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Liebe und Staubverwandtes

Marie Louise.

Ein Strahl der Dichtersonne fiel auf sie –
Ob er ihr auch »Unsterblichkeit« verlieh?
Doch leider waren Immortellen immer
Mir ganz verhaßte Frauenzimmer …
So wird sie sich zufrieden geben müssen
Mit dieser Welt von blassen Schattenrissen …

Wenn du mich liebtest –
Nein! Ich verdiente es nicht!

Denn siehe, du Weib,
Das ich liebe mit dem Flammensturm meiner Jugend,
In dem allein
Seit Stunden und Tagen,
In Tagen und bang durchwachten Nächten
Meine Seele lebt, meine Seele atmet –
Denn siehe, du Weib:
Nicht sündlosen Herzens
Kam ich zu dir –
Nicht keuschen Herzens
Hab' ich gepocht
An die Pforte deiner lichthellen Seele –
Siehe! Meine Augen –
Sie brannten so oft schon
In die Dämmertiefen –
In die berückenden Hetärenaugen
Eines anderen Weibes hinab …
Und meine Lippen
Haben so oft sich verloren
Auf die rotüppigen Lippen
Eines anderen Weibes …
Und eines anderen Weibes
Nacken und Hüfte
Haben meine Arme umklammert
So oft schon – so oft
In brünstiger Glut …

Und sündige Gedanken
Haben gehaust
Und haben verpestet
Meiner Jünglingsseele
Demantene Reinheit …

Und mit den Anderen
Bin ich gegangen,
Die da nachschleichen
In schwülen, berauschenden Mitternächten
Der Sünde, – der Sünde, die schamlos
Entblößt und verschachert

Reize um Reize! …
Und mit den Anderen hab' ich gelogen
Und habe geleugnet
Frech und schamlos,
Wie die Dirne der Gasse,
Daß noch atme
Eine unangetastete
Frauenseele! …

Weib! Wenn du mich liebtest –
Nein! Ich verdiente es nicht! …

Und nun kam ich zu dir
Und nun fand ich dich! …

Und du bist bei mir,
Wo ich auch bin –
Und du gehst mit mir,
Wohin ich auch gehe –
Nur du – nur du! …

All meine Gedanken,
All mein Sehnen und Suchen:
Bei dir findet's Heimat,
Bei dir schlägt es Wurzel,
Und um dich kreist es
Mit lautaufrauschendem Flügelschlage,
Du mein Ein und mein Alles,
Du Quell meines Lebens,
Daraus mir entgegen
Springen die Ströme
Der Seelenverjüngung …

Denn ja! bei dir.
Da fühl' ich mich gut.
Da fühl' ich mich rein! …

Wenn eng angeschmiegt
Du neben mir schreitest,
Und ich deines hastigen Atems
Lebenshauch spüre,
Und deiner Augen zartes Goldbraun
Verheißungsvoll mir entgegenblitzt,
Und ich mich verloren
Und nur dich – nur dich fühle:
Dann ist's mir, als risse,
Als klaffte auseinander
Jäh und blendend
Der Vorhang,
Der mir verschleiert des Lebens Tiefen
Immer noch bis heute
Und des Lebens Wert
Und sein wahres Wesen. –

Und eine neue
Berückende Wunderwelt
Hebt sich empor
Und durchschauert mein Herz
Mit seligen Träumen,
Mit heiligem Ahnen! …

Weib! Wenn du mich liebtest –
Nein! Ich verdiene es nicht! …

Und doch will ich um dich werben –
Und muß um dich werben.
Denn ich bin ja nicht mehr mein Eigen,
Nicht mehr mein Ich,
Ich lebe ja nur in dir und durch dich! …

Aber nicht werben kann ich
Mit sanftem Rauschen,
Mit zärtlichem Kosen,
Wie der milde Frühwind
Und der leissingende Abendwind
Wirbt um den Duft
Der Kräuter und Gräser,
Die da wachsen und blühen
Bescheiden und winzig …

Um dich, um deine Liebe
Muß ich werben,
Wie der Nordsturm wirbt
Um den dröhnenden Nachtgesang
Breitwipfliger Eichenwälder …
Ueberströmen soll dich
Meiner rebellischen Seele
Jach auflohende Flammenfülle!

Durchfluten sollen dich
Meiner wehrsprengenden Leidenschaft
Wildgehende Wasser! …

Begraben will ich dich
In die qualsüße Sklaverei der Gewalten,
Die du in mir geweckt
Mit dem Ton deiner Stimme,
Dem Geleucht deiner Augen,
Dem Lächeln deiner Wangen,
Dem Rhythmus deines Leibes –
Mit dem geheimnisvollen
Weben und Walten
Deines einzigen Ichs …

Denn nicht mehr länger
Kann ich bändigen,
Kann ich dämmen,
Was größer denn ich
Und ungleich stärker,
Als mein machtloser Wille …

Ist's nicht, Geliebte,
Herrlich und groß denn,
Walten zu lassen
In himmlischer Fülle,
In götterstarkem Drange,
Die schrankenlose,
Majestätische Kraft
Der Elemente?
Darum nicht länger –
Nicht länger säum' ich …

Und ob du's auch weißt:
Es packt mich, noch einmal
Mit erstickter Stimme
Dir zuzuraunen,
Daß ich dich liebe!
So liebe mich wieder! …

Ich mag nicht betteln
Um deine Liebe,
Mich nicht bescheiden
Mit karger Spende …

Wie der Nordsturm eingreift
In der Eichenriesen
Knorren und Kronen,
So will ich mich einwühlen
In das Geäst deiner Seele!

Wie ich bei dir bin
Nacht und Tag,
Sollst du bei mir sein
Mit jeder Falte deines reinen Herzens,
Nacht und Tag,
Sollst du mein sein
Mit jeder Fiber deiner keuschen Seele.

An mich sollst du dich klammern,
Sollst du dich lehnen,
Denn ich bin stark
Und halte dich sicher …
Denn ich bin stark,
Und von jener Kraft,
Die göttlichen Samens,
Lebt auch in mir
Ein gewaltig Teil –
Und sie ist ewig
Und sie ist Wahrheit
Und Traum und Ahnung …

Weib! Wenn du mich liebtest,
Ich verdiente es doch,
Weil ich dich liebe,
Wie ich noch nie geliebt! …
Noch nie geliebt
Ein irdisches Weib! …

Trüb schleicht die Zeit und nüchtern …

Trüb schleicht die Zeit und nüchtern …
Und glanzlos liegt die Welt,
Von keinem goldnen Sonnenblick
Durchleuchtet und erhellt.
Wie Felsen lastet's mir die Brust,
Und halb bewußt, halb unbewußt
Kommt da ein Träumen schüchtern –
Trüb schleicht die Zeit und nüchtern,
Und glanzlos liegt die Welt.

Da aber regt sich's leise,
Gemach der Bann zerrinnt,
Und leuchtend drängt sich Bild an Bild,
Und lockt und webt und spinnt
Und fesselt mich mit Zauberkraft,
Und längstverkohlte Leidenschaft
Zieht mich in ihre Kreise –
Da regt sich's leise, leise,
Gemach der Bann zerrinnt.

In hoher Schönheit prangend
Schau' ich da plötzlich dich,
Die mondenlang, viel Monden lang,
So ganz vergessen ich –
Der ich gedacht kein einzig Mal,
Als ich in bitter harter Qual
Gerungen, lichtverlangend –
In hoher Schönheit prangend
Schau' ich da plötzlich dich …

Doch ob's auch wie verschleiert
Glanzlächeln dich umschwebt,
Ob auch dein Haar, dein golden Haar,
Ein Diadem dir webt –
Ein Diadem, so flammenlicht,
So zauberhold wie ein Gedicht,
Das deine Schönheit feiert –
Ob's auch wie halb verschleiert
Glanzlächeln dich umschwebt:

In deinen schwermutsvollen
Glutaugen ruht's wie Leid –
Wie heißes, namenloses Weh, –
Wie eine Seele schreit,
Wenn gnadenarm und sonnenlos
Sie der Verzweiflung liegt im Schoß –
Glücklos die Stunden rollen …
In deinen schwermutsvollen
Glutaugen ruht's wie Leid …

Mich aber packt ein Trauern
Um dich, mein armes Lieb,
Daß ich erlösungsdürstig wild
Aufschreien möcht'! Doch trüb
Und trüber wird mir Herz und Hirn,
Das Fieber irrt um Wang' und Stirn
Und mich durchschießt ein Schauern …
Mich packt ein jähes Trauern
Um dich, um dich, mein Lieb! – – –

Trüb schleicht die Zeit und nüchtern,
Und glanzlos liegt die Welt,
Von keinem goldnen Sonnenblick
Durchleuchtet und erhellt.
Mir auf der Brust starrt's schwer und hart:
Verspielt, verloren und genarrt
Von blöden Traumgesichtern –
Trüb schleicht die Zeit und nüchtern.
Und glanzlos liegt die Welt …

Die müde schon verglühte …

Die müde schon verglühte,
Die leise schon verklang.
Jach ist sie wieder aufgeflammt
In jauchzendem Gesang!
Wie Zymbelton, wie Lautenschlag
Ward meine Liebe wieder wach,
Die müde schon verglühte,
Die leise schon verklang …

Und heller tönt ihr Rauschen,
Wie junger Frühlingswind,
Wenn er in heißem Schöpferdrang
Die Welt dem Licht gewinnt
Und das Prophetenwort erläßt,
Daß nun der Menschheit Osterfest –
Ja! heller tönt ihr Rauschen,
Wie junger Frühlingswind!

Und wie durch Nebelschleier
Die Sonne siegreich bricht,
Der jungen Flur ein goldnes Band
Ums Lockenantlitz flicht:
So überglänzt mit Purpurschein
Die Liebe nun mein ganzes Sein,
Gießt goldne Feuer nieder
Und wirbt um neue Lieder …

Und nah und ferne quellen
Blitzende Welten empor
An meinem Lebenshorizont
Aus Dunst und Wolkenflor!
Gedanken, die mir nie genaht,
Und Pfade, die ich nie betrat,
Entsteigen verborgenen Gründen,
Heilige Kraft zu entzünden!

Die leise schon verklungen.
Die müde schon verglüht:
Wild ist sie wieder aufgeflammt,
Im Lenzsturm stark erblüht!
Und lag ich wieder staubbedeckt,
So hab' ich mich nun aufgereckt,
Und die Gedanken schweifen
In großem Weltbegreifen!

Fragment.

Wir gehen so stumm neb'einander
Und haben das Herz doch so voll …
Süß duftet der Oleander
Aus deiner Locken Geroll …

Mit ihren schwellenden Armen
Klammert die Leidenschaft
Sich mir um die Brust … sie packt mich
Mit wilder dämonischer Kraft …

Ich möchte dich an mich reißen,
Dich überströmen mit Glut –
Schwelgen in deinen weißen
Armen und rauschende Flut

Süßbetäubender Minne
Schlürfen aus blitzendem Krug …
Und mit seligem Sinne
Feiern den süßen Trug …

Elisabeth.

Du bist nicht schön … Ich könnte auch nicht sagen,
Daß ich dich liebte … Denn oft Stunden, Tage,
Oft ganze Monde denk' ich deiner kaum,
Wenn meine Seele heißere Reize sucht,
Nach Glut und Leidenschaft, nach Schönheit dürstet –
Im Taumel schrankenloser Hingebung
Sich ganz verzehren möchte …

Du bist nicht kalt, Elisabeth – nein! nein!
Doch meine Seele liebt das Bacchanal,
Da die Gefühle durcheinanderschäumen,
Gen Himmel schießen, in verzückter Brunst
Sich lodernd um die Frucht des Staubes klammern …

Ich weiß: in diesem Sinne geh' ich unter –
Das ist Bestimmung, tiefste Herzenssatzung …
Und, wenn mich einer retten könnte: du –
Nur du wohl wärest dann mein guter Engel …

Doch siehe: Sehnsucht nur –
Geheimnisvolle Sehnsucht, die mir manchmal
Nach deiner edlen Herbheit in die Seele,
Die überreizte, tritt: sie kann allein doch
Uns nicht für immer aneinanderschmieden …
Mitunter wohl wär' ich es ganz zufrieden –
Ich geb' es zu! – wenn die Penaten grade,
Des Herdes würd'ge Götter, mir voll Gnade …

Doch dann kommt's über mich – reißt mich der faustsche Drang
Unwiderstehlich in die Gärten, da
Das Leben seine goldnen Stunden feiert –
Es rauscht Musik – in der Mazurka Weisen
Jauchzt Chopins glutgeborstnes Herz sich aus –
Die Brunnen tönen – durch das Dunkel bebt
Geflüster, und die Sternenfeuer leuchten –
Des Frühlings warmer Atem tastet brünstig
Um der brunsttrunkenen Erde üpp'ge Glieder:
Dann müßt' ich von dir gehen, meinem Sterne
Nachziehen unstet, und mein Herz gehörte,
Elisabeth, nicht dir und deinem Herde!
Die Enge würde mich zerlasten, würde
Sich auf mich wälzen wie voll erzner Bürde …

— — — — — —

Laß mich in deinen Kreis nur manchmal treten,
Wenn ich ermüdet heimatwärts mich sehne –
Dann trocknest du vielleicht mir eine Träne –
Und tröstest mich mit einigen Pasteten …

Und unter Weinen, Lachen, Witzereißen
Lern' ich's, mein Elend gründlich zu verbeißen –
Lern' ich's, mich wieder auf mich zu besinnen
Und meine Freiheit – lieber zu gewinnen …

— — — — — —

Anna.

Es ist wohl meine ganz »verfluchte Pflicht
Und Schuldigkeit«, geliebtes Mädchen, dir
In diesem meinem ersten Liederbuche
Auch schließlich ein paar Zeilen zu verehren …

Ich halte mir zwar jetzt aus Prinzip
Zehn Schritt vom Leibe alles, was nach »Liebe«
Nur im Geringsten schmecken, riechen mag …
Denn siehe! Ich begriff: Die »Liebe« ist
Zuweilen zwar ein wunderköstlich Ding
Und mit dem Herrgott ziemlich nah verwandt …
Doch ist sie auch hinwiederum recht launisch,
Und Kummer und Bedrängnis, Störung, Aerger,
Gießt sie in breiten Strömen schnippisch aus …

Dafür muß ich doch danken … Denn ich bin
Mit allen Fibern meiner Dichterseele
Seit kurzem ein getreuer »Sohn der Zeit« …
Und diese Zeit – man nennt sie auch »modern« –
Sie hat wahrhaftig keine Zeit mehr übrig
Für solch Allotria, wie eben Liebe.

Da aber andrerseits dies arme Büchlein
Sich lobesam bestrebt, von meinem Leben
Ein ziemlich treues Konterfei zu geben,
Darf ich auch dich, dereinst geliebtes Mädchen,
Wahrhaftig nicht vergessen – holder Liebling
Du meiner schwärmerischen Knabenseele!

Wie lang ist's her doch, daß mein junges Herz
So ganz für dich schlug und für deine Schönheit! …
Dein blondes Haar – dein Auge blau – nicht wahr? –
Der zarte Teint – dein leiskokettes Wesen:
Sie brachten mich nur zu bald an die Angel …

Mein Gott! Das ist zwar ganz natürlich, ja! –
Und doch kommt's heute mir urkomisch vor,
Obwohl ich mir ganz ernstlich eingedrillt,
Kühl bis ans Herz hinan ein jedes Ding
In echt exakt historischer Betrachtung,
Ganz sine ira, sine studio,
Einfach aus seinen Gründen zu begreifen …

Das legt dem Aerger – dieser Modus nämlich –
(Man kann für »Modus« auch »Methode« sagen)
Ganz hagebüchen Zaum und Zügel an
Und spielt sich auf als äußerst netter Dämpfer,
Der jedem heißen Blute zu empfehlen …

Ich schweifte ab und bitte um Verzeihung!
Nun denn – was wollt' ich sagen? Ja, jetzt weiß ich! –
Es will mich nämlich heute noch sehr schnurrig
Bedünken, daß ich dereinst geliebt,
Glanzstern du meiner Sekundanertage – –
Und auch in Prima war's noch nicht ganz richtig …

Ja! Das ist lange her – und unterweilen
Ging ich beim Leben selber in die Schule …
Willst du ausführlicher darüber hören –
Ich sag' es halb und halb in Parenthese –
Dann bitte blättre mit den schlanken Fingern,
Den weißen Fingern mit den Rosennägeln,
Dies Heft nach vorn und rückwärts durch – du wirst
Schon manch gepfeffertes Kapitel finden,
So manch Geständnis tragikom'scher Sünden,
Die dir vielleicht ein bißchen von Interesse –
Sind sie auch manchmal nicht Delikatesse …

Denn, Anna, oft tickt's mich unwiderstehlich,
Mit offenem Wort, urwüchsigen Gebärden
Herauszusagen, was ein andrer erst
Zehnmal verklausuliert und elfmal einpackt
In dichtgesponnene Lügen-Emballagen.

Doch halt! Ich bin von neuem abgekommen,
Und die Geschichte wird nun ganz verschwommen …

Fatal! Wie wird der Rezensentenschwarm
Sich auf mich stürzen – mein Gelenk umklammernd,
Schreit er mir zu: du mußt viel klarer sein,
Denn daraus findet sich ja kaum ein Schw…
Geschweige denn ein Mensch – je nun – er hat
So unrecht nicht! … Daß er mir huldvoll bliebe,
Bericht' ich nun von diesem Augenblick
Ganz »sachgemäß« von meiner Jugendliebe,
Von meinem übersonnten Jugendglück! …

Ich war ein Kind von zirka siebzehn Jahren –
Doch eigentlich recht alt schon, find' ich heute –
Als ich mich in dein Lärvchen flugs vergafft …
Mit reichlich respektabler Leidenschaft.

Ich wußte meinem Leibe keinen Rat,
Und Tag und Nacht sann ich auf eine Tat,
Wie ich von meiner heißen Herzensneigung
Zu Sinn dir brächte ernste Ueberzeugung …
Da fügte es der Zufall, daß wir beide
Uns eines Tages in den Bergen trafen …

Ach ja! Im Harz war's – in den Hundstagsferien.

Zwei heiterernste Schulbankkameraden,
Die meinem Herzen auch sonst näher standen,
Und ich – wir drei: wir kriegten plötzlich Sehnsucht,
Unbänd'ge, heiße, namenlose Sehnsucht,
Nach jenen Höckern, welche da und dort
Das alte Mütterchen, die Erde, trägt:

Die Sache wurde schleunigst überlegt –
Und eines Morgens war's, im Julimond,
Als wir die Domstadt, die ehrwürdig alte –
Im Herzen ist sie schon ein wenig brüchig,
Verdumpft und stockig – »kurzer Hand« verließen …

Das Reiseziel – bei Gott! – es war nicht Gießen,
Wie es der Reim fast zu verlangen scheint –
Vielmehr der Harz, wie ich schon oben sagte,
Thale zunächst und nachher Treseburg …

In Treseburg – wo die Erinnrung wieder
Mich überkommt an seiner Tannenwälder
Hirnklärende Parfüms, die unbezahlbar
Für Adam Homos stadtluftgrames Herz;
An seine saatbestandnen Bergeslehnen,
An seine heimlichen Poetenpfade,
An seiner Wohner kraftgesundes Trachten! – –

Doch halt! Ich muß der Parenthese achten,
Die meine Sehnsucht ungebührlich dehnt –
In Treseburg also – der Wirt hieß Müller –
Ja! Müllers gibt es in der ganzen Welt! –
Quartierten wir uns ein auf vierzehn Tage …

Am Abend sah ich dich! Du hattest zwar
Dein feines, stolzes, leiskokettes Wesen
Auch in die Berge mitgebracht – und doch:
Ich liebte dich einmal und hoffte stark:
Es läßt sich schon Gelegenheit erzwingen,
Ganz stilvoll mein Geständnis anzubringen.

Ich bracht' es denn auch wirklich an – das heißt:
Beinahe nur! Denn leider mein Benehmen –
Ich muß mich eigentlich noch heute schämen! –
War vor dem Treffpunkt – wie es kam: ich weiß nicht!
Doch haben's meine Freunde mich versichert.
Und gute Freunde haben immer recht,
Besonders wenn sie nicht – pro domo reden! –
Kurz also: mein Benehmen gegen Sie,
Mein hochverehrtes Fräulein, war zur Unzeit
Ganz fürchterlich empörend, »kraftgenial«,
»Von oben runter«, souverän, blasiert,
Sehr selbstbewußt, »bis in die Puppen frech«,
Ironisch, gallig, unanständig, grob –
Mit einem Wort: beleid'gend bis zum Tz …

Ich halte diesen Umstand wohl für möglich
So, wie ich meine Wenigkeit taxiere …
Denn eine alte Angewohnheit ist's –
Ich muß sie leider eingestehen – daß
Ich öfter plötzlich Sehnsucht kriege, einem,
Besonders gerne einem, den ich liebe,
Einmal die vorgebundene Faschingsmaske
Herabzureißen und ihm nun die Wahrheit
Saugrob wie Bohnenstroh drauflos zu geigen …
Soll man zeitweilig nicht die Zähne zeigen?
Wozu hat man sie denn? … Nun also: damals
War's denn vorbei – ich machte schlechte Witze –
Bei Gott! Ich kann den Kitzel nicht verknebeln! –
Da trafen mich der Götter Racheblitze
Und wollten mich aus der Gesellschaft säbeln – –
Das war nun so – ich mußte flugs verzichten
Und konnte dich in Zukunft nur bedichten …

Wir sahen uns zwar später manchmal noch –
Und doch! Ein Etwas stellte sich dazwischen
Und suchte auch das Letzte zu verwischen,
Was uns vielleicht noch zueinander zog …
Ja! Ja! Die guten Freunde und Kollegen,
Die wollen nur das Beste allerwegen
!

Und weiter – auseinander immer weiter
Trieb uns seitdem ein ernster Schicksalswind …
Ich reifte aus zum mühbeladnen Streiter –
Du wurdest eine Dame, weltumworben –
Die Kinderträume sind dir längst gestorben –
Du weißt nicht, was Erinnerungen sind …

— — — — — —

Will's Gott, sehn mich im nächsten Lenz die Berge,
Die Harzerberge, endlich einmal wieder …

Dann setz' ich mich auf meine Lieblingsbank –
Ich hoffe sie zu finden! – träume mählich,
So'n bißchen echtgermanisch heimwehkrank,
In ferne Sommertage mich zurück –
In Sommertage, die von Glück fast troffen,
Bis in gewissen Nebeln sie ersoffen …

Und doch! Selbst heute noch in Dämmerstunden,
Wenn alles schweigt und nur die Schatten schweben,
Und ich halb unbewußt den Weg gefunden
Zurück zu meiner Jugend Schwärmerleben –
Selbst heute noch ist's mir, als suchte dich
Mein armes Herz mit seinem tiefsten Sehnen – –
Und doch – ich weiß genau: Ich irre mich –
Denn liebt' ich nicht seitdem noch drei Helenen,
Mathilde, Dora, Emmy, zwei Louisen? – –
Mein Herz sucht sicher eine nur von diesen …

Zwischen-Motiv.

(Fasching am Rhein.)

In ein Wirtshaus bin ich eingekehrt,
Da hat mir keiner den Wein verwehrt.

Haben mich alle aufgenommen.
Als wär' ich zu hohem Roß gekommen.

Sind alle zu mir herangerückt –
Haben uns in die Augen geblickt …

Haben eng beieinander gesessen,
Wein geschlürft und Schwarzbrot gegessen.

Es war im März und da fiel mir ein:
Es müsste doch balde Frühling sein!

Habe mich auf den Frühling gespitzt
Und alles Grübeln hinweggeblitzt!

War ein Zecher, und nahm es nicht krumm,
Ging der Schalksnarr im Saale herum …

Doch schließlich kriegt' ich den Unsinn dick,
Und wieder heller ward mein Blick …

Da hab' ich die Menschlein mir angeguckt
Und hinterher weidlich ausgespuckt …

Frühlingssehnsucht.

Da nun die Nächte kamen,
Die Nächte wundersüß,
Wo letzter Nachtigallenschlag
Die Stunden feiert früh vor Tag
Und erstes Rosendüften:
Sehnt sich mein Herz nach Liebe,
Nach Glück –
Nach dem verlornen Paradies
Zurück …

Mir ist's, als klopften Geister
An meine braune Tür!
Als trät' zu mir mit Glorienschein
Der König Frühling selber ein
Und brächte mir ein Mägdelein
Und spräche: »Heil sei dir!

Ich bring' dir eine feine Magd –
Soll fürder bei dir gasten!
Am Tage sei ihr Kavalier,
Geleit sie durch das Waldrevier,
Wo auf verschollne Pfade
Der Bilder, der verblaßten,
Kaum noch ein Schatten fällt –
Wo holder Götter Gnade
Vergessen ließ die Welt! …

Der Vögel Klang,
Der Fluren Duft
Und eurer Seelen Feuerdrang
Beflügele den Hochgesang,
Den eure Liebe tönt!
Nun gürte dich mit milder Kraft
Und, von den Göttern hingerafft,
Sei mit der Welt versöhnt,
Da dich ein Gott gekrönt!

Hebt's aber an zu nachten,
Dann zäumt das Wandertrachten
Und kehrt, der Sehnsucht reich,
In diese enge Kammer ein,
Und bei kristallnem Sternenschein
Enthüllt ihr das Geheimnis,
Drin alle Wesen gleich …
Draus alles Sein entsprießt,
Drin alles Sein sich schließt.

Es liegt die Welt in Schlummer tief –
Euch ist's, als ob sie ewig schlief –
Noch ferne weilt der junge Tag –
Da, letzter Nachtigallenschlag! –
Ihr aber habt's begriffen,
Das Evangelium,
Das dieses Frühlings Wundermund
Den Kreaturen tuet kund –
Ihr aber habt's begriffen
Und seid in Wonne stumm!«

Da nun die Nächte kamen,
Die Nächte wundersüß,
Wo letzter Nachtigallenschlag
Die Stunden feiert früh vor Tag
Und erstes Rosendüften –
Sehnt sich mein Herz nach Liebe –
Nach Glück –
Nach eines Mägdleins weißem Leib
Zurück …

Doch ach! Die Rosen düften –
Es schluchzt die Nachtigall
Nicht mehr zu meiner Liebe Preis –
Verdorret ist das Wunderreis –
Und ob sich ungezügelt
Die Sehnsuchtsflamme flügelt
Und um Erhörung wirbt:
Die Pforte ist geschlossen –
Ich hab' mein Glück genossen –
Der Gott hat sich verhüllt –
Und meine Sehnsucht stirbt
Ach! unerfüllt …

Ella.

Wär' ich ein andrer doch und leichtren Sinnes!
Dann liebt' ich dich vielleicht und deine Schönheit!
Und deiner Augen heiterernstes Dunkeln
Umschlösse eine Welt, draus keine Pfade
Abseits in lockende Bezirke führten …
Ich lebte nur in dir – und meinen Träumen
Gäbst du allein Bestand und Tiefsinn – Säumen –
Ein dauernd Währen und ein groß Behalten,
Drin sich erschließt ein göttliches Entfalten …
Ich liebte dich allein und deine Reinheit,
Drin sich begräbt des Lebens Grundgemeinheit,
Draus sich gebiert ein ernstes Sondertrachten –
Ein Menschenlieben und ein Weltverachten! –

Wär' ich ein andrer doch und leichtren Sinnes!
So aber bin ich schon gemünzt und leider
Hab' ich mich unbefreibar festgebissen –
Mich vollgetränkt mit galligen Essenzen,
Die wahrlich keine Freunde von Begrenzen!
Ja! Schrankenlos ist meiner Seele Streben –
Unstet und ruhelos mein armes Leben …

Dir mögen güt'ge Götter Rosen streuen –
Dich einen Traum des Lebens träumen lassen,
Drin sich verknüpft verzeihend Welterfassen
Und keusches, lichtverklärtes Daseinsfreuen …
Dir mögen güt'ge Götter Wolken breiten, –
An goldenem Gespinst dich heimgeleiten …

Sommerrosen.

Ich wollte dich mit Rosen überschütten,
Mit roten Rosen dein goldbraunes Haar
Und deines Mieders Knospenrundung schmücken …

Als noch der Lenz mit süßem Veilchenodem,
Ein milder Sieger, durch die Lande schritt,
Sprach ich zu dir: Geliebte! Hat sein Mund
Mit letztem heißen Abschiedskuß die Rose,
Die rote Sommerrose, aufgebrochen,
Dann will ich zu dir kommen und mit Rosen,
Mit roten Rosen deine Schönheit krönen …

Nun kam der Sommer … Und der Rosen Fülle
Seh' ich allorts und alle Stunde blühen …
Die ganze Welt scheint ihrer Macht verfallen,
Und ihre Keusche wirbt Vasallen um Vasallen …

Selbst einen Bettler sah ich heute lächeln,
Als sein vertränter Blick von ungefähr
Auf einen Korb mit roten Rosen fiel …

Ich kauf' sie in der ganzen Stadt zusammen
Und schütte sie auf tote Liebesflammen …

— — — — — —

Nun schmückt ein andrer wohl dein Knospenmieder,
Und morgen wohl begegne ich euch beiden …
Ich blick' euch lächelnd nach …
Und denke ganz aus Zufall
Bei der Gelegenheit an einen Frühlingstag,
Da wir uns sahn … Am Abend dann
Schlug uns die Nachtigall in ihren Bann,
Umduftete uns süß der Flieder …

Wir aber liebten uns …

— — — — — —

Marie Louise.

Du fragst, was mir so herbe, tiefe Falten
In meine junge Stirne gräbt?
Was mich so plötzlich macht erkalten?
Was mich durchbebt,
Daß ich dich an mich reißen will –
In heißer Leidenschaft dich an mich pressen?

Geliebte! O sei still! …
O laß mich schweigen! … Frage nicht! …
Zeig mir dein holdes, liebes Angesicht –
Der Augen Goldbraun und der Lippen Blüten –
Mich aber laß mein ernst Geheimnis hüten! …

— — — — — —

Und lache wieder! … Denn du weißt, es liegt
In deines Lachens reiner Töneflut
Ein Zauber, der mich stets besiegt,
Der stets gebändigt mein Rebellenblut …
Mir aber will ich tiefbeschämt gestehn –
Will Wort für Wort aussprechen, was durchzittert
Mich jäh wie eine ernste, dunkle Ahnung –
Was mich erschüttert
Bis in die tiefsten Tiefen meiner Seele …

— — — — — —

Ja, ja! mein Lieb! – Ich wag's dir nicht zu sagen –
Laß mich dich fest an meine Brust nur pressen – –
Und doch – ich weiß: Es wird die Stunde schlagen –
Da habe ich auch – dich vergessen!

In schlafloser Nacht.

Ich liege schlaflos. – Die Gedanken kreisen
In alten und in neuen Geleisen.

Die Enge drückt mich – es drückt mich die Nacht –
Wehe dem Armen, der einsam wacht!

Wehe dem Armen, der einsam büßt,
Dem nichts den Wermut der Reue versüßt!

Ich liege schlaflos … und alles still …
Es atmet die Nacht, die vergeben nicht will …

Da klappert ein Schritt die Straße heran …
Ein leiser Gang … Und er schwillt an …

Und in mein einsam Kämmerlein
Flutet ein Lied der Sehnsucht hinein …

Ein Lied so ergreifend, so mild und so schwer …
An Entsagung so voll … an Entzücken so leer …

Da faßt es mich jäh – ich walle empor …
Tönt in mir ein brausender Engelchor?

Ich hebe mich auf – ich atme bang –
Und mich bezwingt unheimlicher Drang …

Oh! Könnt' ich dich an die Brust wild reißen –
Dich, die ich habe gehen heißen!

Ich hielte dich sicher – und du vergibst –
Und du sagst mir noch einmal, daß du mich liebst!

Die Schritte verhallen … Es schweigt der Gesang …
Es bröckelt meiner Seele dämonischer Drang …

Nun wieder Stille … Es atmet die Nacht.
Wehe dem Armen, der einsam wacht!

Der einsam nach Verlorenem spürt …
Es atmet die Nacht – schicksalknüpfend und ungerührt.


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