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Ich wußte nicht ein, ich wußte nicht aus –
Da ging ich verzweiflungszermalmt nach Haus …
Ich wußte nicht aus, ich wußte nicht ein –
Da ließ ich die Sünde – Sünde sein.
E la Mania di cercar perle al lezzo.
Emilio Praga
Das war ein lust'ges Feiern –
Ein Schwärmen bei Nacht und bei Tag!
Nun liegt's auf mir so felsenhart –
Jach sind mir Freud und Lust erstarrt:
Nun liegt's auf mir so bleiern
Nach all dem lust'gen Feiern –
Dem Schwärmen bei Nacht und bei Tag! …
Das war ein tolles Zechen –
Wir wurden's schier nicht satt! …
Jach starb mir da der blüh'nde Scherz –
Nun liegt's auf mir wie schweres Erz:
Als wollte das Hirn mir zerbrechen
Nach all dem lust'gen Zechen –
Dem Schwärmen bei Nacht und bei Tag! …
Das war ein keck Erfassen
Des Lebens in jauchzender Lust! …
Nun liegt's mir vor Augen so tot und so fahl –
Nun liegt mir die Welt so namenlos schal: –
Als sollte ich sie nun
hassen:
So ward mir nach all dem Erfassen
Des Lebens in jauchzender Lust! …
Du warst so brav, da ich dich einst verlassen, –
Da ich die Heimat mied.
Heut kehr' ich heim … Der Sturm durchgellt die Gassen,
Jauchzt sein Rebellenlied …
Doch durch das Windgeheul dröhnt mir entgegen
Ein rüdes Zechgebrüll …
Ich geh' ihm nach auf den verschneiten Wegen
Und lausche still …
Da plötzlich stößt sich siedendheiß zum Herzen
Mein stürmisch Blut …
Ich sehe dich … im Blutlicht flackernder Kerzen
Inmitten Bubenbrut …
Maria, du? … Zurück nun, Heimatskehrer!
Was zögerst du?
Die Welt, die weite Welt ist nirgends leerer –
Schreit' zu – schreit' zu! …
Ob's deine Augen auch verneinen
Mit ihrem hellen, klaren Licht;
Ob auch auf deinem zarten, feinen,
Madonnenschönen Angesicht
Es liegt, als wäre deine Seele
Ein seltner Kelch, der niemals trog,
Drin Keuschheit sich und Kraft vermähle:
Ein Kind der Sünde bist du doch! …
Ob deine Augen drohend blitzen –
Ob du auch zitternd, zornbewehrt,
Dich vor dem Frechen suchst zu schützen,
Den deiner Schönheit Reiz betört, –
Der deines Nackens holde Fülle
Umspannen will mit engem Joch –
Ein Bild der lieblichsten Idylle! –
Ein Kind der Sünde bist du doch! …
Ob du auch sittsam deine frommen
Blauaugen niederschlägst, wenn jach,
Wie's just passiert, ein Wort gekommen –
Ein Wort von bravem, derbem Schlag –
Es fährt heraus – die andern kichern:
»Ein Witz, der nicht zum feinsten roch!«
Ob du auch kalt sie's läßt versichern –
Ein Kind der Sünde bist du doch! …
Denn ich, Madonna, muß es wissen –
Du hast es selbst mir ungesäumt
Gebeichtet, da auf weichen Kissen
Ich manche Nacht bei dir verträumt …
Dein schöner Leib ist so gesellig
Und Kosen dünkt ihn wunderfein –
Drum bist du heimlich gern gefällig:
Du sollst ein »Kind der Sünde« sein? …
Es hat die Dirne mich geküßt:
Da ward ich von süßem Taumel trunken, –
Und als ob es Frau Venus selber wär',
Bin ich ihr an die wildwogenden Brüste gesunken …
Es hat die Dirne mich geküßt, –
Ihre reifroten Lippen auf den meinen erblühten –
Da vergaß ich die harte Not und den Tod
Und meiner Mutter liebfrommes Behüten …
Es hat die Dirne mich geküßt –
Da war's mir, als quöllen Flammenbäche
Wie der Hölle Sengstrom durch meinen Leib, –
Als ob bacchantische Brunst mir den Schädel zerbreche! …
Es hat die Dirne mich geküßt –
Schluchzend lag ich vor ihr im Staube –
Da war's mir, als stürbe der Gott in mir,
Als stürb' an sündloser Lieb' mir der Glaube …
Es hat die Dirne mich geküßt –
Da wußt' ich, daß ich die Seele verloren –
Da wußt' ich, daß ich dem Schächer gleich
Meine Seele der Hölle zugeschworen! …
Es hat die Dirne mich geküßt –
Wohl trink' ich in ihren Armen Wonne – –
In meinem Herzen aber ist Finsternis,
Und verdorrt ist mir des Glückes Bronne! …
Verdorrt ist mir der lebendige Mut,
Für meine Brüder die Gasse zu bahnen, –
Zerbrochen hab' ich die blitzende Wehr,
Zerbrochen die wurfzerfetzten Fahnen …
Seitdem die Dirne mich geküßt,
Kann ich nur ihr gehören zu eigen …
In Brünsten umklammre ich den weißen Leib
Und küsse sie – und der Rest ist Schweigen …
(Olga.)
Es flog der Staub, und die Enge zwang –
Und alles so grau, verschwommen und kalt!
Du sprachest: Wo blieb dein stolzer Drang –
Deiner Seele glühender Ueberschwang –
Deiner Liebe todtrotzige Flammengewalt?
Und ich hieß dich gehen! – Die Enge zwang –
Und des Tages bleiches Larvenspiel …
Ich war so müde … der Vorhang fiel –
Und mich umdünstete Fäulnisgestank …
Und ich hieß dich gehen! – Und nun kam die Nacht.
Weit wichen die Schranken – die Einsamkeit
Gebar mir ein großes, stolzstilles Leid,
Das trug triumphierender Freiheit Fracht! …
Du gingst! Was bist du nicht bei mir geblieben?
Kanntest du nicht mein grenzenlos Lieben?
Zu Tag fliegt der Staub – nur die Enge zwingt,
Bis sie den Trotzigsten zerrieben –
Du gingst! Was bist du nicht bei mir geblieben?
Kanntest du nicht mein grenzenlos Lieben?
Das wandelte sich in der Einsamkeit
Zu heißem, brünstig mahnendem Leid,
Das flehend vor dir niedersinkt!
Du gingst! Was bist du nicht bei mir geblieben?
Kanntest du nicht mein grenzenlos Lieben?
Das brandet zur Nacht, da die Engnis zerbrach!
Es hieß dich gehen der staubgraue Tag
Und die blöde Sprache des Lichts!
Ich liege schlaflos. Und es ergreift mich tief,
Daß meiner Liebe Gewalt dich nicht heimwärts rief –
Meine Sehnsucht, die nimmer zu zügeln!
Da! Rauscht's nicht durch die Schatten der Nacht
Von leise schlagenden Flügeln?
Ich wähne: es ringen die Boten sich los
Aus der Finsternis schlündigem Kraterschoß,
Mir tagestraurigem Helden
Das Urteil zu vermelden –
Die Boten des stummen Gerichts!
Ich liege schlaflos.
Es richtet die Nacht.
Nein! Kein Erbarmen!
Und mir ist's: durch alle Himmel tönt –
Durch alle Sphären schreit und dröhnt
Dem im Staube gefallenen Armen
Das große, verzehrende,
Seelenzerstörende,
Das große, befreiende,
Seelenerneuende,
Gewaltige Reuekarmen!
— — — — — —
Oh! Warum bist du nicht bei mir geblieben?
Kanntest du nicht mein grenzenlos Lieben?
Ihr Flammen verglühet –
Ihr Rosen verblühet –
Die Finsternis brütet – –
Ich liege schlaflos und weine still,
Daß mir durch die nächtigen Lande
Im Nebelgewande,
Im wallenden, weißen,
Die ich gehen geheißen,
Weiter … und … weiter … entwandern … will …
Was frag' ich nach Zeit und Stunde,
Wenn an deiner Brust ich lieg' –
Wenn ich küsse von deinem Munde
Der Liebe süßseligen Sieg!
Wenn ich küsse die weißen Brüste,
Den knospenden, schwellenden Leib –
Was frag' ich nach Zeit und Stunde,
Bei solch holdem Zeitvertreib! …
Was frag' ich nach Zeit und Stunde,
Rast' ich auf Linnen, schneeweiß,
Bei dir und trink' dir vom Munde
Der Liebe süßseligen Preis!
Da füllt mich ein großes Genügen,
Mein wildes Begehren versinkt …
Was frag' ich nach Zeit und Stunde,
Wenn die Welt wie verschollen mich dünkt! …
Nicht war mir zu Willen
Deine lebendige Seele!
Und nicht umtönte mich
Ihrer tiefsinnigen Sprache
Ergreifender Urlaut …
Doch deinen Leib – doch deinen Leib
Hab' ich besessen
Und deine Glieder
Kühnlich betastet –
Und meine Hand –
Meine heiße irrende Hand –
Fand Huld und Heimat
Im Tal deiner Brüste …
Und dein Leben spürt' ich –
Dein lebendiges Leben! …
Den Rhythmus des Blutes –
Von den Lippen dir sog ich
Die Frucht seines Kreisens …
Und das Leben umfing ich –
Das lebendige Leben …
Aber deine Seele war stumm,
Und wortlos dein Auge,
Als ahnten sie kaum
Der Wonneschmerzen
Verschleierten Tiefgang –
Die Schmerzenswonnen,
Die sich gebären,
Flackernde Flammen,
Gibt sich dem Menschen
Der göttliche Mensch
Im Namen des Geistes,
Der das Ewige fügt
Zum Gebilde der Stunde –
All-einig Bewußtsein
Zeugt und entfaltet,
Ein pfadkundiger Tröster! …
Aber deine Seele war stumm,
Als deckte sie Schlummer –
Als träumte entrückt sie
Zu anderen Sphären,
Die Nahsein den Göttern
Heiter gewähren …
Mich aber verwarf sie
Und meiner Seele
Brünstiges Rufen …
Da quoll es empor –
Und meine Sehnsucht,
Die dich nicht beseelt,
Wandelte trotzig
Zu irdischer Lust sich
Nach jener Sünde, –
Die wurzelnd im Staube
Vom Staube sich sättigt …
Und mich zerfraß
Die Flamme der Wollust –
Und wühlte sich ein
Und füllte mich ganz
Und mordete meuchlings
All meine Gottheit! …
Und ich betastete dich –
In deine Glieder verkrampft –
Als sei ich von Sinnen –
Als hätte ich niemals
Meiner Seele Freiheit
Auch nur geahnt –
Als hätt' ich mich niemals
Voll feuriger Kraft
Zu den Göttern entrafft!
Durch mein Hirn
Schossen die Ströme
Brennender Wollust –
Und es versenkte
Der verruchte Drang mich,
Dich zu zermalmen
Unter den Strudeln
Meiner entarteten Lust!
Aber da lagst du –
Bleich, wie ohne Seele,
Wie ohne tiefstes
Lebensbedürfnis …
Und jeder Zug
In deinem blöden,
Verstumpften Antlitz
Stieß sich mir ins Hirn
Und redete deutlich:
Daß ich dich nur
gekauft …
Weib! Da kam es über mich
Da kroch es heran –
Es lastete sich auf mich
Und ich wähnte –
Ich wähnte, es wiche –
Es wiche jählings
Unter meinen zuckenden Fingern
Dein warmfeuchtes Leben …
Und Grausen schlug mich …
Und mich zerschnitt
Der eiskalte Anhauch,
Der aus den Poren
Deines Leibes emporquoll,
Sich um mich gürtete
Mit Klammern der Angst …
Und ich warf dich von mir …
Mein Auge aber –
Mein hellsichtiges Auge,
Schaute Bilder und Zeichen
Und durchdrang
Die Herzen der Menschen …
Und ich sah
Tausendmal, tausendmal! –
Immer wieder
Das letzte eine:
In jede Seele
Mit Blutschrift gebrannt:
Verkauft!
Ueber die weiten Märkte des Lebens
Rollt unaufhaltsam,
Nächte und Tage,
Ohne Labung und tröstende Sonne
Die Sklavenkolonne
Der verkauften Kreaturen, –
Zu Schächern und Huren
Niedergezwungen
Von den Fäusten der Not, –
Zum alltagsüberstaubten,
Hoffnungsberaubten
Listkampf ums Brot …
Und ich sah zu dir nieder, Weib,
Und du sahest zu mir empor, – Weib –
Und wie Verwunderung, –
Wie eine Frage
Las ich in deinen toten Augen …
Tröste dich, Weib!
Du seelenloses!
Ich habe noch eine Seele,
Die einmal, einmal –
Mit dem Kanaan-Wasser
Der Freiheit getauft!
Leider! – oh leider
Ist sie zu drei Viertel
Auch schon glücklich –
verkauft!
Der frischgedüngte Acker stinkt herüber;
Braunrotes Land nickt über die Stackete,
Die letzten Astern kümmern auf dem Beete –
Und täglich wird der Himmel trüb und trüber.
Aus der Spelunke jagte mich das Fieber
Und warf auf meine Backen grelle Röte.
— — — — — —
Wie sie heut wieder brünstig küßte, flehte:
Ich möchte wiederkommen! Viel, viel lieber
Sei ihr die Nacht! … Denn, wär' der Tag zu Rüste,
Dann sprängen heißer all die süßen Lüste
Und süßer sei das Indenarmenliegen! …
— — — — — —
Der frischgedüngte Acker stinkt empörend, –
Doch ist sein Stunk nicht grade unbelehrend:
Nur wer das Leben überstinkt, wird siegen!
Heim komm' ich taumelnd vom Geschwelg'
Es ist ums Morgendämmern –
Bei des Weines blutrot blitzendem Kelch
Hab' ich geschlemmt mit Schlemmern …
Hab' ich geschlemmt die lange Nacht,
Bis der Tag verträumt hob die Lider, –
Bis das Frührot purpurne Garben warf
Auf der Erde steinerne Glieder …
Mein Haupt ist wüst – meine Stirne brennt –
Da pocht's an das Tor meiner Seele:
Ein Fuder Dreck! Ich mache auf …
Nun Schätzchen? … »Ich heiße Adele …«
Du wohnst? … Da trifft mein verwachtes Gesicht
Der Morgensonne Erblitzen –
Und meine Seele fliegt ihr zu
Aus irdischen Sündenpfützen …