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Die Flut ist nun verbrandet,
Der Sturm ist nun verdröhnt –
Ich aber bin gelandet,
Wo Liebe still versöhnt,
Wo Liebe leise atmet
Und mir den Kummer ebbt,
Den ich durch Staub und Schlachtendampf
Tagüber mitgeschleppt.
Es hat die Wunderaugen
Die Nacht erschlossen weit,
Und meine Blicke saugen
Sich in die Ewigkeit.
Mir ist's, als hört' ich schlagen
In mir das Herz der Welt –
Als wär' ich ird'scher Grenzen bar,
Den Ew'gen zugesellt.
Wie dünkt mich Menschentrachten
So zwerghaft nur und klein!
Ein großes Weltverachten
Zieht in die Brust mir ein!
Am Schild des Schrankenlosen
Zerbröckelt, was bedingt –
Was mich im Tagesschwall bewegt,
Zerfällt nun und versinkt.
Die Flut ist nun verbrandet,
Der Sturm ist nun verdröhnt –
Ich aber bin gelandet,
Wo Liebe still versöhnt!
In goldner Flut entquillt sie
Dem Universums-Kern,
Und ihren Schleier spannt sie aus
Durch mich von Stern zu Stern.
Deutsche Akademische Zeitschrift. 1885
Wohl kann ich Wochen – Monde lang
Mich mit dem Engsten, Nächsten still begnügen –
Da aber faßt mich jäher, wilder Drang –
Und in gewaltigen Gedankenflügen
Steig' ich empor zum Sternenozean –
In Nichts zerfließt der trübe, ird'sche Wahn –
Und unersättlich saug' ich Ewigkeiten,
Die mit Sekundenspur durch meine Seele gleiten.
Wohl kann ich Wochen – Monde lang
All' Liebeswonne, Gruß und Kuß still missen,
Da aber packt mich jäher heißer Drang –
Und mich umstarrt's von tausend Finsternissen.
Ich ringe krampfhaft mich zum Licht empor –
Nach heißen Sünden dürsten meine Sinne –
Vor meinen Augen reißt der Nebelflor –
Und unersättlich fei're ich dich, Frau Minne!
Deutsche Akademische Zeitschrift. 1885
Wohl ward uns das »Reich«!
Und wir freuen uns
Seiner Köstlichkeit!
Und doch! …
Seine tiefste Enthüllung
Und seine wahrste Erfüllung
Wird es erst finden
In
Zukunftstagen –
Wenn gesühnt
Der
Gegenwart Sünden –
Und die Nachtigallen –
Die Nachtigallen der
Freiheit schlagen!
Faschingsbrevier. 1886
Ich sah nur einmal dich. Doch unauslöschbar
Steht mir zu Sinnen deine Trutzgestalt.
Wie Erz der ganze Kerl! – Und doch auch wieder
So flüssig und beweglich – und das Auge:
Es leuchtet Blitze und lacht herzhinreißend …
Es haften sich an dir die Gegensätze –
Doch schöpfergroß weißt du sie ganz zu einen –
Zu stolzem Können fügst du sie zusammen …
So stehst du auf der Wacht – ein treuer Eckart!
Führer zugleich und Kamerad den Deinen …
— — — — — —
Will alles manchmal mir
doch zwecklos scheinen:
Dann richt' ich mich an
deinem Trotze auf! …
Ungedruckt. Handschriftlich in dem Conrad gewidmeten Exemplar der »Brutalitäten«. 1886
Als du noch lebtest, ließ man dich in Ruh,
Und was du schufest, das kannte niemand …
Doch als du tatest die Augen zu,
Da nannte man frisch dich »Prinz aus Genieland«,
Da schrieb man in Prosa und Reimgefügen
Dir Nekrologe lang und breit,
Und malte dein Bild aus Wahrheit und Lügen
Und pries deine seltne – Bescheidenheit.
Die Gesellschaft. 1886
I.
Das ist des Jahres allerletzte Huld!
Das ist der Sonne letztes, volles Gold!
Mein Gott! Wo blieb die zähe Ungeduld,
Die mich wie eine schwere Sündenschuld
Durch Lenz und Sommer unstet hingetollt? …
Nun alles still … Das Leben blühte aus …
Ein sanftes Sterben flüstert durch die Flur …
Verschäumt des Werdens stürmisch Kraftgebraus.
Ich gehe langsam – halbverträumt nach Haus,
Und lausche deinem Trauerpsalm, Natur! …
II.
Wie fernhin – wie fernhin zogest du,
Meiner Jugend goldenes Boot! …
Längst ließ mich der tolle Wirbel in Ruh,
Die Leidenschaft schloß die Augen zu,
In Grau verblaßte das Rot! …
Ich lehne am Strande … Wie müde der Blick!
Und wie verwandelt mein Sinn!
Ein Schifflein! Vorüber fährt mein Glück,
Vorüber – vorüber und nimmer zurück –
Meine Jugend sitzet darin …
III.
Als ich dich schaute, mein grüner Rhein,
Da wuchs das Licht und es atmete leis
Der Lenz! – Nun schloß sich des Werdens Kreis,
Und der Sommer zog seine Flaggen ein! …
Ich lebte lange auf karg-ebenem Land –
Ich lebte, studierte, liebelte, schuf – –
Doch manchmal – klang nicht ein leiser Ruf
Aus der Ferne, die leuchtend vor mir stand?
Ein Ruf – so lockend, verführerisch weich,
Und mir war's: ich flöge dahin – dahin –
O Sehnsucht, du kühne Seglerin,
Wie unermeßlich ist dein Reich! …
Und ich erwachte! … Frau Prosa rief –
Tiefäugiger, rätselverklärter Rhein,
Wie lange noch muß ich dir ferne sein –
Und ich liebe dich doch so tief – so tief! …
Bleifarbener Wolken Monotonie;
Verwaist steht der Farben Irisschrein –
Vor sechs schon bringt Minna die Lampe herein –
Und ich studiere Soziologie …
Die Gesellschaft. 1886
Es spiegelt sich das Abendrot
Goldgelben in den Regenpfützen …
Und schmiegt sich an die Scheiben dicht,
Daß sie wie rote Feuer blitzen …
Geregnet hat's den ganzen Tag –
Nun hellt sich's noch, bevor es nachtet.
— — — — — —
Hast du dein ganzes Leben lang
Das Leben bodenlos verachtet?
Zur Stunde, wenn's zum Sterben geht,
Wird sich die Nacht noch einmal klären
Und wert, daß du sie krampfhaft hältst,
Wirst du sie finden, die Chimären! …
Deutsche akademische Ztg. 1886
Ich bin noch jung! Es klingt wie Schimpf, wie Hohn,
Will ich schon wunschlos in das Nichts versinken.
Noch will ich nicht der Resignation
Verfaultes, fahles Gangeswasser trinken.
Ich bin noch jung! Noch leuchtet kerzenhell
Wie Weihnachtsbaumesschimmer mir das Leben!
Noch springt und sprudelt mir der Wunderquell!
Noch schwillt für mich das süße Blut der Reben!
Noch blüht für mich, rotflammend wie Rubin,
Des Mädchens weiche, zauberholde Lippe,
Noch schwirrt mein Hirn von tausend Melodien!
Noch darf ich sie verachten, sie: die Sippe
Der Nachtgedanken, die, ein bleich Geschmeiß,
Ums Haupt mir kreisen, aufgeschreckten Schwärmen
Schillernder Fliegen gleich! Wildschäumend, heiß
Rollt noch mein Blut! Noch will ich mich nicht härmen
Um Rätsel, die aus dunklen Tiefen steigen,
Brauenden Nebeln gleich – noch blüht mein Stamm!
Ob ich auch weiß: einst werde ich mich beugen –
Dem Fatum beugen – ein geduldig Lamm! …
Doch jetzt noch wachse ich im Licht der Tage –
Zur Freiheitstat strafft sich der Muskel noch!
Noch lebe ich das Leben! Und ich schlage
Den Blick groß auf – und sie bewegt sich doch:
Die
Kraft, die mich mit lenzgewalt'gem Hebel
Um meines Lebens Mittag aufwärts hebt –
Kommt mit den Abendschatten dann der Nebel:
Ich habe doch
gesiegt, weil ich
gelebt!
Deutsche Akademische Zeitschrift. 26. September 1886
Der Quell, der lang gelegen
Verschüttet und verdorrt,
Wie ein Geheimnis märchentief,
Viel Jahre traumverloren schlief,
Er will sich wieder regen,
Und wieder springt das Wort:
Und wieder darf ich baden
Mich heil in seiner Flut,
Genesung, die ich lang gemißt,
Nun wieder mir erblühet ist,
An seiner Wasser Gnaden
Ward still mein unstät Blut.
Von wannen mir gekommen
Die Wandlung, weiß ich kaum,
Ich weiß nur eines: daß mir sie,
Die hohe, reine Poesie,
Von neuem nun erglommen
Just wie ein Wundertraum.
Allg. Deutsche Universitätsztg. Februar 1887
Es ist mein Fuß geschritten
Auf steilem Felsengrat;
Es ist mein Fuß gepilgert
Auf dürrem Heidepfad;
Es ist mein Fuß gewandert
Am öden Meeresstrand;
Es ist mein Fuß gezogen
Ueber blühender Ebene Land …
Es ist meine Seele geflogen
Wohl zu den Sternen empor;
Es hat meine Seele gelauschet
Der Liebe mit trunkenem Ohr,
Es hat meine Seele gekostet
Von seltner Erkenntnis Wein –
Doch hab' ich nimmer erkundet,
Wo meine Seele darf stille sein!
Allg. Deutsche Universitätsztg. 5. März 1887
Durch die verschlafenen Gassen
Wandle ich mit meinen Träumen
Mutterseelenallein –
Schreite vergessen, verlassen,
Mit süßseligem Säumen
Stumm in die Nacht hinein …
Von den Dächern rinnen
Perlende Mondlichttränen
In die Schatten der Nacht,
In der Brust mir tief innen
Ist ein flutendes Sehnen
Traumhaft leise erwacht.
Möchte Welten, versunken
Und im Nebel zerstoben,
Heben ans goldene Licht!
Möchte glückestrunken,
Sonnenschleierumwoben,
Singen mein schönstes Gedicht!
Von den Lippen mir fluten
Sollten, um dich zu preisen,
Perlende Melodien …
Aus meiner Seele Gluten
Sollte in Zauberweisen
Ein Lenz
dir erblühn! …
Durch die verschlafenen Gassen
Wandle ich mit meinen Träumen
Mutterseelenallein –
Schreite vergessen, verlassen,
Mit beklommenem Säumen
Stumm in die Nacht hinein …
Der Salon für Literatur, Kunst und Gesellschaft. 1887
Widmungsgedicht zu den »Phrasen«.
Bei den Schatten des Marktes saß ich zu Gast –
Da hat mich schwarze Schwermut erfaßt.
Ich prüfte die Schatten und fand sie leer –
Nach einem
Menschen trug ich Begehr!
Ich traf auf
dich! – Und im Wandel der Stunden
Haben wir
uns für immer gefunden.