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Zweiundzwanzigstes Kapitel.

»O Zeit und Tod, mit sich'rem Schritte,
Wenn ungleich auch, eilt ihr dahin.
Im wilden Lauf Palast wie Hütte
Und Throne wandelnd in Ruin.

Ihr übt dieß Werk nicht in den Streichen
Des Kriegs blos und im Hauch der Pest,
Der sich gebiert in fernen Reichen
Und wandernd hält sein Opferfest.«

Sands.

 

Außerhalb des mit Steinmauern versehenen Hauses befanden sich zahlreiche Nebengebäude. Die Kutschen-Remise, die Ställe und die Scheune waren zwar gleichfalls von Stein, aber ein Brand in einen Heustock geworfen, konnte leicht großen Schaden anrichten. Die Scheunen, Heuschuppen u.s.w. auf den Ebenen und in der Nähe von Miller's Wohnung waren nach Landesbrauch insgesammt von Holz hergestellt, und wenn man die Brandfackeln an solchen Orten einlegte, so wurde die That nicht mit dem Tod bestraft. Die »Verkappten und Bewaffneten,« welche sich ein derartiges Verbrechen zu Schulden kommen ließen, liefen demnach keine andere Gefahr, als die war, welcher sie sich durch Verfolgung ihrer verzweifelten Plane bereits ausgesetzt hatten. Nachdem ich eine Weile über diese Dinge nachgedacht hatte, brach ich mir durch die Stachelbeerbüsche Bahn, um vermittelst einer Oeffnung in dem hinfälligen Zaun den Garten und auf einem Privatweg das Haus zu erreichen. Ich war übrigens nicht wenig erstaunt und einigermaßen auch beunruhigt, als ich, sobald ich aus dem Dickicht auftauchte, einen Mann vor mir stehen sah.

»Wer sein – wohin gehen – was wollen?« fragte eine von den ächten Rothhäuten bedeutungsvoll.

Die Person, welche mich anhielt, war eine Schildwache der Indianer, deren Wachsamkeit auch meine behutsame Annäherung nicht entgangen war.

Ich theilte ihm mit, wer ich sei, und sagte ihm, ich sei gekommen, um den Dolmetscher Vielzunge aufzusuchen. Mein rother Freund hatte mich kaum erkannt, als er mir nach indianischer Sitte die Hand zum Drucke hinbot und sich vollkommen zufrieden zu geben schien. Er stellte keine Frage, verrieth keine Neugierde über einen Besuch zu so ungewohnter Stunde, und nahm das Ganze auf, wie man etwa im gewöhnlichen Leben einen Besuch zwischen zwölf und drei Uhr zu betrachten pflegt. So viel konnte er sich wohl denken, daß ich nicht ohne Grund gekommen war; um was es sich übrigens handelte, dieß machte ihm keine Sorge. Er begleitete mich nach dem Hause und deutete nach der Stelle, wo der Dolmetscher in einem wohlgeschüttelten Bund Stroh schnarchte.

Bei der ersten Berührung meines Fingers wachte Vielzunge auf und erhob sich von seinem Lager. So dunkel auch das Zimmer war, erkannte er mich augenblicklich; er berührte meinen Arm zum Zeichen, daß ich ihm folgen solle, und ging ins Freie hinaus voran. Nachdem wir uns außer Hörweite befanden, blieb er stehen und ging wie ein Mann, der an dergleichen Unterbrechungen gewöhnt ist, zur Sache über.

»Etwas los heute Nacht?« fragte der Gränzmann mit der ganzen Ruhe eines Menschen, der stets auf Alles gefaßt ist. »Soll ich meine Rothhäute aufbieten, oder habt Ihr mir nur eine Mittheilung zu machen?«

»Hierüber mögt Ihr selbst urtheilen. Ohne Zweifel kennt Ihr den Zustand, in welchem sich dieser Landestheil befindet, und die Unruhen, welche wegen Bezahlung der Renten für die Benützung des Grund und Boden ausgebrochen sind. Was Ihr heute gesehen habt, ist ein Pröbchen von den Scenen, die um uns her ohne Unterlaß vorgehen.«

»Obrist,« versetzte der Dolmetscher schleppend, nachdem er wie ein Jagdhund gegähnt hatte, mir einen der Titel verleihend, welche an der Gränze am beliebtesten sind, »ich könnt' nicht eben sagen, daß ich den Zustand der Dinge, wie er hier unten herum ist, gehörig verstünde. Wie's mir vorkommt, ist's weder das Eine noch das Andere, weder Tomahawk, noch Gesetz. Was beide besagen wollen, ist mir wohl bekannt, aber diese Halbheit, dieses Zwischending setzt mich in Verlegenheit, und ich weiß nicht, wie ich's zurecht legen soll. Entweder solltet Ihr das Gesetz haben, oder Ihr solltet keins haben, und wie's einmal ist, dabei sollte man bleiben.«

»Ihr wollt damit sagen, dieser Landestheil erscheine Euch weder als civilisirt, noch als wild – er unterwerfe sich keinem Gesetz und gestatte doch nicht die naturgemäße Selbsthilfe.«

»So etwas der Art. Als ich die Begleitung dieses Häufleins von Rothhäuten übernahm, sagte mir der Agent, ich komme in eine Gegend, wo es Friedensrichter gebe und wo sich Niemand, sei's nun eine Rothhaut oder ein Blaßgesicht, selbst Recht verschaffen könne oder dürfe. Wir haben uns deßhalb Mühe gegeben, dieser Regel nachzuleben, und ich kann bezeugen, daß seit unserem Uebergang über den Mississippi kein menschliches Wesen erschossen oder skalpirt worden ist. Ein derartiges Gesetz war unter uns wohl vonnöthen, da wir von verschiedenen, sich feindlich gegenüberstehenden Stämmen herkommen, und nichts wäre leichter gewesen, als einen Streit unter uns selbst auszuhecken, wenn irgend einer aus dem Haufen Lust dazu gehabt hätte. Ich muß übrigens sagen, daß nicht nur ich, sondern auch die meisten von meinen Häuptlingen grausam in ihren Erwartungen getäuscht worden sind.«

»In Euren Erwartungen getäuscht? – Und in welcher Beziehung, wenn ich fragen darf?«

»In gar vielen Stücken. Das erste, was mich zum Nachdenken brachte, war der Umstand, daß ich die Zeitungen vorlesen hörte. Die Art, wie in diesen Dingen die Leute von einander sprechen, ist merkwürdig, und ich kann mich nicht genug wundern, daß am Ende vom Jahre noch so eine Zeitung übrig ist, um im nächsten Jahr das nämliche Spiel wieder anzufangen. Seht, Obrist Littlepage – –«

»Ich bin kein Obrist – nicht einmal Fähndrich. Ihr werdet mich wohl mit einem anderen Glied meiner Familie verwechseln.«

»So solltet Ihr's wenigstens sein, Sir, und ich will Euch nicht so sehr verunglimpfen, daß ich Euch mit einem geringeren Titel bezeichne. Ich habe Gentlemen aus dem Westen gekannt, die nicht den vierten Theil von Euren Ansprüchen haben und gleichwohl Schinrale genannt wurden. Jage ich doch schon meine fünfundzwanzig Jahre in den Prairien und bin wohl sechsmal über die oberen See'n gekommen; ich muß also so gut wie ein Anderer wissen, was einem Gentleman gebührt. Wie ich also sage, Obrist Littlepage, wollten in den Prairien draußen die Leute von einander reden, wie sie hier unter den Meetinghäusern über einander drucken lassen, so gäb's so viele Skalpe, daß sie bedeutend im Werth fallen würden. Ich nimm's zwar im Ganzen nicht besonders genau, aber mein Gefühl hat sich schon empört, wie ich dergleichen Dinge nur lesen hörte; denn was das Selbstlesen betrifft, so ist dieß eine Sache, zu der ich mich nie herabgelassen habe. Ich wurde hiedurch einigermaßen darauf vorbereitet, daß ich die Dinge ganz anders treffen werde, je tiefer ich in die Settlements gerathe, und was dieß betrifft, so ist meine Erwartung nicht getäuscht worden; der alten Idee hat man einen Strich durch die Rechnung gemacht.«

»Es nimmt mich nicht Wunder, Euch so sprechen zu hören, und ich bin ganz mit Euch einverstanden, daß eine Nation aus übermenschlichen Wesen zusammengesetzt sein muß, wenn sie einer Presse von so durchaus schlechtem Charakter, wie der in diesem Lande ist, soll widerstehen können. Um übrigens zur Sache zu kommen – nothwendig müßt Ihr Euch eine Vorstellung gebildet haben über diese verkappten Wilden, und ohne Zweifel habt Ihr auch von den Leuten, die man Antirenters nennt, gehört?«

»Zum Theil, zum Theil auch nicht. Ich kann nicht begreifen, warum sich ein Mensch zur Rentenzahlung verpflichten und hintendrein die Erfüllung der Pflicht verweigern mag. Ein Vertrag ist ein Vertrag, und das Wort eines Ehrenmanns gilt so gut wie seine Handschrift.«

»Diese Ansichten würden hier herum Aufsehen machen, und ich nehme selbst gewisse Gesetzgeber nicht aus. Bei ihnen gilt als moralischer Probierstein einer jeden Verbindlichkeit, ob sie den Partieen zusage oder nicht.«

»Mit Erlaubniß, Obrist, nur ein Wort. Schenkt man den Beschwerden der Eigenthümer des Bodens eben so viel Gehör, wie den Klagen Derer, die das Land pachten, um durch ihre Arbeit ihr Auskommen darauf zu finden?«

»Durchaus nicht. Die Beschwerden der Grundbesitzer, wären sie auch noch so wohl begründet, finden selbst in der Brust des weichherzigsten amerikanischen Politikers nicht eine einzige sympathetische Saite. Ihr treibt Euch in den Prairien um und könnt natürlich auch keine besondere Achtung vor Grundbesitzrechten haben.«

»Die Prairie ist Prairie, Obrist, und man lebt und handelt auf dem Prairieboden nach dem Prairie-Gesetz. Aber auch Recht ist Recht, Obrist, so gut als Prairie Prairie ist, und ich hab's immer gerne, wenn es sich Geltung verschafft. In der That, Ihr werdet unter allen den Häuptlingen, die unter jenem Dache schlafen, auch nicht eine einzige Rothhaut finden, die nicht ihre Stimme darwider erhübe, wenn Einer von einem feierlichen Vertrag abgehen wollte. Ich sollte meinen, bis Einem ein solcher Gedanke kömmt, muß ihn die Weise des Gesetzes schon hart gemacht haben.«

»Ihr glaubt also, diese rothen Männer wissen etwas von der Natur der Mißhelligkeiten, die hier herum stattfinden?«

»Sie haben davon gehört und viel über die Sache mit einander gesprochen. Es widerstrebt der innersten Natur eines Indianers, sich zu etwas anheischig zu machen und das Gegentheil zu thun. Doch hier ist ein Chippewa auf dem Lugaus. Wir wollen eine Frage an ihn richten, und Ihr sollt seine Antwort hören.«

Vielzunge redete jetzt die Schildwache an, die in unserer Nähe umherschlenderte. Nach einigen Fragen und Antworten in der Sprache des letzteren theilte mir der Dolmetscher mit, was sie mit einander verhandelt hatten.

»Der Chippewa hat irgendwo gehört,« sagte er, »daß es in diesem Theil der Welt Leute gebe, welche durch Zusage von Rentenzahlung zu Wigwams kämen; wenn sie aber einmal im Besitz wären, gingen sie von ihren Versprechungen ab, und verlangten, der Mann, dem sie die Wohnung abmietheten, solle sein Recht daran beweisen. Ist dieß wahr, Obrist?«

»Ohne alle Frage. Und nicht nur die Pächter tragen sich mit solchen Tücken, sondern sie haben auch Andere gefunden, die, obschon sie sich Gesetzgeber nennen, sehr geneigt sind, ihnen in ihrem Betrug Vorschub zu leisten. Die Sache ist gerade so, als wenn ich Euch für einen Tag zum Jagen eine Büchse abborgte oder abmiethete; Ihr kommt am Abend, um Euer Eigenthum wieder anzusprechen; aber jetzt halte ich Euch entgegen, Ihr sollet beweisen, daß Ihr der rechtmäßige Eigenthümer seiet.«

»Was geht dieß Euch an? Ihr habt die Büchse von mir, und Euer Recht daran ist kein anderes, als das meinige. Ihr seid daher verpflichtet, bei Eurem Vertrag stehen zu bleiben. Nein, nein, Obrist; es gibt in den Prairien nicht eine einzige Rothhaut, die ob einem solchen Verfahren mit Revolution anfangen würde. Aber was hat Euch zu dieser Stunde der Nacht hergeführt? Die Männer, die in Betten schlafen, stehen in der Regel nicht gern auf, bis sie die Morgensonne weckt.«

Ich ertheilte nun Bericht über den erhaltenen Besuch, ohne übrigens den Namen Opportunity's zu erwähnen, und berührte dabei die Warnung, die mir ertheilt worden war. Der Dolmetscher ließ sich die Aussicht auf ein Zusammenprallen mit den Inschens durchaus nicht anfechten, denn er hegte einen Groll gegen sie, nicht blos wegen der kleinen Angelegenheit des vorigen Tags, sondern hauptsächlich deßhalb, weil sie durch die plumpe, feige Weise, in welcher sie ihre Nachäfferei ausführten, die ächten Wilden in Mißkredit brachten.

»Von solchen Kreaturen ist nichts Besseres zu erwarten,« bemerkte er, nachdem wir die Sache nach allen ihren Theilen besprochen hatten, obschon selbst in den Prairien das Feuer als gesetzliches Kriegsmittel gilt. »Was mich betrifft, so thut's mir nicht leid, wenn's hier etwas zu thun gibt, und auch meine Häuptlinge werden's nicht beklagen; denn 's ist gar langweilig, Monate und Monate hinter einander nichts zu thun, als beim Berathungsfeuer zu rauchen, vor Leuten, die nur leben, um zu schwätzen, zu essen und zu trinken. Thätigkeit gehört zur Natur eines Prairiemanns, und wenn er eine Zeitlang Ruhe gehabt hat, freut er sich stets, seinen Flintenstein wieder zu schärfen. Ich will dem Chippewa sagen, er solle hineingehen und die Rothhäute herbringen; dann könnt Ihr ihnen Eure Weisungen ertheilen.«

»Wachsamkeit wäre mir lieber, als Gewalt. Die Männer können sich in der Nähe des Hauptgebäudes auf die Lauer legen, und es wird auch gut sein, einiges Wasser bereit zu halten, damit man, wenn's so weit kömmt, das Feuer löschen kann, ehe es um sich greift.«

»Ganz zu Befehl, Obrist – denn für mich seid Ihr Kapitän General. Laßt Euch übrigens sagen, wie ich's in den Prairien draußen einmal hielt, als ich einen schuftigen Sioux erwischte, welcher eben das Feuer anbließ, das er an eine von meinen Hütten angelegt hatte. Ich legte ihn auf die Flamme, und er mußte sie mit seinem Blute löschen.«

»Wir dürfen uns keine Gewaltthat erlauben, wenn es nicht zur Rettung der Gebäude unerläßlich nothwendig wird. Das Gesetz gestattet uns nur im äußersten Nothfall den Gebrauch der Waffen. Dagegen ist's mir lieb, wenn Ihr Gefangene macht, denn sie können als Geiseln dienen und zugleich als Beispiel benützt werden, um zugleich die anderen Gesetzes-Uebertreter einzuschüchtern. Ich verlasse mich darauf, daß Ihr unseren rothen Freunden die betreffende Warnung zugehen laßt.«

Eine Art Grunzen war die einzige Antwort des Dolmetschers. Das Gespräch nahm übrigens keinen weiteren Fortgang, da jetzt die Indianer, einer nach dem andern aus dem Hause herangeschlichen kamen. Ihre Mienen waren finster und ihre Geberden voll Vorsicht; auch hatten sie insgesammt ihre Waffen bei sich. Vielzunge hielt es nicht für passend, sie lange hinzuhalten, sondern theilte ihnen unverweilt mit, was zu gewärtigen stand. Von jetzt an hatte übrigens sein Ansehen großentheils aufgehört, und Kieselherz übernahm nun die hervorragendste Rolle, obgleich auch Prairiefeuer und ein anderer Krieger mit Ertheilung von Befehlen an die Uebrigen beschäftigt waren. Ich bemerkte, daß Adlersflug bei diesen eigentlich militärischen Verhandlungen sich nicht betheiligte, obschon er sich gleich den Anderen bewaffnet aufstellte und der plötzlichen Berufung Folge leistete. Nach fünf Minuten hatten sich sämmtliche Indianer meist paarweise entfernt, so daß nur noch wir Beide, der Dolmetscher und ich, an der Vorderseite des verlassenen Hauses zurückblieben.

Es war jetzt ein Uhr vorbei, und ich hielt es für wahrscheinlich, daß meine Feinde, wenn sie überhaupt in dieser Nacht kamen, bald erscheinen dürften. Ich schlug daher, von dem Dolmetscher begleitet, den Weg nach dem Nesthause ein, um so mehr, da mir beifiel, es könnten im Lauf des Morgens Waffen nöthig werden. Ich hatte nämlich, als ich aus meinem Zimmer ging, die Büchse und die Pistole, welche mir John gebracht hatte, dort gelassen, und beabsichtigte jetzt, mich wieder in's Haus zu schleichen, die Waffen zu holen und mein Licht auszulöschen, dann aber, ohne die Schlafenden zu stören, meinen Begleiter wieder aufzusuchen.

Dieser Plan kam, soweit sich's um das Erreichen meines Zimmers und um die Rückkehr nach der Hausthüre handelte, erfolgreich zur Ausführung; unten aber trat mir eine Störung entgegen. Als ich eben das Pförtchen – wie wir scherzweise die Thüre nannten – schließen wollte, fühlte ich, daß sich eine kleine weiche Hand auf die meinige legte, mit welcher ich eben die Thüre zumachen wollte. Im Nu war ich wieder drinnen und an der Seite Mary Warrens. Ich war erstaunt, sie noch auf zu finden, und drückte meine Besorgniß aus, ihre Gesundheit könnte in Folge eines so ungewöhnlichen Wachbleibens leiden.

»Nach dem, was heute Nacht vorgegangen ist, konnte ich nicht schlafen, ohne daß ich wußte, was alle diese Bewegungen zu bedeuten haben,« antwortete sie. »Ich bin an meinem Fenster gestanden und habe gesehen, wie Ihr Opportunity aufs Pferd halft, dann aber nach dem alten Farmhause, dem Quartier der Indianer gingt. Sagt mir unverhohlen, Mr. Littlepage, steht uns eine Gefahr bevor?«

»Ich will offen gegen Euch sein, Mary« – wie leicht und angenehm wurde es mir nicht, mich dieser zarten Vertraulichkeit zu bedienen, welche ich mir unter den obwaltenden Umständen wohl herausnehmen durfte, ohne als anmaßend zu erscheinen; »ich will offen gegen Euch sein, Mary, denn ich weiß, Eure Klugheit und Selbstbeherrschung wird Euch hindern, unnöthigen Lärmen zu machen, während vielleicht Eure Wachsamkeit von Nutzen sein könnte. Es ist einiger Grund vorhanden, die Brandfackel zu fürchten.«

»Die Brandfackel?«

»So möchte ich Opportunity's Aeußerungen zufolge glauben, und ich kann mir nicht denken, daß sie zu solcher Stunde einen so weiten Ritt gemacht haben würde, wenn sich's nicht um eine ernstliche Angelegenheit handelte. Das Feuer ist das bequemste Werkzeug des Antirenters, und seine Verkleidung paßt vollkommen dazu. Ich habe übrigens die Rothhäute insgesammt auf die Spähe geschickt, und hoffe nicht, daß heute Nacht ein Unfug gestiftet werden kann, ohne sogleich eine Entdeckung zur Folge zu haben. Morgen aber können wir die Behörden um ihren Schutz angehen.«

»Ich kann heute Nacht nicht schlafen,« rief Mary, indem sie das leichte Halstuch, welches sie zum Schutz gegen die Nachtluft umgeworfen hatte, noch fester anzog, wie etwa der Mann im Augenblicke der Gefahr seine Rüstung enger schnallt. »Es ist mir nicht um den Schlaf zu thun. Sie sollen und dürfen Euch diesen Schaden nicht zufügen, Mr. Littlepage. Habt Ihr Besorgnisse für dieses Haus?«

»Man kann nicht wissen, auf was es eigentlich abgesehen ist. Von außen ist das Haus nicht leicht in Brand zu stecken, und ich kann mir nicht wohl denken, daß sich im Innern ein Feind befinden sollte. Die Dienstboten sind erprobt und schon lange in der Familie; ich glaube daher nicht, daß sich Jemand aus dem Gesinde hat erkaufen lassen. Aber obschon ich von denen im Hause wenig besorge, so muß ich doch gestehen, daß mir die Widersacher draußen ziemlich bange machen. Feuer ist ein furchtbarer Feind, und auf dem Land hat man so wenig Hilfe gegen das Umsichgreifen der Flammen. Ich will Euch nicht bitten, Ihr sollet Euch zur Ruhe begeben, denn ich weiß, daß Ihr nicht schlafen werdet – ja, nicht schlafen könnt; aber wenn Ihr die nächste Stunde, oder bis ich wieder zurückkehre, von Fenster zu Fenster gehen wollt, so findet Euer Geist Beschäftigung, und möglicherweise läßt sich dadurch einem Unheil vorbeugen. Ein unsichtbarer Beobachter, der hinter einem Fenster steht, kann vielleicht einen Versuch entdecken, welcher Denen entgeht, die draußen auf der Lauer liegen.«

»Es soll geschehen,« versetzte Mary hastig; »und wenn ich etwas bemerke, öffne ich einen Laden meines Zimmers. Ihr seht dann das Licht durchscheinen, und wenn Ihr schnell nach dieser Thüre kommt, so sollt Ihr mich hier finden und von mir erfahren, was ich entdeckt habe.«

Unter dieser Verständigung trennten wir uns, aber nicht früher, bis ich diesem lieblichen und doch so entschlossenen, klar blickenden Mädchen zärtlich die Hand gedrückt hatte. Dann kehrte ich zu Vielzunge zurück, der in dem Schatten der Piazza stand, wo er nicht gesehen werden konnte, wenn man ihm nicht ganz nahe kam. Nachdem wir mit einander kurze Rücksprache genommen hatten, schlug der Eine von uns seine Richtung nach der Nordseite, der Andere nach dem Süden des Gebäudes ein, um nachzusehen, ob kein Mordbrenner an einem der Flügel sein Werk versuche.

Das Nesthaus war derartigen verbrecherischen Anschlägen weit weniger preisgegeben, als die meisten amerikanischen Wohnungen. Da das Gebäude selbst aus Stein bestand, so war nur wenig brennbares Material zugänglich, denn das Haus hatte, wie bereits erwähnt, nur zwei äußere Thüren – die eine allerdings sehr groß, so daß ein geladener Wagen nach dem innern Hof durchfahren konnte. Diese befand sich auf der Südseite des Flügels, und unter dem Bogen desselben konnte ein Brandstifter wohl seinen Versuch machen, obschon ein gewandter Schurke alsbald die Schwierigkeiten hätte einsehen müssen, da außer dem massiven Thor auch hier nur wenig Holz war, und deßhalb es den Flammen bald an Nahrung fehlen mußte. Demungeachtet untersuchte ich den Platz, und da ich auf meiner Seite des Gebäudes Alles sicher fand, so kehrte ich zu dem Dolmetscher zurück, mit dem ich mich verständigt hatte, er solle mich unter einer schönen Buche erwarten, die, etwa hundert Schritte vom Haus entfernt, ihre Zweige weit über den Rasen hin breitete. Dieser Baum stand ganz vorn, so daß er uns trefflichen Schutz und überhaupt einen Standpunkt bot, wie ihn fern und nah Schildwachen, die gleich uns in einem so eigenthümlichen Dienst beschäftigt waren, nicht besser hätten finden können.

Unter dieser Buche nun fand ich Vielzunge, und der Umstand, daß ich selbst seine Gestalt kaum zu unterscheiden vermochte, sprach um so mehr zu Gunsten des Postens. Ich sah ihn nicht früher, bis ich ihm so nahe stand, daß ich ihn fast mit den Händen greifen konnte. Er saß auf einer Bank, und schien sich als ein Mann, der an Hinterhalte, Wachsamkeit und nächtliche Angriffe gewöhnt war, durch das Abenteuer nicht sonderlich anfechten zu lassen. Wir rapportirten uns gegenseitig den Stand der Dinge, und nachdem wir uns überzeugt hatten, daß Alles geheuer war, nahmen wir Beide neben einander Platz, um uns die Zeit durch ein Gespräch über mancherlei Dinge zu kürzen.

»Wir haben gestern Abend einer sehr interessanten Scene angewohnt,« eröffnete ich die Unterhaltung; »ich meine die Begegnung zwischen dem alten Fährtelosen und Euren rothen Gefährten. In der That, ich möchte wohl wissen, welche besonderen Ansprüche unser betagter Freund an jene fernen Stämme hat, und was diese angesehenen Häuptlinge bewegen mag, ihn von so weit her zu besuchen.«

»Sie kommen nicht geraden Wegs von den Prairien aus nach diesem Platze, und der Besuch ist deßhalb nicht der ursprüngliche Zweck, obschon ich nicht daran zweifle, sie würden auch sonst den weiten Weg nicht gescheut haben. Hohes Alter, wenn es von Weisheit, Nüchternheit und einem guten Rufe begleitet ist, gilt im Allgemeinen bei den Wilden gar viel; indeß müssen die früheren Thaten des Fährtelosen etwas Eigenthümliches haben, das mir nicht bekannt ist, gleichwohl aber ihn ungewöhnlich hoch stellt in den Augen der Rothhäute. Ich hoffe, der Sache noch auf den Grund zu kommen, ehe wir diese Gegend verlassen.«

Es folgte nun eine Pause, nach welcher ich von den Prairien zu sprechen anhub, und von dem Leben in jenen weiten Flächen ein Bild zu entwerfen versuchte, das, wie ich meinte, in den Ohren eines Mannes von den Gewohnheiten meines Gefährten beifälligen Anklang finden mußte.

»Ich will Euch sagen, wie es ist, Obrist,« erwiederte der Dolmetscher mit mehr Gefühl, als ich bisher im Laufe unserer kurzen Bekanntschaft an ihm wahrgenommen hatte; »ja, ich will Euch genau sagen, wie es damit steht. Das Prairieleben ist ganz entzückend für Diejenigen, welche Freiheit und Gerechtigkeit lieben.«

»Freiheit – dieß kann ich mir wohl denken,« sagte ich, ihn überrascht unterbrechend – »was aber die Gerechtigkeit betrifft, so möchte ich glauben, daß hiezu Gesetze unbedingt nöthig sind.«

»Ja, ich weiß, dieß ist so eine Idee, wie man sie in den Settlements hegt; aber es liegt nicht halb so viel Wahrheit darin, als Manche meinen. Es gibt keinen besseren Gerichtshof und kein zuverlässigeres Schwurgericht, als dieses, Obrist« – er schlug dabei mit Nachdruck auf den Schaft seiner Büchse – »und Pulver aus dem Osten in Verschwörung mit dem Galena-Blei liefert die besten Advokaten. Ich hab's mit beiden versucht und kann daher aus Erfahrung sprechen. Das Gesetz hat mich in die Prairien hinausgetrieben, und aus Vorliebe für sie bleibe ich dort. Hier unten herum habt Ihr weder das Eine noch das Andere – weder Gesetz noch Büchse; denn hättet Ihr ein Gesetz, wie es sein sollte, so müßten wir nicht zu dieser Stunde der Nacht hier sitzen, um zu verhindern, daß diese After-Inschens Euch Haus und Scheune über dem Kopf anzünden.«

In dieser letzteren Nutzanwendung des offen sich aussprechenden Dolmetschers lag so viel Wahrheit, daß dagegen nichts zu erwiedern war; denn wenn man auch den Schwierigkeiten des Falls und den unerwarteten Umständen Einiges zu gut hielt, so konnte doch kein unparteiischer Mann in Abrede ziehen, daß es nicht so weit hätte kommen können, wofern mit den Gesetzen nicht ein schnödes Spiel getrieben worden wäre. Wie Vielzunge also behauptete, hatten wir weder den Schutz des Gesetzes, noch durften wir uns durch unsere Büchsen selbst schirmen. In der That, man sollte durch's ganze Land an allen Straßen und öffentlichen Plätzen mit ehernen Buchstaben die Warnung ausstellen: ein Zustand der Gesellschaft, der jenen Schutz verspricht, welcher der Civilisation gebührt, und nicht Wort hält, macht die Lage des ehrlichen Theils der Bevölkerung nur um so schlimmer, indem er sie der Schirmungsmittel beraubt, welche die Natur selbst an die Hand gibt, ohne daß er dafür einen Ersatz gewährt.

Der Dolmetscher und ich saßen wohl eine Stunde unter dem Baume, und wir unterhielten uns in gedämpften Lauten über allerlei, was uns eben gerade zu Sinn kam. In den Ansichten meines Gefährten lag viel ächte Prairie-Philosophie, was ungefähr so viel heißen will, wie wenn ich sagte, – sie waren ein Gemisch von klarem natürlichem Rechtssinn und eingefleischten Lokalvorurtheilen. – Das letzte, was er gegen mich äußerte, war so bezeichnend, daß ich es wohl hier auffuhren muß.

»Ich will Euch sagen, wie es ist, Christ,« sagte er; »Recht ist Recht und Unsinn ist Unsinn. Wenn wir nur jetzt einen von diesen verkappten Schurken erwischen könnten, wie er eben Euer Haus oder Eure Scheune anzünden will, man könnte da mit der Gerechtigkeit leicht zu Stande kommen und die Sache auf dem Platz in's Reine bringen. Dürft' ich meinem Sinn folgen, so knebelte ich den Kerl an Händen und Füßen und schmisse ihn ins Feuer, damit er doch die Frucht seiner eigenen Arbeit genöße. Ein schlechter Kerl gibt das allerbeste Brennholz.«

In demselben Momente sah ich den oberen Laden von Mary Warrens Schlafzimmer aufgehen, denn meine Blicke hatten inzwischen unverweilt auf dem besprochenen Fenster gehaftet. Das Licht stand so nah hinter der Jalousie, daß die Veränderung im Nu bemerklich wurde; es unterlag also keinem Zweifel, daß meine schöne Schildwache irgend eine wichtige Entdeckung gemacht hatte. Nach solcher Aufforderung zögerte ich nicht länger, sondern eilte, nachdem ich Vielzunge aufgefordert hatte, seine Wachsamkeit fortzusetzen, mit den Schritten der Jugend und der gespannten Erwartung über den Rasen. Zwei Minuten später lag meine Hand auf der Klinke des Thürchens, und einen Moment nachher stand letzteres offen. Mary Warren empfing mich, winkte mir mit der Hand, daß ich behutsam sein solle, und schloß leise die Thüre. Ich bat sie nun um Aufklärung.

»Sprecht nicht zu laut,« flüsterte das besorgte Mädchen, obschon sie im Allgemeinen eine Fassung zeigte, welche in Anbetracht der außerordentlichen Verhältnisse bewunderungswürdig zu nennen war. »Ich habe sie wahrgenommen; sie sind hier!«

»Hier? – doch nicht in dem Hause?«

»Ja, in dem Hause – in der Küche, wo sie in diesem Augenblicke auf dem Boden Feuer anzünden. Kommt hurtig – wir dürfen keine Zeit verlieren.«

Es wird hier am Orte sein, die Einrichtung der Küchen- und Wirthschafts-Räume zu schildern, damit nachfolgende Erzählung verständlicher werde. Die bereits erwähnte große Einfahrt trennte den südlichen Flügel des Hauses in zwei gleiche Theile, die Zimmer aber erstreckten sich nach der ganzen Länge und liefen natürlich über dem Thore hin. Auf der westlichen Seite des letzteren befanden sich die Speisezimmer und die dazu gehörigen Wirthschaftsgelasse, auf der östlichen aber die Küche, die Bedientenstube, der Scheuerplatz und eine schmale Treppe, die nach den Schlafkammern des Gesindes führte. Die äußere Thüre zu diesem Theile des Gebäudes war unter dem Bogen der Durchfahrt angebracht, und ihr gegenüber befand sich eine andere, welche den gewöhnlichen Dienst vermittelte. Dann war ein Hof vorhanden, der auf drei Seiten von dem Hauptgebäude und den mehr erwähnten beiden langen niedrigen Flügeln umgeben, auf der vierten aber gegen die Klippe hin offen war. Letztere hatte, obschon sie fast senkrecht abfiel, keine besondere Höhe, so daß ein behender Mann wohl im Stande war, unter der Benutzung der Zerklüftungen daran hinauf oder auch hinabzusteigen. Als Knabe hatte ich dieses Wagniß oft und vielmal bestanden, und auch die männlichen Dienstboten und die gemietheten Arbeiter machten häufig diesen Versuch. Da fiel mir denn mit einem Male ein, die Brandstifter könnten wohl durch Ersteigung der Klippe in's Haus gelangt sein, und die Klippe lieferte natürlich vornweg das für ihre Absicht taugliche Material.

Der Leser kann sich denken, daß ich, nachdem mir Mary Warren die obgedachte Mittheilung gemacht hatte, mich nicht damit aufhielt, alle diese Dinge mit ihr ausführlich zu verhandeln. Mein erster Gedanke war, sie zu bitten, sie möchte nach der Buche hingehen, um Vielzunge herbeizubescheiden; aber sie weigerte sich, meine Seite zu verlassen.

»Nein – nein – nein. Ihr dürft mir nicht allein nach der Küche gehen,« sagte sie hastig. »Es sind ihrer zwei; sie sehen ganz verzweifelt aus, haben sich die Gesichter geschwärzt und führen Musketen bei sich. Nein – nein – nein. Kommt nur mit – ich will Euch begleiten.«

Ich zögerte nicht länger, sondern ging weiter, und Mary hielt sich dicht an meine Seite. Zum Glück hatte ich die Büchse bei mir, und die Drehpistole stak in meiner Tasche. Wir gingen denselben Weg, welchen Mary bei ihrer Wache eingeschlagen hatte, durch die Speis- und Wirthschaftszimmer zurück; denn bei ihrer Runde hatte sie vermittelst eines kleinen Fensters, das in die Durchfahrt hinausging und einem Küchenfenster gegenüber lag, das Treiben der nächtlichen Uebelthäter bemerkt. Unterwegs erzählte mir das muthige Mädchen, sie sei, während ich vor dem Hause draußen auf meinem Posten stand, ohne Unterlaß in den unteren Gemächern des ganzen Gebäudes umhergegangen; da habe denn ein Licht, das durch die vorerwähnten Fenster blinkte, ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen und sie in die Lage gesetzt, deutlich zwei Männer mit geschwärzten Gesichtern zu unterscheiden, die in einer Ecke der Küche, wo die Flammen sich bald der Treppe und später den oberen Theilen, wie auch dem Holzwerk des Daches mittheilen mußten, Feuer anzündeten. Zum Glück bestand in diesem ganzen Theile des Hauses der Boden aus Backsteinen, und nur die Bedientenstube, die sich jenseits des schmalen Treppenraums befand, machte hievon eine Ausnahme. Sobald Mary Warren die Gefahr entdeckt hatte, eilte sie nach ihrem Gemach hinaus, um an ihrem Fenster das verabredete Signal zu geben, und kehrte dann nach der Thüre zurück, um mich von dem Thatbestand zu unterrichten. Seit der Zeit aber, als sie zum ersten Mal sich von der drohenden Gefahr unterrichtet hatte, waren bereits drei oder vier Minuten entschwunden, so daß wir uns jetzt mit aller Hast nach dem Fenster in der Durchfahrt begaben.

Ein greller Lichtschimmer an dem gegenüberliegenden Fenster zeigte uns an, welche Fortschritte die Mordbrenner gemacht hatten. Ich bat Mary, sie solle bleiben, wo sie sei, ging durch die Thüre und stieg nach dem Pflaster des Durchlasses hinunter. Das kleine Fenster unter dem Bogen war zu hoch angebracht, als daß ich hätte durchsehen können; indeß war noch eine Reihe niedriger Fensterchen vorhanden, die in den Hof hinaus gingen. Ich begab mich hurtig nach einem derselben hin, und konnte nun deutlich wahrnehmen, was drinnen vorfiel.

»Da sind sie!« flüsterte Mary, die, ohne auf meine Bitte Rücksicht zu nehmen, nicht von meiner Seite gewichen war. »Zwei Männer mit geschwärzten Gesichtern – und das Holz, mit dem sie ihr Feuer anzündeten, flackert bereits lichterloh.«

Das Feuer, wie ich es jetzt sah, bestätigte die Besorgniß nicht, welche ich gefühlt hatte, als es mir nur meine Einbildungskraft vormalte. Unter der Treppe befand sich ein offener Platz, und die Brandstifter hatten auf dem Ziegelboden darunter ihren Holzstoß aufgeschichtet. Dieser hatte zur Unterlage das Brenn-Material, welches für die Bedürfnisse der Köchin vorhanden war, und die Verbrecher hatten zum Anzünden desselben die Kohlen des Herds benutzt. Der Holzhaufen war beträchtlich und brannte schon hell auf; auch trugen die beiden Schurken, als ich sie zum ersten Mal bemerkte, die Stühle der Küche als weiteren Brennstoff herbei. Es war ein guter Grund gelegt, und zehn oder fünfzehn Minuten später hätte dieser ganze Theil des Hauses in Flammen stehen müssen.

»Ihr habt von Musketen gesprochen, welche die Elenden bei sich hätten,« flüsterte ich Mary zu. »Seht Ihr jetzt etwas davon?«

»Nein. Als ich sie zum ersten Mal wahrnahm, hatte Jeder seine Muskete in der einen Hand, während er mit der andern Holz hereintrug.«

Ich hätte die Schurken ohne Mühe oder Gefahr für mich niederschießen können: indeß mochte ich doch keinem Menschen das Leben nehmen. Freilich standen die Dinge so, daß ich einen ernstlichen Kampf besorgen mußte: es war also nothwendig, Beistand herbei zu berufen.

»Wollt Ihr nach dem Zimmer meines Onkels gehen, Mary, und ihm sagen, er möchte augenblicklich aufstehen? Dann habt die Güte, von der Vorderthüre aus Vielzunge zuzurufen, er solle so schnell wie möglich hieher kommen. In zwei Minuten ist Beides geschehen, und ich will in der Zwischenzeit diese Schurken beobachten.«

»Ich fürchte mich, Euch bei den Elenden hier allein zu lassen, Mr. Littlepage,« flüsterte Mary leise.

Eine dringende Bitte von meiner Seite bewog sie jedoch, zu willfahren, und sobald das theure Mädchen einmal ihren Entschluß gefaßt hatte, eilte sie eigentlich im Fluge dahin. Wie es mich däuchte, war kaum eine Minute verflossen, als ich sie schon dem Dolmetscher zurufen hörte. Die Nacht war so stille, daß der leise Ton dieses Rufs auch die Ohren der in ihrem höllischen Werke begriffenen Mordbrenner erreichte, wenn sie nicht etwa blos etwas gehört zu haben meinten. Genug, sie geriethen in Unruhe, sprachen miteinander, schauten einen Moment nach dem brennenden Holzstoß hin, und griffen nach ihren Waffen, welche in einer Ecke der Küche standen. Sie schickten sich zum Aufbruch an.

Die Krisis war nahe. Vor ihrem Entweichen war die Ankunft eines Beistandes unmöglich, und ich mußte entweder mit den beiden Kerlen anbinden, oder sie entwischen lassen. Mein erster Gedanke war, den Vordermann niederzuschießen und den andern zu packen, ehe er Zeit gewänne, von seiner Waffe Gebrauch zu machen; aber ein glücklicher Gedanke hinderte mich an diesem gewagten Schritte. Die Mordbrenner waren im Rückzug begriffen, und es kam mir ein Bedenken, ob es auch gesetzlich sei, einen flüchtigen Verbrecher zu tödten. Meine Aussichten vor einem Schwurgericht gestalteten sich, wie ich glaubte, weit schlimmer, als die eines gewöhnlichen Taschendiebs oder Straßenräubers, denn ich habe genug gehört oder gelesen, um die Ueberzeugung zu gewinnen, daß Tausende um mich her wohnten, welche sich mit der Meinung trugen, der Umstand, daß ich der Eigenthümer von Farmen sei, welche Andere zu besitzen wünschten, sei hinreichend, um im moralischen Sinne auch die schlimmsten gegen mich geübten Schritte zu entschuldigen.

Eine Majorität meiner Landsleute wird diese Vorstellung als erzwungen und unwahrscheinlich erklären; aber auch Majoritäten sind in ihrem Urtheil durchaus nicht untrüglich, und ein verständiger Mann mit nur gewöhnlicher Beobachtungsgabe braucht nur das, was täglich um ihn vorgeht, in's Auge zu fassen, um sich hievon zu überzeugen. Wenn er nicht findet, daß die Menschen gar sehr geneigt sind, bei Verfolgung eines Planes von Grundsätzen und Gerechtigkeit Umgang zu nehmen, so will ich einräumen, daß ich nichts von der Menschennatur verstehe – wenigstens von der Menschennatur, wie sie sich in unserer gesegneten Republik verzerrt hat.

Es war übrigens keine Zeit zu verlieren, und das Verfahren, zu dem ich mich entschloß, wird am besten aus dem Verlauf der Ereignisse erhellen. Ich hörte die Thüre aufgehen und machte mich zum Angriff bereit. Ob die Mordbrenner die Absicht hatten, vermittelst der Klippe den Rückzug anzutreten oder das von innen verriegelte Thor zu öffnen, wußte ich nicht; aber ich hielt mich auf jeden dieser beiden Fälle gefaßt.

Kaum vernahm ich auf dem Pflaster des Durchlasses einen Schritt, als ich meine Büchse in die Luft abfeuerte, um damit ein Lärmsignal zu geben. Dann faßte ich mein Gewehr, sprang vorwärts und brachte den Vordersten mit einem tüchtigen Kolbenschlag auf seinen Hut zu Boden. Der Kerl fiel nieder wie ein Ochse unter dem Beil des Schlächters. Dann ließ ich die Büchse fallen, sprang über den Körper des Hingestreckten weg und packte seinen Spießgesellen. Alles dieß geschah so schnell, daß die Ueberraschung keinem der Schurken Zeit ließ, sich zur Wehr zu stellen. Der Angriff auf meinen zweiten Gegner, der noch aufrecht stand, war in der That so plötzlich, daß er seine Büchse fallen lassen mußte, und nun begann der Ringkampf; wir hielten uns wie ein paar Bären in der Todesumarmung umfaßt. Ich war jung und behend, mein Gegner aber mit größerer Körperkraft begabt. Auch er verstand sich gut auf den Ringkampf, und ich fiel zu Boden, während mein Feind über mich hinstürzte. Zum Glück fiel ich auf den Körper des anderen Mordbrenners, der eben jetzt nach dem gewaltigen Schlage, den er erhalten hatte, Zeichen des wiederkehrenden Bewußtseins verrieth. Wenn nicht Beistand kam, hatte ich nur geringe Aussichten. Der zweite Mordbrenner hielt mich am Halstuche gefaßt und drehte es zusammen, um mich zu ersticken; aber plötzlich ließ er in seinen Anstrengungen nach. Das Feuer, dessen Helle durch die Küchenthüren herausdrang, ließ nun Alles, was unter dem Bogen vorging, deutlich unterscheiden. Mary war eben im rechten Augenblicke zurückgekehrt, um mich zu retten. Mit einer Entschlossenheit, die ihr Ehre machte, griff sie die Büchse, welche ich hatte fallen lassen, wieder auf, steckte den Lauf zwischen den gebogenen Armen und dem Rücken meines Gegners durch, und bediente sich zu gleicher Zeit der Waffe als eines Hebels. Dieser Beistand ließ mich wieder zu Athem kommen; ich nahm meine volle Kraft zusammen, packte meinen Feind an der Kehle, schüttelte ihn ab, warf ihn auf die Seite und war im Nu wieder auf den Beinen. Jetzt zog ich die Pistole hervor und rief dem Schurken zu, er solle sich ergeben oder die Folgen auf sich nehmen. Der Anblick dieser Waffe sicherte mir den Sieg, denn der geschwärzte Mordbrenner kroch in eine Ecke zurück und flehte auf's Kläglichste, ich möchte ihn nicht erschießen. Im nächsten Augenblicke erschien der Dolmetscher unter dem Bogen. Der ganze Indianerhaufen folgte ihm auf dem Fuße, denn mein Schuß hatte ihnen als Leitsignal gedient.


 


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