigentliche Kampf. Aber sein Ausgang konnte keinem Zweifel unterliegen. Standen doch den halbverhungerten, todmüden, an keine Disziplin gewöhnten amerikanischen Milizen eine weit überlegene Zahl vorzüglich einexerzierter, seit Monaten gut verpflegter regulärer Soldaten gegenüber.

Als die ersten englischen Salven krachten, ergriffen viele der nie zuvor an einem Gefecht beteiligt gewesenen amerikanischen Milizen das Hasenpanier. Mit ihnen General Gates. Wie eilig er seine Flucht bewerkstelligte, beweist die Tatsache, daß er am Abend des unglücklichen Tages in der 80 Meilen vom Kampfplatz entfernten Stadt Charlotte zu Bette gehen konnte.

Der schnöde im Stich gelassene von Kalb, dessen Truppen das Zentrum des amerikanischen Heeres bildete, versuchte, die Ehre des Tages zu retten. Wiederholt gelang es ihm, die heftigen Vorstöße der Feinde abzuschlagen und eine Anzahl Gefangener zu machen. Aber seine linke Flanke, an der die Milizen gestanden hatten, war ungedeckt und wurde umgangen. Als die Feinde nun gleichzeitig energische Front- und Rückenangriffe unternahmen, war das Schicksal des Tages entschieden.

In dem sich entspinnenden Handgemenge erhielt von Kalb einen Säbelhieb über den Kopf. Das Pferd brach tot unter ihm zusammen. Nichtsdestoweniger raffte der Tapfere, nachdem seine Wunde notdürftig verbunden worden, seine mit wilder Verzweiflung kämpfenden Leute abermals zusammen und trieb die Feinde dreimal zurück. Aber als er an der Spitze seiner schnell schrumpfenden Macht vordrang, streckten ihn mehrere Kugeln zu Boden. Er würde in dem über ihn hinwegbrausenden Schlachtgetöse zertreten worden sein, hätte sein treuer Adjutant sich nicht über den Verwundeten geworfen, um womöglich sein Leben zu retten.

Nachdem der Kampf, in dem die Amerikaner außer 1000 Gefangenen 900 Tote und Verwundete einbüßten, beendet war, fand man den aus elf Wunden blutenden Generalmajor inmitten eines Haufens von Leichen. Man brachte ihn nach Camden und ließ ihm die sorgfältigste Pflege zuteil werden. Aber alle Kunst der Wundärzte versagte. Der Tapfere verschied am dritten Tage nach der Schlacht. Sein Tod beraubte die amerikanische Armee um einen Führer, der es verstanden hatte, sich durch sein zuvorkommendes, offnes Wesen in hohem Grade beliebt zu machen. Im Kriegsrat wurden seine praktischen Ratschläge stets hochgeschätzt und beachtet. Die Untergebenen hingen mit Verehrung an ihm. Deshalb wurde auch der Beschluß des Kongresses, dem so ehrenvoll Gefallenen ein Denkmal zu errichten, überall mit Zustimmung begrüßt. Dieses Monument erhebt sich in den schönen Anlagen der Militär-Akademie zu Annapolis und trägt folgende Aufschrift:

»Dem Andenken des Freiherrn von Kalb, Ritters des königlichen Kriegsverdienstordens, Brigadiers der französischen Armee, Generalmajor im Dienste der Vereinigten Staaten. Nachdem er mit Ehre und Ruhm drei Jahre lang gedient hatte, gab er einen letzten und glorreichen Beweis seiner Hingabe für die Freiheit der Menschheit und für die Sache Amerikas in der Schlacht bei Camden in Süd Carolina. An der Spitze der regulären Truppen von Maryland und Delaware begeisterte er sie durch sein Beispiel zu Taten der Tapferkeit, wurde mehrfach schwer verwundet und starb am 19. August 1780 im 59. Jahre seines Lebens. Der Kongreß der Vereinigten Staaten von Amerika hat ihm in dankbarer Anerkennung seines Eifers, seiner Dienste und seines Ruhmes dieses Denkmal errichtet.«

Friedrich Wilhelm von Steuben.

Generalmajor Friedrich Wilhelm von Steuben, der Schöpfer des amerikanischen Heeres.

Unter allen europäischen Offizieren, die beim Ausbruch des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs ihre Degen dem jungen Staatenbund anboten, war der preußische Freiherr Friedrich Wilhelm von Steuben zweifellos der bedeutendste. Leistete er doch dem um seine Freiheit ringenden amerikanischen Volk Dienste, die jene aller anderen im amerikanischen Heer kämpfenden Generale überragen und ihn fast auf die gleiche Stufe mit dem obersten Feldherrn, dem edlen George Washington stellen.

Steuben war der Sprößling eines alten, im früheren Herzogtum Magdeburg seßhaften Geschlechts, das bereits manche tüchtige Soldaten hervorgebracht hatte. Aber keinem war so großer Ruhm beschieden, wie Friedrich Wilhelm von Steuben, dem am 15. November 1730 in Magdeburg geborenen Sohn des preußischen Ingenieurhauptmanns von Steuben.

Den Traditionen seines Geschlechtes treu, hatte auch er die militärische Laufbahn erkoren und nach Durchlaufen der Kriegsschule in der Armee Friedrichs des Großen die wechselvollen Stürme des Siebenjährigen Kriegs mitgemacht. Bald gegen die Franzosen, bald gegen die Russen oder Österreicher kämpfend, zeichnete er sich dabei so aus, daß der König ihn zum Stabshauptmann und Flügeladjutanten ernannte. Der mit dem aktiven Felddienst bereits völlig Vertraute erhielt dadurch Gelegenheit, sich auch mit den überaus wichtigen Fragen zu befassen, die mit dem Herbeischaffen und Instandhalten der Kriegsvorräte sowie der Verpflegung großer Truppenkörper in Zusammenhang stehen. So erwarb von Steuben in allen Kriegswissenschaften eine derart umfassende Kenntnis, daß er allen mit kriegerischen Fragen beschäftigten als eine Autorität ersten Ranges erscheinen mußte.

Als eine höchst begehrenswerte Kraft erkannten ihn auch der französische Kriegsminister St. Germain und der als Vertreter des jungen amerikanischen Staatenbundes in Paris weilende Benjamin Franklin, als sie im Jahre 1777 mit dem auf einer Reise durch Frankreich befindlichen Freiherrn zusammentrafen. Franklin hatte den besonderen Auftrag, nach tüchtigen europäischen Offizieren Umschau zu halten, die der amerikanischen Sache nützen könnten. Denn das amerikanische Heer, wenn man diese Bezeichnung auf die aus allen Teilen des weiten Landes gekommenen Scharen ungeschulter Freiwilliger und an Disziplin kaum gewöhnten Bürgerwehren anwenden will, bedurfte einer sachkundigen Organisation und Schulung aufs dringendste. Während die an den Kampf mit Indianern gewöhnten Hinterwäldler in allen Plänkeleien, wo sie die ihnen vertraute Fechtart anwenden konnten, sich glänzend bewährten, hatten sie in offnen Feldschlachten gegen die kriegsgeübten Briten und deren deutsche Hilfstruppen fast stets versagt. Da entscheidende Erfolge aber nur durch größere Schlachten herbeigeführt werden konnten, so war es unbedingt nötig, die amerikanischen Soldaten in eine solche Verfassung zu bringen, daß man mit ihnen Feldschlachten wagen durfte. Woher sollte man solche Offiziere, die der schwierigen Aufgabe gewachsen waren, nehmen? In Amerika gab es keine. Naturgemäß wandten sich die Blicke nach Europa, wo es erprobte Männer in Menge gab. Vornehmlich in der Armee des großen Preußenkönigs, die als bestgeschulte der ganzen Welt galt und fast allen anderen europäischen Heeren Lehrmeister geliefert hatte.

Daß Baron von Steuben alles Zeug habe, die amerikanische Armee auf eine höhere Stufe zu bringen, wurde sowohl Franklin wie dem französischen Kriegsminister nach kurzer Zeit klar, und beide bemühten sich eifrig, ihn für die amerikanische Sache zu gewinnen. Zu ihrer großen Freude fanden sie, daß es keiner besonderen Überredungskünste bedürfe. Denn Steuben zählte zu jenen Offizieren, die den Krieg der amerikanischen Kolonien gegen England nicht bloß mit größter Aufmerksamkeit verfolgten, sondern auch den für ihre Unabhängigkeit Streitenden die herzlichste Teilnahme entgegenbrachten.

Wie tief diese Sympathien waren, zeigt am deutlichsten ein Brief, den Steuben, nachdem er mit Franklin alle Vorbedingungen für seinen Eintritt ins amerikanische Heer geordnet hatte und am 1. Dezember 1777 im Hafen von Portsmouth, New Hampshire, gelandet war, an den Kongreß der Vereinigten Staaten richtete.

Der Brief hat folgenden Wortlaut:

»Der einzige Beweggrund, der mich diesem Weltteil zuführt, ist der Wunsch, einem Volk zu dienen, welches einen so edlen Kampf für seine Rechte und Freiheit kämpft. Ich verlange weder Titel noch Geld. Mein einziger Ehrgeiz besteht darin, bei Ihnen als Freiwilliger einzutreten, mir das Vertrauen Ihres Oberbefehlshabers zu erwerben und denselben in allen Feldzügen ebenso zu begleiten, wie ich während des Siebenjährigen Krieges dem Könige von Preußen folgte. Ich möchte gern mit meinem Blute die Ehre erkaufen, daß mein Name eines Tages unter den Verteidigern Ihrer Freiheit genannt wird.«

Im Kongreß erregte dieser Brief förmliche Begeisterung. Und der damalige Kriegsminister schrieb: »Wir alle beglückwünschen uns zu der Ankunft eines in militärischen Dingen so erfahrenen Mannes. Seine Dienste sind uns gerade jetzt um so wertvoller, als der Mangel an Disziplin und innerer Ordnung in unserem Heer so schwer empfunden und tief beklagt wird.«

Um die damalige Beschaffenheit des Heeres war es in der Tat äußerst schlecht bestellt. Kaum noch 5000 Mann zählend, aller Hilfmittel entblößt, nicht imstande, irgendeine größere Waffentat zu wagen, hatte es in Valley Forge ein Winterlager bezogen. Ohne Uniformen, fast nur auf die Gaben angewiesen, die ihnen von den Bewohnern der Umgegend zugeführt wurden, verbrachten die Freiheitskämpfer in einer Anzahl armseliger Blockhütten die strenge Jahreszeit.

Wie es um die Organisation und Disziplin dieses Heeres bestellt war, erfahren wir aus den Angaben, welche Baron von Steuben im elften und zwölften Band seiner handschriftlichen Aufzeichnungen niederlegte, die sich in den Archiven der »New York Historical Society« befinden. Er schreibt:

»Die Armee war in Divisionen, Brigaden und Regimenter eingeteilt, die von General-Majoren, Brigade-Generälen und Obersten kommandiert wurden. Der Kongreß hatte die Zahl der Soldaten für jedes Regiment und jede Kompagnie festgesetzt; allein die ewige Ebbe und Flut der nur auf sechs oder neun Monate angeworbenen Leute, die täglich kamen und gingen, machten den Bestand eines Regimentes oder einer Kompagnie stets so schwankend, daß die Worte: ›Kompagnie‹, ›Regiment‹, ›Brigade‹, oder ›Division‹ gar nichts bedeuteten, am allerwenigsten einen Maßstab für die Berechnung der Stärke eines Korps oder der Armee abgaben. Die Zahl ihrer Mannschaften war so ungleich und verschieden, daß es unmöglich war, irgendein Manöver auszuführen. Oft war ein Regiment stärker als eine Brigade. Ich sah ein Regiment von 30 Mann und eine Kompagnie, welche nur aus einem einzigen Korporal bestand! Ein genaues Verzeichnis der Mannschaften eines Regimentes zu erhalten, war sehr schwierig, oft geradezu unmöglich.

Die Stärke der Armee sollte monatlich festgestellt werden. Diese Operation geschah folgendermaßen: jeder Hauptman fertigte eine Liste seiner Kompagnie an, ohne Rücksicht auf die Anwesenden oder Beurlaubten. Er beschwor dann vor seinem Vorgesetzten, daß sein Bericht nach bestem Wissen und Glauben in Ordnung wäre. Der Musterungsinspektor zählte die Anwesenden und schrieb den Beurlaubten ihren Sold auf den Eid des Hauptmanns hin gut. Ich bin weit entfernt von der Voraussetzung, daß irgendein Offizier absichtlich Betrug verüben wollte; allein ich will den Zustand einer Kompagnie etwas genauer prüfen, woraus man dann einen Schluß auf die sogenannte Richtigkeit eines derartigen Rapports selber ziehen kann. Die betreffende Kompagnie hatte nur zwölf Mann zur Stelle. Ein Mann, der einem 200 Meilen entfernt postierten Offizier als Bursche diente, war seit 18 Monaten abwesend. Ferner fehlte ein Mann, der seit zwölf Monaten bei einem Quartiermeister als Knecht arbeitete. Vier Mann dienten seit ebenso langer Zeit als Gehilfen in den Hospitälern. Zwei waren als Fuhrleute, mehrere andere als Bäcker, Schmiede, Zimmerleute und Kohlenträger beschäftigt, obwohl alle ursprünglich nur auf neun Monate Dienste genommen hatten.

Stand ein Mann einmal auf der Kompagnieliste, so wurde er bis in alle Ewigkeit als Glied derselben geführt, er mußte denn vor den Augen des Hauptmanns desertiert oder gestorben sein. Auf Grund dieser Listen wurden aber die Stärke der Armee berechnet und Löhnung und Proviant ausgeteilt. Die Soldaten waren nach allen Richtungen hin verstreut. Man hätte die Armee als eine Erziehungsanstalt für Bediente betrachten können, denn jeder hielt es für sein Recht, wenigstens einen Bedienten zu haben. Wir hatten mehr Kommissare und Quartiermeister, als alle Armeen Europas zusammengenommen. Der bescheidenste derselben besaß nur einen Burschen, andere verfügten über zwei, viele sogar über drei.

Ein Ding wie militärische Disziplin existierte nicht. Kein Regiment war regelmäßig formiert. Das eine hatte drei, andere fünf, acht oder neun Glieder; das canadische Regiment besaß deren sogar einundzwanzig.

Jeder Oberst hatte sein eignes Exerziersystem bei sich eingeführt; der eine bediente sich des englischen, der andere des französischen, der dritte des preußischen. Nur in einem Punkt herrschte Einheit, und das war die Art des Marschierens bei Manövern und auf dem Marsch: sie bedienten sich alle des Reihenmarsches der Indianer.

Urlaub und Abschied wurden ohne jede Anfrage bei den höheren Vorgesetzten bewilligt. Befanden sich die Truppen im Lager, so blieben die Offiziere nicht bei ihnen, sondern wohnten in oft mehreren Meilen weit entfernten Quartieren. Während des Winters gingen die Offiziere meist nach Hause. Oft waren ihrer nicht mehr als vier beim Regiment. Sie glaubten, daß ihre einzige Pflicht darin bestehe, auf Wache zu ziehen und sich im Kampf an die Spitze der Soldaten zu stellen.

Der amerikanische Soldat kannte seine Waffe gar nicht, hatte deshalb kein Vertrauen zu ihr und benutzte das Bajonett höchstens dazu, um sein Beefsteak daran zu braten. Den Anzug der Truppen kann ich am leichtesten beschreiben, denn sie waren im eigentlichen Sinne des Wortes fast nackend. Die wenigen Offiziere, welche überhaupt Röcke besaßen, hatten solche von beliebiger Farbe und jedem Schnitt. Bei einer großen Parade sah ich Offiziere in Schlafröcken, die aus alten wollenen Decken oder Bettüberzügen gemacht waren.

Daß es etwas wie die innere Verwaltung eines Regiments gebe, war allen unbekannt. Infolgedessen herrschte überall die denkbar größte Unordnung, ohne daß für die aufgewendeten großen Mittel irgendwo entsprechende Ergebnisse zu sehen gewesen wären.

So wenig die Offiziere über die Zahl ihrer Leute Rechenschaft ablegen konnten, ebensowenig vermochten sie dies über deren Waffen, Munition und Ausrüstung. Niemand führte Buch oder Rechnung, außer den die verschiedenen Artikel herbeischaffenden Lieferanten.«

Durch das Dulden solcher Zustände waren der Korruption alle Tore geöffnet worden. Zumal da die Kommissare und Quartiermeister von sämtlichen durch sie verausgabten Geldern Prozente empfingen. Um ihre Einnahmen zu erhöhen, ordneten sie tausenderlei verschiedene Anschaffungen an, die man gar nicht benötigte. Ferner sah man beim Erteilen der Aufträge nicht etwa darauf, die besten und zweckmäßigsten Dinge zu erlangen, sondern man bestellte die teuersten. Obendrein war es jedem Soldaten erlaubt, nach Ablauf seiner neun Monate dauernden Dienstzeit sowohl die Uniform wie auch die Waffen und anderen von ihm gebrauchten Gegenstände mit nach Hause zu nehmen. Da die an ihre Stelle tretenden frischen Truppen neu ausgerüstet werden mußten, so erwuchsen dadurch unnütze Kosten, die alljährlich viele Millionen Dollar betrugen.

So erklären sich die fürchterlichen Geldnöte, mit denen der Kongreß immerfort kämpfen mußte, und welchen er durch Verausgabung von Papiergeld zu steuern suchte. Die hinterlistigen Briten benutzten aber auch diesen Umstand, um den Amerikanern Schwierigkeiten zu verursachen. Sie ließen die vom Kongreß verausgabten Noten nachahmen, setzten ungeheure Mengen dieser Fälschungen in Umlauf und brachten dadurch das Papiergeld in solchen Mißkredit, daß jedermann sich scheute, es anzunehmen. Die so bewirkte Entwertung des Papiergeldes nahm so großen Umfang an, daß 40 Papierdollar nötig waren, um einen Silberdollar zu kaufen. Man verlangte 400 bis 600 Dollar für ein Paar Stiefel, und der Monatssold eines Soldaten reichte gerade hin, um die Kosten eines Mittagsmahls zu decken.

Wenn wir dieser Tatsachen gedenken, so geschieht es, um zu zeigen, daß Freiherr von Steuben, als er sich in den Dienst der Vereinigten Staaten stellte, keineswegs ein nach Gold und Orden lüsterner Landsknecht war. Beides war in Amerika nicht zu holen. Im Gegenteil mußten die dort obwaltenden trübseligen Zustände jeden kalt berechnenden Glücksritter unbedingt abschrecken.

Friedrich Wilhelm von Steuben, der Generalinspektor der amerikanischen Armee.

Vom Kongreß zum Generalinspektor der Armee ernannt und nach seiner Ankunft im Lager von George Washington mit aufrichtiger Freude begrüßt, begann Steuben sofort eine vielseitige Tätigkeit. Es galt nicht nur, die ganze Armeeverwaltung zu ordnen, sondern auch die Mannschaften an regelmäßige Übungen, an das Fechten und Manövrieren in größeren geschlossenen Abteilungen zu gewöhnen, da man sonst weder an das Eingehen von Feldschlachten denken, noch auf entscheidende Siege hoffen durfte.

Es war keine geringe Aufgabe, die in völliger Freiheit großgewordenen, bestimmten Regeln oder gar Befehlen nie unterworfen gewesenen Hinterwäldler an Disziplin und Subordination zu gewöhnen. Solche ohne weiteres im ganzen Heer einzuführen, war rein unmöglich. Deshalb beschränkte Steuben sich in kluger Weise zunächst darauf, aus 120 der besten Soldaten eine Lehrabteilung zusammenzustellen, die gleichzeitig eine Stabswache für Washington abgeben sollte. Nachdem er dafür gesorgt, daß diese Leute gleichmäßige Uniformen und Waffen erhalten und dadurch ein wirklich militärisches Aussehen erlangt hatten, exerzierte Steuben sie persönlich zweimal täglich in Gegenwart sämtlicher Offiziere ein. Von leichten Übungen schritt er allmählich zu schwierigen, bis sie endlich mit allen jenen Bewegungen vertraut waren, die der damaligen preußischen Armee zu so überraschenden Siegen verholten hatten.

Für die zuschauenden Offiziere und Mannschaften bildeten diese Übungen eine Quelle des Staunens. Sie begriffen ihre Wichtigkeit, als sie nunmehr den Verlust mancher verlorenen Schlacht auf die Unkenntnis dieser oder jener notwendigen Bewegung zurückführen konnten. Und das sich ihnen darbietende Schauspiel fesselte um so mehr, als es auch an gelegentlichen humoristischen Begebenheiten nicht fehlte. Besonders wenn der nur gebrochen Englisch sprechende Steuben über den schlechten Gang einer Übung in Zorn geriet und in einem Gemisch von Englisch, Deutsch und Französisch zu fluchen begann. Bemerkte er dann, daß die Soldaten dieses Kauderwelsch nicht verstanden, so rief er die Hilfe seines Adjutanten Walker an: »Viens, mon ami Walker, come and swear for me in English – je ne puis plus – I can curse them no more – dese fellows will not do what I bid them!«

Obwohl bei solchen drolligen Szenen manche das Lachen kaum verbeißen konnten, so bestrebten sich doch alle, die erteilten Befehle gewissenhaft zu erfüllen. Und so wurde die Armee allgemach von einem anderen, nie zuvor gekannten Geist belebt.

Wie die Offiziere Steubens Bemühungen auffaßten und beurteilten, ergibt sich aus folgendem Brief des Generals Scammel an Sullivan: »Baron Steuben geht uns mit einem wahrhaft edlen Beispiel voran. Er bewährt sich in allem, von den großen Manövern an bis in die kleinsten Einzelheiten des Dienstes als vollendeter Meister. Offiziere und Soldaten bewundern gleichmäßig einen so ausgezeichneten Mann, der unter dem großen preußischen Monarchen eine hervorragende Stellung einnahm, und sich jetzt trotzdem mit einer nur ihm eignen Würde herabläßt, selbst einen Haufen von zehn bis zwölf Mann als Exerziermeister einzuüben. Unter seiner Leitung machen Disziplin und Ordnung in der Armee ganz außerordentliche Fortschritte.«

Diese Fortschritte nahmen ein um so lebhafteres Tempo an, als Steuben die Soldaten seiner Lehrabteilung anderen Truppenkörpern als Exerziermeister zuteilte. Infolge dieser Anordnung war es bald möglich, zu schwierigen Übungen zu schreiten. Ja, man war imstande, als im Mai 1778 die Freudenbotschaft des zwischen Frankreich und den Vereinigten Staaten geschlossenen Bündnisses im Lager eintraf, das wichtige Ereignis durch ein großes Manöver zu feiern. Es verlief so erfolgreich, daß Washington gelegentlich des am Abend veranstalteten Festmahls darüber seine höchste Freude ausdrückte und Steuben ein Handschreiben übergab, das dessen Ernennung zum Generalmajor enthielt.

War das Einüben der Truppen mit vielen Schwierigkeiten verknüpft, so verlangte das Durchführen einer tüchtigen Verwaltung der Armee noch weit größere Hingabe. Ganze Augiasställe der Korruption mußten gesäubert werden, wobei man sich nicht scheuen durfte, die durch Unkenntnis oder Selbstsucht verursachten Mißstände rücksichtslos aufzudecken. Aber auch hier zeigte Steuben sich als der rechte Mann, indem er für alle Zweige der Verwaltung Vorschriften erließ, wie nur eine damit völlig vertraute Person solche zu geben vermochte.

Um sicher zu sein, daß diese Vorschriften auch befolgt würden, inspizierte Steuben von Zeit zu Zeit jede Abteilung der Verwaltung und jedes einzelne Regiment. Wie sorgfältig er dabei verfuhr, ersehen wir aus einer Mitteilung seines Adjutanten William North, welcher nach Steubens Tode schrieb: »Ich war eines Tages Zeuge, wie Steuben und seine Assistenten eine drei Regimenter umfassende Brigade sieben volle Stunden lang inspizierten. Über jeden abwesenden Mann wurde Auskunft verlangt. Jede Muskete wurde nachgesehen, jede Patronentasche geöffnet und sogar die Patronen und Feuersteine gezählt. Dann mußten die Tornister abgelegt und ihr Inhalt auf einer Decke ausgebreitet und mit dem Verzeichnis des Notizbuches verglichen werden, um zu sehen, ob das von den Vereinigten Staaten Gelieferte noch vorhanden sei, und wenn nicht, wohin es gekommen. Hospitalvorräte, Laboratorien, kurz alles, mußte der Inspektion offenstehen. Da wurde manchem Offizier bange, wenn er über Verluste oder Ausgaben nicht genaue Rechenschaft ablegen konnte. Diese monatlich wiederkehrenden Inspektionen hatten eine wunderbare Wirkung, nicht allein auf die Ökonomie, sondern auch auf den Wetteifer, den sie unter den verschiedenen Korps anfachten.«

Trotz dieser im amerikanischen Heer bislang unbekannten Strenge und Genauigkeit errang Steuben sich bald die Liebe und Zuneigung sämtlicher Offiziere und Soldaten. Denn tagtäglich sahen sie, daß der General selbst sich in allen Dingen der größten Gewissenhaftigkeit und Pünktlichkeit befleißigte und besonders darüber wachte, daß sowohl die diensttauglichen Soldaten wie die in den Krankenhäusern befindlichen gute Pflege erhielten.

Der gewaltige Umschwung, der überall ersichtlich wurde, veranlaßte Washington, an den Kongreß zu berichten: »Ich würde unrecht handeln, wollte ich über die hohen Verdienste des Freiherrn von Steuben länger schweigen. Seine Tüchtigkeit und Kenntnisse, der unermüdliche Eifer, den er seit seinem Antritt entwickelte, lassen ihn als einen bedeutenden Gewinn für das Heer erscheinen.«

Und als im Frühling das Heer zu neuen Kämpfen ausrückte, da traten bald auch die günstigen Wirkungen der von Steuben angeordneten Übungen hervor. Zunächst in den beiden Treffen bei Barren Hill und Stony Point. Noch mehr in der Schlacht bei Monmouth, die ohne Steubens Dazutun zweifellos mit einer schweren Niederlage der Amerikaner geendet haben würde.

Der Verlauf dieser Schlacht war folgender: Die Nachricht, daß Frankreich eine starke Flotte abgeschickt habe, um den Vereinigten Staaten zu Hilfe zu kommen, hatte die Briten veranlaßt, die bisher besetzt gehaltene Stadt Philadelphia zu räumen, um sich nach New York zurückzuziehen. 17 000 Mann stark, überschritten sie am 18. Juni den Delaware. Um den Abziehenden möglichst große Verluste zuzufügen, befahl Washington dem die Vorhut des amerikanischen Heeres befehligenden General Lee, den Feinden bei Monmouth in den Rücken zu fallen und sie zu einer Schlacht zu nötigen. Lee aber, welcher schon damals jene hochverräterischen Umtriebe im Sinne trug, wegen welcher er später vor ein Kriegsgericht gestellt wurde, erfüllte seinen Auftrag so unbefriedigend und langsam, daß den Briten Zeit blieb, sich nicht nur für den Kampf vorzubereiten, sondern sogar zum Angriff auf die Verfolger überzugehen. Da Lee obendrein seine Offiziere durch allerhand Befehle und Gegenbefehle in Verwirrung setzte und den linken Flügel durch völlig verkehrte Maßnahmen schwächte, so errangen die mächtig vordringenden Briten bald solche Vorteile, daß die Amerikaner sich zum Rückzug genötigt sahen. Derselbe drohte in Flucht auszuarten, als Washington, durch von Lees Offizieren abgesandte Stafettenreiter herbeigerufen, persönlich auf dem Kampfplatz erschien. Mit ihm kam von Steuben. Washington befahl ihm, bevor er sich mit seinen eignen Leuten ins Kampfgewühl stürzte, die zurückweichenden Scharen Lees hinter der Schlachtlinie zu sammeln und ihm dann wieder zuzuführen. Gelang dies, so konnte der Tag noch günstig für die Amerikaner enden.

Steuben löste die Aufgabe mit so vollendetem Geschick, daß er bald darauf drei Brigaden ins Feuer senden konnte, wodurch Washington imstande war, das Schlachtfeld zu behaupten. Als die Nacht dem Kampf ein Ende machte, biwakierten die Amerikaner auf dem Schlachtfelde unter den Waffen. Die Briten hingegen verließen in der Dunkelheit ihre Positionen, um den Rückzug nach New York fortzusetzen.

Ein Augenzeuge, Oberst Alexander Hamilton, welcher Steuben beobachtete, als dieser die versprengten Scharen Lees sammelte, erklärte, erst bei dieser Gelegenheit habe er die alles überwiegende Bedeutung militärischer Disziplin und Manneszucht erkennen lernen. Hatten diese Eigenschaften den Tag für die Amerikaner zweifellos gerettet, so bestand der Haupterfolg aber darin, daß die amerikanische Armee nunmehr von dem Bewußtsein erfüllt war, den Briten auch in der Feldschlacht gleichwertig zu sein.

Als der Winter von 1778 auf 1779 die gewohnte Ruhe in den Kämpfen brachte, benutzte von Steuben diese Zeit zum Ausarbeiten von Vorschriften, durch welche die Verwaltung und Disziplin des amerikanischen Heeres zum erstenmal gleichmäßig festgestellt wurde. Selbstverständlich lagen diesem Reglement, dem ersten, welches für eine amerikanische Armee festgestellt wurde, jene Vorschriften zugrunde, die im preußischen Heer eingeführt waren und sich dort bewährt hatten. Dabei war aber auf die gänzlich anders gearteten Verhältnisse Amerikas überall Rücksicht genommen.

Die 25 Abschnitte dieses im Felde unter außerordentlichen Schwierigkeiten entstandenen Buches bildeten die Richtschnur für die Zusammensetzung der verschiedenen Truppengattungen, ihre Bewaffnung, Exerzitien und Marschweisen. Ferner gaben sie Anleitungen über das Aufschlagen der Lager, das Behandeln und Instandhalten der Ausrüstung, das Aufstellen und Bedienen der Kanonen. Desgleichen fanden der Wachtdienst, das Signalwesen, die Verwaltung und Inspektion, die Veranstaltung von Revuen und Manövern, sowie die Behandlung der Verwundeten und Kranken eingehende Berücksichtigung.

Titelblatt von Steubens »Regulations«.

Für manche Jahrzehnte blieben die Vorschriften in Kraft. Erst als die Verbesserung der Waffen auch gründliche Änderungen in der Kampfart herbeiführte, setzte man an Stelle der von Steuben verfaßten Vorschriften neue, die den veränderten Verhältnissen entsprachen.

Daß Steuben beim Verfassen seines Werkes nicht am Alten klebte oder die Reglements der preußischen Armee kopierte, geht daraus hervor, daß er eine in Europa bisher ganz unbekannte Truppengattung, die leichte Infanterie, ins Leben rief. Sie war in Amerika um so mehr am Platz, als die Ansiedler in ihren Scharmützeln mit den Indianern sich an die zerstreute Kampfweise, wo jeder einzelne unabhängig von den andern focht, gewöhnt hatten. Sie entsprach auch durchaus der Beschaffenheit des mit ungeheuren Wäldern erfüllten Landes, in dem freie Ebenen, auf denen, wie in Europa, große geschlossene Truppenmassen sich bewegen konnten, zu den Seltenheiten gehörten.

Die von Steuben geschaffene leichte Infanterie, die sich allen vorkommenden Terrainschwierigkeiten sofort anpaßte, bewährte sich im amerikanischen Freiheitskrieg so vorzüglich, daß sie später auch in allen europäischen Heeren Eingang fand. Vornehmlich war es der alle Einzelheiten des Unabhängigkeitskampfes sorgfältig studierende Friedrich der Große, der den unbestreitbaren Wert der leichten Infanterie erkannte, sie für sein Heer adoptierte und mit ihr große Erfolge erzielte.

Im Kriegsrat Washingtons war Freiherr von Steuben wohl die maßgebendste Person. Aus seinen im Besitz der Historischen Gesellschaft zu New York befindlichen Handschriften ist ersichtlich, daß Washington ihn vor Beginn der einzelnen Feldzüge um Vorschläge ersuchte, wie nach seinem Ermessen die Aktionen zu gestalten seien. Diese Pläne brachte Steuben sorgfältig zu Papier und sie dienten Washington fast stets als Richtschnur.

Obwohl Steubens Tätigkeit der Hauptsache nach geistiger Art war, so ist es verständlich, daß er den Wunsch hegte, sich auch aktiv am Feldzug zu beteiligen und dadurch größeren Ruhm zu erwerben. Er wollte nicht bloß der Exerziermeister der Truppen sein, sondern sie auch persönlich im Feuer erproben. Diesem durchaus berechtigten Wunsch entsprach Washington, indem er Steuben mehrmals den Befehl über größere Heerkörper übertrug. Diese standen meist in den südlichen Kolonien. Aber es wollte dem wackeren General nicht gelingen, den weit überlegenen und besser verpflegten feindlichen Heeren größere Siege abzugewinnen. Manche seiner Maßnahmen wurden auch durch die Eifersucht einzelner, von krankhaftem Ehrgeiz beseelten Generale vereitelt, die den führende Stellen einnehmenden fremdgeborenen Offizieren gar oft die größten Schwierigkeiten bereiteten und sie dadurch um die möglichen Erfolge betrogen.

Im Jahre 1781 sollte Steuben aber noch einen besonderen Triumph erleben. Das von General Cornwallis befehligte englische Hauptheer hatte sich, von allen Seiten bedrängt, in die Festung Yorktown in Virginien zurückziehen müssen. Hier wurde es von den schnell herbeieilenden amerikanischen und französischen Armeen eingeschlossen. In der Überzeugung, daß der seit Jahren ersehnte Entscheidungskampf des ganzen Feldzugs hier endlich ausgefochten werden müsse, und von dem Wunsch getrieben, diese Entscheidung mit herbeizuführen, suchte Steuben um ein regelrechtes Kommando nach. Ohne Zögern übertrug Washington ihm ein solches, zumal außer Steuben kein General des amerikanischen Heeres jemals an der Belagerung einer Festung teilgenommen hatte. Steuben hingegen hatte unter Friedrich dem Großen während der Belagerung der Festung Schweidnitz wertvolle Erfahrungen gesammelt. Den von Pennsylvanien, Maryland und Virginien gestellten Truppen vorgesetzt, bildete von Steuben nun mit diesem Heerkörper das Zentrum der Belagerungsarmee.

Man behauptet, daß Steuben auch die Pläne zu den Belagerungsarbeiten entworfen habe. Wenngleich alle Gründe für diese Behauptung sprechen, so läßt sich ihre Richtigkeit aber nicht mit voller Sicherheit nachweisen, da im Jahre 1800 ein im Kriegsministerium zu Washington ausgebrochener Brand alle den Freiheitskrieg betreffenden Urkunden verzehrte.

Geschichtliche Tatsache ist es aber, daß am 17. Oktober, dem Tage, wo über den Wällen der Festung die weiße Flagge als Zeichen der Unterwerfung emporstieg, Steuben den Oberbefehl über die Belagerungsarmee führte und mit seinen Streitkräften in den am weitesten vorgeschobenen Gräben stand.

Die Verhandlungen über die Bedingungen der Übergabe waren noch nicht geschlossen, als der ebenfalls in der amerikanischen Armee dienende Marquis de Lafayette mit seinen Mannschaften kam, um von Steuben im Kommando abzulösen. Er hoffte, daß dann ihm die Ehre zuteil werde, die Verhandlungen betreffs der Übergabe der Festung abzuschließen. Aber zur großen Enttäuschung der Franzosen lehnte Steuben die Ablösung ab, indem er sich darauf berief, daß es in allen europäischen Heeren Brauch sei, denjenigen Offizier, der vom Feinde die Anzeige seiner Unterwerfung entgegengenommen habe, auch bis zum Schluß der Verhandlungen auf seinem Posten zu belassen.

Lafayette legte dagegen zwar bei Washington Verwahrung ein, dieser aber stimmte Steuben bei. Und so fügte es sich, daß der Oberbefehlshaber des letzten großen englischen Heeres im amerikanischen Freiheitskriege seine Kapitulation einem Deutschen einhändigte.

Steubens Truppen zogen auch am 19. Oktober als erste in die gefallene Festung ein. Mit ihnen kamen die das französische Hilfsheer repräsentierenden Pfälzer des Regiments Zweibrücken. Während diese das französische Banner hißten, entfalteten Steubens Truppen das stolze Banner der sieggekrönten Vereinigten Staaten von Amerika.

In seinem am folgenden Morgen verlesenen Armeebefahl hob Washington hervor, daß dem wackren Steuben ein großer Anteil an dem errungenen Siege gebühre. Ebenso gedachte er, als nach geschlossenem Frieden die Verabschiedung des Heeres erfolgte, in einem besonderen Handschreiben der außerordentlichen Verdienste, die der General sowohl der amerikanischen Armee wie dem Land geleistet habe.

Auch die Bürger des Landes wollten mit Beweisen ihrer Dankbarkeit nicht zurückstehen. Die Staaten New York, New Jersey, Pennsylvanien und Virginien verliehen ihm das Ehrenbürgerrecht und verbanden mit dieser Auszeichnung sehr beträchtliche Landschenkungen. Jene des Staates New York umfaßte 16 000 Acker, die man zu einem besonderen, mit Steubens Namen getauften Bezirk erhob.

Zu solchen Anerkennungen war von Steuben um so mehr berechtigt, als er durch seine Intelligenz und rastlose Tätigkeit die amerikanische Armee erst in den Stand gesetzt hatte, wirkliche Schlachten zu schlagen und Siege zu gewinnen. War der edle George Washington der treibende Geist, die Seele der großen Freiheitsbewegung, so war Steuben zweifellos die Kraft, die diesem Geist die geeigneten Mittel zum Dreinschlagen und Siegen lieferte. Deshalb zögern klarblickende Geschichtsschreiber auch nicht, Steuben als die wertvollste Hilfe zu bezeichnen, die den um ihre Freiheit ringenden Amerikanern aus Europa zuteil wurde.

Der Kongreß der Vereinigten Staaten hielt Steubens Dienste für zu wichtig, um bei der Auflösung der Armee auch ihn zu verabschieden. Man ahnte voraus, daß die Zukunft dem Lande noch schwere Reibungen mit England oder anderen europäischen Reichen bringen müsse, weshalb die Errichtung eines stehenden Heeres sowie die Gründung einer Militärakademie, wo die künftigen Heerführer eine sorgfältige Schulung erhalten könnten, unerläßliche Notwendigkeiten seien. Im Auftrag der Regierung arbeitete Steuben sorgfältige Vorschläge für beide Einrichtungen aus. Im Gegensatz zu zahlreichen hochgestellten Personen, die von einem stehenden Heer nichts wissen wollten, weil diese Einrichtung den demokratischen Grundsätzen einer Republik gefährlich werden könne, betonte Steuben mit allem Nachdruck, daß jeder Bürger einer Republik im Gebrauch der Waffen geübt und für die Verteidigung des Landes bereit sein müsse. Deshalb schlug er die Bildung eines 25 000 Mann starken stehenden Heeres vor, das aus 21 000 Milizsoldaten, 3000 Bundestruppen und 1000 Kanonieren und Pionieren zusammengesetzt werden solle.

Dieser Vorschlag fand nicht nur den Beifall Washingtons, sondern auch die Genehmigung des Kongresses. Desgleichen stimmte man Steubens Plänen für eine Militärschule zu. Es ist die berühmte Akademie zu Westpoint am Hudson, die den Vereinigten Staaten bereits viele bewährte Kriegsmänner lieferte.

Zum lebhaften Bedauern aller patriotisch gesinnten Amerikaner ließ Steuben sich bald darauf durch ein Vorkommnis bestimmen, um seine Entlassung einzukommen. Der Beweggrund war folgender: Als im Jahre 1784 der damalige Kriegsminister Lincoln abdankte, bewarb Steuben sich um dessen Stelle, in der Hoffnung, hier dem Lande weiter nützlich sein zu können. Eine den viel jüngeren General Knox begünstigende Gruppe von politischen Drahtziehern, die ihren Mann ins Amt bringen wollte, erhob aber gegen Steuben den Einwand, derselbe sei ein »Ausländer«, und es wäre gefährlich, einem solchen einen so wichtigen Posten anzuvertrauen.

Als auf diesen fadenscheinigen Grund hin Knox das Amt tatsächlich erhielt, faßte Steuben diese Bevorzugung eines im Inland Geborenen gegenüber einem aus vollster Oberzeugung zum Amerikaner Gewordenen als eine Beleidigung, als eine Anzweiflung seiner so oft bewiesenen Hingabe für die Interessen der Republik auf. Er unterbreitete deshalb am 24. März des genannten Jahres dem Kongreß sein Entlassungsgesuch, das am 15. April unter Verleihung eines goldenen Ehrendegens genehmigt wurde.

Leider erlebte der wackre Soldat auch an seinem Lebensabend noch mancherlei Verdrießlichkeiten. Während der Feldzüge hatte er, da der stets von Geldverlegenheiten bedrängte Kongreß seinen Verpflichtungen betreffs des Steuben zugesicherten Gehaltes nur ungenügend nachkommen konnte, einen bedeutenden Teil sowohl des eignen Unterhalts wie der Kosten seines Stabs aus eigenen Mitteln bestritten. Steubens Guthaben an den Kongreß belief sich zu Ende des Krieges auf 70 000 Dollar.

Ehe der Kongreß an die Erfüllung dieser Verpflichtungen schritt, verstrichen sieben lange Jahre. Inzwischen waren andere, mit den tatsächlichen Verhältnissen wenig vertraute Männer ans Ruder gekommen, welche die Forderungen der von ihnen begünstigten Generale vorschoben und, um Steubens Ansprüche nicht bewilligen zu müssen, die Rechtskraft des zwischen dem früheren Kongreß und Steuben geschlossenen Vertrags anzweifeln wollten. In heller Entrüstung über diesen unwürdigen Versuch sprang der Abgeordnete Page aber auf und rief: »Dieser berühmte Veteran bot uns sein Schwert unter so großmütigen Bedingungen an und leistete uns so wesentliche Dienste, daß ich für den Kongreß erröten würde, falls die Ansichten einzelner Mitglieder zu Beschlüssen erhoben werden sollten. Es ist des Kongresses unwürdig, daß, nachdem er solange die Vorteile dieser Dienste genossen hat, er jetzt ängstlich die Bedingungen untersuchen will, unter denen sie angetragen wurden. Ich wäge sie nicht mit den vorgeschlagenen Dollars ab; ich halte sie für bedeutender als die höchste Summe, die wir dafür geben können. Wenn es von mir abhinge, eine Belohnung für die Opfer vorzuschlagen, die er brachte, um nach Amerika zu kommen und unsere Schlachten zu schlagen, so würde ich, darauf können Sie sich verlassen, eine viel größere Summe bestimmen, als irgendeiner von Ihnen vermutet.«

Erst im Juni 1790 fand die wenig erquickliche Angelegenheit ihre Erledigung, indem der Kongreß Steuben eine lebenslängliche Pension von 2500 Dollar aussetzte.

Der wackre Veteran bezog dieselbe nur vier Jahre lang. Er hatte seinen Wohnsitz in der Stadt New York aufgeschlagen, von wo er sich, begleitet von wenigen vertrauten Dienern, zur Sommerszeit auf sein im Herzen des Staates gelegenes Besitztum begab, um dort landwirtschaftlichen Arbeiten und wissenschaftlichen Studien zu leben und in rauschender Waldwildnis die heiße Jahreszeit zu verbringen. Eine einfache Blockhütte diente ihm als Obdach. Hier wurde der wackre Kämpe im Jahre 1794 von einem Schlaganfall betroffen, infolgedessen er am 25. November verschied.

Seiner letztwilligen Verfügung gemäß schmückte man seine Brust mit dem unter Friedrich dem Großen erworbenen hohen Orden. Dann hüllte man die Leiche in den Soldatenmantel, der während des Feldzugs den Körper so oft umgeben hatte. Nachdem man den Toten dann in einen einfachen Sarg gebettet, setzte man diesen unter den uralten Riesenbäumen eines auf dem höchsten Gipfel der Grafschaft Oneida gelegenen Haines bei. Über dem Grab errichtete man aus grauen Quadern ein Denkmal, auf dem der von einem Eichenkranz umgebene Name »Steuben« dem Wandrer verkündigt, wer hier ruht.

Seit jenen, von der ganzen Nation tiefempfundenen Trauertagen ist mehr als ein Jahrhundert dahingeflossen, ein Zeitraum, währenddessen die einst von Steuben bewohnte Waldwildnis sich in eine mit fruchtbaren Feldern erfüllte blühende Landschaft verwandelte. Aber der alte Hain, in welchem Steuben seine ewige Ruhe hält, ist geblieben. Aus der Ferne gesehen, mahnt er in seiner Wölbung an einen jener gewaltigen Hügel, wie sie in grauer Vorzeit in Skandinavien über den Ruhestätten berühmter Helden aufgehäuft wurden. Beim Eintritt in den Hain umfängt uns grüne Dämmerung. Die morschen Stämme und Äste längst vom Sturm gefällter Riesenbäume liegen umher, von Moos und Farren überwuchert. Wir befinden uns in einem Rest jenes ungeheuren Urwaldes, der vor Ankunft der Bleichgesichter den ganzen Osten bis zum Mississippi bedeckte. Inmitten dieses grünen Waldesdunkels ruht Steuben, der in seinem Testament bestimmte, daß man keinen der sein Grab umgebenden Bäume, wenn sie einst fallen sollten, hinwegräume. Sie wie die vom Sturm gebrochenen Zweige sollten als Symbol der die ganze Natur beherrschenden Vergänglichkeit gelten.

Steubens Ruhestätte in der Grafschaft Oneida, N. Y.

Vergänglichkeit! Wie allem Menschenwerk, so ist auch dem heute so mächtigen Bund der Vereinigten Staaten von Amerika keine ewige Dauer beschieden. Andere Staatswesen mögen im Lauf der Jahrtausende an ihre Stelle treten. Aber solange das amerikanische Volk bestehen wird, solange wird es auch den Namen Steubens als das eines edlen Vorkämpfers der Freiheit in dankbarer Erinnerung halten.

Steubens Blockhütte in der Grafschaft Oneida, N. Y.

Die Kapitulation der englischen Armee bei Yorktown. Nach dem Gemälde Trumbulls im Kapitol zu Washington, D. C.

Die deutschen Truppenabteilungen im französischen Hilfsheer.

Deutsche Hilfstruppen befanden sich auch in der Armee, welche dem am 6. Februar 1778 zwischen den Vereinigten Staaten und Frankreich geschlossenen Vertrag zufolge von dem letztgenannten Lande gestellt und auf einer französischen Flotte nach Amerika gesendet wurde, um an dem Krieg gegen die Engländer teilzunehmen. Das von dem Marquis Rochambeau befehligte 6000 Mann starke Heer landete am 11. Juli 1780 bei New Port in Rhode Island. Seine deutschen Teile umfaßten erstens das aus Pfälzern bestehende Regiment »Zweibrücken«, das bei den Franzosen den Namen: »Regiment Royal Allemand de deux Ponts« führte. Zweitens ein Bataillon Kur-Trierscher Grenadiere des »Saar-Regiments« (»Detachement du régiment La Sarre«). Drittens mehrere Kompagnien elsaß-lothringischer Jäger, die den Regimentern »Bourbonnais« und »Soissonnais« zugeteilt waren. Viertens einen Teil der Reiterlegion des Herzogs von Lauzun. Befehlshaber des Zweibrückschen Regiments waren die beiden Prinzen Christian und Wilhelm von Zweibrücken-Birkenfeld. Außer ihnen befanden sich bei den deutschen und französischen Truppenabteilungen noch folgende höhere Offiziere mit deutschen Namen: Major Freiherr Eberhard von Esebeck, Oberst Adam Philipp Graf von Custine, Graf Axel von Fersen, der Stabschef des Oberstkommandierenden Marquis du Rochambeau, und Freiherr Ludwig von Closen-Haydenburg, der Adjutant Rochambeaus.

Die deutschen Hilfstruppen kamen mit anderen Abteilungen des französischen Heeres hauptsächlich im Süden zur Verwendung, wo die Generale Steuben und Mühlenberg bemüht waren, den in Virginien eingefallenen Verräter Benedict Arnold unschädlich zu machen und an seiner Vereinigung mit dem in Nordkarolina stehenden Lord Cornwallis zu hindern.

Dieses Ziel wurde leider nicht erreicht; dagegen gewannen die im französischen Hilfsheer stehenden deutschen Abteilungen bei der Belagerung von Yorktown hohen Ruhm.

Dorthin hatte der englische General Cornwallis sich mit seinem aus 12 000 Engländern und Hessen bestehenden Heer im Jahre 1781 zurückgezogen, um für seine Operationen in Virginien einen festen Stützpunkt zu haben. Dabei geriet er aber in eine bedenkliche, von seinen Gegnern sofort erkannte Falle. Auf verschiedenen Wegen kamen sie in Eilmärschen herbei und schlossen, 16 000 Mann stark, Yorktown auf der Landseite ein, während eine französische Flotte gleichzeitig den Yorkfluß blockierte und die Einkreisung vollendete.

Am 6. Oktober begannen die Belagerer mit dem Auswerfen der ersten, 600 Schritt von der Festung entfernten Parallele. Die Amerikaner standen dabei auf dem rechten, die Franzosen auf dem linken Flügel. Schon am 10. Oktober eröffneten sie das Bombardement und zwar mit gutem Erfolg, denn mehrere bei Yorktown ankernde englische Schiffe gerieten durch glühende Kugeln in Brand und gingen in Flammen auf.

Am 11. Oktober nahm man die auf 300 Schritt gegen die feindlichen Wälle vorgeschobene zweite Parallele in Angriff. Dabei galt es zwei feindliche Redouten zu erstürmen. Das geschah am 14. Oktober, und zwar wurde die eine von 400 Grenadieren und Jägern der beiden Regimenter »Zweibrücken« und »Gatenois« unter Führung des Prinzen Wilhelm von Zweibrücken genommen, während die andere den Amerikanern in die Hände fiel.

Die durch den Prinzen angegriffene Redoute war von 100 Hessen und 30 Engländern besetzt. Die britischen Rotröcke gaben schon beim ersten Angriff Fersengeld. Die Hessen hingegen hielten tapfer stand und fügten den Angreifern einen Verlust von 97 Toten und Verwundeten zu. Unter den Blessierten befand sich der Prinz, welcher eine Verletzung am Kopf davontrug.

Während dieser Kämpfe erfolgten auf beiden Seiten die Befehle in deutscher Sprache. Man hat wegen der großen Zahl der auf beiden Seiten kämpfenden Deutschen die Belagerung von Yorktown »die deutsche Schlacht« genannt. Und in der Tat war die Beteiligung der Deutschen an jenen Kämpfen ungewöhnlich stark. Fast der vierte Teil der englischen Armee – etwa 2500 Mann – bestand aus Hessischen und Anspachischen Hilfstruppen. Ebenso groß war die Zahl der im französischen Heer dienenden Deutschen. In der amerikanischen Armee bestand die von General Steuben und den Untergenerälen Mühlenburg, Gist und Wayne befehligte 3200 Mann starke Division fast ausschließlich aus deutschen Farmersöhnen aus Pennsylvanien und Virginien. Daß sich auch unter den übrigen amerikanischen Regimentern viele Deutsche befanden, ist sicher. So finden wir, daß von den 28 000 Mann, welche auf beiden Seiten vor und in Yorktown fochten, fast ein Drittel Deutsche waren, welche unter englischen, französischen und amerikanischen Fahnen kämpften.

Mit der Eroberung der Redouten und der Vollendung der Laufgräben war das Schicksal der Festung besiegelt. Ein am Morgen des 16. Oktober von den Belagerten unternommener Ausfall führte keine Änderung zu ihren Gunsten herbei.

Am Morgen des 17. Oktober befanden sich auf französischer Seite die beiden Regimenter »Zweibrücken« und »Bourbonnais«, auf amerikanischer Seite die Truppen des Baron von Steuben in den Laufgräben. Ihr gegen die Festung gerichtetes Geschützfeuer brachte die feindlichen Kanonen nach kurzer Zeit zum Schweigen.

Die Fruchtlosigkeit ferneren Widerstands erkennend, entschloß sich Lord Cornwallis nach einem mißglückten Versuch, über den Yorkfluß zu entweichen, zur Kapitulation. Nachdem die Bedingungen vereinbart waren, fiel einer Abteilung von Grenadieren des Regiments »Zweibrücken« die Ehre zu, über den Wällen der Festung das weiße, mit goldenen Lilien bestickte Banner Frankreichs aufzuziehen.

Die Stärke der kapitulierenden Armee belief sich auf 7000 Soldaten, 2000 Matrosen, 1500 Tories und 1800 Neger, im ganzen über 12 000 Mann. Außerdem fielen 8000 Musketen, 225 Geschütze und bedeutende Vorräte an Munition und Proviant den Amerikanern in die Hände.

Bancroft erzählt, daß die im britischen Dienst stehenden hessischen und anspachischen Regimenter beim Strecken der Waffen an dem Regiment »Zweibrücken« vorüberkamen. Da hätten die gefangenen Deutschen vergessen, daß sie den Siegern in Waffen gegenübergestanden. Sie wären auf ihre Landsleute zugelaufen und hätten dieselben mit Tränen in den Augen umarmt.

Dem tapfern Prinzen Wilhelm von Zweibrücken erteilte der Befehlshaber des französischen Heeres den ehrenvollen Auftrag, zusammen mit dem Herzog von Lauzun die Nachricht von dem glorreichen Sieg der verbündeten französisch-amerikanischen Heere nach Frankreich zu bringen.

Die Übergabe von Yorktown bildete das letzte größere Ereignis des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs. In England erkannte man, daß die Amerikaner nicht mit Gewalt unterjocht werden konnten. Da auch im englischen Volk eine energische Abneigung gegen die Fortführung des ungemein kostspieligen Kriegs bemerkbar wurde, so entschloß die Regierung sich endlich dazu, ihre Truppen zurückzuziehen und die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten anzuerkennen.

An der glorreichen Gewinnung derselben haben die vielen tausend Deutsche, welche unter den amerikanischen Fahnen fochten, unstreitig einen ruhmvollen Anteil. Die unparteiische Geschichtsschreibung wird dieses Anteils stets gedenken. Und solange das Andenken an den Unabhängigkeitskampf der Vereinigten Staaten lebendig bleibt, solange wird man sich auch der mit diesem größten und folgenreichsten Ereignis der neueren Geschichte unlösbar verbundenen Namen der Helden Nikolaus Herchheimer, Peter Mühlenberg, Johann Kalb und Friedrich Wilhelm von Steuben erinnern.


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