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»Was sagst Du zu einem Hasen, oder zu der Melancholie eines Sumpfgrabens?«
König Heinrich IV.
Das Licht war aus der Schlucht, in welcher das Dorf Hartenburg lag, fast ganz verschwunden, als Berchthold auf einem anderen Pfade, als der war, welcher ihm vor einer Stunde zum Hinansteigen gedient hatte, vom Schlosse herunter kam, vermittelst einer steinernen Brücke über den Bach gelangte und auf dem anderen Ufer in die Straße einbog. Der junge Förster hatte die Hunde eingesperrt und seine Koppel sowohl als sein Gewehr bei Seite gelegt; dagegen hing das Horn noch immer um seine Schulter. An seiner Seite führte er ein Jagdmesser, für jene Zeit und für jenes Land eine nützliche Wehr, die er kraft seines Amtes als Dienstmann des Grafen von Leiningen-Hartenburg tragen durfte. Letzterer war der Gebieter der Veste, welche er eben verlassen, und der Lehensherr über den größten Theil des benachbarten Gebirgs sowohl als über unterschiedliche Dörfer in der Ebene der Pfalz. Der Kuhhirte schien auf seinen Gefährten oder Freund gewartet zu haben; denn dem vertraulichen Fuße zufolge, welcher zwischen den beiden stattfand, dürfte wohl der letztere Ausdruck als der passendere erscheinen. Gottlob harrte in der Nähe der Hütte seiner Mutter. Als die Jünglinge zusammentrafen, verständigten sie sich mit einander durch ein Zeichen und schritten dann schnellen Fußes weiter, der Häusergruppe den Rücken zukehrend.
Unmittelbar vor dem Dorfe erweiterte sich das Thal und nahm den Charakter der Fruchtbarkeit und Cultur an, wie wir ihn dem Leser in der Einleitung vorgeführt haben; und wer die Mühe über sich genommen, unser nicht überflüßiges Vorwort zu lesen, weiß wohl ohne weitere Belehrung, daß die beiden Jünglinge, mit welchen wir unsre Leser bekannt gemacht haben, sich in dem Thalkessel befanden, in welchem die Abtei Limburg stand. Freilich haben drei Jahrhunderte manche wesentliche Veränderung in den vergänglichen Zügen dieses Platzes hervorgebracht, obschon sie nicht im Stande waren, einen sonderlichen Einfluß auf den Grundcharakter der Landschaft zu üben.
Während die jungen Männer rasch weiter gingen, berührten die ersten Strahlen des Mondes die Bergspitzen, und ehe sie noch eine halbe Stunde in dem Passe, der nach dem Rheinthale führte, zurückgelegt hatten, standen schon die Thürme und Dächer der Abtei in schöner Nachtbeleuchtung da. Die Klostergebäude glichen durch ihre Anzahl und ihre wirre Gruppirung einem Dorfe, während eine starke, massive Mauer den ganzen oberen Theil des einzelstehenden Berges umschloß. Die Bauart schien auf einen jener kriegerischen Kirchenfürsten des Mittelalters, welche den Harnisch unter der Stole trugen, hinzudeuten; denn während die Thürme, die gemalten Fenster und die Denkmale, welche in Folge frommer Gelübde errichtet worden waren, den unmittelbaren Zweck der Gebäude bezeichneten, bekundeten zugleich die Vertheidigungswerke, daß die Mönche eben so gut in menschlichen als anderen Mitteln ihren Schutz suchten.
»Wir haben da einen Mond, der eben so gut für einen Mönch, als für einen Kuhhirten geschaffen zu sein scheint,« bemerkte Gottlob in fast flüsterndem Tone. »Das Licht trifft dort den hohen Thurm der Abtei und wird bald auf die Glatze eines jeden Klosterspätlings scheinen, der ausgezogen ist, um Pröbchen von der letzten Weinlese zu kosten oder anderweitig in den Angelegenheiten irgend eines Dürkheimer Bürgers zu spioniren.«
»Du hegst nicht viel Ehrfurcht gegen die frommen Väter, ehrlicher Gottlob, denn selten läßt Du eine Gelegenheit entschlüpfen, wenn es gilt, sie mit Deiner Zunge oder einer hungrigen Kuh in Nachtheil zu bringen.«
»Ja, siehst Du, Berchthold, wir Grundsassen sind wenig mehr, als das klare Wasser, in welchem unser Gebieter sein Gesicht und im Nothfalle auch seinen Humor abspiegeln kann. Wenn Herr Emich einmal einen recht herzlichen Haß gegen ein Roß oder einen Menschen, einen Hund oder eine Katze, eine Stadt oder ein Dorf, einen Mönch oder einen Grafen hegt, so weiß ich nicht, wie es kommt, aber ich fühle dann, daß sich in mir selbst die Galle regt, bis ich genug in Harnisch gekommen bin, um zuzuschlagen, wenn er schlägt, zu fluchen, wenn er flucht und sogar umzubringen, wenn er Blut sehen will.«
»Das ist eine gute Eigenschaft für einen Dienstmann; indeß steht doch um des lieben Christenthums willen zu hoffen, daß es mit der Sympathie hier nicht schon ein Ende hat, sondern daß auch Deine Zuneigungen sich eben so sehr nach denen Deines Herrn richten, wie Dein Haß.«
»Traun, noch mehr sogar! Graf Emich ist ein gewaltiger Freund von einer Wildbretpastete zum Morgenimbiß, und ich trage ein Verlangen darnach den ganzen lieben langen Tag. – Graf Emich wird in einer Stunde über eine Flasche Dürkheimer Herr, während in derselben Zeit zwei kaum im Stande sind, meinen Eifer für seine Ehre gebührend zu zeigen; und sofern noch andere derartige Widerwärtigkeiten in Frage kommen, bin ich wahrlich nicht der Mann, um meinen Herrn aus Mangel an Dienstbeflissenheit im Stiche zu lassen.«
»Das glaube ich Dir ohne Eid, Gottlob,« versetzte Berchthold lachend, – »namentlich wenn sich's um dergleichen Dinge handelt. Aber im Grunde sind die Benedictiner doch Kirchenleute und halten an ihrem Glauben und an ihrer Pflicht so gut, als irgend ein Bischof in Deutschland; ich sehe daher nicht ein, warum der Herr oder der Knecht so großen Widerwillen gegen sie hegt.«
»Ich weiß wohl, Du stehst bei einigen von der Brüderschaft in Gunsten, und es vergeht selten eine Woche, in welcher Du nicht vor einem oder dem andern ihrer Altäre kniest. Bei mir ist's übrigens nicht so; denn seit der Buße, die sie mir wegen jener Geschichte auflegten, als ich mir ein Bischen Freiheiten mit einer ihrer Heerden erlaubte, habe ich für ihre geistliche Kost einen gar schwachen Magen.«
»Und doch hast Du im Laufe eines Monats den Petersgroschen bezahlt, Dich beim Gebet eingefunden und Pater Arnolph Deine Sünden gebeichtet.«
»Was willst Du auch von einem Sünder verlangen? Ich gab das Geld auf das Versprechen hin, daß ich es mit Wucherzinsen zurückerhalten werde, und zum Beten ließ ich mich heran wegen eines verwünschten Zahnwehs, das mich zeitenweise weit schlimmer plagte, als der Teufel eine arme Seele in der Hölle peinigen kann. Was dann weiter das Beichten betrifft, so geschieht dieß immer mit gebührender Vorsicht, seit meine ungemeine Aufrichtigkeit in Betreff der Heerde jene Buße über mich verhängt hat. Die Wahrheit zu sagen, Meister Berchthold, die Kirche kommt mir vor, wie ein Weib zwei Jahre nach der Hochzeit – angenehm genug, wenn man sie gewähren läßt, aber eine Allerweltshexe, wenn man ihrem Willen in die Quere kömmt.«
Der junge Förster wurde nun gedankenvoll und schweigend. Sie befanden sich in der Nähe des Dorfes, welches den Mönchen von Limburg gehörte, und sein geschwätziger, muthwilliger Begleiter hielt es deßhalb für passend, aus Beweggründen der Klugheit Berchthold's Rückhaltung nachzuahmen. Der künstliche, kleine See, dessen wir in der Einleitung Erwähnung thaten, war schon damals vorhanden, obschon das Wirthshaus mit dem ehrgeizigen Anker im Schilde die Frucht eines weit spätern Unternehmungsgeistes ist. Sobald die jungen Männer eine Schlucht erreicht hatten, welche in der Nähe der Stelle, wo jetzt die Schenke steht, in's Gebirg drang, bogen sie von der Landstraße ab, sahen sich aber zuvor wohl um, ob nicht ein neugieriges Auge ihre Bewegungen beobachte.
Hier begann ein langer und etwas mühsamer Felsensteig, der nur stellenweise von dem aufgehenden Monde erhellt wurde. Der Förster und der Kuhhirte waren jedoch gut zu Fuße und erreichten bald den Gipfel eines weit vorspringenden Ausläufers im Gebirg, wo sich eine freie haidenartige Ebene vor ihnen aufthat. Obgleich sie ihre Unterhaltung während des Hinansteigens nicht unterbrachen, führten sie dieselbe doch in noch gedämpfterem Tone als unter den Mauern von Limburg, und je höher sie kamen, desto mehr schien dem Hirten der Muth zu entsinken.
»Das ist eine traurige Einöde, die Einem wohl den Muth benehmen kann, Berchthold,« flüsterte Gottlob, als sein Fuß den ebenen Grund berührte; »auch erscheint sie im Mondenlichte sogar noch unheimlicher, als wenn man sie in der Dunkelheit betritt. Bist Du je zu dieser Stunde dem Teufelssteine so nahe gewesen?«
»Ich war einmal um Mitternacht dort und machte bei dieser Gelegenheit Bekanntschaft mit dem Manne, den wir jetzt besuchen wollen. Habe ich Dir nie erzählt, wie es bei jener Begegnung zuging?«
»'s ist eine üble Gewohnheit von Dir, das Gedächtniß Deiner guten Freunde zu besteuern. Wenn Du es allenfalls noch einmal erzählen willst, so fallen mir vielleicht, bis Du zu Ende kommst, die Thatsachen wieder ein – und offen gesprochen, Deine Stimme kommt mir gar tröstlich vor auf dieser gespenstischen Haide.«
Der junge Förster lächelte, ohne gerade damit seinen Begleiter verspotten zu wollen, denn er sah, daß derselbe trotz einer scheinbaren Gleichgültigkeit gegen alle ernsten Dinge, wie es gewöhnlich der Fall zu seyn pflegt, in der Stunde der Prüfung doch der Zaghaftere war; dabei mochte Berchthold auch den Unterschied in's Auge fassen, welchen eine verschiedene Erziehung in ihrer beiderseitigen Denkkraft nothwendig zur Folge haben mußte: daß er selbst den Gegenstand nicht als unwichtig behandelte, ließ sich aus der behutsamen Weise entnehmen, in welcher er sich nachstehender Mittheilung entledigte.
»Ich hatte von Sonnenaufgang an Herrn Emichs Jagdgründe durchstreift,« begann Berchthold, »denn es war mehr als gewöhnliche Wachsamkeit nöthig, um dem benachbarten Bauernvolke auf die Nähte zu gehen. Meine Streife hatte mich weit in die Berge geführt und die Nacht überraschte mich. Es war nicht so hell, wie heute, sondern pechfinster, so daß ich, obschon ich von Kindheit auf an den Wald gewöhnt bin, nicht einmal die Richtung eines Sternes, geschweige denn die des Schlosses hätte angeben können. Ich wanderte stundenlang umher und hoffte mit jedem Augenblick in das Thal zu kommen, bis ich mit einmale auf ein Feld gelangte, das endlos und unbewohnt zu seyn schien.«
»Ah – das war des Teufels Tanzboden! – Du meinst unbewohnt von Menschen.«
»Kannst Du Dir wohl eine Vorstellung von der Hülflosigkeit eines Geschöpfes machen, das sich im Walde verirrt hat, Gottlob?«
»Aus eigener Leibeserfahrung nicht, Meister Berchthold, wohl aber kann ich aus meiner Heerde einen Schluß ziehen, da mir armem Sünder mit dieser oft ein derartiges Unglück zustößt.«
»Ich weiß nicht, ob Dir die Theilnahme, die Du für Deine Kühe fühlst, einen Begriff von dem Kleinmuth und der Demüthigung geben kann, die sich des Geistes bemächtigen, wenn wir, von allem Verkehr mit unsern Mitmenschen abgeschnitten, allein in einer Einöde stehen und, obgleich wir lebende Geschöpfe in unserer Nähe wissen, von unsern Augen und Ohren doch keinen nützlichen Gebrauch machen können; denn wenn man auch alle Zeichen Gottes vor sich sieht, so gebricht's Einem doch an den gewöhnlichen Mitteln, sich der Güte des Schöpfers zu erfreuen, weil man nicht mehr erkennt, was er uns damit verliehen hat.«
»Müssen denn nothwendiger Weise auch die Zähne müßig oder die Kehle trocken seyn, Meister Förster, weil der Pfad verborgen liegt?«
»In einem solchen Augenblicke schweigen Hunger und Durst, weil man sich nach nichts Anderem sehnt, als dem gewöhnlichen Verkehr mit der Erde zurückgegeben zu werden. Man fühlt sich wieder in die Hülflosigkeit eines Wickelkindes eingesetzt und trägt doch alle Bedürfnisse und Gewohnheiten des Mannes im Sinne.«
»Wenn Du einen solchen Zustand eine Wiedereinsetzung nennst, Freund Berchthold, so will ich St. Benedict um seine Fürsprache angehen, damit ich abgesetzt bleiben möge bis an das Ende meiner Tage.«
»Wo die Erinnerung eines so hülflosen Augenblickes noch frisch im Gedächtniß ist, legt man nicht jedes Wort auf die Wagschaale. Aber als ich meine Verlassenheit so recht lebhaft fühlte, kam ich aus dem Jagdgehäge auf diese Berghaide heraus. Bei dieser Gelegenheit zeigte sich meinen Blicken ein Gegenstand, der wie ein Haus aussah, und es kam mir vor, als blinke ein helles Licht durch das Fenster desselben. Jetzt fühlte ich mich dem Verkehr mit meinem Geschlecht wieder zurückgegeben.«
»Nun bedienst Du Dich Deiner Ausdrücke doch mit mehr Umsicht,« sagte der Kuhhirt tief Athem holend, wie ein Mann, der froh ist, daß eine Schwierigkeit endlich doch überwunden wurde. »Ich hoffe, es war die Wohnung irgend eines wohlhabenden Grundsassen des Grafen Emich, dem es nicht an den Mitteln fehlte, einer bedrängten Seele Tröstung zu geben.«
»Gottlob, die Wohnung war nichts Anderes, als der Teufelsstein, und das Licht ein blinkender Stern, der zufälliger Weise in einer Linie mit dem Teufelsstein stand.«
»Da kann ich mir denken, Meister Berchthold, daß Du nicht zweimal an der Thüre um Einlaß klopftest.«
»Der weibliche Aberglauben und die Volkssagen, mit denen man sich über unsere Berge trägt, üben keinen sonderlichen Einfluß auf mich, aber« –
»Gemach, gemach, Freund Förster; was Du mit so unehrerbietigen Namen bezeichnest, ist die Ansicht aller derer, welche in oder um Dürkheim wohnen. Sey es Ritter oder Mönch, Bürger oder Graf, Alle haben gleiche Achtung vor unsern ehrwürdigen Ueberlieferungen. Tausend Sechs und Zwanziger, was müßte aus uns werden, wenn wir nicht so eine Mordsage oder sonst ein derartiges schauerliches und ehrfurchtgebietendes Schauspiel hätten, um es den Bußen, Gebeten und Messen der Limburger Mönche gegenüber zu stellen. Blähe Dich meinetwegen in Deiner Weisheit und Philosophie, so viel Du willst, mein guter Milchbruder, aber laß uns unsern Teufel, wäre es auch nur, damit wir dem Abt damit zu Leibe steigen können.«
»Trotz Deiner hohen Worte weiß ich doch, daß im Grunde des Herzens von uns beiden keiner eine größere Furcht vor eben diesem Berge hegt, als Du, Gottlob. Habe ich nicht schon selbst gesehen, wie Dir die kalten Schweißtropfen über die Stirne rannen, wenn wir nach Einbruch der Dunkelheit über die Haide gingen?« –
»Weiß'st Du auch gewiß, daß es nicht der Thau war? In unseren Bergen gibt's viel von dieser Feuchtigkeit, mag auch sonst die Erde noch so trocken seyn.«
»Nun, so soll's meinetwegen der Thau gewesen seyn.«
»Um Dir einen Gefallen zu erweisen, Berchthold, würde ich bereitwillig schwören, es sey ein Rohrbronnen gewesen. Aber was hast Du mit dem Felsen und dem Sterne weiter angefangen?«
»An ihrem Wesen ließ sich nichts ändern. Ich stelle mich freilich nicht so gleichgiltig an gegen die geheimnißvolle Nacht, welche die Erde beherrscht, wie Du, aber Du weißt wohl, daß mich die Furcht nie von diesen Bergen fern gehalten hat. Als ich beim Näherkommen meinen Irrthum einsah, wollte ich mich schon wieder abwenden – und ich räume bereitwillig ein, daß ich ein Kreuz schlug und ein Ave vor mich hinsprach; aber ein Blick nach Oben überzeugte mich, daß der Stein besetzt war –«
»Besetzt? Für besessen habe ich ihn zwar stets gehalten, aber doch ließ ich mir von einem Besetztseyn nie etwas träumen.«
»Es saß Jemand auf dem obersten Vorsprunge, und ich konnte die Umrisse so deutlich sehen, wie die des Felsen selber.«
»Darauf zeigtest Du die Behendigkeit, welche Dich bei dem Grafen so sehr in Gunst setzte und Dir zu Deinem Försterposten verhalf.«
»Ich hoffe, der Muth, die Pflichten meines Amtes in Ausführung zu bringen, hat sein Gewicht bei Herrn Emich,« entgegnete Berchthold etwas hastig. »Ich bin nicht davon gelaufen, Gottlob, sondern redete das Wesen an, welches sich zu so später Stunde einen so merkwürdigen Sitz gewählt hatte.«
Ungeachtet seiner erkünstelten Scherzhaftigkeit zog sich der Kuhhirt unwillkürlich näher an seinen Begleiter und sandte zu gleicher Zeit einen Seitenblick in die Richtung des unheimlichen Felsen.
»Du scheinst unruhig zu werden, Gottlob.«
»Meinst Du, ich habe keine Eingeweide im Leibe? Wie sollte ich nicht unruhig werden, wenn ich einen meiner Freunde in einer solchen Klemme weiß? Der Himmel behüte Dich, Berchthold, ich könnte nicht größer in Sorge kommen, und wenn die beste Kuh in meiner Heerde zu fressen aufhörte. Hast Du Antwort erhalten?«
»Ja,« entgegnete der Förster, und fuhr dann in der sinnenden Weise eines Mannes fort, der einzelne Lichtblicke einer ihm lang verborgenen Wahrheit erhalten hat; »und der weitere Verlauf belehrte mich, daß die Furcht uns manchmal hindert, die Dinge zu sehen, wie sie sind, woraus denn oft unsere Irrthümer Nahrung ziehen. Ich erhielt Antwort, und zwar in einer menschlichen Stimme – das würden wohl die wenigsten Dürkheimer geglaubt haben.«
»Nun, darin liegt Ermuthigung, und wenn sie auch heiserer gewesen wäre, als das Gebrülle eines Stiers.«
»Sie klang sanft und war verständigen Inhalts, Gottlob, wie Du gerne glauben wirst, wenn ich Dir sage, daß sie von Niemand anderem, als von dem Einsiedler der Cedern herrührte. Von dorther rührt unsere Bekanntschaft, und Du weißt, daß sie seit jener Zeit meinerseits nicht aus Mangel an häufigen Besuchen in Abnahme gerieth.«
Der Kuhhirt ging mehr als eine Minute schweigend weiter, machte aber dann plötzlich Halt und redete seinen Gefährten folgendermaßen an:
»Und dieß ist also Dein Geheimniß gewesen, Berchthold – ich meine in Betreff der Art, wie Deine neue Freundschaft begonnen hat?«
»Es ist kein anderes damit verknüpft. Ich weiß wohl, wie sehr Du an den Meinungen der Gegend hängst, und fürchtete, bei den Besuchen Deine Begleitung zu verlieren, wenn ich Dir unbehutsamer Weise alle Umstände unseres ersten Zusammentreffens mittheilte. Nun Du aber den Einsiedler selbst kennen gelernt hast, sorge ich nicht mehr, daß Du mir desertiren werdest.«
»Man muß bei Freunden nie auf allzu viele Opfer zählen, Meister Berchthold. Wenn die Sicherheit des Leibes in Frage kommt, die der Seele gar nicht einmal mitgerechnet, so trägt sich der menschliche Geist mit so manchen Vorstellungen, läßt sich durch so viele Grillen beherrschen und wird durch so tausenderlei Bedenken gequält, daß man wohl keine größere Uebereilung begehen kann, als wenn man allzusicher auf die Opfer eines Freundes rechnet.«
»Nun, so weißt Du ja den Weg und kannst wieder nach dem Dorfe zurückkehren, wenn Du willst,« entgegnete der Förster ärgerlich und nicht ohne Strenge.
»Es gibt Lagen, in welchen es eben so schwer ist, den Rückweg anzutreten, als vorwärts zu gehen,« bemerkte Gottlob, »sonst könnte ich Dich wohl beim Wort nehmen, Berchthold, und mich wieder nach der Wohnung meiner sorgsamen Mutter begeben, wo ich ein gutes Nachtessen und ein Bett zu hoffen habe, an dessen Seiten die Bildnisse der Jungfrau, des heiligen Benedict und des Herrn Grafen herumhängen. Freilich, ohne meine Sorgfalt für Dich würde ich keinen Schritt weiter gegen das Lager hin thun.«
»Halte das wie Du willst,« versetzte der Förster, welcher augenscheinlich wohl merkte, wie sehr sich sein Begleiter vor dem Alleinseyn an einem so unheimlichen Platz fürchtete, und daher seinen Vortheil benützte, indem er seine Schritte in einer Weise beschleunigte, daß Gottlob bald seinen überwältigenden Vorstellungen überlassen geblieben seyn würde, wenn dieser nicht emsig die Behendigkeit seines Freundes nachgeahmt hätte. »Du kannst den Leuten des Grafen sagen, Du habest mich auf diesem Berge verlassen.«
»Nein,« entgegnete Gottlob, sich die Noth zum Verdienste anrechnend, »wenn ich dieß thue oder sage, so sollen sie mich zu einem geschorenen Mönche oder zu dem Abt von Limburg obendrein machen.«
Nachdem der Kuhhirt, welcher den Widerwillen seines Gebieters gegen die fromme Nachbarschaft in vollem Maße theilte, diese Absicht in einer Stimme, die so kräftig als sein Entschluß war, ausgesprochen hatte, stellte sich das Vertrauen zwischen den Freunden wieder her, und sie verfolgten eilenden Fußes ihren Weg. Indeß dürfen wir nicht bergen, daß der Platz in jeder Hinsicht geeignet war, alle schlummernden Keime des Aberglaubens, welche Erziehung, Ueberlieferung und Volkswahn der menschlichen Brust einpflanzten, in's Leben zu rufen.
Mittlerweile hatten sich unsere Abenteurer einem niedrigen Cedergehölze genähert, welches scheinbar innerhalb einer runden, aus großen Steinhaufen gebildeten Mauer auf einem Ausläufer des Gebirges stand. Hinter ihnen lag die ebene Haide, während der kahle Fels, im Mondenlichte sein Haupt aus der Erde emporreckend, inmitten der Einöde irgend einem düsteren Denkmale glich, durch welches die traurige Haide nur noch unheimlicher wurde. Den Hintergrund bildeten die schwarzen Wälder des Hardtgebirges. Rechts befand sich die Schlucht oder das Thal, aus welchem die beiden Jünglinge heraufkamen, und ein wenig seitwärts von dem Cedernhaine nach vorne zu lag mehrere hundert Fuß tiefer in nebeligter Dunkelheit die Ebene der Pfalz, gleich einem Meere, das die endlosen Spuren der Kultur in einander verschwimmen ließ.
Es war in der That selten, daß ein Dienstmann des Grafen Emich, namentlich einer von denen, welche in dem Schlosse oder in dessen Nähe wohnten und daher jeden Augenblick in Anspruch genommen werden konnten, sich soweit von der Veste, und zwar nach der Richtung der feindlichen Abtei entfernte, ohne sich mit Schutz- und Trutzwaffen vorzusehen. Berchthold trug gewohntermaßen sein Jagdmesser, ein kurzes, gerades Schwerdt, das bis auf den heutigen Tag in Europa die sogenannten Leibjäger an der Seite führen – eine Classe, welche, zu den fröhnerischen Diensten von Laquaien herabgewürdigt, hinten auf den Wagen von Gesandten und Fürsten paradiren muß, um den aufmerksamen Zuschauer an den regelmäßigen und sicheren Verfall der Bräuche aus den Zeiten des Lehenwesens zu erinnern. Aber auch Gottlob hatte, sofern menschliche Feinde in Frage kamen, seine versöhnliche Sicherheit nicht verabsäumt; denn in allen Kämpfen gegen Fleisch und Knochen war er ein mannhafter Bursche, wie er in mehr als einem jener blutigen Zwiste bekundet hatte, die in jener Zeit zwischen den Vasallen der kleineren deutschen Fürsten häufig genug vorkamen; der Kuhhirt hatte sich mit einer schweren Waffe vorgesehen, die sein Vater oft in der Schlacht geschwungen hatte und die der ganzen Muskelkraft des Sohnes bedurfte, um unter gebührender Beobachtung der erforderlichen Stellungen und Lagen gehandhabt zu werden. Feuergewehre waren damals viel zu theuer und zu unvollkommen, um für einen so unwichtigen Anlaß benützt zu werden, wie der war, welcher die Milchbrüder auf's Gebirg geführt hatte: denn in dieser verwandtschaftlichen Beziehung und in dem Umstande des gemeinsamen Heranwachsens lag das Geheimniß der Vertraulichkeit, welche zwischen dem Förster und dem Kuhhirten stattfand.
Berchthold bog nun, seinen Hirschfänger ziehend, nach einem alterthümlichen Thorwege ein, dessen Lage nur noch durch eine Unterbrechung des Grabens, welcher diese Seite der Mauer geschützt hatte und durch eine Oeffnung in der Mauer selbst kenntlich war, und betrat den innern Raum, in welchem der Leser das in der Einleitung beschriebene Heidenlager erkennen kann. In demselben Augenblicke ließ Gottlob seine schwere Waffe von der Schulter sinken und faßte ihren Griff in wissenschaftlicher Weise. Es war allerdings kein Feind sichtbar, um diese Bewegungen zu rechtfertigen; aber die zunehmende Einsamkeit des Platzes und jene Besorgniß vor Gefahr, die sich des Menschen gerne bemächtigt, wenn er sich in einer Lage befindet, welche Thaten der Gewalten begünstigt, – gab wahrscheinlich zu dieser gemeinsamen Vorsichtsmaßregel Anlaß. Das Licht der Mondsichel war noch nicht hinreichend kräftig, um durch die dichten Zweige der Cedern zu dringen, und obgleich es in dem Gehölze nicht ganz so dunkel war, wie in einer eigentlichen Wolkennacht, so befanden sich doch die Jünglinge jetzt in jener düsteren und nebeligten Art von Beleuchtung, welche, indem sie die Gegenstände nur unbestimmt erkennen läßt, so ganz besonders dazu geeignet ist, die Zuversichtlichkeit eines mißtrauischen Geistes zu untergraben. Der Wind wehte nur leicht, aber das Seufzen der Nachtluft schlug den Wanderern kläglich an's Ohr, während sie durch die Trümmer des Platzes ihren Weg suchten.
Wir haben bereits oben bemerkt, daß die Heidenmauer ursprünglich ein römisches Lager war. Das kriegerische Volk, welches diese vorgeschobenen Werke an der äußersten Grenze seines weiten Reiches errichtete, hatte natürlich keines der nöthigen Mittel verabsäumt, die je nach den Umständen für die Sicherheit sowohl, als für die Gemächlichkeit ersprießlich werden konnten. Der ersteren Rücksicht hatten sie schon durch die fast gänzlich abgeschiedene Lage des Hügels und durch ein Mauerbollwerk, das den noch vorhandenen Trümmern zufolge ungemein massenhaft und hoch gewesen seyn mußte, hinreichend Rechnung getragen, während der innere Raum in den Ueberbleibseln, über welche Gottlob in der Dunkelheit mehr als einmal strauchelte, häufig genug den Beweis lieferte, daß man es nicht an bequemer Einrichtung hatte fehlen lassen. Da und dort stand noch eine mehr oder weniger verfallene Wohnung, welche gleich den denkwürdigen Ueberresten von Pompeji und Herkulanum ein interessantes und untrügliches Zeugniß ablegte von den Gebräuchen derjenigen, die seitdem längst in die ewige Ruhe eingegangen waren. Einige rohe Ausbesserungen, welche die ergreifenden, aber einfachen Denkmale dessen, was das Innere des Lagers in der Periode seiner Kraft und seines Stolzes gewesen war, eher beeinträchtigten als verschönerten, deuteten darauf hin, daß Abenteurer der neueren Zeit sich Mühe gegeben hatten, die Trümmer in ihrem eigenen Interesse zu benutzen, indem sie die verfallenen Hütten zu Wohnungen für ihren eigenen jeweiligen Gebrauch umwandelten. Indeß schien doch dieß alles längst wieder verlassen worden zu seyn, denn Berchthold und sein Begleiter tasteten sich vorsichtig nur zwischen zerbröckelndem Gestein weiter, dessen klaffende Spalten auf hoffnungslosen Verfall hindeuteten. Endlich hielten die Jünglinge inne und hefteten ihre Blicke in die gleiche Richtung, als würden sie mit einemmale des Zieles ihrer Wanderung ansichtig.
In einem Theile des Haines, wo die Cedern dichter und üppiger wuchsen, als in den meisten Stellen dieses steinigten und unebenen Bodens, stand ein einzelnes, niedriges Gebäude, welches allein noch bewohnbar aussah. Wie die anderen war es entweder ursprünglich von den Herren der Welt erbaut oder durch die Soldaten Attilas, welche einen Winter in diesem Lager zubrachten, auf dem Grundgemäuer eines römischen Gebäudes errichtet worden; auch konnte man bemerken, daß es erfinderische Armuth mit ihrem gewöhnlichen Scharfsinn wetterfest gemacht hatte. Es war ein einzelnes Fenster, eine Thüre und ein roher Schornstein vorhanden, der durch das Clima und die hohe Lage des Ortes fast unerläßlich wurde. Durch das Fenster ließ sich der trübe Schein einer Fackel unterscheiden – das einzige Merkzeichen, daß die Hütte bewohnt war, denn außen herum lag Alles, die vorerwähnten rohen Verbesserungen ausgenommen, in der nachläßigen und bereiten Stille des Verfalles da. Der Leser wird aus dieser Schilderung wohl entnehmen, daß hier nicht von jener massenhaften Großartigkeit die Rede ist, die man beinahe unwillkürlich mit Allem, was den Namen Römisch trägt, in Verbindung bringt. Denn während der Natur der Sache nach die gewaltigsten öffentlichen Arbeiten dieses Volkes sich am ehesten bis auf unsre Zeiten erhalten mußten, trifft doch der Reisende oft auch auf Denkmäler ihrer Herrschaft, die so gebrechlich und vergänglich sind, daß sie ihre Erhaltung großentheils nur einer zufälligen Verkettung günstiger Umstände verdanken. Dennoch zeichnete sich der Römer in kleinen Dingen, wenn sie nur auf einen öffentlichen Zweck Bezug hatten, ebensosehr aus, als er in bedeutenden Bauten alle nachkommenden Geschlechter übertraf. Die Ringmauer oder Heidenmauer ist ein triftiger Beleg für meine Behauptung. In der Nähe von Dürkheim findet sich nirgends ein Bogen, ein Grab, ein Thor oder ein gepflasterter Weg, welcher den Beweis führen könnte, daß der Platz etwas anderes war, als ein zeitweiliger militärischer Posten, und doch ist die Anwesenheit seiner früheren Inhaber durch weit augenfälligere Beweise hergestellt, als wohl nach einem Jahrhundert zu finden seyn dürften, wenn mit einemmale die Hälfte aller dermaligen Städte der Christenheit verlassen würden. Freilich sind die Wahrzeichen nur roh und dem Zwecke entsprechend, der sie ins Daseyn rief.
Der Förster und der Kuhhirt blieben lange stehen und betrachteten die einsame Hütte, welche ihre Blicke gefesselt hatte, wie Männer, welche weiter zu gehen Anstand nehmen.
»Wenn Du mir nur nicht erzählt hättest, Meister Berchthold, daß unser ehrlicher Anachoret so große Vorliebe dafür hat, sich Nachts dem Teufelsstein zu lüften,« sagte der letztere. »Ich kann jetzt seiner Gesellschaft lange nicht mehr den früheren Geschmack abgewinnen.«
»Du wirst Dich doch nicht fürchten. Gottlob – Du, dessen Muth sich unter unseren Jünglingen eines so guten Rufes erfreut?«
»Und ich selbst werde der Letzte seyn, der mich der Feigheit oder irgend einer anrüchigen Eigenschaft beschuldigt, Freund Förster; aber Klugheit ist auch in jungen Jahren eine Tugend, und der Abt von Limburg selbst müßte dieß beschwören, wenn er hier wäre –«
»Er ist nicht in seiner eigenen hochwürdigen und achtbaren Person gegenwärtig,« ließ sich nun eine Stimme so nahe an Gottlob's Ohr vernehmen, daß dieser hurtig bei Seite sprang; »aber ein Mann, der einen Theil Seiner Heiligkeit bescheiden repräsentiren kann, ist bereit, die Wahrheit Deiner Aeußerung zu bestätigen, mein Sohn.«
Die betroffenen jungen Männer sahen jetzt, daß sich ihnen unerwartet ein Mönch von der anderen Seite des Gebirges angeschloßen hatte. Sie befanden sich auf den Ländereien der Abtei oder vielmehr auf einem Grunde, der einen Streitgegenstand zwischen den Bürgern von Dürkheim und dem Kloster bildete, in Wirklichkeit aber sich im Besitze des Letztern befand, weshalb sie sich als Dienstleute des Grafen von Hartenburg nicht sehr sicher fühlten. Sie gaben daher keine Antwort und suchten beiderseits irgend einen scheinbaren Vorwand ihres Besuches an einem Platze zu ersinnen, der sonst so wenig begangen wurde und bei dem benachbarten Landvolke nicht sehr in Gunsten stand.
»Ihr seyd wohl junge Leute von Dürkheim?« fragte der Mönch, indem er sich bemühte, bei dem unvollkommenen Lichte, das durch die Zweige der dunkeln Cedern drang, die Züge der nächtlichen Wanderer zu mustern.
Gottlob, dessen Hauptschwäche in seiner allzugroßen Zungengeläufigkeit bestand, nahm das Geschäft der Antwort auf sich.
»Wir sind junge Leute, hochwürdiger Vater,« versetzte er, »wie Euer schneller und scharfer Blick rasch genug erkannt hat. Ich will meine Jahre nicht verläugnen, und wenn ich dieß auch beabsichtigte, so würde der Teufel, welcher alle Personen zwischen fünfzehn und fünf und zwanzig in der Gestalt irgend eines schwindelköpfigen Gebrestes gefangen hält, den Trug bald verrathen.«
»Von Dürkheim, mein Sohn?«
»Da die Rechtsansprüche auf diesen Berg zwischen der Abtei und der Stadt im Streit liegen, so dürften wir wohl nicht höher in Eurer Gunst zu stehen kommen, frommer Mann, wenn wir ja sagten.«
»Du läßt der Abtei durch diesen Argwohn wenig Gerechtigkeit widerfahren, mein Sohn. Wir können die Rechte der Kirche, die in ihren zeitlichen Gütern einem unwürdigen und sündigen Verbande armer Brüder vertraut sind, recht wohl vertheidigen, ohne lieblos gegen diejenigen zu seyn, welche bessere Ansprüche zu haben glauben, als wir. Die Liebe zum Mammon ist nur schwach in den Herzen derjenigen, die sich einem Leben der Selbstverläugnung und Reue geweiht haben. Du kannst also dreist heraussagen, daß Du von Dürkheim seyest, ohne meinen Unwillen befürchten zu müssen.«
»Nun, wenn Ihr einmal so wollt, mein wohlwollender Pater, so will ich keck heraussagen, daß wir von Dürkheim sind.«
»Und Ihr seyd gekommen, um Euch bei dem heiligen Einsiedler der Cedern Raths zu erholen?«
»Es ist nicht nöthig, hochwürdiger Pater, einem Manne von Eurer Menschenkenntniß zu sagen, daß der Kitzel, die Nase in die Angelegenheiten seiner Nebenmenschen zu stecken, die Erbsünde aller Kleinstädtler ist. Himmel! Wenn sich unsere würdigen Bürgermeister nur ein wenig Zeit nehmen wollten, von anderer Leute Sachen abzusehen und vor der eigenen Thüre zu kehren, so würden beide Theile gewinnen, die gestrengen Herren in ihrer Habe und wir in unserer Gemächlichkeit.«
Der Benedictiner lachte und winkte den Jünglingen, ihm zu folgen, während er selbst der Hütte zu ging.
»Da Ihr Euch ohne Zweifel in preiswürdiger und frommer Absicht so weit bemüht habt, meine Söhne,« sagte er, »so laßt euch durch meine Anwesenheit von eurem Vorhaben nicht abbringen. Wir wollen gemeinschaftlich nach der Zelle des heiligen Einsiedlers gehen, und wenn aus seinem Segen oder seiner Belehrung Vortheil zu erhalten ist, so glaubt mir, daß ich nicht so ungerecht seyn werde, irgend einen von euch um seinen Antheil zu beneiden.«
»Die Art, wie die Mönche von Limburg sich selbst zum Besten ihrer Mitchristen Vortheile versagen, ist nah und fern im Munde Aller; und Eure Großmuth, hochwürdiger Pater, liefert nur einen neuen Beleg für den wohlverdienten Ruf, in welchem die ganze Brüderschaft steht.«
Da Gottlob diese Worte in sehr ernstem Tone sprach und sich ehrfurchtsvoll dabei verbeugte, so ließ sich der Benedictiner einigermaßen täuschen, obschon er nicht umhin konnte, beim Eintritt in die Hütte einen Blick des Argwohnes nach dem Hirten zu entsenden.