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»Ich glaube, ich muß sie einladen zu kommen. Mir selbst kann es ja auch nur angenehm sein, sie hier zu haben; aber ich fürchte, Granby wird die stete Anwesenheit eines jungen Mädchens im Hause langweilig finden. Drei ist in Indien immer eine dumme Zahl.«
»Auch anderwärts ist sie bisweilen unbequem,« bemerkte eine Dame, die vor dem Kamine saß und mit einem verhältnismäßig kleinen Blasebalg in ein großes Kaminfeuer pustete.
»Du weißt, was ich meine, Milly,« versetzte die erste Sprecherin, eine hübsche, etwas blasiert aussehende Frau, die, mit einem offenen Briefe auf den Knieen, bequem in ihrem Lehnstuhle lag. »Die Häuser sind hier, und besonders in den Kantonnements, gewöhnlich nur für zwei Menschen eingerichtet. Die Viktoria und der Ponywagen bieten nur Platz für zwei, und Frühstück und Mittagessen lassen sich unter den hiesigen Verhältnissen auch stets am besten für zwei einrichten. Aber ich würde sehr gern ein junges Mädchen haben, das ich in der Gesellschaft bemuttern könnte. Es wäre immerhin ein Lebenszweck und würde mir wieder mehr Lust machen, Gesellschaften zu besuchen.«
»Ist das denn nötig?« fragte die Dame mit dem Blasebalge, indem sie sich der andern mit einem leichten Lächeln über die Schulter zuwandte.
»Ja, es ist nötig, du unangenehme kleine Person! Wenn eine Frau nicht mehr ganz jung und ihre eigene Blütezeit vorüber ist, so bietet ihr nur eine hübsche, junge Gefährtin noch passende Gelegenheit, sich an dem Glücksspiele einer Heirat zu beteiligen, eine Gelegenheit aus zweiter Hand freilich, aber doch immerhin anregend, während das Leben sonst in einem gewissen Alter nur zu sehr abgestandenem Sodawasser gleicht.«
»Das finde ich nicht,« entgegnete die Dame mit dem Blasebalg.
»Sollte mich auch wundern. Du bist so energisch und hast so viel Interesse für andre, widmest dich mit Leib und Seele deinen Wohlthätigkeitsbestrebungen, beteiligst dich an allen Werken der Barmherzigkeit und nimmst so lebhaften Anteil an dem Wohl und Wehe andrer Leute, während mein Interesse und meine Thatkraft kaum über Granby und meine eigene Person hinausreichen. Ich bin nachgerade so stumpf und gleichgültig geworden, daß mir selbst die Aussicht, Mutter Brande auszustechen, keine Lust mehr macht, einen Ball zu besuchen. Die Dinge würden aber ein ganz andres Gesicht bekommen, wenn ich eine Nichte zu verheiraten und gut zu verheiraten hätte. Wie hübsch müßte es sein, andern Mädchen und ihren pläneschmiedenden Müttern den Rang abzulaufen, wie hübsch, wenn die besten Partieen am Orte dieser Nichte zu Füßen lägen! Ihr Triumph würde auch der meinige sein!« Dabei schloß Frau Langrishe langsam die schweren Lider und schien, nach dem Ausdruck ihres Gesichtes zu urteilen, gänzlich in diese beglückende Vorstellung zu versinken. Eine sehr prosaische Frage weckte sie aus ihrer Versunkenheit.
»Wie alt ist denn deine Nichte?«
»Ja, laß mich mal überlegen!« rief Frau Langrishe sich aufrichtend. »Laß mich mal sehen! Unter uns gesagt, ich glaube fast, sie muß ihre sechsundzwanzig Jahre haben. Wie doch die Zeit vergeht! Sie ist die Tochter meines ältesten Bruders, der eine sehr starke Familie hat. Meine Schwester Fanny nahm Lalla vor achtzehn Monaten zu sich nach Kalkutta, aber Fanny ist jetzt gezwungen, nach England heimzukehren, und wünscht nun, sie mir zu schicken.«
»Ich begreife,« gab die Freundin mit einem verständnisvollen Kopfnicken zur Antwort.
»So wirst du auch begreifen, daß, da wir beiden Schwestern keine eigenen Kinder haben, die übrigen Glieder der Familie allezeit bereit sind, uns mit ihren Sprößlingen auszuhelfen. Ich habe stets gedankt, habe ihnen immer meine abgelegten Kleider geschickt, aber ich will dir doch den Brief meiner Schwester vorlesen,« setzte sie hinzu, indem sie das Papier entfaltete.
»Chowringhee, den 22. Februar.
Teuerste Ida!
Die hiesigen Aerzte behaupten, Richard müsse sofort nach England. Er ist schon zu lange hier gewesen, und es ist die höchste Zeit, daß ihn ein andrer Teilhaber der Firma ablöst. Er hat tüchtig gearbeitet, und es wird nun nötig, daß er einmal ganz ausspannt. Ich muß ihn begleiten, aber die Sache kommt mir sehr unerwartet. Ich hatte bereits für die warme Jahreszeit ein Haus in Simla gemietet, was sich indessen glücklicherweise noch rückgängig machen läßt; aber was fange ich mit der lieben kleinen Lalla an?
Das arme Kind kam erst vor anderthalb Jahren herüber und kann sich mit dem Gedanken, Indien schon wieder zu verlassen, nicht befreunden, was auch bei der großen Menge ihrer Verehrer und einem Koffer voll neuer Kleider, den der letzte Dampfer mitbrachte, gar kein Wunder ist. Ich hatte die Absicht, ihr einen heiteren Winter zu bereiten und Dick allein nach Hause zu schicken, aber alle meine Pläne sind mir über dem Kopfe zusammengefallen! Um jedoch auf den eigentlichen Zweck meines Briefes zu kommen, würdest Du vielleicht Lalla zu Dir nehmen? Ich möchte sie in keinen andern Händen lassen, als in denen einer leiblichen Tante, obwohl ich weiß, daß Frau Monty-Kute vor Verlangen brennt, sie bei sich zu haben. Du würdest eine sehr amüsante Gesellschaft an ihr finden, denn wo Lalla im Hause ist, kann niemand verdrießlich sein. Sie ist ein sehr hübsches Mädchen, mit dem Du Ehre einlegen würdest, hier gilt sie als die erste Schönheit. Auch singt sie recht hübsch, spielt Banjo Banjo, das landesübliche zitherartige Saiteninstrument. (Anmerk. d. Uebers.) und Guitarre und tanzt vorzüglich. Was ihr Temperament anbetrifft, so ist nichts im stande, ihr die gute Laune zu trüben. Woher sie diesen heiteren Sinn nur haben mag? Ein Familienerbteil ist er nicht. Ich habe sie nicht ein einziges Mal verstimmt gesehen, und das ist mehr, als man von Tausenden von jungen Mädchen sagen kann. Ich würde sie Dir auch recht gut ausgestattet schicken. Unter andern besitzt sie ein neues Reitkleid, einen neuen Sattel und kann auch, wenn Du das wünschest, ihr Pony mitbringen. Ich bin überzeugt, liebe Ida, daß Du sie bei Dir aufnehmen wirst, wenn Du's irgendwie einzurichten vermagst, und daß Du alles thun würdest, um sie gut zu verheiraten, denn Du weißt: der arme Eustache hat noch Charlotte und Sophie, die inzwischen herangewachsen sind, zu versorgen. Auch May ist schon achtzehn. Du bist ja so klug, umsichtig, verständig und so allgemein beliebt und überragst mich in jeder Beziehung so sehr, daß ich überzeugt bin, wenn Du Lalla unter Deine Flügel nimmst, ist ihr Glück gemacht. Da wir Plätze auf dem ›Paramatta‹ genommen haben, der am 12. abgeht, bitte ich Dich um Antwort mit wendender Post.
Deine Dich liebende Schwester
Fanny Crauford.«
»Fanny hat ganz recht,« fügte Frau Langrishe mit einer leichten Beimischung von Geringschätzung im Tone hinzu. »Man kann sie jedenfalls nicht zu den klugen und umsichtigen Frauen rechnen. Sie ist ein gutmütiges Geschöpf, das sich ganz und gar von seinen Gefühlen bestimmen läßt, keine Spur von Takt besitzt, bei jeder Gelegenheit hereinfällt und von allen Seiten mißbraucht wird. Jedenfalls will ich aber das Pony nicht haben.«
»Du bist also schon fest entschlossen, das junge Mädchen zu dir zu nehmen?« fragte die Freundin in halb ungläubigem Tone.
»Ja,« gab Frau Langrishe zur Antwort, indem sie ihre langen weißen Hände hinter dem Kopfe kreuzte. »Lalla ist hübsch, amüsant, gut erzogen, heiter, ich wüßte nicht recht, warum ich diesmal nein sagen sollte, obgleich ich es bis jetzt immer abgelehnt habe, eine meiner Nichten zu mir zu nehmen. Als Vorwand diente mir stets, daß es Granby nicht gern sehen würde. Nun ist aber diese Nichte einmal in Indien gestrandet, und es würde häßlich aussehen, wenn ich mich weigerte, ihr förderlich zu sein. Außerdem kommt sie mir gerade jetzt ganz recht; wir können uns gegenseitig etwas sein. Sie wird mich amüsieren, mich erheitern und verjüngen, wird sich im Hause nützlich machen, die Blumen pflegen, notwendige Briefe schreiben, mir vorlesen, die Nippsachen abstauben, Kaffee und Salat machen, allerlei kleine langweilige Besorgungen übernehmen und mir außerdem zu einem Ruhmeskranze verhelfen, wenn es mir gelingt, in dieser Saison eine ›große Partie‹ zu stande zu bringen.«
»Und du -- was gedenkst du ihr dafür zu bieten?«
»Ich biete ihr ein reizendes Heim, werde ihr die angenehmsten Männer einladen, werde sie überall vorstellen, ihr, wenn nötig, einige neue elegante Ballkleider schenken, sowie den reizenden Theaterumhang, der mir zu eng geworden ist.«
»Oder, besser gesagt, für den du zu dick geworden bist,« bemerkte die andre mit einer leichten Hebung der Augenbrauen.
»Milly, du kannst wirklich schrecklich sein!«
»Und was wird der Major dazu sagen?« fuhr Milly fort, ohne sich einschüchtern zu lassen.
»O, Granby wird sich fügen ... aber ich muß mich beeilen, Fannys Brief zu beantworten und ihr zu sagen, daß ich sehr entzückt bin, Lalla aufnehmen zu können. Bitte, Milly, sei gut und brühe den Thee auf, während ich eine Zeile schreibe. Die Post geht um sechs Uhr ab.«
Die andre Dame, die sich bisher mit dem Feuer beschäftigt hatte und nun den Thee aufgoß, war nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, die Herrin, sondern nur eine alte Freundin des Hauses, die an diesem kalten Märznachmittage zu einem Plauderstündchen gekommen war. Eine schlanke, kränklich aussehende Erscheinung mit schwarzem Haar, schwarzen Augen und -- obgleich sie kaum älter als Dreißig sein mochte -- einem schmalen, von vielen frühzeitigen Fältchen durchzogenen, vergrämten, sorgenvollen Gesicht. Es fiel keinem Menschen ein, Frau Sladen hübsch zu finden, aber die meisten Frauen nannten sie ein »liebes Geschöpf«, und die Männer meinten, sie sei »eine Person, die alle Hochachtung verdiene«. Durch ihre Eltern noch sehr jung, ehe sie die Bedeutung des Schrittes recht verstand, an einen ältlichen Beamten verheiratet, war sie von Stund an die Sklavin eines selbstsüchtigen, grilligen, reizbaren Mannes geworden, dessen Horizont nicht über zwei Tische, den Mittagstisch und den Spieltisch, hinausging und dessen Liebe und Sorge nur seiner eigenen wichtigen Person galt. Milly Frasers Eltern waren gerade in Begriff gewesen, Indien zu verlassen, waren ohne Vermögen und hatten noch eine große Familie zu versorgen, sonst hätten sie sich wohl besonnen, ihre hübsche Milly (damals war sie noch hübsch), einem Manne zu geben, der zwar ein gutes Gehalt bezog und dessen Witwe pensionsberechtigt war, der aber doppelt so alt war, als ihre Tochter. Hätten sie sich genauer erkundigt, so würden sie außerdem erfahren haben, daß dieser Mann tief in Schulden steckte und ebenso wenig einen Freund besaß, als ein Diener längere Zeit im Hause blieb, und daß, um und um besehen, der arme junge Hastings, der beim Generalstabe stand und dessen Bewerbung sie so hochmütig abgewiesen hatten, doch ein ungleich annehmbarerer Schwiegersohn gewesen wäre. Frau Sladen hatte zwei kleine Mädchen in England drüben, die unter Fremden, in einem billigen Vorstadtpensionat, aufwuchsen. Wie oft hatte ihr der Gatte hoch und heilig versprochen, sie solle »nächstes Jahr« nach England reisen dürfen, um die Kinder zu besuchen; wenn aber die Zeit kam, verhärtete er sein Herz, wie ehedem Pharao, der König von Aegypten, und ließ sie nicht reisen. Wer sollte denn in ihrer Abwesenheit das Haus und die Leute in Ordnung halten und für seine, des Hausherrn, Bequemlichkeit sorgen? Er war doch wahrhaftig nicht der Mann, den man dem guten Willen eines Khansamah (Kochs) überließ. Und übrigens: woher sollte er denn das Geld zur Reise nehmen? Er hatte nicht eine Rupie übrig -- für sie.
Oberst Sladen war, wenn es seine eigenen Interessen betraf, ein sehr schlauer Mann. Er wußte, daß er nicht beliebt war, daß ihm aber viele Unannehmlichkeiten um der Frau willen erspart blieben, die er quälte und rauh behandelte; und ging sie nach England, so machte das für sein gesellschaftliches und körperliches Behagen einen großen Unterschied. Trotz dieses unliebenswürdigen Eheherrn brachte es Frau Sladen fertig, sich im ganzen heiter und meist mit lächelndem Gesicht zu zeigen. Sie war immer bereit, Kranke zu pflegen, bei festlichen Gelegenheiten das Klublokal auszuschmücken, jungen Mädchen bei ihrer Balltoilette zu helfen, ihre jungen Schmerzen und Sorgen zu teilen und ihnen mit gutem Rate beizustehen.
Frau Langrishe dagegen regierte ihren teuren Granby mit fester, aber anmutiger Hand. Die Partie war in England gemacht worden und hatte sich in einer Beziehung für beide Teile als Täuschung herausgestellt, oder -- um ein milderes Wort zu brauchen -- hatte beiden Teilen eine Ueberraschung bereitet. Hauptmann Langrishe war durch Ida Paskes hübsches Gesicht, vornehme Art und glänzende Toiletten bestochen worden, und ihre gänzliche Nichtachtung des Geldes hatte großen Eindruck auf ihn gemacht. Man sagte, sie verfüge über ein bedeutendes Einkommen; aber leider entbehrte dies Gerücht der Wahrheit. Ida gehörte zu einer kinderreichen Familie, war hübsch, hatte Ehrgeiz, großes Selbstvertrauen und war achtundzwanzig Jahre alt. Ihre Toiletten waren nicht bezahlt und ihr ganzes Vermögen bestand in ihrer angenehmen Erscheinung. Sie ihrerseits hielt den jungen unbedeutenden Offizier, dessen bleiches, schmales Profil genau aussah, als sei es aus einer Planke von Tannenholz geschnitten, für ungeheuer reich. Auch er heuchelte eine große Verachtung des Geldes, sprach von seiner Meute und seiner Jacht, und da er sofort nach Indien abreisen mußte, beschleunigte man die Hochzeit. Aber ehe das glückliche Paar noch Bombay erreicht hatte, waren beide Teile über ihren Irrtum aufgeklärt. Er wußte, daß seine junge Frau keinen Pfennig Vermögen besaß, und sie hatte erfahren, daß die Meute und die Jacht, von denen er gesprochen hatte, geliehen waren, und daß er, außer seinem Sold, nur über dreihundert Pfund Einkommen verfügte. Aber beide waren kluge Leute; sie nahmen die Sache von der besten Seite, und schließlich gelangte Hauptmann Langrishe zu der Ueberzeugung, daß er bei seiner Wahl dennoch in einen Glückstopf gegriffen habe. Seine Ida war überaus klug und taktvoll und hatte hervorragende Talente. Sie verstand sich im höchsten Grade auf die Kunst, den äußeren Anstand zu wahren, richtete ihrem Manne eine behagliche, angenehme Häuslichkeit ein, suchte, seinen Geschmack kennen zu lernen, schmeichelte seinen Schwächen, zeigte sich ihm stets heiter und liebenswürdig und war elegant gekleidet. Ihre kleinen, immer nur aus wenigen Personen bestehenden Diners waren berühmt, die Bereitung ihrer delikaten Zwischenspeisen war ein Geheimnis zwischen ihr und ihrem Koch, und die Gäste waren stets sorgfältig gewählt. Sie bestanden meist aus einigen hochgestellten Männern, anziehenden Frauen und allgemein beliebten Persönlichkeiten, die den Ruhm ihres feinen Tisches weiter verbreiteten und ihr das Empfangene mit Zinsen wiedergaben. Schäbiges Volk und gleichgültige, uninteressante Menschen erblickten nie das Innere ihres Hauses, dessen Einrichtungen als ein wahres Muster von Behaglichkeit und Geschmack gelten konnte. Ihre Toilette war stets gut gewählt und kostbar. Diamanten glänzten an ihren Fingern und an ihrem Halse, und ihr Auftreten war so sicher, ruhig und selbstbewußt, daß sie, die doch nur die Gattin eines einfachen Hauptmanns war, von vielen im Range höher stehenden Damen ohne Weigerung als ihresgleichen betrachtet und behandelt wurde, ja daß diese Frauen es sogar duldeten, von ihr in den Hintergrund gedrängt zu werden. So groß war ihre Geschicklichkeit, daß man eine Einladung zum Fünfuhrthee bei Frau Langrishe weit höher schätzte, als die zu einem glänzenden Mittagessen bei einer weniger wählerischen Wirtin.
Weder die wütenden Angriffe ihrer Feinde (und sie hatte deren nicht wenige), noch die gelegentlichen Indiskretionen ihrer Freunde vermochten, die immer gleiche Gemütsruhe dieser Frau, die durchaus » grande dame« sein wollte, zu stören. Es war eine merkwürdige, aber unbestreitbare Thatsache, daß sie sozusagen immer auf einem Thrönchen saß, daß sie, wohin sie auch kam, aufs zuvorkommendste begrüßt und bewillkommnet wurde, die umfänglichste Gastfreundschaft genoß, und daß man sie stets nur mit Bedauern scheiden sah. Während andre Damen sich im Posthotel langweilten und in einem elenden Mietskarren herumfuhren, standen ihr die Kutschwagen der Rajahs zur Verfügung, und sie wurde mit Aufmerksamkeiten und Einladungen überhäuft. Natürlich genügte das vielen Leuten, um über sie zu reden und sie sich auf Armeslänge vom Leibe zu halten. Die Kameraden, die Hauptmann Langrishes Verhältnisse kannten, wunderten sich, wie er es möglich machte, so aufzutreten. »Seht nur die Toiletten seiner Frau! Und sie geben die feinsten Diners im ganzen Ort! Das wird über kurz oder lang zu einem gehörigen Krach führen!« hieß es. Aber Jahre gingen und kamen, und kein Zeichen einer solchen Krisis trat ein; denn Granby Langrishe hatte eine außerordentlich kluge, geschickte Frau, die sich und ihn vorwärts zu bringen wußte. Sie hatte nicht geruht und gerastet, bis sie auch ihn in den Vordergrund gedrängt hatte, und als Preis des feuchten Taues, der in den ausdrucksvollen Augen seiner Frau stand, so oft sie ihn darauf aufmerksam machte, daß es ihm noch nicht gelungen sei, sich bei der einen oder andern einflußreichen Persönlichkeit in die rechte Gunst zu setzen, erfreute er sich eines wohlgeordneten, eleganten und behaglichen Haushaltes, verfügte über eine monatliche Einnahme von zweitausend Rupien und genoß eine dem entsprechende Wertschätzung.
Ida Langrishe sah nicht im entferntesten wie eine Frau von vierzig Jahren aus. Sie hatte sich und ihre Schönheit sorgfältig gepflegt, war nie früh aufgestanden und hatte in den heißen Tagesstunden niemals Besuche gemacht. Sie war groß, hatte eine schöne Gestalt, wurde aber in letzter Zeit leider etwas stark. Ihre feinen Brauen waren schön gezeichnet, ihre Augen von wunderbarem echten Grau, ihre Züge regelmäßig. Hatte ihr Gesicht einen Fehler, so lag dieser in dem etwas zu starken Unterkiefer; aber, was auch der eine oder andre von ihr sagen mochte, so konnte doch keiner bestreiten, daß sie auffallend hübsch und ebenso klug als hübsch war. Sie selbst hatte bei ihrer Verheiratung nicht ganz das erstrebte Ziel erreicht; aber es hätte, wie sie meinte, doch merkwürdig zugehen müssen, wenn es ihr bei ihrem Verstande, ihrem Bekanntenkreise und ihrer reichen Erfahrung nicht gelingen sollte, die Nichte glänzend zu verheiraten.