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Die Tage vergingen. Honor hatte sich mit ihrer näheren Umgebung vertraut gemacht, hatte einige der nötigsten hindostanischen Worte gelernt, viele Besuche abgestattet und ihre Geschicklichkeit im Tennis dargethan. Mama Brande ihrerseits hatte den Beweis geliefert, daß sie eine Frau war, die Wort hielt. Sie hatte den jungen Jervis ein für allemal und als ständigen Gast in ihr Haus geladen, und dies war ihr um so leichter geworden, da Mark auch in den Augen ihres Eheherrn Gnade fand, und der sehr ehrenwerte Pelham den gut erzogenen, angenehmen jungen Mann, der ein ausgezeichneter Tennisspieler und ohne alle affektierten Manieren war, mit ebenso herzlicher Freundlichkeit aufnahm, wie sie.
Was Hauptmann Waring anbetraf, so hatten sich die näheren Beziehungen zwischen ihm und den Reisegefährten, wie es das Schicksal so vieler Reisebekanntschaften ist, nach und nach gelockert und waren endlich ganz eingeschlafen. Die großen Staatsdiners im Brandeschen Hause waren, obwohl im übrigen tadellos, doch zum Verzweifeln langweilig. Frau Brande gehörte nicht zu dem amüsanten, eleganten Kreise der Gesellschaft, und ihre Nichte war viel zu sehr Naturkind und viel zu geradezu; ja ihre grauen Augen hatten einen Blick, der ihm, dem mit allen Hunden gehetzten, blasierten, selbstsüchtigen Weltling, oft unbehaglich wurde. Außerdem hatte sie wohl eine scharfe Zunge, aber kein Vermögen, und so war er denn mit klingendem Spiel ins feindliche Lager übergegangen und folgte als getreuer Vasall Ida Langrishes Fahne.
*
Die erste größere Gesellschaft, die Honor mitmachte, war ein Mittagessen bei dem Vorsteher des Medizinalamtes in Shirani. Mama Brandes Koch hatte von Frau Lloyds Khansamah, als dieser gekommen war, um Geleeformen und Eislöffel von ihm zu borgen, erfahren, daß dreißig Personen geladen waren, und die alte Dame, die eine große Vorliebe für solche Staatsdiners hatte, bei denen sie in der Regel die Rolle des vornehmsten Gastes und der erfahrensten Kritikerin spielte, sah dem Tage mit einer ihrer Nichte fast kindlich erscheinenden Freude entgegen. Pelham Brande war verreist.
»Du wirst dein weißseidenes Kleid anziehen, Honor, und ich habe meine rote Brokatrobe mit den weißen Spitzen gewählt. Ich bin neugierig, wie Frau Lloyd ihre Sache machen wird. Da sie sich aber den Fisch von Bombay hat kommen lassen, so hat sie wohl die Absicht, etwas Ordentliches zu geben. Bist du schon einmal bei einem großen Diner gewesen, Kind?«
»Nein, Tantchen.«
»Na, ich bin neugierig, wer dich zu Tische führen wird. So viel ich weiß, sind Hauptmann Waring, der junge Jervis und Baronet Sandilands eingeladen. Ich hoffe, daß Waring dein Nachbar sein wird.«
»Das hoffe ich gar nicht, Tantchen. Wir, er und ich, passen schlecht zu einander.«
»Wieso?« fragte Tante Sara in etwas scharfem Tone.
»Ich bin für ihn nicht schneidig und witzig genug. Er kann mit mir nicht einmal von seinen Bekannten sprechen; denn ich weiß von nichts, kenne niemand und bin im Vergleich zu der amüsanten Lalla Paske nur ein bescheidenes Landgänschen.«
»Dummes Zeug! Freilich würde ich selbst fünfzigmal lieber neben dem jungen Jervis sitzen. Er hat so nette Manieren und ist so ganz anders, als andre junge Männer, die in meinem Hause essen und trinken und sich's wohl sein lassen und mich nachher kaum eines Blickes würdigen, ja, es nicht einmal der Mühe wert halten, vom Stuhle aufzustehen, wenn man im Klub an ihnen vorübergeht. Jedenfalls wünsche ich dir einen angenehmen Nachbar, liebe Honor; denn ein solches Diner ist sehr lang.«
»Das ist ja eine schlimme Aussicht.«
»Ja, es kommt dabei hauptsächlich auf die Dienerschaft an, und die eingeborenen Diener gehören eben zu den sieben Plagen Aegyptens. An solchen Tagen, wo sie wissen, daß man ihnen gegenüber völlig machtlos ist, pflegen sie uns heimzugeben, was sie etwa gegen uns auf dem Herzen haben. So sah ich einmal, und ich werde das Gesicht der Wirtin nie vergessen, daß gestampfte Kartoffeln als Zwischenspeise für sich herumgereicht, und ein andres Mal, daß der Senf in einer Obertasse serviert wurde, obgleich die Gastgeberin sehr schöne silberne Platmenagen besaß. Was meinen Nachbar anbetrifft, so bin ich dessen sicher. Da ich die älteste und vornehmste unter den Gästen bin, so hat mich der Hausherr zu Tische zu führen, und die Lloyds -- die Frau ist selbst die Tochter eines höheren Zivilbeamten -- wissen, was sich schickt. Sie kennen die Rangliste jedenfalls auswendig. Sonst könnte ich ihnen diese hier leihen,« fuhr Tante Sally fort, indem sie ein blau eingebundenes Buch zur Hand nahm und laut die folgende Stelle daraus vorlas: »Die Damen nehmen je nach dem Range ihrer Ehemänner Platz.«
»Ich möchte wohl wissen,« schaltete sie hier ein, »wie oft Frau Langrishe diese Regel durchbrochen hat. Aber bei den Lloyds wird das eben nicht angehen, dort wird sie wie ein Garniemand sein! Mein Mann, sieh her, Honor, steht im Range dicht hinter dem Bischofe. Siehst du?«
»Ja, Tante Sara.«
»Die Langrishes stehen aber noch unter manchen niederen königlichen Staatsdienern: so zum Beispiel bin ich gar nicht sicher, ob ihnen der Vortritt vor den Beamten des Erziehungs- und Unterrichtswesens zweiter Klasse zukommt.«
Honor bemühte sich, so verständnisvoll als möglich auszusehen, ohne das große Interesse ihrer Tante recht zu verstehen. Die alte Dame war ganz rot geworden und ihre Augen glänzten, während sie mit der Hand auf die Rangliste schlug, die auf ihren Knieen lag.
Endlich war der große Tag gekommen. Frau Brande, die ihr blaßrotes Brokatkleid, einen Kopfputz mit drei Federn von derselben Farbe und alle ihre Diamanten angelegt hatte, machte sich bei guter Zeit auf den Weg, und Honor, die ihr neues weißseidenes Kleid trug und auf Verlangen ihre Violine mitnahm, folgte der Tante.
Die Wirtin empfing die Damen mit überschwenglicher Zuvorkommenheit. Der Salon war bereits mit den Spitzen der Gesellschaft, die ihre besten Kleider und ein offizielles Lächeln auf den Lippen trugen, gefüllt, und bald darauf flog die Thür des Speisezimmers auf, und ein sich tief verbeugender prächtiger Diener erschien mit der Meldung: »Khanamez pur!« (Es ist angerichtet!)
Frau Brande erhob sich halb von ihrem Sitze und lächelte dem Hausherrn ermutigend zu.
Aber was war das? Anstatt sich ihr zu nähern, bot er einer unbedeutend aussehenden, schwarz gekleideten, ganz fremden Dame den Arm! Die alte Dame fühlte, wie sie später selbst gestand, daß »ihr eine Gänsehaut über den Rücken lief«.
Welch eine Beleidigung vor der ganzen Station oder wenigstens dem maßgebenden Kreise derselben! Und da drüben stand Ida Langrishe und blickte sie lächelnd -- und mit was für einem abscheulichen Lächeln! -- an.
Nein, diese Frau sollte den Triumph, ihre Gegnerin gedemütigt zu sehen, nicht haben! Ihr Lächeln war eine Herausforderung und wirkte als Reizmittel, und nach einem kurzen Moment des Zögerns, während dessen die Zuschauer den Atem anhielten, nahm Mutter Brande den Arm eines Herrn, der sich ihr mit einer respektvollen Verbeugung genähert hatte, und rauschte an seiner Seite langsam, aber mit einem zornigen Schütteln der drei Federn auf ihrem Haupte in den Speisesaal.
Sie wurde zu einem der Ehrenplätze an der Tafel geführt; aber was nützte ihr das? Selbst ein vergoldeter Stuhl mit einem Krönchen an der Rücklehne würde sie nicht besänftigt haben. Mit hochmütiger Gebärde wies sie die Suppe ab und lehnte sich, mit einem verächtlichen Blicke auf ihre Umgebung, stumm in ihren Stuhl zurück.
Bald stieg ihr ein entschiedener Petroleumgeruch in die Nase. Einer der Khitmatgars trug also einen schmutzigen Rock! Und dort erblickte sie ja Frau Sladens schönen Weinkrug! Auch viele Gabeln waren geborgt! Was die Speisen anbetraf, so hatte sie darüber kein Urteil, denn sie wies diese entweder mit nicht verhehlter Verachtung zurück, oder nahm auch zur Abwechslung davon, um sie dann unberührt auf ihrem Teller liegen zu lassen, wohlwissend, daß nichts besser geeignet ist, die Wirtin zu kränken und zu verletzen. Selbst der Hausherr bemerkte ihren Mangel an Appetit und rief ihr mit seiner lauten, freundlichen Stimme zu: »Aber, verehrteste Frau, Sie essen ja gar nichts.«
»Ich wundere mich, daß Sie das aus solcher Entfernung wahrnehmen können!« rief die Angeredete, sich vorwärts über den Tisch beugend, und fügte dieser ungnädigen Antwort noch bei: »Ich bin heute abend nicht bei gutem Appetit!« Dann warf sie sich wieder in den Stuhl zurück und ließ ihren Fächer heftig auf und nieder rauschen.
Was die Sache noch verschlimmerte, war, daß Lalla Paske, die ihren Platz zwischen dem Baronet und Hauptmann Waring hatte, der schwer gekränkten Frau gegenüber saß und sie fortwährend beobachtete.
Die kleine Schlange! Die alte Dame hätte ihr einen Teller an den Kopf werfen mögen! Honor, die an der andern Seite des Baronets saß, sah, wie ihre Tante bemerkte, sehr gut aus und unterhielt sich lebhaft. Der Baronet schien sich sehr für sie zu interessieren, er widmete sich ihr fast ausschließlich, und diese Beobachtung war der einzige Genuß, den sich Tante Sara bei Tische gestattete.
Endlich wurde die Tafel aufgehoben, und die Damen begaben sich ins Empfangszimmer zurück. Frau Brande nahm in einem großen Lehnstuhle Platz, wo sie in einsamer Majestät thronte und mit starr abweisendem Gesicht in einem Photographiealbum blätterte. Sie hielt das Buch verkehrt; aber das that nichts zur Sache.
Vergeblich trat die arme kleine Frau Lloyd zu ihr und suchte, sie durch ausgesuchte Freundlichkeit und Höflichkeit, durch die Bewunderung ihrer Toilette und das Lob ihrer Nichte zu besänftigen. Endlich bat sie, als letztes Mittel, die ergrimmte Frau in der schmeichelhaftesten Form um das Rezept zu einem gewissen Pudding. Auch dies war verlorene Liebesmüh.
»Ein Rezept für das, was sich paßt und schickt, könnte ich Ihnen schon eher geben. Ich werde Ihnen morgen schreiben und Ihnen die Rangliste zusenden,« versetzte die alte Dame mit lauter, zorniger Stimme.
Bei dieser schrecklichen Drohung überlief es Frau Lloyd kalt; glücklicherweise aber traten in diesem kritischen Augenblicke die Männer in kleinen, zwanglosen Gruppen in das Gemach. Sie fanden die Damen meist paarweise im Zimmer verstreut, nur eine saß in einsamer Größe ganz allein da.
Waring schlenderte auf Lalla zu.
»Wenn ich mich hier umsehe,« bemerkte er mit einem bezeichnenden Blick auf Frau Brande, »so möchte ich, wie jenes mitleidige Kind beim Durchblättern von Doré's Bilderbibel, sagen: ›Ach, da ist ein armer Löwe, der noch keinen Christen zu fressen gekriegt hat!‹«
»Ganz so schlimm, wie Sie denken, ist sie gar nicht dran,« gab Lalla mit ernstem Gesicht zur Antwort. »Sie hat eben beinahe die Frau vom Hause aufgefressen. Sieht sie nicht ganz wild aus? Wen soll man ihr noch zum Opfer vorwerfen? Sie ist so furchtbar wütend, weil sie der Hausherr nicht zu Tisch geführt hat. Die arme Frau hat so wenig eigene Würde, daß sie immer ängstlich besorgt ist, man möchte ihr irgend eine Ehre versagen. Hurra, Hurra! Sie rüstet sich zum Aufbruche! Die alte Person amüsiert mich über alle Maßen.«
Ja, Frau Brande hatte sich erhoben. Wenn man sie nicht als die erste in den Speisesaal geführt hatte, so wollte sie wenigstens die erste sein, die aufbrach. Das hatte sie glücklicherweise in den Händen.
Umsonst machte die verschüchterte Wirtin geltend, daß es ja erst halb neun Uhr sei, daß sich alle darauf freuten, Fräulein Gordon spielen zu hören, und daß sie versprochen habe, ihre Geige mitzubringen.
»Gewiß, Frau Brande, Sie werden nicht so grausam sein, die Gesellschaft um das Vergnügen zu bringen,« flehte die kleine Frau. »Man hat mir gesagt, sie spiele wunderbar schön!«
»Die Gesellschaft hat das Vergnügen gehabt, mitanzusehen, daß Fräulein Gordons Tante den ganzen Abend die zweite Geige gespielt hat, und damit muß sie sich für dieses Mal zufrieden geben,« entgegnete die Beleidigte, die bereits draußen auf der Veranda stand, sich nun in einen langen Mantel von kostbarem Pelzwerk wickelte, Honor winkte, ihr zu folgen, und die Stufen hinabschritt.
Auf dem Heimwege, während die beiden Rickshaws nebeneinander dahinrollten, gab Tante Sara ihren verletzten Gefühlen Worte. Der Vortritt war das, worauf sie das meiste Gewicht legte. Lieber würde sie geduldet haben, daß andre Frauen ihr sonst zu nahe traten, sie beklatschten, verleumdeten, auf alle mögliche Weise beleidigten, als daß sie sich den Vortritt streitig machen ließ. Hoch und heilig versicherte sie ihrer schreckensstarren Nichte, sie werde noch diesen Abend, ehe sie sich zum Schlafen niederlege, darüber an Pel schreiben, und würde ihr nicht eine glänzende Genugthuung zu teil, so werde sie »bis an den Vizekönig gehen, und die Sache solle den Leuten teuer zu stehen kommen«.
Dabei hatten sie das eigene Haus erreicht, und nachdem Frau Brande ihren Mantel abgeworfen und dem erschrockenen Diener die Lampe aus der Hand gerissen hatte, eilte sie in Pels Studierzimmer und kehrte mit einem Buche in der Hand zurück.
»Wie hieß die Person, Honor?« fragte sie ihre Nichte. »Hast du den Namen gehört? Ich meine die, welche von dem Hausherrn zu Tische geführt wurde.«
»Ich glaube Mrs. Ringrose.«
»Ringrose -- Ringrose!« sagte sie, die Blätter hastig umschlagend. »Da, da ist der Name James Walter Ringrose. Aber der Mann ist ja Regierungsbeamter erster Klasse in Kalkutta und sogar acht Tage früher in Dienst getreten als Pel!« rief sie, ihre Nichte mit schreckensbleichem Gesicht und der hilflosen Miene eines ungezogenen, über die eigene Unart tief beschämten Kindes ansehend. »Da habe ich mich also ganz ohne Ursache geärgert und mich um ein gutes Diner und einen vergnügten Abend gebracht, ich alte Närrin!« rief sie, das Buch auf den Tisch werfend. »Aber wie kommen auch solche Leute von Kalkutta hierher?« setzte sie ärgerlich hinzu.
»Ich glaube, sie hat eine Schwester in Shirani; ihr Mann macht eine Reise in die Schneeberge und hat sie hier gelassen,« berichtete Honor, und setzte dann in herzlicher Weise hinzu: »Aber Tantchen, warum zerbrichst du dir den Kopf über solche Dinge? Was kommt darauf an, wer dich zu Tische führt und wo du sitzest?«
»Ja, siehst du, liebes Kind, das liegt mir so im Blute, und ich kann's nicht ändern. Es ist mir ebenso unentbehrlich, wie Essen und Trinken und hat für mich etwa dieselbe Bedeutung, wie das Ehrenkreuz für den Soldaten und die Krone für eine Herzogin, das heißt, es ist das äußere, sichtbare Zeichen der Anerkennung, sowohl der Verdienste Pelhams, als der meinigen. Sehe ich eine andre auf dem Platze, der mir gebührt, so verletzt mich das aufs tiefste. Die Frau hat den Rang ihres Mannes, klang es mir den ganzen Abend über in den Ohren. Wie konnte ich denn wissen, daß der Mann jener Frau ebenfalls Königlicher Oberverwaltungsrat ist? Daß ich mich doch noch an den Tisch setzte, ist mein einziger Trost. Anfänglich wußte ich nicht recht, ob ich gehen oder bleiben sollte. Ich erinnere mich, daß einmal drei Damen in einer Gesellschaft waren, die alle das gleiche Recht hatten, von dem Hausherrn zu Tisch geführt zu werden, und daß, als er eine von ihnen wählte, die andern beiden das Diner im Stiche ließen und sofort ihrer Wege gingen.«
»Wie dumm! Sie hätten einander den Arm bieten und so zu Tische gehen sollen. Wenigstens hätte ich's so gemacht!« rief Honor lachend.
»Ja, so denkt ihr jungen Leute; aber ich kann mich nun nicht mehr ändern und kann ebensowenig aus meiner Haut heraus, als ein Löwe oder ein Leopard. Du wirst jetzt wissen, was ich meine, Kind, und nun komm, gib mir einen Kuß und verzeihe mir, daß ich auch dich zwang, so früh aufzubrechen, und überhaupt das Vergnügen der andern störte. Aber wer weiß, ob du nicht auch noch eines Tages empfindlich wirst.«
»Vielleicht; aber sicherlich nicht da, wo es sich um Rang und Vortritt handelt. Im Himmel weiß man sicherlich nichts davon.«
»Das ist noch nicht bewiesen,« meinte Tante Sara. »Die Erzengel stehen doch auch über den andern Engeln. Ich aber will all meinen Stolz dahinten lassen; denn wenn ich je in den Himmel kommen sollte, würde ich dort einen sehr niedrigen Platz einnehmen. Doch nun schaffe mir was zu essen, Kind, ich bin furchtbar hungrig. Sage Bahadar Ali, er möchte mir ein Stück kalten Truthahn, Schinken und ein Glas Rotwein bringen. Willst du nicht auch noch einen Bissen essen?«
»Nein, ich danke, Tante!«
»Aber sage mir doch, wie dir dein Nachbar, der Baronet, gefallen hat,« fuhr Tante Sara, auf einen andern Gedanken übergehend, fort. »Ich sah, daß ihr euch viel miteinander unterhieltet.«
»Ja, er ist ein recht netter Mensch und erzählte mir viel von seinen Reisen.«
»Und ich sah, daß sich Lalla Paske mehreremal bemühte, dazwischen zu fahren. Was für ein vorlauter kleiner Affe sie ist. Ganz das Ebenbild ihrer Tante.«
*
Am andern Tage schickte »Mutter Brande« anstatt des angedrohten Briefes ein Dutzend Ananas und ein Körbchen frischer Eier zu Frau Lloyd. Die Gabe wurde als Friedenszeichen mit Vergnügen angenommen, und der »Rangliste« geschah zwischen beiden Damen nie wieder Erwähnung.