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Gedichte aus der Frühzeit

Frühlingslied.

Frühling! Frühling! Welchen Zauber
Birgt nicht dieser eine Laut! –
Schneegebraus und Winterwetter
Weicht dem Vogellustgeschmetter,
Und der Himmel wonnig blaut.

Wachgeküßt vom Frühlingswinde,
Von der Sonne warmem Strahl,
Prangt im Auferstehungskleide
Die Natur – ihr Goldgeschmeide
Sind die Blumen überall.

Sei gegrüßt mir, holder Frühling!
Auch in mein Herz zogst du ein.
Brachtest Sonnenschein da drinnen,
Wecktest wieder holdes Minnen
In des Herzens tiefem Schrein.

Drum will ich im Jubelsange
Weithin über Berg und Tal
Preisen, daß der Lenz gekommen.
Daß das Leid ein End' genommen
Mit der Sonne Frühlingsstrahl.

Deutscher Dichter-Freund (Neuer Musenhain). 24. Juni 1880

Das zerfallene Schloss.

Ich baute mir im Geist ein hehres Schloß,
Mit Marmorsäulen, goldenen Portalen, –
Da kam der Sturm und hat's hinweggeweht
Und ließ in öde Trümmer es zerfallen.

Nun heult der Nachtwind durch den Grabesschutt
Und Waldesvögel hausen in den Gängen –
Ein düstrer Geist lebt unheilbringend dort
Und hält den Bann, der nimmermehr zu sprengen.

Das Schloß war meiner Liebe wonn'ger Traum,
Den ich gesponnen einst in Frühlingstagen –
Nun ist es Herbst, – die Blumen sind verwelkt
Und ich sitz' einsam, traurig, um zu klagen.

Deutscher Dichter-Freund, 10. Juli 1880

Sonett.

Weh dem, der in des Zweifels tollem Wahne
Sich ganz und gar der Lüge hingegeben
Und Gott, den einzig wahren Halt im Leben,
Hinwarf: er gleicht dem Kahn im Ozeane!

Sie nagt an ihm gleich gift'gem Schlangenzahne,
Sie macht ihn trunken, wie der Saft der Reben,
Sie hemmt den Flug, das gottentstammte Streben,
Sie glüht in ihm, wie Feuer im Vulkane.

Wohl dem, der weiß, daß über Sternen droben
Ein Vater wohnt, der Schöpfer aller Welten,
Der ihm auch nah in allen Lebensstunden.

Wie hitzig auch die Lügner ringsum toben,
Ihm wird der Name Gottes heilig gelten.
Des Herrn, in dem er Frieden hat gefunden.

Deutscher Dichter-Freund. 7. Aug. 1880

Im Dämmerschein.

Im Wald, im Wald, im Dämmerschein!
Wie das mein Herz beweget,
Wenn's ringsum still und nur der Wind
Die Blätter leise reget!

Wie ist in dieser Einsamkeit,
In diesem Waldesfrieden
Mein Herz von Dank für den erfüllt.
Der mir dies Glück beschieden!

Mein Lied klingt in die Morgenluft
Laut durch die Waldeshallen,
Zu Gott des Herren Lob und Preis,
Wann Morgennebel fallen.

Deutscher Dichter-Freund. 8. September 1880

Der Bettler.

Sie kamen und nahmen, was ihnen gefiel
Ich ließ sie gehen und kommen.
Ich hatte nur Lachen fürs tolle Spiel –
Ich lachte, bis alles genommen.

Nun steh' ich im winddurchheulten Raum –
Muß immer noch lachen – nur lachen – – –
Das Glück ist nur Tand – Das Glück ist nur Schaum –
Mag man auch beten und wachen.

Der Weltenerwürger entriß mir mein Weib –
Die Buben, die haben verlassen
Den Bettler mit lumpenbedecktem Leib –
Die schwärmen auf Straßen und Gassen.

Was soll ein Wesen auf dieser Welt,
Ein Bettler, verworfen – zerschlagen?
Ein Blatt – das welk vom Baume fällt. – –
Die Nacht kommt, und nimmer will's tagen.

Die kalte, die grausige Todesnacht – –
Und doch – und doch willkommen!! –
Wenn morgen die Menschheit vom Schlafe erwacht.
Hat der Teufel den Bettler genommen ........

Ungedruckt. In einem Brief an Arthur Schuster vom 19. Oktober 1880

Neues Leben.

Osterpsalm.

Nun hebet das tränenumflorte Gesicht,
Nun laßt das bange Verzagen!
Nun schaut zum flammenden Osterlicht,
Das siegend durch Dunkel und Wolken bricht –
Durch die Lande gehet ein Tagen!

Durch die Lande ziehet ein rauschender Klang,
Ein himmelhoch jauchzendes Beten!
Die letzte Fessel zerstob und zersprang –
Die Brust ward frei, die Hölle versank –
Die Furien der Nacht sind zertreten!

Wir atmen im Licht! Nun jubelt, nun preist!
Nun gebt die Seufzer den Winden!
Nun schüttelt vom freien, erlöseten Geist
Des Alltags Staub, der gierig und dreist
Euch lockt von Sünden zu Sünden!

Wir atmen im Licht! Wir Hassen die Nacht!
Uns küssen heut Osterflammen!
Dort aber durch Nebel, dämonenumlacht.
Da raset der Nächt'gen geharnischte Jagd –
Ihr Reich fiel in Trümmer zusammen!

Wir aber stehen im Tempel des Lichts,
Als Priester das Opfer zu schüren
Der heiligen Liebe! – das gähnende Nichts –
Das Posaunengeschmetter des Weltgerichts –
Der Verzweiflung wilde Walküren –

Und was zu eklem Staube uns zieht,
Was Hirn und Herz uns umkettet:
Wir fürchten es nicht! Denn sonnenumglüht,
Umjauchzt vom sphärendurchdonnernden Lied
Erschien, was die Menschheit errettet!

Hernieder auf flammenumloderter Bahn
Zog der Liebe selige Kunde!
Vor ihrem herzenberauschenden Nahn
Zerrann der sonnengoldhassende Wahn
Und ging zugrunde – zugrunde!

Durch Dunkel und Wolken erquoll ihr Glanz –
Die Herzen durchrauschte ein Leben!
Nun reißt vom Haupte den Dornenkranz, –
Der Furien wilder Mänadentanz
Erstarb im: – neuen Leben!

Magdeburger Tageblatt (General-Anzeiger). 9. April 1882

Um Mitternacht.

Mitternacht!
Dein heiliges Schweigen
Durchbebt meine Seele.
Noch hat nicht der Schlaf
Die müden Sinne geküßt,
Nicht reichte der erlösende
Der lechzenden Seele
Die mohntrankgefüllte Schale
Und führte mich heim
In sein sonniges Land.
Noch wachen die Geister,
Die taggebornen,
Noch wühlen die Gluten
Im fiebernden Hirn.
Noch späht das Auge,
Das gramumflorte.
Hinaus in die Nacht,
Die sturmdurchheulte –
Noch späht es hinauf
Zum wolkenverhangnen
Nachthimmel....
Selten ein Stern! ....
Nur dort tief unten
Mit bläulichem Lichte
Ein leuchtender Punkt –
Nun wieder umzogen
Von Wolkenschleiern,
Dem Auge verborgen –
Nur dichter und dichter
Umzieht sich der Himmel ...

— — — — — —

— — — — — —

Gleichwie auf Flügeln
Des Sturmes getragen
Durcheilen die Fernen
Meine Gedanken ....
Ich schaue zurück,
Und durch die Nacht
Glänzt wieder der Stern,
Der einstmals vor Zeiten
Dem Jüngling geleuchtet,
Der ihn berückt.
Mit Zauberbanden
Die Seele umschlungen!
Maria!
Zitternd durchbebt
Dein hehrer Name die Nachtluft.
Ringsum späht das Auge
Und sucht und findet
Nimmer die Stelle
Des strahlenden Sterns ...
Verweht – verklungen –
Auf ewig versunken –
Doch nimmer vergessen:
Maria! ....

Deutsches Dichterheim. 1882

Verzweiflung.

So öde die Straßen – so stumm die Nacht –
Die letzten Lichter erloschen ...
Ich hab' es mal wieder recht toll gemacht –
Verspielt den letzten Groschen ...

Nun schleppe dich weiter, du müder Leib –
Verklungen die Flöten und Geigen –
Und pfeife dir eins zum Zeitvertreib
Im mitternächtlichen Schweigen...

Ein lustiges Lied, wie's im Ohr dir noch summt –
Noch summt aus blühenden Tagen –
Das Leben hat zwar recht artig gebrummt
Mit seinen Rätselfragen ...

Und ich – ein Tor! In glühendem Drang,
Den glitzernden Schleier zu heben –
Ich zerrte und riß – und nun der Dank?
Ein ödes Bettlerleben!

So leer die Straße, so lang der Pfad –
Die Seele lechzt nach Erlösung –
Wer wie ich, so lange gerungen hat.
Der hungert nach Tod und Verwesung! ...

Wer wie ich, so lange mit eherner Stirn
Dem Schicksal Trotz geboten,
Darf wohl mit einem lust'gen Lied
Hinabgehn zu den Toten ...

Satura, Brünn. Juli 1883

Betrachtung.

Hast du es tief erkannt,
Daß, was das Leben bietet, nichts als Tand:
Dann bist du allein – und keiner versteht,
Was wie eine Offenbarung
Durch deine Seele geht!!

Ungedruckt. Aus dem Buche des »Bundes der Lebendigen« 1. Dezember 188;.

An Margarethe Halm.

Ja! Hier ist's gut sein! Ja! Hier will ich rasten –
Will ich vergessen meine wilde Qual –
Hier wälz' ich von mir, die ich trug, die Lasten
Und schreite selig zu dem Friedensmahl,
Das du mir beutst! Ja! Hier verklinge der Streit,
Hier flüstern nur leise die Stimmen der Einsamkeit.

Denn ich bin müde! ... Blüht auch noch mein Mark,
Und blitzt mein Auge noch begeistrungstrunken,
Hält auch die Faust ihr Schwert noch heldenstark
Und loh'n in mir des Hasses wilde Funken –
Des Hasses, der mit unbarmherz'gem Stahl
Ausbrennen soll der Lüge Sklavenmal! – –

Ich bin doch müde! Drum wie schön wird's sein,
Darf ich mit dir im blütenreichen Garten,
Hält ihn verzaubert weißer Vollmondschein,
In süßem Eifer unsrer Liebe warten –
Ich lieg' an deiner Brust ... Es schweigt der Groll ...
Uns aber segnet die Liebe, die ew'gen Glückes voll ...

In einein Brief des Dichters an M. Halm vom 30. März 1884. Gedruckt in: Liebesbeichte von Hermann Conradi. Herausgegeben von M G. Conrad. Eisenach. 1909

An Margarethe Halm.

Es brechen neue Flammengluten
Aus meiner Seele wild empor –
Es strömen neue Liebesfluten
Und einen sich zum Riesenchor,
Der deiner Schöne göttlich Wesen
In Psalmenweisen jauchzend preist –
O Weib: d urch dich bin ich genesen –
Und neue Bahnen wallt mein Geist!

In einem Brief an M. Halm vom 28. März 1884 ebenda.


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