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Nur das ist Glück, wenn alle Fähigkeiten
Nach hohem Ziel bis auf das Letzte streiten.
Nur so in äußerm Sturm ist innrer Frieden
Der rätselvollen Menschenbrust beschieden.
Karl Bleibtreu.
Und »Vorwärts durch die Nacht!« heißt die Parole,
Steigt auch nur einer unter Millionen
Als Sieger auf des Lebens Kapitole …
Dranmor.
I.
's ist Samstag. Heilige Stille geht
Ueber die Erde mit leisen Tritten …
In mir ist's klar wie zum Gebet, –
Und jeder Schmerz, den ich erlitten,
Verflüchtigt sich wie dieser Hauch,
Der mir des Herbstes letztes Laubwerk
Zu Füßen wirft – wie dieser Rauch,
Der sich in Schleiern hebt aus Staubwerk …
II.
's ist Samstag. Schwerbeladen kriecht
Der Froner heim zu Herd und Lager …
Sein Lebensmut ist längst besiegt –
Der blöde Stumpfsinn ward sein Schwager …
Sechsmal vom ersten Morgengrau
Bis zu der Sterne spätem Lichte
Hat er's erquält – und morgen nun?
Ist Sonntag und – die alte Geschichte …
III.
's ist Samstag. Meine Seele gab
Die Stille hin, die sie umfriedet:
Noch hob sich nicht aus Staub und Grab
Für jeden Wandrer, der ermüdet
Nach hartem Schaffen Ruhe sucht,
Die
Freiheit sich auch auszurasten –
Wohl ward sie einmal schon verbucht –
Mit Worten leider, bald verblaßten …
IV.
's ist Samstag. Müder Glockenton
Klingt mir über die Felder herüber …
Da denk' ich an den »Gottessohn« –
Und bänger wird mein Herz und trüber …
Jawohl! Er meinte es recht gut
Mit seiner Lehren Wunderdingen …
Ich fürchte nur, daß Blut – viel Blut
Noch fließen muß, sie zu erringen …
V.
's ist Samstag. Nebelumgürtet liegt
Die Landschaft da vor meinen Blicken …
Die Glocke schweigt. Das Nachten siegt –
Will alles Hoffen jach ersticken …
Da blitzt ein Licht auf hinten im Land –
Getrost! So wird es sich erzeigen:
Steht erst der ganze Himmel in Brand,
Wird auch die Freiheit niedersteigen! …
Es hat sich wilder Tatendrang
In meiner Brust emporgereckt! …
Was soll der zahme, lahme Klang,
Der nimmermehr die Feigen schreckt?
Der nimmermehr die Müden reißt
Von ihren Pfühlen jach empor?
Ersteh, gewalt'ger Schöpfergeist!
Zerreiße, brauner Wolkenflor!
In Sehnsuchtsschauern lagen wir
Und haben Nacht geharrt und Tag,
Ob sich der Zukunft Sturmpanier
Aus falben Nebeln heben mag?
Noch aber liegt's wie schweres Erz
Auf Land und Volk, wie Winterfron –
Und doch verzweifle nicht, mein Herz,
Die Frühlings
stürme nahen schon!
Kennst du der Nacht geheimnisschweres Raunen?
Wie ein verlorner Klang aus Jugendtagen,
Der jäh in deine Seele eingeschlagen –
Der jäh erwacht nach jahrelangem Schweigen:
So kommt es über dich … Es quellen, steigen
Vergeßne Bilder auf – und ein ergreifend Staunen
Packt dich … Das also war dein Schwärmen, war dein Wagen?
Und jetzt? Und heute? Wie die Wunden tropfen!
Und wie die Reue mahnt mit wildem Klopfen!
Doch laß begraben sein, was da vergangen!
Die Bilder, die in der Erinnrung Hallen
In schwarzem Trauerflor ich aufgestellt:
Sie mögen stürzen, mögen fallen –
Mit ihnen eine ganze Schmerzenswelt!
Was
heute mir aus dem Gesang der Nacht
Entgegenklingt in wundersamen Tönen:
Es ist ein Siegeslied! Es soll versöhnen,
Wie jenes Wort am Kreuz: Es ist vollbracht!
Es ist vollbracht! Die Augen heb' ich auf,
Und von den Felsenhäuptern seh' ich gleiten
Zu Tal des Nebels dunst'ge Wolkenbrut …
Und über die Scheitel, über die nachtgefeiten,
In langem Zug die Heldengeister schreiten,
Die sich aus Kluft und Krümmung hochgemüht,
Wo in der
Einsamkeit die
Freiheit blüht!
So gibt's doch einen Lohn! So gibt's ein Ziel!
Ein
Zion über diesem Staubgewühl!
Und aus den Stimmen, die der Nacht entklingen,
Tönt die Gewißheit mir:
du wirst's erringen!
Habe die Nacht verzecht und verpraßt,
Saß bei üppigen Dirnen zu Gast,
Trank mit Gesellen, mit losen …
Schreit' nun hinaus in den jungen Tag – –
Kaum der Finsternis Thron zerbrach –
Nach dem bacchantischen Lustgelag
Grüß' ich des Morgenrots Rosen!
Grüße des Morgenrots Flammenschein,
Sauge den kühlenden Frühwind ein,
Und die Schatten zerrinnen,
Die ich geschaut mit taumelndem Hirn, –
Die ich geträumt mit brennender Stirn,
Da ich geküßt der buhlenden Dirn'
Den Mund in sündigem Minnen …
Und meine Seele dehnt sich weit –
Tag, nach dem meine Seele schreit,
Steige helläugig nieder!
Schaffen will ich in deinem Fron!
Siehe, dein verlorener Sohn,
Der in die Arme der Sünde geflohn.
Reuevoll kehrt er wieder!
Oft schweif' ich durch der Menschen Reihen hin
Und spüre keinen …
Ahne traumumflirrt nur,
Wie ein gewaltig Chaos mich umbraust,
Wie ein verwirrtes Tönen zu mir ruft,
Gleich Stimmen, die von fernen Inseln kommen …
Ich spüre keinen –
Und ob Freund, ob Feind
An mir vorübertreibt:
Ich weiß es nicht …
Wie Schatten hastet's hin –
Verhängt ist mein Gesicht,
Entrückt mein Sinn …
Dann sing' ich leise Lieder für mich hin,
Die niemand sang bis heute …
Was dieser schweren Weisen Gang
Bedeute –
Kaum klärt sich's mir …
— — — — — —
Mit Wesen sprech' ich,
Die noch ungeboren –
Sich noch verloren
In Ewigkeiten, schrankenlosen,
Unvergleichbar
Irdischen Losen,
Unerreichbar
Für Menschenmaß …
Was ich besaß –
Was ich besitze,
Mir zugeeignet
Wachend bewußt:
Liegt überflutet
Wie vom Vergessen,
Märchenversunken
Tief in der Brust …
Aber die Stimmen, die geheimnisvollen,
Die verschollen
Im Wachsen und Reifen,
Tönen herauf,
Und sie begreifen
Nach eigener Satzung
Eine eigene Welt …
Die sich entwirkend
Mich dem Schoße
Alles Entstehens
Ahnend gesellt …
Urworte denk' ich,
Und ich versenk' mich
In den Strudel der Kraft,
Die sich entfaltend
Alles gestaltend
Zum Wandel schafft …
Selbst ich entrolle
Bemessener Scholle
Zum Urborn des Seins,
Und es verliert sich,
Was nur gebiert sich,
Als Schatten des Scheins …
Wie wag' ich's nur, mein junger Tag,
Ins helle Antlitz dir zu schauen?
Der ich der Nacht zu Füßen lag
In sündesüßem Wollustgrauen!
Die Nacht war meine Königin,
Sie weckte tiefste Herzenstöne –
Sie strömte Visionen hin,
Und Träume waren unsre Söhne!
O Träume, die mit milder Hand
Mir alle Erdenschwere scheuchten!
Die mich mit ihrem stillen Brand
Entrückten zu der Sterne Leuchten!
O Träume, die mich hold benetzt
Mit Wunderfingern, gabenschweren –
Das
Ewige mir nah gesetzt
Und stolz verweigert das Entbehren!
Wie ruht es sich so köstlich weich
In ihres Schoßes Zauberkrümmung!
Wie unermeßlich war mein Reich –
Wie schöpferisch des Herzens Stimmung!
Nun blickst du mir, mein junger Tag,
Ins Angesicht, das bleichverwachte,
Und fragst, was ich zu deinem Preis
Aus nächt'gen Tiefen aufwärtsbrachte?
Ich kenne dich! Und doch bist du
So fremd mir noch und schoßverschlossen!
Noch schwült in meiner Seele nach
Der Duftschwall, so der Nacht entsprossen.
Und doch! Hier hast du meinen Arm –
Ob meiner Sehnsucht Eulenflügel
Auch nachtwärts flattern – – nimm mich hin
Erwirb mich mit dem Sonnensiegel! …
Vieles habt ihr voraus, ihr Toten,
Vieles vor uns,
Die wir noch atmen
In des Lichtes quellender Vollflut …
Willig –
O so willig! –
Ließet ihr lösen des Leibes Ring
Von der Vergängnis
Heimlichem Finger –
Dehnt euch und breitet euch,
Und es ward eine Lust –
Eine köstliche Lust euch:
Aufzusprießen
Zu Halm und Geröhr,
Mitzufließen
Im großen Allfluß der Dinge –
Mitzudüften
Ob Schollen und Grüften
Oder zu wirbeln
Auf farbiger Falterschwinge:
Mitzugenießen
Nicht zu geringe …
Vieles habt ihr voraus, ihr Toten,
Vieles vor uns! …
Aufstehen
Zu Werdefreuden
Aus verschlungenem Wurzelgeflecht
Laßt ihr hundertfaches Geschlecht,
Und hundertfacher Wesen
Winzigen Reichen
Keimt Gedeihn
Und drängendes Sein,
Blüte, Entfaltung
Und Fruchtgestaltung
Aus eueren Leichen …
Vieles habt ihr voraus, ihr Toten,
Vieles vor uns!
Die Liebe denkt euch nach
Und euere Male
Schmückt trauernde Treue …
Oder es brach
Zu der schaffenden Nachwelt Tag
Der Erinnerung letzte Brücke …
Ihr schlaft vergessen,
Und eurem heimlichen Tun,
Dem Wirken im Ruhn,
Fraget nicht nach
Eine einzige Menschenzunge …
Wie träumt ihr so köstlich
Die Kraftträume des Alls! …
Aber saget, ihr Toten,
Geliebt und beneidet
Hundert und tausend Mal,
Aber saget:
Wer unter euch atmet und schnauft die Wonne,
Die sprudelnde, ein,
Die ich nun schlürfe,
Da die Tage lenzen
Und am Himmel die Sonne
Wächst und waltet,
Ein huldvoller Bronne,
Daraus fluten Ströme des Segens? …
Wohl rollt ihr mit,
Geflügelte Stäubchen,
Im Sphärentanze der Harmonien:
Mir aber blieb
Ungeblendet der Blick,
In diesen Tagen des Drangs
Ganz zu begreifen
Des Schöpfers Sieb,
Daraus fällt
Welt um Welt –
Doch keines versinkt
Dieser rollenden Kronjuwele,
Und alle durchdringt
Eine einzige Seele …
Und auch ich rolle mit
Wachend, bewußt,
Mit euch, geflügelte Stäubchen,
Meiner keuschen Inbrunst schneeweißes Täubchen
Trägt
Frohbewegt
Botschaft und Kunde
In alle Runde
Und findet
Neuer Freuden schwellende Saat,
Drin sich begründet
Künftige Tat …
Vieles habt ihr voraus, ihr Toten,
Vieles vor uns –
Aber
eines
Läßt mich die Flammen
Des Lebens noch schüren:
Dieser Tage
Gotttrunkenes Lenzpsalmieren …
Doch krachen die Scheiter zusammen
Und liegen die Früchte gelesen:
Gerne, ihr Toten,
Denen ich diesen Gruß entboten,
Gerne dann bin ich mit euch gewesen …
Auszog ich: den Muskel gestrafft, den Blick
So blitzend, so leuchtend, so helle! …
Heimkehr' ich – den Traum – den Traum von Glück
Verschlang der
Erkenntnis Welle! …
Auf Trümmern lehn' ich … Es schert mich kaum –
Aus Trümmern bau' ich aufs neue –
Vorüber der Jugend Morgenrotstraum –
Und Taten zermalmen die Reue! …
Aus schweren Träumen hob ich mich. – Noch lag gebreitet schweigend, groß,
Das schwarze Bahrgewand der Nacht, ein rätselschwangrer Riesenschoß –
Noch kündete mit falbem Schein sich nicht der junge Morgen an –
Ich aber schrie zu Gott empor: Erlöse mich von diesem Bann!,
Erlöse mich von diesem Fluch, der auf mir liegt wie Panzererz –
Hinsiecht mein Leib, mein Geist verstumpft, verdorrt ist dein lebend'ges Herz –
Mein Herz, das sonst mit reicher Kraft die Welt in Weh und Lust verstand:
Verblödet liegt's und sucht und sucht und findet nimmer heil'ges Land …
Und findet nirgends eine Statt, da es von neuem wurzeln mag –
Die Nacht ist schwarz ihm, sternenleer und sonnenlos der lange Tag –
Und alles, dem es sonst geglaubt, dem es in Glut entgegenschlug,
Verlor die Farbe, ließ den Wert und wandelt' sich in Dunst und Trug …
Sank auf die Lider mitleidsvoll der Schlaf geheimen Flugs herab –
Vergaß es, daß die Welt doch nur ein blütenüberwuchert Grab –
Vergaß es, daß ein jeder Schlag, den es nach ehernem Gebot –
Hinzucken muß, ein Opferstück der Kreatur dem Herrscher Tod:
Dann tritt, als hätte ihn gesandt der Furien beutedurst'ger Schwarm,
Zu meinem Lager hin ein Geist und rüttelt mich mit Geisterarm
Und stößt mich aus dem Paradies, da ich vergessen, was ich litt,
Und flößt in meine Träume Blut und zerrt des Wahnsinns Schatten mit! …
O Herr! O Herr! Als trüge ich die Sündenlast der ganzen Welt,
So schwer liegt's auf mir – und ich bin doch nur ein fadenschein'ger Held!
Wie einst vor deines Mundes Hauch zerbrochen Babels Riesendom,
So brach mein Herz, das einst so stolz, zermalmt von dieser Lüste Strom!
Von dieser Lüste Flutenschwall, der siedend alle Welt durchkreist
Und jedes Herz dir abgewandt und sich geknechtet jeden Geist –
So brach es, das verblendet, jäh der wahren Freiheit ganz vergaß
Und sich, ein gieriges Gewürm, ins üpp'ge Fleisch der Sünde fraß! …
So brach es, als es aufgeschreckt entsetzt erkannt, was es getan –
Zertrümmert liegt nun all sein Glück, verschüttet seines Heiles Bahn …
Wohl zuckt es noch in irrem Schlag, doch längst entfloh die alte Kraft –
Doch längst entwich der alte Mut und die Prophetenleidenschaft!
Zerbrochen liegt mein Saitenspiel – nur manchmal schrillt zerspalten, hart,
Ein Ton noch nach und schreit mir zu die nachtumflorte Gegenwart –
Geweckt von eines Dämons Hand, dem ich verfallen regungslos –
O Herr! O Herr! Erlöse mich! Die Qual ist
übermenschlich groß …
Zu einem Riesenleibe hat die Menschheit sich verdichtet rings –
Und dieser Leib ist schwärensiech – aus seinen Augen grinst die Sphinx –
Wie Pestgestank durchstäubt's die Luft, der über die Gefilde streift,
Und alles stirbt und alles dorrt, was seiner Arme Klammer greift!
In meine Träume strömt es wild – verzerrt zur Fratze mein Gesicht –
Jach schreck' ich auf, als riefe mich Posaunenschrei zum Weltgericht –
Mir ist's, als wüchse geisterbleich aus Nebeln eine weiße Hand –
Schrieb
Mene Tekel Upharsin an meiner Klause weiße Wand! …
Ja!
Mene Tekel Upharsin! Dumpf dröhnt der Erde mürb Gebein –
Blutrot durchzittert es die Luft, fährt blendend hin wie Wetterschein –
Wie Trommelwirbel gellt es schrill, wie unterirdisches Gegroll –
O Herr! O Herr! Erbarme dich! Nimm meiner reinen Buße Zoll! …
Nimm von mir dieses Angstgesicht – o führ herauf das goldne Licht! …
Dann flattert's hin im Morgenwind, der zu den Kreaturen spricht
In seines Säuselns Gnadenton: »der Herr die Finsternis zerschlug!
Noch einmal flammt die Sonne auf – noch einmal tötet er den Fluch! …«
Noch einmal, Herr, erbarme dich – auch mich schließ' deine Gnade ein! …
Dann weitet meine Seele sich – will sich verjüngter Kraft dir weihn –
Und ob die Brandung mich umdröhnt, mit Sündenfingern mich belegt:
Du segnest mich von neuem, Herr, daß jedes Herz mein Lied bewegt! …
Dann will ich auf die Märkte gehn – will künden, Herr, dein Gnadenwort –
Will alle Herzen pflügen um, die gierzermodert, lustverdorrt –
Du rüstest deinen Boten aus, daß er im Sturm sie an sich reißt,
Sie aus der Enge auf zu dir, zum freiheitsgroßen
Zion, weist! …
Da blutet's auf am Horizont! … O Herr! O Herr! Gepriesen sei! …
Du willst die Gnade, du vernahmst der Seele bängsten Hilfeschrei! …
Es singt der junge Morgenwind – in goldnen Bächen strömt das Licht –
Und seine Wogen spülen hin mein nachtgebornes Zorngesicht! …
Ich atme auf! Der Tag! Der Tag! Der ist so lang, so überlang!
Nun gürte dich, mein gläubig Herz, nun fülle dich mit neuem Drang! …
Erblüh zu Wundern ungeahnt und sprühe Liebesflammen aus:
In diesem Zeichen triumphierst du über Sünde, Nacht und Graus! …
Zur Nacht, zur Nacht an den Wassern ich ging –
Die Nacht lag schwarz, zerlastend, schwül …
Und meiner Seele Angstgefühl
Mit zuckenden Fingern die Engnis umfing …
Von den Wassern herauf erklang es, erscholl,
Als orgelte drunten ein Sturmchoral,
Und doch war die Welt des Schweigens so voll –
Nur in mir schrie die Qual …
Die Nacht zerdrückte mich und zerschmolz
Mit brünstigem Atem, was einst empor
In märzigen Träumen sich reckte so stolz –
Draus aber kroch Angst und Furcht hervor …
Nur Furcht vor dem hellen, dem harten Licht,
Das alles in zwingende Nähe schiebt,
Dran meiner Seele harmonisch Gedicht
In tausend Fetzen und Splitter zerstiebt …
Der Wind strich feucht und die Flut lief sacht –
Mich deckte der Nacht blauschwarzer Schild – –
Da hat es sich mir in Gnaden enthüllt
Und satte Genesung mir eingebracht …
Wohl tröstet die Nacht und zärtlich gibt
Sie der Einsamkeit Brust dem Verirrten hin –
Sie hat die Verlassenen immer geliebt
Und den wundenzerfolterten Duldersinn.
Sie dämpft das Weh und blendet den Blick
Vor des Tages zerkrümelter Vielheitswelt –
Doch, wenn sich der Himmel im Osten erhellt,
Beschert sie sterbend das reichste Glück …
Wie der Tag
allmählich zur Erde kehrt
Und langsam wächst zu hellerem Schein:
So reife mein Herz, von neuem bewehrt,
Gemach in seine Bezirke hinein …
Zur Nacht, zur Nacht mein Auge hing
An der schwarzen Flut – die Nacht lag schwül –
Doch meiner Seele Kraftgefühl
Frohlockend dem Frührot entgegenging …
Das sind die Wogen der Sehnsucht,
Die fluten mir durch das Herz –
Der Sehnsucht, köstlich berückend,
Wie Knospenbotschaft im März …
Das sind die Wogen der Sehnsucht,
Die in mir branden und blühn –
Die mich berauschen, wie schwüles
Düften von weißem Jasmin.
Wie im Traume war ich gewandelt,
Von engem Genügen erfüllt –
Vor mir ein kleines, banales
Farbloses Werkeltagsbild …
Sie nahm so ganz mich gefangen,
Die winzige Werkeltagspflicht –
Zerschmolz mein stolzes Verlangen,
Verhing mein suchend Gesicht …
Still war es – freudlos und leidlos
Rann Stunde um Stunde dahin –
Und keine war drängende Sehnsucht –
Und keine Empörerin …
Nun strömen und rollen wieder
Die Schauer der Sehnsucht wild –
Zerbrochen liegt das Bildnis –
Mein Auge ist unverhüllt …
Ich fühle unendliche Schmerzen
Und Wonnen namenlos –
Ich kreise mit den Gestirnen,
Bin klein und doch riesengroß …
Bin Staub und doch die Achse –
Ein
Punkt und doch
alles zugleich …
Ich verzehre mich in Sehnsucht
Und bin an Erfüllung so reich!
Es ist so still geworden,
Die Flut verlief sich sacht …
Mein Wehr und Waffen tat ich ab
Und der Gedanken Fracht …
Was mich tagsüber wild bewegt:
Ich hab' es nun zur Ruh' gelegt –
Nur meine Wunden bluten,
Bluten in stiller Nacht …
Da in der Brust tief drinnen
Ist mir ein Ton erwacht:
»Was dich zu hartem Zwiestreit rief,
Was deines Herzens Schacht
Befeuert, daß du kühn entbrannt,
Verspottet ist's wie Kindertand –
Drum deine Wunden bluten,
Bluten in stiller Nacht!
Wirf hin dein Schwert, die Laute,
Daß sie zerschellt, zerkracht!
Dem Gott, den du bekennst, dem wird
Kein Opfer mehr gebracht!
Kein Herz mehr schlägt, das ihn bekennt,
Und keine Zunge, die ihn nennt –
Drum deine Wunden bluten,
Bluten in stiller Nacht …
Vergeblich ist dein Ringen,
Umsonst die Glut entfacht!
Aus diesem Kampf hat keiner noch
Das Glück sich heimgebracht …«
Doch sei's, wie auch mein Ahnen spricht:
Euer Gott, er ist der meine nicht!
Mein Herz wird ihn nie rufen –
Bei den ewigen Sternen der Nacht! …
Es ist so still geworden,
Die Flut verlief sich sacht …
Mein Wehr und Waffen tat ich ab …
Doch der Gedanken Fracht
Hab' hoch und stolz ich aufgericht't:
Euer Gott, er ist der meine nicht!
Ob meine Wunden bluten,
Bluten in stiller Nacht! …
Nicht mit Trauben, nicht mit Rosen
Ward die Laute mir umwunden –
Nicht zum Reigen, nicht zum Kosen
Hab' ich Ton und Wort gefunden.
Was die Seele mir erfüllt hat,
Klang mir aus Gewitterpsalmen,
Und mein brennend Weh zermalmen
Konnte nur, was sich enthüllt hat …
Nicht mit Scherzen, federleichten,
Hab' ich mir die Welt verschändet –
Zu den Armen, Gramgebleichten,
War mein Sinnen hingewendet.
Und ich sah in ihre Augen,
Zorn und Trauer tief im Herzen, –
Und ich las von ew'gen Schmerzen,
Die zu lust'gem Spiel nicht taugen …
Und ich saß an ihren Lagern:
Klappernd wälzten sich zur Seite
Tod und Schande – mit den magern
Fäusten ringend um die Beute!
Um die Beute: Dürre Glieder –
Mürbe, notzerfreßne Knochen –
Da hat es mich jäh durchstochen:
Die
Verzweiflung hob die Lider!
Und ich sah ein fruchtlos Mühen
Aller Besten jede Stunde –
Hellster Flammen bleich Verglühen –
Und am trotzigsten die Wunde,
Die ein großes Streben schlägt,
Das sich bricht in engen Schranken:
Alles Große muß verkranken – –
Ich begriff es tiefbewegt …
Nur das Leichte hält sich oben,
Saugt des Lichtes ärmste Stäubchen –
Doch der mit der
Kraft verwoben,
Scheucht des Frohsinns Turteltäubchen,
Denn er hört der Räder Stöhnen
Und des Mühwerks krampfhaft Beben –
Und das Ohr sich zu verkleben,
Ist für ihn noch kein Versöhnen.
Nicht mit Trauben, nicht mit Rosen,
Ward die Laute mir umwunden –
Nicht zum Reigen, nicht zum Kosen
Hab' ich Ton und Wort gefunden …
Was die Seele mir erfüllt hat,
Klang mir aus der Kräfte Fehden –
Ja! Und einen Traum von Eden
Gab mir nur, was sich enthüllt hat …
Losgelöst aus eurer Mitten
Hab' ich nun mein ganzes Sein …
Alles, was mein Herz gelitten,
Alles, alles sargt' ich ein …
Wusch mir flugs die Augen helle,
Knöpft' den Rock bis obenan –
Und nun trag mich, Lebenswelle,
Abgrundsnieder –
himmelan!