James Fenimore Cooper
Der rote Freibeuter
James Fenimore Cooper

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Dreißigstes Kapitel.

»Sie bringen mir die dankbare Unterwerfung des Piraten auf meine Anerbietungen!« rief der zu leicht der Hoffnung sich hingebende Kommandeur des Pfeil seinem Abgesandten entgegen, als dieser kaum mit dem Fuß das Verdeck wieder betrat.

»Ich bringe nichts als Widerstand!« war die überraschende Antwort.

»Und Sie haben mein Dokument vorgewiesen? Sie werden doch eine so wesentliche Schrift nicht vergessen haben, Herr Arche?«

»Nichts ist vergessen worden, was die wärmste Teilnahme an seiner Sicherheit nur eingeben konnte, Kapitän Bignall. Allein der Chef des gesetzlosen Schiffes dort weigert sich nichtsdestoweniger, Ihren Bedingungen zu entsprechen.«

»Er wähnt vielleicht, Sir, der Pfeil sei mit seinem Spierenwerk nicht recht imstande,« erwiderte der etwas voreilige alte Seemann und drückte mir einem Blicke verletzten Stolzes die Lippen zusammen: »oder aber er spannt sein schnellfüßiges Schiff voll mit Segeln und meint so zu entwischen.«

»Sieht das aus wie Vorbereitung zur Flucht?« fragte Wilder, den Arm ausstreckend und auf die fast ganz entblößten Spieren und die regungslose Masse des nahen Schiffes hinweisend. »Das Äußerste, was ich erlangen konnte, ist die Versicherung, daß er nicht der angreifende Teil sein wolle.«

»Traun, beim heil'gen Georg, es ist doch ein barmherziger Jüngling! Das nenn' ich mir eine lobenswürdige Mäßigung, in der Tat! Er will mit seiner buntscheckigen, undisziplinierten Seeräuberhorde nicht unter die Kanonen eines britischen Kriegsschiffes rennen, weil er der Flagge seines Herrn einige Ehrfurcht schuldig ist! Lassen Sie sich was sagen, Herr Arche, den Umstand wollen wir doch erwähnen, wenn wir von den Gerichten zu Hause verhört werden. Zum Kuckuck auch mit den Narrenspossen! Die Leute an ihre Kanonen beordert, Sir, und das Schiff gehalset, sonst schickt er uns noch ein Boot an Bord, um uns über unsere amtlichen Befugnisse zu untersuchen.«

»Kapitän Bignall,« sagte Wilder, indem er seinen Kommandeur weiter wegführte, um von den Subalternen nicht gehört zu werden, »ich darf Anspruch machen, daß meine Dienste unter Ihren eigenen Augen und Befehlen einiger Berücksichtigung nicht unwert sind. Sollte mein früheres Betragen mir ein Recht zu der Kühnheit geben, einem Mann von Ihrer großen Erfahrung einen Rat zu geben, so erlauben Sie mir dringend, einen kurzen Verzug vorzuschlagen.«

»Verzug! Kann Heinrich Arche zaudern, wenn ihn der Trotz der Feinde seines Königs, ja mehr, der Feinde der Menschen, an seine Pflicht mahnt.«

»Sir, Sie mißverstehen mich. Ich zögere, damit die Flagge, unter der wir segeln, fleckenlos bleibe, und nicht aus der Absicht, ein Gefecht zu vermeiden. – Es ist unserem, wenn Sie wollen, meinem Feinde, nunmehr bekannt, daß er, im Falle des Gefangenwerdens, wegen seiner frühern Großmut nur gütige Behandlung zu erwarten habe. Dennoch, Kapitän Bignall, bitte ich um Zeit, damit ich den Pfeil auf einen Kampf, der alle seine gerühmten Eigenschaften auf die Probe stellen wird, in Bereitschaft setzen und die nötigen Anstalten treffen könne, um uns eines, gewiß nicht ohne Preis zu erlangenden Sieges zu versichern.«

»Aber wenn er nun entwischte . . .«

»Bei meinem Leben, er wird keinen Versuch dazu machen. Ich kenne nicht nur den Mann, sondern auch seine furchtbaren Mittel zum Widerstande. Eine kleine halbe Stunde genügt, um uns gehörig instand zu setzen, und gereicht weder unserem Mute noch unserer Klugheit zur Unehre.«

Der Veteran gab gezwungen nach, begleitete indessen die Einwilligung mit nicht wenigem Gebrumme über die Schande, daß ein britisches Kriegsschiff nicht ohne weiteres dem kühnsten Piraten auf dem Ozean Seite an Seite liefe und ihn mit einer einzigen Lunte in die Luft puffte. Wilder war aber schon an die ehrlichen seemännischen Prahlereien gewöhnt, womit die Seeleute jener Zeit ihre allerdings feste und männliche Entschlossenheit auszuschmücken pflegten; daher ließ er ihm gerne sein verdrießlich gutmütiges Poltern, und ging an Beschäftigungen, die kraft seines Ranges im Schiffe in sein Gebiet fielen, und deren Besorgung, wie er recht gut einsah, jetzt von der höchsten Wichtigkeit war.

Die Order: »All zu Hauf! Das Schiff kampffertig gemacht!« wurde nochmals ausgegeben und mit der Fröhlichkeit empfangen, womit Matrosen jeden wichtigeren Wechsel in ihrem Seeleben zu bewillkommnen gewohnt sind. Es blieb jedoch wenig zu tun übrig; denn größtenteils befanden sich alle Sachen noch in dem bereiten Zustand, in den sie bei dem ersten Begegnen beider Fahrzeuge gesetzt worden waren. Jetzt erschallte der Trommelschlag: Posten gefaßt! und die ernsteren, einen schrecklichen Anblick gewährenden Vorkehrungen zur bevorstehenden Schlacht folgten. Als man mit diesen verschiedenen Anordnungen fertig war, die Mannschaft bei ihren Kanonen, die Segelsetzer an ihren Brassen und die Offiziere auf ihren respektiven Batterien, wurden die Hinterrahen umgeschwungen und das Schiff abermals in Bewegung gesetzt.

Während dieser kurzen Zwischenzeit lag das Schiff des Freibeuters in der Entfernung von ungefähr einer Viertelstunde vollkommen ruhig und ohne den Schein, daß es sich an die unzweideutigen Bewegungen seines feindlichen Nachbars im mindesten kehre. Als aber der Pfeil dem Druck des Windes nachgab und allmählich seine Schnelligkeit vermehrte, so daß das Wasser unter seinem Vorsteven schon eine kleine, rollende Schaumwoge zu bilden begann, da fiel das Vorkastell des andern von der Richtung des Windes ab, das Bramsegel füllte sich, und der Delphin erhielt nun auch seinerseits die nötige Bewegung, um besser regiert werden zu können. Jenes breite Feld, das schon über die Gefahren und dem Blutvergießen von tausend Schlachten triumphierend geweht hatte und diesmal während der Zusammenkunft von der Gaffel des Pfeil herabgelassen war, wurde nun wieder aufgehißt. Die Flaggenspitze des Feindes wies indes kein erwiderndes Signal.

Auf diese Weise gewannen beide Schiffe einander Raum ab und bewachten sich gegenseitig mit Augen so gierig, als wären es zwei sich messende Seeungeheuer gewesen, jedes sich bemühend, den Gegner die beabsichtigte Evolution des nächsten Augenblicks nicht erraten zu lassen. Die ungewöhnlich ernste Haltung Wilders verfehlte nicht, in dem schlichten Seemann, der dem Pfeil als Kommandeur vorstand, eine entsprechende Wirkung hervorzubringen; nachgerade fühlte er sich nicht weniger als sein Leutnant geneigt, ohne Übereilung und mit gemessener Vorsicht in den Kampf zu gehen.

Wolkenlos war bis jetzt der Tag gewesen. Noch nie hatte ein reineres Blau, als das des sich während der letzten Stunden über den Häuptern unserer Seeabenteurer wölbenden Bogens, die Meereswüste angelächelt. Allein, gleichsam als zürnte die Natur ob ihres jetzigen, blutigen Vorhabens, verwischte eine finster drohende Nebelmasse die Umrisse von Himmel und Ozean, so daß beide, nach der dem stetig anhaltenden Windstrich entgegengesetzten Richtung hin, ineinander zu fließen schienen. – Nicht entgingen diese wohlbekannten, schlimmen Vorboten der Wachsamkeit derer, die die feindlichen Schiffe bemannten, doch hielt man die Gefahr noch für zu entfernt, um die Aufmerksamkeit, die allein dem nahen Kampf gewidmet war, dadurch teilen zu lassen.

»Eine Bö braut sich dort im Westen aus,« sagte der erfahrene und umsichtige Bignall und zeigte beim Sprechen auf die finsteren Symptome hin; »doch wir können schon den Piraten in die Mache nehmen und alles wieder in Ordnung haben, ehe sie sich dieser straffen Kühlde entgegengearbeitet hat.«

Wilder stimmte ihm bei; denn nunmehr schwoll auch sein Busen von hohem, seemännischem Stolze, und ein hochherziger Wetteifer erlangte die Oberhand über Gefühle, die höchstwahrscheinlich mit seiner Pflicht nicht im besten Einklang standen, wie natürlich sie auch einem dem Guten so offenen Gemüte sein mochten.

»Der Rover läßt sogar seine leichteren Masten fallen!« rief der Jüngling; »er muß dem Wetter doch gar nicht trauen.«

»Wir wollen durchaus nicht sein Beispiel nachahmen; denn er wird wünschen, sie wären wieder, wo sie gewesen sind, sobald wir ihn nur hübsch unterm Spiel unserer Batterien haben. Beim König Georg, er hat doch ein allerliebstes, munteres Boot unter sich! Losgelassen das große Untersegel, Sir, los damit, sonst haben wir Nacht, ehe wir mit dem Schelm Seite an Seite sind.«

Die Order wurde vollzogen; und nun, unter dem mächtigen Druck der vorwärtsdrückenden Segel, verdoppelte der Pfeil seine Schnelligkeit – gleich einem belebten Wesen, das sich durch Furcht oder Verlangen zu frischer Tätigkeit angespornt fühlt. Jetzt hatte er bereits eine Stellung auf der Luvseite seines Gegners gewonnen, ohne daß dieser das geringste Streben verriet, die Erreichung eines so wesentlichen Vorteils zu vereiteln. Im Gegenteil holte der Delphin bei voller Ausspannung seines großen Untersegels immer mehr von seinem obern Windfang ein und ließ auf diese Weise soviel Wucht als nur möglich von der ungeheuern Höhe seiner schlanken Masten in den sicherern Rumpf herunter. Noch immer war, der Meinung Bignalls zufolge, der Raum zwischen ihnen zu groß, um den Kampf beginnen zu können, und zu gleicher Zeit drohte die Leichtigkeit, mit der sein Gegner vor ihm hersegelte, den wichtigen Moment viel zu lange hinauszuschieben. Nicht minder bedenklich war's, eine Masse von Segeln aufzuspannen, die, wenn das Schiff erst vom Rauch umhüllt und von der Schlacht bedrängt wurde, die Verwirrung nur vermehren mußten.

»Wir wollen ihn bei seinem Stolze fassen, Sir, da Sie ihn für einen Mann von Feuer halten,« sagte der Veteran zu seinem treuen Gehilfen: »Lösen Sie eine Kanone von der Luvseite, und weisen Sie ihm noch einige Flaggen seines Herrn.«

Der Knall des Geschützes und das schnell hintereinander folgende Aufflattern von noch drei Feldern Englands aus verschiedenen Teilen des Pfeil waren vergebens; der scheinbar empfindungslose Nachbar tat vollkommen, als habe er nichts gesehen und nichts gehört. Der Delphin verfolgte seinen Pfad, machte dann und wann einen zierlichen Satz an den Wind heran und bog gleich darauf wieder leewärts ab wie ein Meerschwein, das, längs seines salzigen Pfades träge spielend, von Zeit zu Zeit nach der Seite schnappt, um den Wind einzuschnuppern.

»Nichts, was beim regelmäßigen, gewöhnlichen Kriege als Trutzzeichen gilt, macht Eindruck auf ihn«, sagte Wilder, als er die Gleichgültigkeit sah, mit der man ihre Herausforderung aufnahm.

»Versuchen wir's denn mit einem Schuß.«

Jetzt wurde eine Kanone gelöst und zwar aus der Seite, die dem sich noch immer zurückziehenden Delphin zugekehrt war. Der eiserne Abgesandte sprang in kleinen Bogen längs der Meeresoberfläche leicht von Woge zu Woge, spritzte eine kleine Wolke Wasserstaub aufs Deck des Feindes und schoß harmlos am Rumpfe vorüber. Ein zweiter, ein dritter folgte; vom Seeräuber war nicht das geringste Signal zu ertrotzen.

»Was ist denn das?« schrie der unwillige Bignall. »Hat er einen Zauber für sein Schiff, daß alle unsere Kugeln an ihm vorbeifliegen und ihm nur Wasser aufs Verdeck spritzen können! Master Fid, könnt Ihr denn zum Kredit ehrlicher Leute und zur Ehre einer königlichen Flagge gar nichts tun? Laßt uns doch Eure alte Geliebte wieder mal hören; sie hat vordem doch immer gewußt, wann sie sprechen sollte!«

»Ganz richtig, Sir«, erwiderte der schmiegsame Richard, dessen plötzliche Glückswechsel im Leben es wollten, daß er sich jetzt als Kanonier an einem Stücke Geschütz befand, das er ausnehmend liebte und lange blank zu putzen pflegte. »Ich habe die Kanone nach Jungfer Schwatz-Käthe getauft, Ew. Gnaden, weil die eine wie die andere keines Dritten bedarf, wenn's zu reden gilt. Itzo, beiseite gestanden, Jungens, und laßt die Schwatz-Käthe auch eins mitsprechen.«

Richard hatte während des Sprechens mir großer Ruhe sein Ziel genommen, legte nun mit eigener Hand die Lunte an, und schickte mit einer Besonnenheit, die für einen bloßen Söldling höchst rühmlich zu nennen war, einen »völligen Gradausmarschierer«, wie er mit großem Selbstvertrauen den Schuß nannte, quer übers Wasser seinen ehemaligen Kameraden zu. Nun folgten wie gewöhnlich ein paar Augenblicke der Erwartung, dann aber verkündigten die in der Luft umhergeschleuderten Fetzen, daß die Kugel durch das Segelwerk des Delphin gegangen war.

Augenblicklich, fast zauberhaft, war die Wirkung! So plötzlich, wie wenn ein Vogel seine ausgebreiteten Fittiche schließt, verschwand ein langer Streifen von milchweißer Leinwand, der längs der Linie der Kanonenpforten vom Vorsteven bis zum Spiegel künstlich ausgespannt war, und enthüllte einen breiten, blutroten Gürtel, aus dem die Kanonenschlünde des Schiffes hervorgähnten. Zugleich stieg eine Fahne von derselben unheilverkündenden Farbe über dem Hüttendeck empor, finster und wild bis an die Gaffelspitze hinanflatternd.

»Jetzt gibt er sich kund als den Schurken, der er ist!« schrie der aufgeregte Bignall. »Seht! Er hat die falsche Schminke abgewischt und fletscht jetzt mit dem wohlbekannten blutigen Rachen, von dem er seinen Namen hat. Haltet euch bei euern Kanonen, Leute! Der Pirat scherzt nun nicht mehr.«

Noch hatte er nicht ausgesprochen, als längs des roten Streifens, dessen Wirkung auf die abergläubische Furcht der gemeinen Matrosen so gut berechnet war, ein leuchtendes Flammenmeer hervordrang und gleich darauf der gleichzeitige Knall aus fast einem Dutzend weitmäuliger Kanonen. Kein Herz war so kühn an Bord des königlichen Kreuzers, auf das der grelle Wechsel von Achtlosigkeit und Gleichmut zu dieser Tat kühner und entschiedener Feindseligkeit nicht eine starke Wirkung gemacht hätte. In Blick und Haltung regungslos und tief gespannt brachte jeder den Augenblick der Ungewißheit zu. Jetzt hörte man den eisernen Sturm klappernd durch die Lüfte schrecklich heranrauschen; und nun verkündigte ein Krach, vermischt mit Menschengestöhn, und schnell darauf das Geknarre zerschmetterter Planken, das Umherfliegen von tausend Hölzern, Tauen, Blöcken und Kriegsgeräte, mit welcher verhängnisvollen Genauigkeit die volle Lage gezielt war. – Allein nur einen Augenblick dauerte der Schreck und die ihn begleitende Verwirrung. Männlich und rasch von dem allerdings empfindlichen Stoß sich erholend, schickten die Engländer mit hellem Hurrageschrei dem todverbreitenden Angriff eine Erwiderung zurück.

Jetzt folgte die regelmäßigere Kanonade eines gewöhnlichen Seegefechtes. Begierig, den Ausgang zu beschleunigen, drangen beide Schiffe während des Schießens näher aneinander, bis nach wenigen Augenblicken das doppelte weißliche Rauchgewölke, das die Massen eines jeden der Schiffe umwirbelt hatte, in eines zusammenfloß und inmitten einer Szene weitumhin auf den glänzenden Wellen schlummernde Stille den einsamen Fleck blutigen Zwistes bezeichnete. Heiß, dicht und Schlag auf Schlag war das Kanonenfeuer. Wie sehr sich aber auch die feindlichen Parteien gleichkamen in dem Wetteifer, Zerstörung um sich her zu verbreiten, so erhielt sich doch ein eigentümlicher Unterschied zwischen ihnen, der auf die Charakterverschiedenheit beider Mannschaften hinwies. Lautes, ermunterndes Geschrei begleitete jede volle Lage des gesetzlichen Seefahrers, während die Leute des Rovers ihr mörderisches Werk mit der Totenstille der Verzweiflung fortsetzten.

Das Getös, der allgemeine Aufruhr der Szene strömte neues Leben in das Blut des Veteranen Bignall, dessen Kreislauf das Alter etwas minder feurig gemacht hatte.

»Der Kerl hat seine Kunst nicht vergessen!« rief er, als sich die Geschicklichkeit seines Feindes nur zu deutlich in den zerfetzten Segeltüchern, zersplittertem Spierenwerk und wankenden Masten seines Schiffes zu zeigen anfing. »Hätte er nur die königliche Bestallung in seiner Tasche, so könnte man ihn dreistweg einen Helden nennen!«

Der Augenblick war zu drangvoll, um die Zeit mit Worten zu vergeuden. Wilder antwortete nur durch Zurufen an seine Leute, sie zu ihrem gräßlichen und mühevollen Geschäft aufmunternd. Beide Schiffe hatten nunmehr eine solche Stellung gewonnen, daß sie nebeneinander vor dem Winde liefen, dabei aber nicht aufhörten, Flammensäulen auszuspeien, die die ungeheuren Rauchwirbel durchleuchteten. – Nichts blieb von den Schiffen sichtbar als die Spieren, und auch diese in häufig durchbrochenen Linien. So waren viele Minuten verflossen, die den Kämpfenden freilich nur wie ein Augenblick erschienen; da gewahrte die Mannschaft auf dem Pfeil, daß sich ihr Schiff nicht mehr mit der ihrer Lage so nötigen Leichtigkeit regieren ließ. Der wichtige Umstand wurde auf der Stelle vom dritten Offizier Wildern und von diesem dem Kapitän rapportiert. Eine eilige Beratung über die Ursache und Folgen dieses unerwarteten Ereignisses war natürlich das, wozu unmittelbar geschritten wurde.

»Schauen Sie!« schrie Wilder; »schon flappen die Segel gleich Lumpen gegen die Masten; die Artillerie der Schiffe hat den Wind unwirksam gemacht.«

»Horch!« antwortete der erfahrenere Bignall, »da dröhnt die Artillerie des Himmels zwischen der unsrigen. Die Bö ist uns schon über den Köpfen, – An Backbord das Steuer, Sir, und gieren Sie das Schiff aus dem Rauch! Ganz an Backbord mit dem Ruder, Sir, nicht innegehalten! Dicht ans Backbord damit, sag' ich!«

Allein die träge Bewegung des Schiffes entsprach keineswegs der Ungeduld seiner Lenker und ebensowenig dem drangvollen Heischen des Augenblicks. Mittlerweile, während Bignall – nebst den durch die Pflicht in seiner nähern Umgebung gehaltenen Offizieren und den Segelsetzern unterstützt – auf diese Weise beschäftigt war, ließen die Kanoniere an den Batterien von ihrem todverbreitenden Werk nicht ab. Fortwährend und fast betäubend brüllte das Geschütz, obgleich sich das tiefe, bedeutungsschwere Geheul in der Atmosphäre von Zeit zu Zeit nur zu deutlich unterscheiden ließ. Um aber ein bestimmtes Urteil über ihre Lage erlangen zu können, hätte das Auge dem Gehör der Seeleute zu Hilfe kommen müssen, was unmöglich war. Denn gleich umgeben waren Schiffe, Spieren und Segel von den Rauchwirbeln, die ohne Unterschied Himmel, Luft, Fahrzeug und Ozean mit einem weißlichdunkeln, dichten Nebelmantel verhüllten. Selbst die Menschengestalten, wie sie an den Kanonen arbeiteten, waren nur auf Augenblicke durch schnell wieder verwischte, lichte Raumpunkte sichtbar.

»Hab' ich doch noch niemals den Rauch sich so fest auf dem Verdeck aufeinanderschichten sehen«, sagte Bignall mit einer Besorgnis, die er, bei aller Vorsicht, dennoch nicht zu unterdrücken vermochte, »Halten Sie das Ruder an Backbord – drücken Sie's hart an! Beim Himmel, Harry, die Spitzbuben wissen recht gut, daß sie um ihr Leben kämpfen!«

»Wir fechten ja ganz allein!« schrie der zweite Schiffsleutnant von den Kanonen her, sich das Blut aus einer schweren, von einem zerschmetterten Holz empfangenen Gesichtswunde beim Sprechen trocknend, und viel zu sehr mit seinem eigenen unmittelbaren Dienst beschäftigt, um die Wetterzeichen gewahr zu werden, »Fast schon eine Minute lang hat er auch mit keinem einzigen Schuß geantwortet.«

»Beim Georg, die Schurken haben genug!« rief der entzückte Bignall. »Dem Sieg sei dreimal Hur . . .«

»Halten Sie ein, Sir!« unterbrach Wilder, mit einem so bestimmten Ton, daß sein Kommandeur mitten in seinem vorschnellen Triumphieren verstummte. »Bei meinem Leben, unser Werk ist sobald noch nicht zu Ende. Freilich schweigen seine Kanonen, ich gestehe es – doch sehen Sie! Der Rauch fängt an, sich zu heben. Hören wir nur zu feuern auf, so ist die Aussicht in wenigen Minuten klar.«

Ein Aufjauchzen der Leute an den Batterien unterbrach seine Worte, und gleich darauf erscholl das Geschrei, daß die Piraten auf und davon segelten. Doch nur zu bald und mit Schrecken endete das Frohlocken ob dieses vermeintlichen Beweises ihrer Überlegenheit. Ein blendender jäher Blitz durchzuckte den verfinsterten Dunstkreis, der sie noch immer auf eine höchst außerordentliche Weise umgab; ihm folgte ein Krach aus den Wolken, gegen den der gleichzeitige Knall von fünfzig Stück Geschützen nur wie sanftes Gemurmel geklungen hätte.

»Rufen Sie die Leute von ihren Kanonen ab!« sagte Bignall, mit jener Dämpfung in der Stimme, deren erzwungene, unnatürliche Ruhe die Schrecken nur noch erhöht; »rufen Sie sie alle ab, Sir, und holen Sie die Leinwand ein!«

Weniger entsetzt durch Worte, an die er schon längst gewöhnt war, als durch die Nähe und offenbare Furchtbarkeit des Sturms, zauderte Wilder nicht, die so dringend erscheinende Order auszuteilen. Die Leute verließen ihre Batterien wie Kämpfer die Schranken, einige blutend und abgemattet, andere noch im vollen Grimm, alle durch die wütende Szene, in der sie soeben Mitspielende waren, mehr oder weniger aufgeregt. Viele erreichten die ihnen wohlbekannten Taue durch einen Sprung, andere stiegen auf den Strickleitern hinan und verloren sich bald in der noch immer über dem Schiff lagernden Wolke.

»Soll ich bloß reffen oder ganz beschlagen lassen?« fragte Wilder, die Trompete an die Lippen haltend, und bereit, den nötigen Befehl hinaufzurufen.

»Halt, Sir; noch eine Minute, so haben wir eine Öffnung.«

Der Leutnant gehorchte, denn auch ihm entging nicht, daß jetzt allerdings der Schleier, der ihren wahren Zustand verhüllte, weggezogen werden sollte. Der Rauch, der sich, gleichsam niedergedrückt von der darauf liegenden Wucht der Atmosphäre, bis jetzt nicht vom Verdeck regen wollte, kam zuerst in Bewegung, umwirbelte dann die Masten, bis endlich oben der gewaltige Windzug ihn faßte und wild vor sich hertrieb. Jetzt lag die Aussicht in der Tat enthüllt vor ihnen.

Statt der herrlichen Sonne und des blauen Gewölbes, das sie erst vor einer halben Stunde umglänzt hatte, war der Himmel mit einem ungeheuern schwarzen Schleier überzogen. Die Oberfläche der See gab zürnend die schreckenweissagende Farbe zurück. Schon stiegen und sanken die Wogen nicht mehr mit der bisherigen Regelmäßigkeit, sondern taumelten hin und her, als ob sie mit Ungeduld der Macht entgegensähen, von der sie ihre Richtung und größere Gewalt erhalten sollten. Die Blitze kamen nicht in schneller Aufeinanderfolge aus den Wolken, allein die wenigen, die die düstere Szene durchbrachen, blendeten durch ihren Glanz und ihre Majestät, und es begleitete sie der entsetzliche Donner der Wendekreise, von dem man ohne Lästerung sagen könnte, er sei die Stimme, in der der Schöpfer des Weltalls mit seinen Geschöpfen redet. Mit einem Worte, man mochte hinschauen, wohin man wollte, dem Auge trat der Anblick des wilden gefahrvollen Kampfes der Elemente entgegen. Leicht und behende lief dort das Fahrzeug des Rovers vor einer frischen, stoßweise bereits aus den Wolken kommenden Kühlde, die Segel eingezogen und die Mannschaft besonnen, aber emsig damit beschäftigt, die in dem Gefecht erhaltene Havarie auszubessern.

Kein Augenblick war zu verlieren, dem Beispiel des vorsichtigen Freibeuters nachzuahmen. – Rasch wurde das Vorderteil des Pfeil glücklich in die dem Winde entgegengesetzte Richtung gedreht; und während er so dem vom Delphin genommenen Strich zu folgen begann, bemühte sich die Mannschaft, die zerrissene und fast unbrauchbar gewordene Leinwand an die Rahen anzuholen. Allein kostbare Augenblicke hatte man vielleicht unwiederbringlich während der Verhüllung durch den Rauch dahinschwinden lassen. Das dunkle Grün der Wogen verwandelte sich jetzt in ein schimmerndes Weiß, und jäh hörte man nun die entsetzliche Sturmeswut mit unwiderstehlicher Gewalt einherbrausen.

»Munter, Leute!« schrie Bignall selbst in der Not, der sein Fahrzeug ausgesetzt war. »Rollt die Tücher zusammen; alles zusammengerollt – nicht einen Fetzen vor der Bö flattern gelassen! Beim Georg, Herr Arche, dieser Wind versteht keinen Spaß! Muntern Sie die Leute bei ihrer Arbeit auf, sprechen Sie ihnen Mut zu, Sir!«

»Beschlagt ohne weiteres!« schrie Wilder, »kappt, wenn's zu spät ist; arbeitet mit den Messern, mit den Zähnen – herab, alle herab – so lieb euch das Leben ist, kommt alle herab!«

Ein gewisses Etwas in der Stimme des Leutnants ließ sie den Leuten wie einen übernatürlichen Schrei vorkommen. Vielleicht war es der Umstand, daß er erst so kürzlich einem ähnlichen Unglück wie dem jetzt drohenden, beigewohnt hatte, der seinen Tönen dies Entsetzenerregende verlieh. Einige Dutzend Gestalten sah man flink durch eine Finsternis, die man greifen zu können schien, heruntergleiten. Auch war ihre Flucht, die mit der des nach seinem Nest senkrecht herabschießenden Vogels verglichen werden kann, um keine Sekunde zu eilig. Das hohe, überladene Spierenwerk, von keinem Tau mehr festgehalten und an zahllosen Stellen beschädigt, hatte schon längst geschwankt und unterlag nun vollends dem Sturm; eine Stenge nach der andern stürzte auf den Rumpf hernieder, bis nichts mehr stehen blieb als die drei festeren, aber entblößten und beinahe nutzlosen, niederen Masten. Die bei weitem größere Anzahl der Matrosen erreichte noch das Deck zeitig genug zur Rettung, einige jedoch waren zu eigensinnig und noch zu sehr von der Kampfeswut erfüllt, um der warnenden Stimme Gehör zu geben. Diese Opfer ihrer eigenen Halsstarrigkeit sah man noch die Trümmer der Spieren umklammern, als der Pfeil in einer Wolke Schaums bei dem Fleck, wo sie schwammen, vorüberschoß, bis der Anblick ihres Jammers durch die Ferne den traurig Nachschauenden entzogen wurde.

»Es ist die Hand Gottes!« rief mit heiserer Stimme der Veteran und stierte bangen Auges auf die Verheerung um sich her. »Hören Sie mich, Heinrich Arche: ich werde stets beteuern, daß es nicht die Kanonen des Korsaren waren, die uns so zugerichtet haben.«

Wenig geneigt, denselben armseligen Trost zu suchen wie sein Kommandeur, strengte sich Wilder vielmehr an, so sehr es die Umstände erlauben wollten, dem Schaden entgegenzuwirken, der jedoch, wie er sich nur zu klar überzeugte, in diesem Augenblick nicht wieder gutzumachen war. Inmitten des Sturmgeheuls und des Donnergekrachs, bei einer Atmosphäre, bald grell vom Blitz erleuchtet, bald wieder von der dicken Finsternis des Dunstes aufgesogen, die entsetzliche Wirkung des Gefechtes frisch, gräßlich, blutend vor Augen – blieb die Mannschaft des britischen Kreuzers sich selbst und ihrem alten Rufe treu. Die Stimmen Bignalls und seiner Offiziere, den Orkan durchdringend, erschollen teils in Befehlen, mit denen alle durch lange Erfahrung vertraut geworden waren, teils in Zurufe, um die Leute bei ihrer Arbeit aufzumuntern. Zum Glück war der Kampf der Elemente nur von kurzer Dauer. Die Bö fuhr bald über den Fleck Meeres dahin, so daß die Passatwinde wieder in ihren früheren Strich zurückkehren konnten und die Wogen durch die Gegenwirkung der streitenden Winde eher zum Stehen gebracht wurden, als aufgeregt blieben.

Allein kaum sah die Mannschaft des Pfeils die eine Gefahr vor ihren Augen schwinden, als eine, beinahe ebenso furchtbare, sich ihrem Blicke aufdrängte. Alle Erinnerungen an frühere Gunstbezeigungen, jegliches Gefühl der Dankbarkeit verbannte der gewaltige Seemannsstolz und die dem Krieger endlich zur Natur werdende Ruhmliebe aus Wilders Seele, als er nun den Delphin gewahr wurde, mit dem unversehrt gebliebenen schönen Ebenmaße seiner Spieren und der vollkommensten Ordnung seiner Takel. Schien es doch, als ob ihn ein Zauber schütze, oder eine übernatürliche Macht dabei tätig gewesen wäre, ihn auch in der Wut dieses zweiten Sturmes unbeschädigt zu erhalten. Nüchterneres und unparteilicheres Nachdenken zwangen jedoch unserem Abenteurer das innere Geständnis ab, daß die Wachsamkeit und die weisen Vorkehrungen des außerordentlichen Mannes, der nicht nur das Schiff, sondern auch dessen Schicksale zu regieren schien, nicht wenig zur Herbeiführung eines so günstigen Resultats beigetragen hatten.

Nur kurze Muße war ihm vergönnt, über den eigenen Glückswechsel Betrachtungen anzustellen, oder darüber, wie der Vorteil des Feindes zu vereiteln sei. Das Fahrzeug des Piraten entfaltete schon zahlreiche, große Segeltücher, und da ihm die Rückkehr des Passatwindes jetzt die Luvseite gab, so nahte es sich wieder, und zwar unausweichbar und mit Blitzesschnelle.

»Beim Georg, Herr Arche, das Glück ficht heute durchgängig auf der Seite des Unrechts«, sagte der Veteran, als er an der vom Delphin eingeschlagenen Richtung bemerkte, daß das Treffen wahrscheinlich von neuem beginnen würde. »Schicken Sie die Leute wieder an ihre Posten, und lassen Sie die Kanonen lösen; denn es hat allen Anschein, daß wir noch einen Strauß mit den Spitzbuben zu bestehen haben.«

»Einen kurzen Verzug, ich rate Ihnen sehr dazu«, bemerkte Wilder angelegentlich, als er seinen Obern den Leuten die Order erteilen hörte, sich bereit zu halten, in dem Augenblick abzufeuern, wo ihr Feind innerhalb eines erreichbaren Punktes käme. – »Ich beschwöre Sie, noch zu warten; wir kennen ja seine gegenwärtige Absicht noch nicht.«

»Niemand soll den Fuß aufs Verdeck setzen, der nicht die Autorität des königlichen Herrn des Schiffes anerkennt«, erwiderte der strenge, alte Teer. »Gebt es ihm, meine Leute! Sprengt die Halunken von ihren Kanonen! damit sie erfahren, wie gefährlich es sei, einem Löwen nahe zu kommen, und wär' er auch verkrüppelt!«

Zu spät, das sah Wilder, waren jetzt Gegenvorstellungen; denn der Pfeil hatte dem Rover von neuem eine volle Lage entgegengeschleudert, was jede großmütige Absicht, die er hegen mochte, notwendig vernichten mußte. Das Korsarenschiff war im Heransegeln begriffen, als es den eisernen Sturm empfing, worauf es sogleich mit Leichtigkeit auf eine solche Weise aus dem Strich lenkte, daß ein zweiter nicht treffen konnte. Jetzt jagte es auf den fast seeunfähig gemachten Kreuzer zu, und dumpf erscholl der Befehl herüber, die Flagge zu streichen.

»Kommt heran, ihr Schurken!« schrie der erhitzte Bignall. »Kommt, und tut es mit eigenen Händen!«

Das zierliche Fahrzeug, als fühle es die höhnende Herausforderung seines Feindes, sprang näher an den Wind und schoß Kanone nach Kanone quer in den Vorsteven des Pfeils, mit einer solchen besonnenen, todbringenden Zielrichtigkeit, daß jede Kugel genau diesen wehrlosen Teil des Gegners traf. Und nun das Krachen zweier aufeinanderstoßenden Körper, und gleich darauf die Erscheinung fünfzig grimmig aussehender Kerle, mit den Werkzeugen des Kampfes von Mann gegen Mann bewaffnet, zum Schauplatz blutigen Gemetzels vordringend. Ein so nahes, verderbensprühendes Gewehrfeuer mußte im ersten furchtbaren Augenblicke der Überraschung den Widerstand der Angegriffenen lähmen; als aber nun der Rauch zerstob und Bignall und sein Leutnant auf ihrem eigenen Verdeck die finsteren Gestalten erblickten, so forderte jeder von ihnen mit einer Stimme, die selbst jetzt noch den vollkommenen Herrscherklang hatte, einen Haufen Krieger zu sich heran, an dessen Spitze sie sich dem von den entgegengesetzten Laufplanken her eindringenden reißenden Feindesstrom mutig entgegenwarfen, um ihn aufzuhalten. Entsetzlich, tödlich war der erste Stoß; beide Parteien wichen zurück, um auf Verstärkung zu warten und Atem zu schöpfen.

»Heran, ihr Raubmörder!« schrie der unerschrockene Veteran an der Spitze seines Haufens und erkennbar an den grauen Locken um seinen entblößten Scheitel, »das Gewissen sagt's euch doch, daß der Himmel dem Rechte beistehe!«

Die grimmigen Freibeuter fielen zurück und machten eine Lücke in der Linie; da kam ein Blitz aus der Seite des Delphin durch eine leere Stückpforte des Pfeil hindurch, mit hundert tödlichen Geschossen in seiner Mitte. Bignalls Schwert flog in wilden Schwingungen in die Lüfte, und die Worte, die er noch schrie, bis er röchelnd fiel, waren:

»Heran, ihr Schurken! Heran! . . . Harry . . . Harry Arch . . . O Gott! . . . Hurra!«

Gleich einem Baumstamme stürzte er nieder und starb ohne zu wissen, daß ihm der Rang wirklich geworden, um den er ein mühe- und gefahrvolles Leben hindurch gearbeitet hatte. – Bis jetzt hatte Wilder seinen Posten auf dem Verdeck behauptet, obgleich von einer Bande bedrängt, die an Wut und Mut der seinigen nicht nachstand; doch jetzt in der schreckenvollen Krise wurde eine Stimme mitten im Gemetzel laut, die ihm durch jeden Nerv dröhnte, ja selbst die Gemüter seiner Leute mit Entsetzen erfüllte.

»Platz gemacht, ihr da, Platz gemacht!« erscholl der tiefe, volle Herrscherton, »macht Platz und mir gefolgt; keine andere Hand als die meine soll jene prahlerische Flagge streichen!«

»Bleibt getreu, meine Leute!« schrie Wilder seinerseits. Wildes Gerufe, Schwüre, Flüche und Gestöhn bildeten die gräßliche Begleitung dieses heißen Handgemenges, das indessen viel zu heftig war, um anhaltend sein zu können. Mit tödlichem Schmerz sah Wilder, wie seine Handvoll Truppen vor den unwiderstehlich eindringenden Massen nach allen Seiten zerstob; und zu wiederholten Malen brachte er sie durch seinen Ruf wieder zusammen, oder befeuerte ihren ersterbenden Mut durch sein Beispiel.

So fiel Freund nach Freund vor seine Füße, bis er sich an den äußersten Rand des Verdeckes getrieben sah. Hier gelang es ihm nochmals, eine kleine Rotte zu sammeln, die gegen mehrere wütende Angriffe standhielt.

»Ha!« kreischte eine Stimme, die er wohl kannte; »Tod allen Verrätern! Spießt den Spion gleich einem Hund! Eingehauen, Jungens; ein Korporalsäbel dem Helden, der sein Herz durchbohrt!«

»Aus dem Weg, du Lümmel!« schrie ihm der ausdauernde Richard in barschen Tönen entgegen. »Tut dir ein Spieß not? Hier steht ein Weißer und Neger, dir zu dienen.«

»Zwei andere von der Bande!« fuhr der General fort, und zielte beim Sprechen einen Streich von oben herab, der den Toppmann zu vernichten drohte.

Eine dunkle, halbnackte Gestalt warf sich dazwischen und fing die herabfahrende Klinge mit dem Stiel einer Halbpicke auf, die von ihr wie ein Schilf entzweigehauen wurde. Ohne die mindeste bange Rücksicht auf den wehrlosen Zustand, in dem er sich befand, brach sich Scipio Bahn zur Front, wo Wilder focht. Hier teilte er, von allen Kleidungsstücken bis an die Lenden entblößt, ohne andere Waffen, als seine muskelvollen Arme, Faustschläge aus, achtlos auf die Schwerthiebe und Stöße, denen seine Athletengestalt ohne entsprechende Gegenwehr ausgesetzt war.

»Gib's ihnen, rechts und links, Guinea,« schrie Fid; »hier ist einer, der dich verstärken soll, wenn er erst dem Marinen da den Garaus gemacht hat.«

Nichts halfen in diesem Augenblick dem unglücklichen General seine Fechterstöße; alle seine Künste vereitelte ein Hieb von Richard, er drang durch die Entermütze und Hirnschale bis zum Genick.

»Haltet ein, ihr Mörder!« schrie Wilder, als er sah, wie zahllose Hiebe auf den unbewaffneten Körper des noch immer mutigen Schwarzen eindrangen. »Mit mir schlagt euch, und nicht mit einem Waffenlosen!«

Das Gesicht unseres Abenteurers wurde umnebelt, denn er sah den Neger, zwei von den Angreifenden mit sich niederreißend, aufs Verdeck stürzen; und in demselben Augenblick erschallte dicht vor seinen Ohren eine Stimme, deren hohler Ton der Schreckensszene ganz entsprach:

»Unser Werk ist getan! Wer noch einen Schlag tut, macht mich zu seinem Feinde.«


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