Casanova
Erinnerungen
Casanova

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Sechsundzwanzigstes Kapitel

Abenteuer in Triest. – Ich leiste dem Tribunal des Staatsinquisitoren in Venedig neue Dienste. – Reise nach Görz und Rückkehr nach Triest. – Ich sehe Irena wieder. – Sie ist Schauspielerin geworden und sehr geschickt in allen Glücksspielen.

Die Triester Damen bekamen Lust, ihre Talente in der französischen Komödie zu versuchen, und erwählten mich zum Direktor und Oberregisseur. Ich erhielt den Auftrag, nicht nur die Stücke auszuwählen, sondern auch die Mitwirkenden beiderlei Geschlechts zu bestimmen und die Rollen zu verteilen. Diese Aufgabe machte mir unendliche Mühe und verschaffte mir durchaus nicht das Vergnügen, das ich mir versprochen hatte.

Da alle meine Schauspielerinnen völlige Neulinge waren, so mußte ich sie geradezu abrichten und täglich von einer zur anderen laufen, um mit ihnen die Rollen durchzugehen, die sie auswendig zu lernen hatten. Dies wollte leider niemals gelingen, da sie alle aus Mangel an Übung ein sehr widerspenstiges Gedächtnis hatten. Wenn in Italien eine Revolution notwendig ist, so ist dies auf dem Gebiete der Erziehung und besonders auf dem des weiblichen Unterrichtes der Fall. Abgesehen von einigen Ausnahmen, begnügen sich die besten Familien damit, ihre Töchter einige Jahre lang in ein Kloster einzuschließen, bis sie einem Gatten in die Arme gelegt werden, den sie oftmals am Tage vor der Hochzeit zum ersten Male sehen, den sie niemals kennen gelernt haben und der ihnen nicht selten ihr ganzes Leben lang gleichgültig bleibt. Die Folge ist, daß beide Teile sich durch das Cicisbeowesen schadlos halten. Man kann daher, ohne sich zu täuschen, ruhig behaupten, daß in Italien in der sogenannten guten Gesellschaft die Ehen völlig konventionell sind; der muß ein sehr kluger Edelmann sein, der von sich sagen kann: ich heiße ebenso wie mein Vater.

Was können nun auch in einem Kloster, besonders in den Klöstern unseres schönen Italiens, die Mädchen lernen? Einige fromme Übungen, wenig Religion, viel Intrigen und Heuchelei; perverse Sitten, oft große Ausschweifungen, kokettes Benehmen; ein bißchen Lesen und Schreiben, allerlei zwecklose hübsche Handarbeiten, und höchstens ein bißchen Musik und Zeichnen; gar keine Weltgeschichte, gar keine Geographie und ebensowenig Mythologie; fast gar kein Rechnen und nichts von dem, was eine gute Gattin und Mutter ausmacht.

Fremde Sprachen sind völlig ausgeschlossen, und sollte man wirklich daran denken, so würde die Weichheit unserer schönen italienischen Sprache das Erlernen einer fremden außerordentlich schwierig machen, um so schwieriger, da die Gewohnheit des dolce far niente jedes fleißige Studium hindert.

Ich habe diese Wahrheiten hier niedergeschrieben, sozusagen um mein Gewissen zu beruhigen und trotz meinem Nationalstolz. Ich weiß wohl, daß meine schönen Landsmänninnen den Stein auf mich werfen werden, wenn mich jemals einige von ihnen lesen und verstehen; aber was wird mir ihr Zorn ausmachen? Ich werde dann nicht mehr da sein; denn wenn meine Erinnerungen das Licht der Welt erblicken, werde ich es nicht mehr sehen. Außerdem weiß ich ja nur zu gut, daß ich ihnen nicht mehr gefallen kann. Doch wieder zu unserem Theater zurück!

Da es mir nicht gelingen wollte, meinen Schauspielerinnen ihre Rollen einzutrichtern, so entschloß ich mich dazu, ihr Souffleur zu werden, und erfuhr am eigenen Leibe, was für ein undankbares Geschäft dies ist.

Ein Souffleur muß arbeiten wie ein Galerensträfling; die Schauspieler erkennen niemals die Verpflichtungen an, die sie gegen ihn haben, und geben ihm die Schuld an allen Fehlern, die sie machen.

Ein Arzt in Spanien befindet sich ungefähr in derselben Lage wie ein Souffleur: wenn sein Kranker gesund wird, geschieht dies dank dem Schutze dieses oder jenes Heiligen, und wenn er stirbt, so ist das immer nur die Wirkung der ihm verschriebenen Heilmittel.

Eine schöne Negerin, die Dienerin der hübschesten meiner Schauspielerinnen, der ich die größte Aufmerksamkeit erwies, sagte mir eines Tages etwas, was ich nie vergessen werde:

»Ich weiß nicht, wie Sie in meine Herrin so verliebt sein können; die ist ja weiß wie der Teufel.«

»Haben Sie denn niemals einen Weißen geliebt?« fragte ich sie.

»O doch,« antwortete die Mohrin, »aber das geschah nur, weil ich keinen Neger hatte, dem ich sicherlich den Vorzug gegeben haben würde.«

Einige Zeit darauf ergab die Negerin sich mir, denn sie hatte mich neugierig gemacht. Bei dieser Gelegenheit erkannte ich die Unrichtigkeit des Sprichwortes: Sublata lucerna nullum discrimen inter feminas – denn selbst sublata lucerna muß man merken, ob die Frau schwarz oder weiß ist.

Es ist nach meiner Meinung nicht zweifelhaft, daß die Neger eine von der unsrigen völlig verschiedene Säugetiergattung sind. Abgesehen von der Farbe besteht der Unterschied, daß eine erfahrene Afrikanerin es in ihrem Belieben hat, bei der Begattung zu empfangen oder nicht, und nicht nur dies, sondern daß sie sogar nach ihrem Belieben ein männliches oder ein weibliches Kind empfangen kann. Wenn meine Leser mir diese Behauptung nicht glauben wollen, so haben sie recht; denn wenn wir nach unserer eigenen Natur urteilen, ist die Sache unglaublich; aber man würde nicht mehr ungläubig sein, wenn ich die Theorie dieser melanthropogenesischen Wissenschaft der Negerinnen auseinandersetzte.

Der Oberkämmerer des Kaisers, Graf Rosenberg, der später Fürst wurde und vor einem Jahr gestorben ist, kam zu seinem Vergnügen nach Triest; in seiner Begleitung befand sich der Abbate Casti, dessen Bekanntschaft ich gerne machen wollte, weil er einige sehr ruchlose kleine Gedichte verfaßt hatte.

Meine Erwartung wurde nicht erfüllt; denn anstatt eines geistreichen Menschen fand ich in diesem Abbate nur einen unwissenden, sehr unverschämten Frechling, der kein anderes Verdienst hatte als eine sehr große Gewandtheit im Verseschmieden.

Graf Rosenberg hatte ihn mitgenommen, weil er ihm als Possenreißer und als Kuppler sehr gute Dienste leistete; diese beiden Berufe paßten sehr gut zu seinem niedrigen Charakter, aber sehr wenig zu seinem geistigen Stande. Damals hatte ihm die Syphilis noch nicht das Zungenzäpfchen zerfressen.

Ich habe gehört, daß dieser schamlose Wüstling, dieser unwissende und unzüchtige Reimschmied zum kaiserlichen Hofdichter ernannt worden ist. Wie schändet dieser Nachfolger das Gedächtnis des großen Metastasio, der kein einziges Laster hatte, alle Tugenden besaß und mit den schönsten Kenntnissen geziert war!

Was Castis Dichtkunst betrifft, so hat er keine edle Sprache und versteht nichts vom Theater. Diese Behauptung findet sich bestätigt durch zwei oder drei komische Opern, die er verfaßt hat, und in denen man nur platte Narrenspäße in wirrem Durcheinander findet. Eins von diesen Stücken wimmelte von Verleumdungen gegen den König Theodor wie gegen die Republik Venedig, die er durch die kläglichste Lüge lächerlich zu machen suchte.

In einem anderen Stück, das er die Grotte des Trophonus betitelte, hat Casti sich zum Gespött aller wissenschaftlich gebildeten Leute gemacht, indem er ganz zwecklos eine barocke Gelehrsamkeit zur Schau trägt, die weder zur Komik des Stückes noch zum Gang der Handlung etwas beiträgt.

Die französische Komödie wurde im Hause des Barons von Königsbrunn aufgeführt, dessen reizende Gemahlin, eine geborene Gräfin Almis, die ersten Rollen spielte. Unter den vornehmen Leuten, die nach Triest kamen, um sich an der Komödie zu ergötzen, lernte ich auch einen Grafen Torriano kennen, der mich zu überreden wußte, den Herbst mit ihm auf seinem Landhause, sechs Miglien von Görz, zu verbringen. Wäre ich der Stimme meines Genius gefolgt, so wäre ich nicht hingegangen.

Der Graf war noch nicht dreißig Jahre alt und unverheiratet. Er war nicht hübsch von Gesicht, doch konnte man ihn auch nicht häßlich nennen, obgleich er eine Galgenphysiognomie hatte, auf welcher man folgende Charakterzüge las: Grausamkeit, Hinterlist, Verräterei, Stolz, rohe Sinnlichkeit, Haß und Eifersucht. Diese fürchterliche Mischung ließ mich glauben, daß ich mich täuschte und daß die Ware besser wäre als das Aushängeschild. Eine sehr liebenswürdige Einladung schien seinem unangenehmen Gesichtsausdruck nicht zu entsprechen.

Bevor ich mich durch ein Versprechen band, erkundigte ich mich nach ihm und hörte überall nur Gutes. Man sagte mir nur, er liebe das schöne Geschlecht und werde fürchterlich, wenn es einen Schimpf zu rächen gelte, den ihm irgendein Mensch angetan habe. Diese Eigenschaften schienen mir jedoch eines Edelmannes durchaus nicht unwürdig zu sein, und ich gab ihm daher mein Versprechen. Er sagte mir, er würde mich am 1. September in Görz erwarten, und am folgenden Tage würden wir nach Spessa fahren; so hieß sein Landgut.

Infolge meiner Verabredung mit dem Grafen Torriano verabschiedete ich mich für ein paar Monate von allen meinen Bekannten, besonders dem Grafen Wagensperg, der damals ernstlich an einer Krankheit litt, die man leicht durch Quecksilber heilt, wenn dieses von geschickter Hand angewandt wird, während es dem Kranken den Tod bringt, wenn er mit Pfuschern zu tun hat. Der arme Graf hatte dieses Unglück, denn er starb einen Monat nach meiner Abreise.

Ich fuhr also am Morgen von Triest ab, aß in Proseco zu Mittag, kam bei guter Zeit in Görz an und stieg vor dem Hause des Grafen Luigi Torriano ab. Er war nicht zu Hause, aber man ließ mich mein kleines Gepäck ablegen, als ich sagte, daß der Graf mich eingeladen habe. Hierauf ging ich zum Grafen Torres, bei dem ich bis zum Abendessen blieb. Am Abend ging ich wieder nach dem Hause des Grafen Torriano. Man sagte mir, er sei aufs Land gefahren und werde erst am nächsten Tage zurückkommen. Einstweilen habe man meine Sachen in den Gasthof zur Post gebracht, wo ein Abendessen und ein Zimmer für mich bestellt sei. Sehr erstaunt begab ich mich in den Gasthof, wo ich ein schlechtes Essen und ein schlechtes Zimmer fand. Ich machte mir jedoch nichts daraus; ich nahm an, daß der Graf mich nicht in seinem Hause hatte unterbringen können, und fand es nur unrecht von ihm, daß er mich nicht vorher benachrichtigt hatte. Ich konnte nicht ahnen, daß ein Edelmann, der sein eigenes Haus hat, einem Freunde, den er einladet, kein Zimmer geben kann.

Am nächsten Morgen besuchte Graf Torriano mich, dankte mir für meine Pünktlichkeit, beglückwünschte sich selber zu dem Vergnügen, das meine Gesellschaft auf seinem Landgut Spessa ihm bereiten werde, und sagte mir, es täte ihm sehr leid, daß wir erst nach zwei Tagen abreisen könnten, weil am nächsten Tage der Gerichtshof das Urteil in einem Prozeß fällen würde, den er mit einem spitzbübischen alten Pächter hätte. Dieser wäre sein Schuldner und wollte nicht nur nicht zahlen, sondern hätte sogar außerdem noch Ansprüche erhoben.

»Nun gut!« antwortete ich ihm; »ich werde die Reden der Advokaten anhören, das wird für mich ein wahres Vergnügen sein.«

Gleich darauf ging er, nicht nur ohne mich zu fragen, wo ich zu Mittag äße, sondern auch ohne mich nur um Entschuldigung zu bitten, daß er mich nicht in seinem Hause habe aufnehmen können.

Ich war sehr eigentümlich berührt und kam auf alle möglichen Vermutungen; schließlich dachte ich mir, er habe es mir vielleicht übel genommen, daß ich bei ihm abgestiegen sei, ohne ihn vorher zu benachrichtigen.

Ei, mein lieber Casanova, sagte ich zu mir selber, vielleicht hast du dich geirrt. Menschenkenntnis ist ein unergründlicher Abgrund. Ich glaubte den Menschen zur Genüge studiert zu haben, um ihn zu kennen, aber meine Erfahrung ist unzureichend. Ich muß noch weiter studieren; es ist ja noch nicht alles verloren. In Wirklichkeit hat der Graf mich ja auf sein Landgut eingeladen, und, genau genommen, hat der gute Mann keine Verpflichtungen gegen mich, da wir in der Stadt sind. Nur Geduld; wir werden ja sehen, vielleicht hat er mir aus einem gewissen Zartgefühl nichts gesagt. Es würde mir sehr leid tun, wenn ich etwa nach seiner Meinung den Fehler begangen hätte, mich nicht bei ihm entschuldigt zu haben, obgleich 707 ich nach meiner Auffassung und nach dem allgemeinen Brauch mich durchaus nicht verfehlt habe.

Ich aß allein zu Mittag und verbrachte den Nachmittag damit, Besuche zu machen. Am Abend speiste ich beim Grafen Torres und erwähnte im Gespräch, daß ich mir am nächsten Morgen das Vergnügen machen wollte, die Beredsamkeit der Görzer Advokaten zu hören.

»Ich werde ebenfalls dort sein,« sagte der Graf; »denn ich bin sehr neugierig, das Gesicht zu sehen, das Torriano machen wird, wenn der Bauer gewinnt. Ich kenne die Geschichte, und jedermann weiß, daß Torriano nicht verlieren kann, wenn nicht das von ihm eingereichte Buch, auf Grund dessen der Bauer als sein Schuldner erscheint, gefälscht ist. Der Bauer seinerseits muß gewinnen, wenn nicht die Quittungen des Grafen Torriano zum größten Teil gefälscht sind. Der Bauer hat bereits in erster und zweiter Instanz verloren, aber er hat stets appelliert und die Kosten bezahlt; dabei ist zu bemerken, daß er arm ist. Wenn er morgen verliert, ist er nicht nur zugrunde gerichtet, sondern wird auch zu den Galeren verurteilt werden; aber wenn er gewinnt, so beklage ich Torriano, denn dann würde er die Galere verdienen, und mit ihm sein Advokat, der sie schon viele Male verdient hat.«

Da ich wußte, daß Graf Torres für ein Lästermaul galt, machten seine Bemerkungen keinen Eindruck auf mich, sie vermehrten jedoch meine Neugier. Ich war daher am nächsten Morgen einer der ersten im Gerichtssaal. Ich sah die Richter, die beiden streitenden Parteien und ihre Rechtsbeistände. Der Anwalt des Bauern war ein alter Mann mit rechtschaffener Miene, der des Grafen dagegen sah aus wie ein frecher Spitzbube. Der Graf saß neben ihm mit verächtlichem Gesicht; sein stolzes Lächeln schien sagen zu wollen, es sei nur eine Laune von ihm, wenn er sich allergnädigst mit einem elenden Kerl einlasse, über den er schon zweimal den Sieg errungen habe.

Der Bauer hatte seine Frau, einen Sohn und zwei schöne Töchter bei sich, die alle Prozesse der Welt hätten gewinnen sollen; er sah bescheiden aus und benahm sich ruhig und mit der Zuversicht, die ein gutes Gewissen verleiht.

Ich wunderte mich, daß diese biedere Familie zweimal hatte verlieren können; sie flößte mir eine solche, von jedem Hintergedanken freie Teilnahme ein, daß ihre Sache mir unanfechtbar erschien.

Die braven Leute waren schlecht gekleidet, und wie sie so mit niedergeschlagenen Augen bescheiden dasaßen, sah man ihnen an, daß sie Opfer der Bedrückung waren.

Jeder Anwalt durfte zwei Stunden sprechen.

Der ehrenwerte Anwalt des Bauern sprach nur ungefähr dreißig Minuten. Er legte den Richtern das Quittungsbuch vor, das die Unterschriften des Grafen bis zu dem Tage trug, wo er den Bauern aus seinem Dienst entlassen hatte, weil er als verständiger Mensch und Vater seinen Töchtern nicht hatte erlauben wollen, zum Herrn zu gehen. Mit der größten Ruhe und ohne jede Übertreibung erläuterte er hierauf das Buch, das der Graf eingereicht hatte und wonach der Pächter dessen Schuldner geworden sein sollte, ferner bewies er die Unrichtigkeit der Behauptung, daß die angeblichen Quittungen seines Klienten gefälscht wären. Er wies außerdem Unrichtigkeiten und Ungenauigkeiten auf allen Seiten nach und erklärte schließlich, daß sein Klient in der Lage wäre, der Justiz die beiden vom Grafen bezahlten Fälscher namhaft zu machen, deren Dokumente der Graf den Richtern vorzulegen wagte, um eine ehrenhafte Familie zugrunde zu richten, deren einziges Vergehen ihre Armut wäre. Zum Schluß verlangte er Vergütung der bereits erwachsenen und noch erwachsenden Auslagen und einen angemessenen Schadenersatz für den Zeitverlust und für die Schädigung des guten Leumundes seines ehrenhaften Klienten.

Der Anwalt meines lieben Grafen würde länger als zwei Stunden geredet haben, wenn der Richter ihm nicht das Wort entzogen hätte. Er erlaubte sich alle erdenklichen Beschimpfungen des Anwalts, der Sachverständigen und des Pächters, dem er mehrere Male zurief, er würde ihn auf die Galeren bringen und kein Mensch würde mit seinem Schicksal Mitleid haben.

Während dieser langen Debatten würde ich mich sehr gelangweilt haben, wenn ich das Unglück gehabt hätte, blind zu sein. Dank meinen guten Augen aber hatte ich das Vergnügen, die Gesichter beobachten zu können. Mein lieber Gastgeber, ein Tartüff von unerschütterlicher Frechheit, behielt seine unerschrockene und lachende Miene.

Nach Beendigung der Advokatenreden gingen wir alle in einen anstoßenden Saal, um dort auf die Ausfertigung des Urteils zu warten.

Der Pächter und seine Familie standen vereinsamt und traurig in einer Ecke; kein Freund nahte sich ihnen, um ihnen ein Wort des Trostes zu sagen. Graf Torriano dagegen war von einem Dutzend Leuten umringt, die ihm um die Wette in die Ohren bliesen, sein Prozeß stände so schön, daß er ihn nicht verlieren könnte; sollte aber dieser ungeheuerliche Fall dennoch eintreten, so müßte er bezahlen und den Bauern zwingen, das Verbrechen der Fälschung nachzuweisen.

Ich hörte alle diese Bemerkungen in tiefem Schweigen an, denn ich fühlte viel mehr innerliche Teilnahme für den Pächter, der mir ein ehrlicher Mann zu sein schien, als für meinen Gastgeber, den ich stark im Verdacht hatte, ein Windbeutel zu sein. Natürlich hütete ich mich, ein Wort davon verlauten zu lassen.

Graf Torres fragte mich mit seiner unverbesserlichen Unvorsichtigkeit, was ich von der Sache hielte. Ich antwortete ihm leise: »Selbst wenn der Graf recht hätte, sollte er wegen der niederträchtigen Rede seines Anwalts den Prozeß verlieren; der Advokat verdiente, daß man ihm die Ohren abschnitte oder ihn sechs Monate lang jeden Tag an den Pranger stellte.«

»Und der Klient verdiente dasselbe!« sagte Torres ziemlich laut; doch hatte zum Glück niemand gehört, was ich gesagt hatte.

Nachdem wir eine Stunde gewartet hatten, trat der Gerichtsschreiber mit zwei Papieren ein; das eine gab er dem Anwalt des Pächters, das andere dem des Grafen Torriano. Der Graf las es, lachte laut auf und las es uns vor.

Das Gericht verurteilte ihn, die Forderungen des Pächters anzuerkennen, alle Kosten zu bezahlen und ihm als Schadenersatz einen Jahreslohn auszuzahlen; dem Bauern blieb das Recht vorbehalten, wegen anderer Beschwerden, die er etwa noch vorzubringen gedächte, ad minimum zu appellieren.

Der Anwalt machte ein trauriges Gesicht, aber Torriano tröstete ihn, indem er ihm sechs Zechinen gab. Hierauf entfernten alle Anwesenden sich.

Ich blieb mit dem Verurteilten allein und fragte ihn, ob er in Wien Berufung einlegen würde.

»Meine Berufung wird anderer Art sein,« antwortete er mir. Ich hielt es nicht für angebracht, ihn zu fragen, was diese Worte zu bedeuten hätten.

Am nächsten Vormittag fuhren wir von Görz ab. Als der Wirt mir meine Rechnung brachte, sagte er mir, er habe vom Grafen Auftrag erhalten, nicht auf seiner Forderung zu bestehen, falls ich etwa nicht bezahlen wolle; alsdann werde er selber bezahlen.

Ich fand dies sonderbar, aber ich lachte nur darüber. Immerhin gaben die drei oder vier Pröbchen, die ich von seinem Charakter erhalten hatte, mir eine Ahnung, daß ich sechs Wochen bei einem gefährlichen Sonderling zu verbringen hätte.

Eine Fahrt von weniger als zwei Stunden brachte uns nach Spessa. Ich erblickte auf einer kleinen Anhöhe ein großes Haus, das sich in architektonischer Beziehung nicht besonders auszeichnete. Wir begaben uns in seine Gemächer, die weder besonders gut noch besonders schlecht ausgestattet waren; nachdem er mir hierauf alle anderen Zimmer gezeigt hatte, führte er mich in die für mich bestimmte Wohnung: es war ein Zimmer im Erdgeschoß, schlecht möbliert, mit dumpfer Luft und wenig Licht.

»Dies«, sagte er zu mir, »ist das Lieblingszimmer meines seligen Vaters, der wie Sie ein großer Freund des Studierens war. Sie können sicher sein, daß Sie hier eine unumschränkte Freiheit genießen werden, denn Sie werden hier keinen Menschen sehen.«

Wir aßen sehr spät zu Mittag, und infolgedessen gab es an diesem Tage kein Abendessen. Ich fand das Essen leidlich, ebenso den Wein, und die Gesellschaft eines Priesters, der ihm als Verwalter diente und vertragsgemäß an seinem Tische essen mußte, wenn er sich in Spessa aufhielt, erschien mir nicht unangenehm; dagegen ärgerte es mich, daß der Graf, der selber sehr schnell aß, mir, allerdings mit lachendem Munde, zu sagen wagte, ich äße zu langsam.

Als wir vom Tische aufstanden, sagte er zu mir, er hätte viel zu tun, und wir würden uns am nächsten Tage wiedersehen.

Ich ging auf mein Zimmer, um meine Sachen auszupacken und meine Papiere in Ordnung zu bringen. Ich arbeitete damals am zweiten Bande meines Werkes über die polnischen Unruhen.

Als es dämmerig wurde, verließ ich mein Zimmer, um Licht zu verlangen. Ein Bedienter brachte mir ein einziges Talglicht. Dies fand ich unanständig, denn ich konnte Kerzen oder doch wenigstens eine Lampe beanspruchen. Ich hielt jedoch meine Entrüstung zurück und begnügte mich damit, den Bedienten zu fragen, ob einer von ihnen mit meiner Bedienung beauftragt sei.

»Gnädiger Herr,« antwortete er, »unser Herr hat uns in bezug auf Sie keinen Auftrag gegeben; aber es versteht sich von selbst, daß wir Ihnen zu Diensten sind, so oft Sie uns rufen.«

Das wäre eine sehr unangenehme Sache gewesen; um irgend jemanden zu finden, hätte ich durch Haus und Hof laufen, vielleicht sogar auf die Straße gehen müssen; denn eine Klingel war nicht vorhanden.

»Und wer wird mein Zimmer machen?« fragte ich ihn.

»Das wird die Magd besorgen «

»Sie hat also einen Schlüssel zum Zimmer?«

»Den braucht sie nicht, denn Ihre Türe hat kein Schloß; Sie können sich jedoch nachts einschließen, indem Sie den Riegel vorschieben.«

Ich wußte nicht, ob ich mich ärgern oder lachen sollte; jedenfalls konnte die Sache so nicht weiter gehen. Ich hatte so viel Selbstbeherrschung, nichts zu sagen, und lachte nur vor mich hin.

Als der Lakai fort war, machte ich mich wieder an meine Arbeit; aber nach einer halben Stunde hatte ich das kleine Unglück, daß mir das Talglicht ausging, als ich es schneuzen wollte. Ich konnte in der Dunkelheit nicht hinausgehen, da ich im Hause nicht genügend Bescheid wußte; es blieb mir nichts anderes übrig, als im Finsteren zu Bett zu gehen.

Das Fluchen war mir näher als das Lachen, aber zum Glück war das Bett gut, und da ich dies nicht erwartet hatte, so beruhigte es mich ein wenig, und ich schlief ausgezeichnet.

Da am anderen Morgen niemand zu mir kam, schloß ich meine Papiere ein und ging in Schlafrock und Nachtmütze zu meinem Amphitryon hinüber, um ihm guten Tag zu sagen. Sein zweiter Lakai, der das Amt eines Kammerdieners versah, war gerade dabei, ihn zu frisieren. Ich sagte ihm, ich hätte gut geschlafen und käme zu ihm, um mit ihm zusammen zu frühstücken. Er antwortete mir ziemlich höflich, er frühstücke niemals und bitte mich, seinetwegen mir nicht die Umstände zu machen, ihn morgens aufzusuchen; denn er sei immer mit seinen Bauern beschäftigt, und dies seien lauter Spitzbuben. Da ich die Gewohnheit habe, zu frühstücken, so werde er es dem Koch sagen lassen, daß er mir Kaffee machen solle, wann ich es wünsche.

»Sie haben wohl auch die Güte, dem Bedienten zu befehlen, daß er mir ein bißchen die Haare macht, nachdem er Sie bedient hat.«

»Ich wundere mich, daß Sie keinen Bedienten mitgebracht haben!«

»Ich hatte keine Ahnung, daß es Ihnen unbequem sein könnte, wenn ich in einem Dorfe, wo es keinen Friseur gibt, den Kamm Ihres Bedienten in Anspruch nehme. Wenn ich daran gedacht hätte, würde ich mir einen Bedienten besorgt haben.«

»Oh, mir wird das nicht unbequem sein, wohl aber Ihnen; denn Sie werden oft ungeduldig werden, weil Sie auf ihn werden warten müssen.«

»Ich werde gern warten. Was ich notwendig brauche, ist ein Schloß an meiner Zimmertür; denn ich habe Papiere, für die ich verantwortlich bin, und ich kann diese nicht jedesmal, wenn ich hinausgehen muß, in meinen Koffer schließen.«

»Bei mir ist alles sicher.«

»Das nehme ich an; aber Sie begreifen, daß es lächerlich wäre, wenn ich Sie für einen Brief verantwortlich machen müßte, der mir vielleicht abhanden käme. Dies könnte für mich ein sehr unangenehmer Verlust sein, aber ich würde Ihnen nichts davon zu sagen wagen.«

Er antwortete mir nicht gleich; nach fünf Minuten aber sagte er seinem Lakaien, der ihn frisierte, er solle dem Priester sagen, daß er an meiner Zimmertür ein Schloß anbringen ließe, und mir den Schlüssel übergeben.

Wählend er hierüber nachdachte, bemerkte ich auf seinem Nachttisch eine Kerze mit der Lichtputzschere und einem Buch. Ich näherte mich dem Tischchen und fragte ihn, wie es die Höflichkeit verlangte, ob ich mir einmal das Buch ansehen dürfte, das ihm einen guten Schlaf verschaffte. Er antwortete mir höflich, er bitte mich, das Buch nicht anzurühren. Schnell trat ich zurück und sagte mit einem Lächeln, ich wäre überzeugt, daß es ein Gebetbuch wäre, aber ich verspräche ihm, meinen Verdacht keinem Menschen mitzuteilen.

»Sie haben es erraten«, antwortete er mir lachend.

Ich verließ ihn, indem ich ihn höflich bat, mir seinen Bedienten und eine Tasse Kaffee, Schokolade oder auch Fleischbrühe zu schicken.

Ich ärgerte mich über eine Behandlung, wie sie mir noch nie widerfahren war, und besonders darüber, daß man mir ein elendes Talglicht gab, während er Wachskerzen brannte. Unter ernsten Gedanken ging ich in meine dumpfe Kammer zurück. Ich hatte die beste Lust, unverzüglich wieder abzureisen; denn obgleich ich nur etwa fünfzig Dukaten besaß, war mein Herz doch noch ebenso stolz wie zu jenen Zeiten, da ich reich war. Diesen Gedanken verwarf ich jedoch wieder; denn ich wollte mich nicht ins Unrecht setzen, indem ich ihm eine tödliche Beleidigung antat.

Da das abscheuliche Talglicht die Hauptursache meines Ärgers war, so beschloß ich, den Lakaien zu fragen, ob er nicht den Auftrag erhalten habe, mir Kerzen zu bringen. Diese Frage war notwendig, denn es konnte möglicherweise ein Versehen oder eine Spitzbüberei von Seiten des Lakaien vorliegen.

Eine Stunde später kam er und brachte mir eine Tasse Kaffee, fertig eingeschenkt und nach seinem Geschmack oder dem des Kochs gezuckert. Ein solches Getränk konnte ich nicht anrühren, weil es mich anekelte, und ich ließ es stehen, indem ich mit einem Auslachen – denn ich mußte entweder lachen oder ihm den Kaffee in das Gesicht gießen – zu ihm sagte, auf diese Art serviere man keinen Kaffee.

Ich wollte mich zum Frisieren hinsetzen, aber ich konnte nicht länger an mich halten und fragte ihn, warum er mir ein elendes Talglicht an Stelle von zwei Kerzen gebracht habe.

»Gnädiger Herr,« antwortete der ehrliche Diener mir bescheiden, »ich habe Ihnen nur bringen können, was der Priester mir gegeben hat, der alles unter Verschluß hält: ich habe eine einzige Kerze für meinen Herrn und ein Talglicht für Sie erhalten.«

Es tat mir leid, den armen Teufel gekränkt zu haben. Ich antwortete ihm nicht; da ich mir aber dachte, daß der Priester vielleicht mit seiner Sparsamkeit dem Grafen einen Gefallen tun wollte oder zu seinem eigenen Nutzen knauserte, so beschloß ich, ihn am selben Tage noch zu fragen, um zu wissen, woran ich wäre.

Sobald ich angekleidet war, ging ich an die frische Luft, um meine verdrießliche Laune zu vertreiben. Unterwegs begegnete ich dem geistlichen Faktotum. Er war beim Schlosser gewesen und sagte mir, es sei kein Schloß vorrätig, und er werde daher an meiner Tür ein Hängeschloß anbringen lassen, dessen Schlüssel ich an mich nehmen könne.

»Wenn ich die Tür nur schließen kann, kommt es mir auf das Wie nicht an.«

Ich kehrte mit ihm um, um bei der Anbringung des Vorhängeschlosses zugegen zu sein. Während der Schlosser hämmerte, fragte ich den Priester, warum er mir ein Talglicht und nicht eine oder zwei Kerzen geschickt habe.

»Das würde ich, mein Herr, ohne ausdrücklichen Befehl des Grafen niemals gewagt haben.«

»Aber ist denn das nicht selbstverständlich?«

»Überall sonst, ja; hier aber ist überhaupt nichts selbstverständlich. Ich kaufe allerdings die Kerzen, und er bezahlt sie mir; ein Irrtum ist ausgeschlossen, denn die Kerze steht auf der Rechnung, so oft er eine braucht.«

»Sie können also mir, Herr Abbate, ein Pfund Kerzen zu dem Preise ablassen, den Sie selber dafür bezahlen?«

»Den Gefallen will ich Ihnen gerne tun; indessen werde ich nicht umhin können, es dem Grafen zu sagen. Denn Sie begreifen...«

»Ja, ich begreife alles; aber ich mache mir nichts daraus.«

Nachdem ich ihm den Preis von einem Pfund Kerzen übergeben hatte, setzte ich meinen Spaziergang fort. Vorher hatte der Abbate selber mir gesagt, daß um ein Uhr zu Mittag gegessen werde. Ich kam pünktlich um halb ein Uhr nach Hause; aber man kann sich denken, daß ich überrascht war, als man mir sagte, der Graf sitze seit einer halben Stunde bei Tisch.

Da ich mir nicht erklären konnte, was alle diese Ungezogenheiten zu bedeuten hätten, so unterdrückte ich meinen Ärger und sagte dem Grafen, als ich in das Speisezimmer eintrat, der Abbate habe mir mitgeteilt, daß um ein Uhr gegessen werde.

»Für gewöhnlich ist das richtig,« antwortete der Graf; »heute wollte ich aber Besuche bei Nachbarn machen, um Sie vorzustellen, und deshalb habe ich schon um zwölf Uhr zu Mittag gegessen. Sie haben aber trotzdem noch Zeit genug, zu speisen.«

Hierauf befahl er, die bereits abgetragenen Schüsseln wieder auf den Tisch zu setzen.

Ich antwortete ihm nicht. Indem ich eine gute Laune zur Schau trug, von der ich in Wirklichkeit durchaus nichts verspürte, aß ich von den Gerichten, die noch auf dem Tische standen, und wies die wieder hereingebrachten Schüsseln zurück. Vergeblich forderte er mich auf, mir von der Suppe, dem Rindfleisch und den Vorgerichten zu nehmen. Ich beharrte bei meiner Weigerung und sagte ihm, dies sei meine selbstauferlegte Strafe dafür, daß ich den Fehler begangen habe, bei einem großen Herrn zu spät zu Tisch zu kommen.

Meine schlechte Laune verbergend fuhr ich mit ihm aus, um mit ihm Besuche zu machen. Zunächst fuhr er zu dem eine halbe Meile von seinem Schloß wohnenden Baron del Mestre, der das ganze Jahr auf dem Lande wohnte, eine zahlreiche Familie hatte und ein gastfreies Haus hielt, wo alles fröhlich und liebenswürdig war.

Der Graf verbrachte bei dieser Familie den ganzen Nachmittag, indem er die anderen beabsichtigten Besuche auf einen anderen Tag verschob. Am Abend fuhren wir nach Spessa zurück, wo der Priester wenige Augenblicke nach unserem Eintreffen mir das Geld zurückgab, das ich ihm für das Pfund Kerzen bezahlt hatte. Zugleich sagte er mir, der Graf habe vergessen, ihm zu sagen, daß ich wie er selber behandelt werden solle.

So war denn der Fehler immerhin wieder gut gemacht, und ich tat, wie wenn ich die Ausrede für bare Münze nähme.

Es wurde ein sehr reichliches Abendessen aufgetragen, wie wenn wir nicht zu Mittag gegessen hätten.

Ich aß für vier, während der Graf beinahe nichts anrührte. Ich konnte mich nicht enthalten, ihm zu sagen, er sei ein geistreicher Mensch.

Der Lakai, der mich in mein Zimmer fühlte, fragte mich, zu welcher Stunde ich mein Frühstück beföhle. Ich gab ihm meinen Auftrag, er war pünktlich, und diesmal war der Kaffee in einer Kanne und der Zucker für sich.

Der andere Lakai kam und frisierte mich, die Magd brachte mein Zimmer in Ordnung. Alles hatte sich geändert. Ich glaubte, dem Grafen Lebensart beigebracht zu haben, und dachte bei mir selbst, ich würde in Spessa keinen Verdruß mehr haben; aber ich hatte, wie man sehen wird, die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

Drei oder vier Tage darauf kam der Priester eines Morgens zu mir und fragte mich, zu welcher Stunde ich zu Mittag zu essen wünsche. Zugleich sagte er mir, ich würde allein und auf meinem Zimmer speisen.

»Warum allein und auf meinem Zimmer?«

»Weil der Graf gestern nach dem Abendessen allein nach Görz gefahren ist. Er hat mir gesagt, er wisse nicht, wann er wiederkommen werde, und hat mir befohlen, Ihnen die Mahlzeiten in Ihrem Zimmer auftragen zu lassen.«

»Schön. Ich werde um ein Uhr essen.«

Gewiß erkennt niemand bereitwilliger als ich den natürlichen Grundsatz der persönlichen Freiheit an; aber mir schien, das einfachste Anstandsgefühl hätte meinem ländlichen Amphitryon gebieten müssen, mir zu sagen, daß er nach Görz fahre. Er blieb dort acht Tage, und ich wäre während dieser Zeit vor Langeweile gestorben, wenn ich nicht jeden Tag einige Stunden bei dem Baron del Mestre verbracht hätte, denn ich hatte in Spessa keine Gesellschaft, da der Abbate ein unwissender Bauer von kriechender Höflichkeit war, und es waren keine hübschen Landmädchen da, um mir die Zeit mit einer kleinen Tändelei zu vertreiben. Es kam mir unmöglich vor, noch vier Wochen in dieser traurigen Verbannung zu verbringen.

Als der Graf wieder da war, sprach ich mich ihm gegenüber ganz offen aus. »Ich bin nach Spessa gekommen,« sagte ich, »um Ihnen Gesellschaft zu leisten und mich selber zu unterhalten; da ich sehe, daß meine Gesellschaft Ihnen überflüssig, vielleicht sogar lästig ist, so bitte ich Sie, mich nach Görz zu bringen, sobald Sie wieder dorthin fahren, und mich dort zu lassen; denn ich gestatte mir, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß ich ebenso wie Sie die Gesellschaft liebe, und daß ich durchaus keine Lust habe, mich bei Ihnen zu Tode zu langweilen.«

Er versicherte mir, es werde nicht wieder vorkommen, und sagte mir, er sei nur deshalb so über Hals und Kopf abgereist, weil er eine Schauspielerin habe besuchen müssen, in die er verliebt sei. Sie sei zum großen Verdruß des Direktors der komischen Oper von Triest, der sie angehöre, eigens seinetwegen nach Görz gekommen. Außerdem habe er sich diese acht Tage zunutze gemacht, um einen Heiratsvertrag mit der Tochter eines venezianischen Grundbesitzers zu unterzeichnen, die er im nächsten Karneval heiraten wolle. Alle diese Gründe und besonders der Ton, worin er sie vorbrachte, veranlaßten mich, noch länger bei dem sonderbaren Kauz zu bleiben.

Das ganze Vermögen des Grafen bestand in Weingärten, die einen ausgezeichneten weißen Wein trugen und ihm jährlich ungefähr tausend Zechinen einbrachten; da aber der Narr das Doppelte ausgab, so richtete er sich zu Grunde, überzeugt, daß alle Bauern ihn bestöhlen, streifte er überall umher, ging in ihre Hütten hinein und verprügelte, wenn er ein paar Trauben fand, mit seinem Rohrstock die armen Leute, die nicht leugnen konnten, sie in seinen Weinbergen gepflückt zu haben. Vergeblich warfen sie sich auf die Knie und flehten um Gnade; er prügelte sie unbarmherzig durch.

Ich war bereits mehrere Male, sehr gegen meinen Geschmack, bei diesen willkürlichen und grausamen Abstrafungen zugegen gewesen; eines Tages aber mußte ich Zeuge sein, wie er von zwei Bauern zahlreiche Hiebe mit Besenstielen erhielt. Anfangs hatte er ihnen die übliche Züchtigung verabreicht; als er aber selber tüchtig verdroschen wurde, ergriff er sehr vernünftigerweise die Flucht.

Hinterher machte er mir die größten Vorwürfe, daß ich der Prügelei einfach zugesehen hätte.

Ich setzte ihm in aller Ruhe auseinander, daß ich mich nicht hätte einmischen können: Erstens wäre er der Angreifer und daher im Unrecht gewesen; zweitens verstände ich nicht mich mit Knüppeln zu prügeln, besonders nicht gegen Bauern, die darin viel besser geübt wären als ich und die mich hätten niederschlagen können, ohne daß ich auch nur ein Recht gehabt hätte, mich zu beklagen.

Meine Gründe befriedigten ihn sehr wenig, und in seiner Wut über eine große Beule, die er an der Stirn empfangen hatte, wagte er es, mir zu sagen, ich sei ein ganz erbärmlicher Feigling, der das Gesetz nicht kenne, wonach man einen Freund verteidigen oder mit ihm sterben müsse.

So beleidigend diese Bemerkungen waren, antwortete ich darauf doch nur mit einem verächtlichen Blick, dessen Bedeutung er verstehen mußte.

Bald wußte das ganze Dorf um das unangenehme Abenteuer des gnädigen Herrn, und ein jeder hatte im geheimen sein helles Vergnügen daran; denn der Herr Graf genoß den eigentümlichen Vorzug, von jedermann gefürchtet und von keinem geliebt zu werden. Die beiden Bauern hatten sich nach Verübung ihrer Missetat aus dem Staube gemacht. Bald darauf aber erfuhr man, daß Seine Gnaden beschlossen hätten, in Zukunft bei ihren häuslichen Besuchen stets ihre Pistolen mitzunehmen. Da geriet die ganze Gemeinde in Aufregung; man hielt eine Versammlung ab und sandte ihm zwei Redner zu, die ihm erklärten, die ganze Bauernschaft würde binnen einer Woche auswandern, wenn er nicht feierlich verspräche, in Zukunft weder allein noch in Begleitung in ihre bescheidenen Hütten einzudringen, um sie zu beunruhigen.

Ich bewunderte in der einfachen Beredsamkeit der trotzigen Bauern eine philosophische Vernunft, die ich erhaben fand. »Wir haben«, sagten die guten Dörfler zu ihm, »das Recht, eine Traube von dem Weinstock zu pflücken, der keine einzige hervorbringen würde, wenn wir ihn nicht mit unserem Schweiß begössen, genau so gut, wie Ihr Koch das Recht hat, von den für Sie zubereiteten Speisen zu kosten, bevor er sie auf Ihren Tisch setzen läßt.«

Die Drohung, gerade im Augenblick der Weinlese auszuwandern, schüchterte den rohen Menschen ein, und er gab das verlangte Versprechen. Die Abgeordneten entfernten sich freudestrahlend, weil sie ihn zur Vernunft gebracht hatten.

Am nächsten Sonntag gingen wir in die Kapelle, um die Messe zu hören; wir fanden aber den Priester vor dem Altar, wie er bereits die letzten Worte des Credo sprach. Ich sah in den Blicken des Grafen eine rasende Wut auflodern. Nach der Messe führte er mich in die Sakristei und bereitete mir dort das ruchloseste und roheste Schauspiel: er ging auf den armen Priester los, sagte ihm mehrere Schimpfwörter und gab ihm vier oder fünf Stockhiebe, obgleich er noch das Meßgewand trug.

Der Priester konnte sich nicht anders rächen, als daß er ihm ins Gesicht spie und um Hilfe rief.

Mehrere Leute eilten herbei, und wir gingen hinaus.

Ich war empört und sagte ihm: »Der Priester wird unfehlbar nach Udine gehen und Ihnen gewiß eine sehr unangenehme Suppe einbrocken. Suchen Sie ihn daran zu verhindern, nötigenfalls mit Gewalt; aber sehen Sie lieber zu, daß Sie ihn besänftigen!«

Ohne Zweifel hatte der Graf Angst; denn er rief seine Bedienten und befahl ihnen, den Priester mit Güte oder Gewalt vorzuführen. Sein Befehl wurde ausgeführt.

Der Priester schäumte vor Wut, überhäufte ihn mit den stärksten Schmähworten, nannte ihn einen Gottlosen, aus der Kirche Verstoßenen, dessen Atem ein Pesthauch wäre, und schwor zum Schluß, weder er noch ein anderer Priester würden jemals wieder in seiner Kapelle, die er durch eine Gotteslästerung besudelt hätte, die Messe lesen, und der Erzbischof würde das Verbrechen, das er an seiner Person begangen hätte, zu rächen wissen.

Der Graf ließ ihn ausreden, ohne ihn zu unterbrechen, erlaubte ihm jedoch nicht, sich zu entfernen, sondern zwang ihn, sich mit ihm zu Tisch zu setzen, und der unwürdige Pfaffe ließ sich nicht nur herbei, von seinen Speisen zu essen, sondern ließ sich obendrein noch von ihm betrunken machen. Diese niedrige Gefräßigkeit führte den Frieden herbei: der Abbate vergaß alles, damit sein Unrecht vergessen würde.

Einige Tage darauf kamen gegen Mittag zwei Kapuziner zum Grafen, um ihm einen Besuch zu machen. Da er sah, daß sie nicht von selber gingen, sie aber auch nicht dazu auffordern mochte, ließ er das Essen auftragen, ohne für sie decken zu lassen. Als sie sahen, daß sie nicht eingeladen wurden, sagte der Keckste von beiden zum Grafen, sie hätten noch nicht zu Mittag gegessen. Ohne ihm zu antworten, ließ der Graf ihm einen Teller voll Reis vorsetzen. Der Kapuziner wies diesen zurück und sagte, er sei würdig, sich nicht nur an seinen Tisch, sondern sogar an den eines Monarchen zu setzen. Der Graf war bei guter Laune und zum Lachen aufgelegt; er antwortete ihm, die Kapuziner nennten sich von Ordens wegen Indigni; folglich sei er überhaupt nicht würdig; außerdem untersage ihr Gelübde der Demut ihnen jegliche Anmaßung.

Der Kapuziner verteidigte sich schlecht, und da der Graf recht hatte, glaubte ich ihm beitreten zu müssen. Ich sagte dem Kapuziner, er müsse sich schämen, seine Ordensregeln zu verletzen, indem er die Todsünde des Stolzes begehe.

Als der Kapuziner mir mit Beleidigungen antwortete, befahl der Graf, ihm eine Schere zu bringen, um den schmutzigen Betrügern den Bart abzuschneiden.

Sowie sie diese furchtbare Drohung hörten, ergriffen die beiden bocksbärtigen Kuttenträger die Flucht, und wir lachten hinter ihnen her. Wären die Ausschreitungen des Grafen alle von dieser Art, das heißt mehr oder minder geschmackvolle Späße gewesen, so hätte ich sie ihm gerne verziehen; aber so harmlos waren sie ganz und gar nicht.

Im Magen dieses Unglücklichen entwickelte sich kein Speisesaft, sondern eine ätzendes Gift; dadurch wurde er in den Stunden der Verdauung grausam, ungerecht, gewalttätig und blutdürstig. Sein Hunger war eine Raserei; er aß, wie ein Tiger schlingt. Als eines Tages jeder von uns beiden auf seinem Teller eine saftige Schnepfe vor sich hatte, konnte ich mich nicht enthalten, diese mit der Freude eines Feinschmeckers zu loben. Er nahm die seinige in die Hand, zerriß sie, wie etwa ein halbverhungerter Falke es getan haben würde, und sagte mir in ernstem Ton, er bitte mich, ruhig zu essen, mich nach meinem Gefallen daran zu erfreuen, aber zu schweigen, denn es ärgere ihn, wenn ich die Speisen lobte, die mir gefielen.

Ich hatte Lust, zu lachen und zugleich ihm eine Flasche an den Kopf zu werfen, was ich zwanzig Jahre früher sehr wahrscheinlich getan haben würde. Ich tat jedoch weder das eine noch das andere, sondern schwieg; denn ich fühlte, daß ich entweder den Grobian verlassen oder mich seiner Laune fügen müßte.

Drei Monate später sagte mir die kleine Costa, jene Triester Schauspielerin, die er damals besucht hatte, als er plötzlich nach Görz gefahren war: »Bevor ich den Grafen Torriano kannte, hätte ich niemals geglaubt, daß es auf der Welt einen Menschen von solchem Charakter geben könnte. Obgleich seine Männlichkeit sehr kräftig entwickelt ist, macht es ihm unendliche Mühe, bei der Vollziehung des Beischlafs zu der Krisis zu gelangen, die das Werk krönt, und wenn die Arme, die er durch die lange Reizung in eine unglaubliche Wollust versetzt, so unglücklich ist, ihre Ekstase nicht verbergen zu können, läuft sie Gefahr, von diesem wilden Menschen erdrosselt zu werden; so eifersüchtig ist er auf das Glück eines anderen. Ich bedaure herzlich das Schicksal der Unglücklichen, die man ihm zur Gemahlin bestimmt.«

Ein eigentümliches Abenteuer machte meinen Beziehungen zu diesem giftigen Tier ein Ende: In der Langeweile und dem Müßiggang dieses unglückseligen Spessa, wo ich keinerlei Vergnügungen hatte, entdeckte ich eine sehr hübsche und sehr liebenswürdige arme Witwe. Ich machte ihr kleine Geschenke, und nachdem ich einige leichte Gunstbezeigungen von ihr erhalten hatte, überredete ich sie, die Nacht in meinem Zimmer zuzubringen. Sie kam um Mitternacht, um von keinem Menschen gesehen zu werden, und entfernte sich im ersten Morgengrauen durch eine kleine Tür, die auf die Straße hinausging.

Seit etwa acht Tagen hatte ich diesen angenehmen Zeitvertreib; wir betrieben unseren Verkehr in aller Ruhe, denn wir nahmen an, daß kein Mensch etwas davon wüßte. Eines schönen Morgens verließ meine gute Freundin meine Arme, kleidete sich an und weckte mich dann, damit ich wie gewöhnlich die kleine Tür hinter ihr schließen könnte. Kaum hatte ich die Tür wieder zugemacht, so hörte ich sie schreien. Schnell riß ich die Tür auf und sah den greulichen Torriani, der mit der einen Hand ihren Rock festhielt und mit der anderen sie mittels seines Rohrstockes verprügelte. Dies sehen und mich auf ihn stürzen, war das Werk einer Sekunde. Wir fielen zu Boden, er unten, ich oben; die arme Witwe lief davon.

Ich hatte nur meinen Schlafrock an und war also in dieser Beziehung im Nachteil; denn bekanntlich hat der zivilisierte Mensch nur die Hälfte seiner Kräfte, wenn er nackt ist. Indessen hielt ich mit der einen Hand seinen Stock fest und drückte ihm mit der anderen die Kehle zusammen; er dagegen suchte mit der rechten Hand seinen Stock los zu bekommen und hielt mit der linken meine Haare gepackt. Er ließ erst los, als ihm die Zunge weit aus dem Munde hervorstand und er dem Ersticken nahe war.

Als ich mich frei fühlte, sprang ich schnell auf, entriß ihm den Stock und führte nach seinem Kopf einen kräftigen Hieb, den er zu seinem Glück teilweise mit seinen beiden Händen parierte.

Da ich ihm nur den einen Schlag gab, stand er auf, ergriff die Flucht und begann Steine aufzuheben; ich wartete jedoch seine Würfe nicht ab, sondern ging in mein Zimmer zurück und schloß mich ein, ohne zu wissen, ob wir gesehen worden waren oder nicht. Ganz außer Atem warf ich mich auf mein Bett; ich bedauerte, daß meine Hand nicht stark genug gewesen war, diesen Räuber zu erdrosseln, von dem ich glaubte, daß er mich ermorden würde.

Als ich mich ein wenig erholt hatte, stand ich auf, untersuchte meine Pistolen und versicherte mich, daß ich mich im Notfalle auf sie verlassen konnte. Ich zog mich an, steckte die Pistolen in meine Taschen und ging aus, um mir bei irgend einem Bauern einen Karren zu besorgen, der mich nach Görz bringen könnte. Ohne es zu wissen, schlug ich einen Weg ein, der mich hinter dem Hause meiner armen Witwe vorbeiführte; ich trat bei ihr ein und fand sie traurig, aber ruhig. Sie tröstete mich, indem sie mir sagte, sie habe nur einige Schläge auf die Schultern erhalten und geringe Schmerzen ausgestanden. Es tat ihr nur leid, daß der Vorfall bekannt werden mußte; denn zwei Bauern hatten gesehen, wie der Graf sie schlug, und dieselben Leute und die Witwe hatten unser Handgemenge gesehen.

Ich schenkte ihr zwei Zechinen und bat sie, mich in Görz aufzusuchen, wo ich ein paar Wochen zuzubringen gedachte. Ferner bat ich sie, mir zu sagen, bei welchem Bauern ich einen Wagen finden konnte; denn ich wollte so früh wie möglich abfahren.

Ihre Schwester erbot sich, mich nach einem Pachthof zu führen, wo ich finden würde, was ich brauchte. Sie sagte mir unterwegs, Torriani habe ihre Schwester schon bei Lebzeiten ihres Mannes gehaßt, weil sie von ihm nichts habe wissen wollen.

Auf dem Pachthof, zu dem sie mich führte, fand ich ein gutes Wägelchen, und der Bauer versprach mir, daß wir zum Mittagessen in Görz sein sollten. Ich gab ihm einen halben Taler Angeld und ging nach Haus, indem ich ihm sagte, ich würde ihn erwarten. In das Haus des Grafen zurückgekehrt, beeilte ich mich meine Sachen zu packen. Ich war kaum fertig, als der Wagen ankam.

Ich wollte gerade meine Sachen hinausbringen, als ein Diener erschien und mir sagte, der Graf lasse mich bitten, einen Augenblick bei ihm vorzusprechen.

Ich schrieb ihm auf französisch, daß wir nach dem, was zwischen uns vorgefallen wäre, uns nur noch außerhalb seines Hauses sehen könnten.

Eine Minute darauf trat er bei mir ein, schloß die Türe hinter sich zu und sagte: »Da Sie nicht zu mir kommen wollen, komme ich zu Ihnen, um mit Ihnen zu sprechen.«

»Was haben Sie mir zu sagen?«

»Indem Sie auf solche Weise von mir fortgehen, entehren Sie mich; ich werde Sie daher nicht abreisen lassen.«

»Alle Wetter, mein Herr, ich bin neugierig, wie Sie es anfangen werden, mich daran zu verhindern. Denn es ist ausgeschlossen, daß Sie mich überreden, freiwillig hier zu bleiben.«

»Ich werde Sie verhindern, allein abzufahren; denn die Ehre verlangt, daß wir zusammen fahren.«

»Vortrefflich! Ich glaube, Sie zu verstehen. Holen Sie also Ihren Degen oder Ihre Pistolen, und wir werden sofort, mit gleichen Waffen versehen, abfahren. Wie Sie sehen, ist in meinem Wagen Platz für zwei.«

»Nein, Sie müssen in meinem bequemen Wagen fahren, und zwar erst, nachdem Sie mit mir zu Mittag gespeist haben.«

»Sie irren sich, man würde mich für verrückt halten, wenn ich mit Ihnen speisen wollte; unsere häßliche Geschichte ist ja im ganzen Dorf bekannt und wird morgen in Görz das Stadtgespräch sein.«

»Wenn Sie nicht mit mir speisen wollen, werde ich hier mit Ihnen speisen; was man darüber sagt, ist mir einerlei. Wir werden nach Tisch abfahren. Schicken Sie Ihr Wägelchen fort, damit es keinen Skandal gibt; denn ich wiederhole Ihnen: Sie werden nicht abfahren.«

Ich mußte nachgeben und meinen Wagen fortschicken.

Der unglückselige Graf blieb bis zum Mittag bei mir; um mich zu überzeugen, daß ich im Unrecht wäre, sagte er mir, ich wäre nicht berechtigt, ihn zu verhindern, auf der Straße eine Bäuerin zu prügeln, auf die ich schließlich nicht die geringsten Ansprüche zu machen hätte.

Lachend antwortete ich ihm: »Ich bin neugierig, zu vernehmen, mit welchem Recht Sie einen freien Menschen auf der Straße schlagen dürfen, und was Sie dagegen haben können, daß diese unabhängige Person einen Verteidiger in einem Manne findet, dessen Herz sie nahe steht, wie es hier der Fall ist. Wie haben Sie sich einbilden können, daß ich die Frau von Ihnen mißhandeln lassen würde, ein schwaches und liebenswürdiges Geschöpf, das gerade in jenem Augenblicke meine Arme verlassen hatte, und das Sie schon aus diesem Grunde hätten respektieren sollen? Wenn Sie ein Mann sind, so sagen Sie mir: wäre ich nicht ein Feigling oder ein Ungeheuer, wie Sie, gewesen, wenn ich einem solchen barbarischen Vorgang gleichgültig zugesehen hätte, und würden Sie es nicht an meiner Stelle ebenso gemacht haben wie ich, ohne sich um Vernunftgründe zu kümmern, selbst wenn der Angreifer ein großer Fürst gewesen wäre?«

Der Unselige vermochte nur mit leeren Ausflüchten zu antworten; ich wies seine Sophismen zurück, indem ich ihm schonungslos die Wahrheit sagte. Da das Eis nun einmal gebrochen war, konnte er von meiner Seite keinerlei Schonung erwarten.

Kurz bevor wir uns zu Tisch setzten, sagte er mir, diese Geschichte könnte dem, der den anderen tötete, keine Ehre machen; er würde sich aber nur auf Leben und Tod schlagen.

»In bezug auf die Ehre«, antwortete ich lachend, »teile ich durchaus nicht Ihre Meinung; übrigens steht es ja in Ihrer Macht, sich keiner Gefahr auszusetzen; denn nach der Lektion, die ich Ihnen gegeben habe und zu meinem großen Bedauern Ihnen geben mußte, habe ich allen Anlaß, befriedigt zu sein. Bei einem Zweikampf auf Leben und Tod hoffe ich, Sie trotz Ihrer Wut unter den Lebenden zu lassen: ich werde mich bemühen, Sie für lange Zeit kampfunfähig zu machen und Ihnen dadurch Muße zu geben, über Ihre Vergangenheit und Zukunft nachzudenken. Sollte dagegen das Schicksal Sie begünstigen oder Ihre Geschicklichkeit größer sein als die meinige, so steht es in Ihrem Belieben, zu tun, was Ihnen gut dünkt.«

»Wir werden allein in ein Gehölz gehen, und ich werde meinem Kutscher befehlen, Sie nach dem Ort zu fahren, den Sie angeben, wenn Sie allein zum Wagen zurückkehren; denn ich nehme keinen Bedienten mit.«

»Gut; diese Anordnungen sind mir recht. Aber wollen Sie sich auf Degen oder auf Pistolen schlagen?«

»Der Degen muß uns genügen.«

»In diesem Falle verspreche ich Ihnen, meine Pistolen im Wagen zu lassen, wenn wir aussteigen.«

Es brachte mich etwas außer Fassung, den brutalen Menschen plötzlich höflich und vernünftig geworden zu sehen, während nach meiner Erwartung der Gedanke an einen bevorstehenden Zweikampf ihn hätte unruhig machen müssen; denn es dünkte mir unmöglich, daß ein Mann von diesem Charakter tapfer sein könnte. Da ich selber vollkommen kaltblütig war, fühlte ich mich sicher, daß ich ihn beim ersten Stoß mit meiner Prim, die mich noch niemals im Stich gelassen, kampfunfähig machen und daß ich ihn durch einen Stich ins Knie lähmen würde, wenn er den Kampf fortsetzen wollte. Ich wäre dann auf das venezianische Gebiet geflüchtet, das ich leicht wieder hätte verlassen können, da ich nicht bekannt war. Ich sah jedoch voraus, daß es nicht dazu kommen, sondern daß dieses Duell in Rauch aufgehen würde, wie so viele andere, wenn der eine von den beiden Gegnern ein Feigling ist; und dafür hielt ich den Grafen.

Wir fuhren ab, nachdem wir eine ausgezeichnete Mahlzeit eingenommen hatten, während welcher ich sehr lustig war. Der Graf hatte nichts bei sich, mein geringes Gepäck dagegen war an seinen Wagen geschnallt.

Ich hatte vor den Augen des Grafen meine Pistolen entladen, und er hatte mir gezeigt, daß er keine bei sich hatte.

Ich hatte ihn seinem Kutscher befehlen hören, die Straße nach Görz zu fahren, aber ich erwartete jeden Augenblick, daß er ihn nach rechts oder links abbiegen lassen würde, damit wir in einem der Wälder unseren Handel zum Austrag brächten.

Wie man sich denken kann, enthielt ich mich während der Fahrt jeder Frage; es kam mir nicht zu, eine solche zu stellen.

Endlich jedoch wußte ich Bescheid: wir kamen in Görz an, und ich lachte laut auf, als der Graf dem Kutscher befahl, nach dem Gasthof zur Post zu fahren.

Dort sagte er zu mir: »Sie haben recht gehabt; wir müssen Freunde bleiben. Geben wir uns gegenseitig das Versprechen, mit keinem Menschen über diese Geschichte zu sprechen und nur darüber zu lachen, wenn etwa jemand sie erzählen sollte und dabei die Tatsachen entstellte.«

Ich versprach es ihm; wir gaben uns die Hand, und alles war erledigt.

Am nächsten Tage nahm ich eine Wohnung in einer sehr ruhigen Straße, um meinen zweiten Band über die polnischen Unruhen zu beendigen. Obwohl ich fleißig arbeitete, genoß ich doch auch mein Leben. So angenehm es in Görz war, mußte ich mich doch entschließen, nach Triest zurückzukehren, um dort meine Begnadigung durch die Staatsinquisition abzuwarten. Wenn ich in Görz blieb, konnte ich schwerlich Gelegenheit finden, meinen Eifer für ihren Dienst an den Tag zu legen; außerdem wurde ich ja nicht von ihnen bezahlt, um mich einem angenehmen Müßiggang zu ergeben.

Ich verweilte daher in Görz nur bis zum Ende des Jahres 1774 und fand während meines fünfmonatlichen Aufenthaltes alle Annehmlichkeiten, die ich mir wünschen konnte.

Mein Handel, den ich mit dem Grafen Tornani in Spessa gehabt hatte, war in der ganzen Stadt bekannt. In den ersten Tagen fragte man mich überall darnach; als man aber sah, daß ich nur darüber lachte und den Vorfall für eine Kleinigkeit ohne jede Bedeutung ansah, sprach man mit mir nicht mehr darüber. Torriani selber trug am meisten dazu bei, die Sache in Vergessenheit zu bringen, indem er mir auf das angelegentlichste seine Freundschaft bezeigte, so oft er mir begegnete. Da ich ihn jedoch als einen gefährlichen Menschen kannte, dem man besser aus dem Wege ging, so entschuldigte ich mich wohlweislich, so oft er mich zum Mittag- oder Abendessen einlud.

Während des Karnevals heiratete er die junge Edeldame, von der ich bereits sprach; er machte sie unglücklich, so lange er lebte! Zum Glück für sie starb er nach dreizehn oder vierzehn Jahren in Wahnsinn und Armut.

Während meines Aufenthaltes erfreute mich der Umgang mit dem Grafen Carl Coronini, von dem ich bereits gesprochen zu haben glaube. Der liebenswürdige Mann starb vier Jahre später. Einen Monat vor seinem Ende schickte er mir sein Testament in achtfüßigen italienischen Versen. Ich bewahre dieses Gedicht noch jetzt als ein Muster seines philosophischen Geistes und seiner fröhlichen Seele. Dieses komische Testament ist voll feinen Witzes. Wenn er geahnt hätte, daß ihm der Tod so nahe bevorstand, würde das Gedicht wohl nicht eine so joviale Färbung getragen haben; denn es dünkt mir unmöglich, daß die Aussicht auf sofortige oder baldige Vernichtung zu Fröhlichkeit und Scherz anregen kann, es müßte denn einer nicht bei richtigem Verstande sein.

Während ich in Görz war, ließ Herr Richard Lorrain sich dort nieder. Er war ein Junggeselle von ungefähr vierzig Jahren, der nach treuen Diensten in der Wiener Finanzverwaltung sich mit einer sehr guten Pension in den Ruhestand zurückgezogen hatte. Er war ein schöner, geistvoller Mann, der den Ton der guten Gesellschaft beherrschte, einige literarische Kenntnisse besaß und durchaus anspruchslos war. Er wurde daher in den besten Häusern von Görz mit großer Freude empfangen. Ich machte seine Bekanntschaft im Hause des Grafen Torres, in dessen Haus ihn der Geist der jungen Komtesse zog, die er einige Zeit darauf heiratete.

Zu Anfang des Oktobermonats war nach dem Brauch meines erlauchten Vaterlandes der neue Rat der Zehn in Wirksamkeit getreten; infolgedessen wurden von den Staatsinquisitoren die drei abgelöst, die während der vorhergehenden zwölf Monate regiert hatten.

Meine Beschützer, der Prokurator Morosini, der Senator Zaguri und mein treuer Freund Dandolo schrieben mir: wenn sie meine Begnadigung nicht im Laufe der nächsten zwölf Monate durchsetzen könnten, hätten sie keine Hoffnung, sie jemals zu erreichen; denn abgesehen davon, daß die neuen Inquisitoren besonders tugendhafte Männer wären, fügte es auch der Zufall, daß sie meine Gönner mit ihrer besonderen Freundschaft beehrten. Der erste, der Inquisitor Sagrelo, war innig befreundet mit dem Prokurator Morosini; der zweite, Herr Grimani, war der Freund meines lieben Dandolo, und Herr Zaguri schrieb mir, er hätte Einfluß auf den dritten, der nach dem Gesetz einer von den sechszehn Räten sein mußte, die den Rat der Zehn bilden.

Es ist vielleicht nicht allgemein bekannt, daß der sogenannte Rat der Zehn in Wirklichkeit aus siebzehn Mitgliedern bestand, da der Doge an den Beratungen teilnehmen durfte, so oft es ihm gut schien.

Ich kehrte nach Triest mit dem festen Entschlusse zurück, nichts zu verabsäumen, um das despotische Tribunal gut zu bedienen und von seiner Gerechtigkeit die Begnadigung zu erlangen, auf die ich wohl Anspruch hatte, nachdem ich neunzehn Jahre lang ganz Europa als Verbannter durchzogen hatte.

Ich war damals neunundvierzig Jahre alt und glaubte nichts mehr von Fortuna erhoffen zu dürfen; denn sie ist eine ebenso flatterhafte wie launische Göttin, die nur die Jugend liebt und begünstigt und das reife Alter, besonders aber das traurige Greisenalter, zu verabscheuen scheint.

Ich war der Meinung, daß ich in Venedig glücklich müßte leben können, ohne der Gunst der blinden Göttin zu bedürfen.

Ich rechnete darauf, von meinen Talenten leben zu können, und keinem Unglück mehr ausgesetzt zu sein, da ich über eine große Erfahrung verfügte und an keiner der Eitelkeiten mehr krankte, die mich vielleicht in den Abgrund hätten stürzen können.

Mir schien auch, die Inquisitoren müßten sich verpflichtet fühlen, mir in der Stadt Venedig irgendein Amt zuzuweisen, von dessen Erträgnissen ich gemächlich würde leben können, da ich allein stand, keine Familie hatte und bereit war, mich mit dem Notwendigen zu begnügen und auf das Überflüssige gerne zu verzichten.

Ich schrieb an der Geschichte der polnischen Unruhen; der erste Band war bereits gedruckt; ich arbeitete an dem zweiten und hatte genügend Stoff, um dem Publikum die ganze Geschichte in sieben Bänden darzubieten. Nach der Vollendung dieses Werkes gedachte ich eine Übersetzung der homerischen Ilias in Stanzen zu veröffentlichen, und ich zweifle nicht, daß es mir leicht fallen würde, nach der Ilias noch andere Werke zu veröffentlichen.

Kurzum, ich sah keine Gefahr, in einer Stadt Not leiden zu müssen, wo tausend Hilfsquellen flössen, von denen eine Menge Leute, die anderswo hätten betteln müssen, in aller Gemächlichkeit lebten.

Ich verließ also Görz am letzten Tage des Jahres 1773 und nahm am ersten Januar 1774 im Albergo Grande am Marktplatz von Triest Wohnung.

Ich wurde über alle Maßen herzlich empfangen. Baron Pittoni, der venezianische Konsul, alle Räte, die Kaufleute, die Damen, sämtliche Mitglieder des Kasinos bezeigten mir auf das lebhafteste ihre Freundschaft und ihre Freude, mich wieder zu sehen. In ihrer Mitte verbrachte ich den Karneval heiter und in bester Gesundheit, ohne daß meine literarischen Arbeiten darunter litten; denn schon zu Beginn der Fasten veröffentlichte ich den zweiten Band meiner Geschichte der polnischen Wirren.

Was mich in Triest am meisten interessierte, war die zweite Schauspielerin der Truppe, die dort spielte. Die Künstlerin war keine andere, als Irena, die Tochter des angeblichen Grafen Rinaldi, dessen meine Leser sich wohl noch erinnern werden. Ich hatte sie in Mailand geliebt und in Genua, ihres Vaters wegen, nichts mit ihr zu tun haben wollen; ich war ihr in Avignon nützlich gewesen, wo ich ihr, meiner Marcolina zuliebe, aus der Verlegenheit geholfen hatte. Elf Jahre waren verflossen, ohne daß ich ein Wort von ihr gehört hatte.

Ich war sehr überrascht von ihrem Anblick und ich gestehe, daß dieses Wiederfinden mir mehr Schmerz als Freude verursachte. Denn da sie noch schön war, so sah ich voraus, daß sie mir noch gefallen würde. Zugleich aber begriff ich, daß ich auf meiner Hut sein müßte, da ich nicht imstande sein würde, ihr nützlich zu sein. Trotzdem glaubte ich nicht umhin zu können, ihr einen Besuch zu machen; auch war ich sehr neugierig, ihre Erlebnisse zu hören. Ich begab mich daher am nächsten Tage kurz vor Mittag zu ihr. Sie empfing mich mit einem Ausruf der Freude und sagte mir, sie habe mich im Parkett bemerkt und sei überzeugt gewesen, daß ich sie besuchen werde.

Sie stellte mir ihren Mann vor, der die komischen Bedientenrollen spielte, sowie ihre Tochter, die neun Jahre alt war und Begabung für den Tanz hatte.

Ihre Geschichte war nicht lang, denn Frauen wissen nach Bedürfnis abzukürzen. In demselben Jahre, wo ich sie in Avignon gesehen hatte, war sie mit ihrem Vater nach Turin gegangen. Dort hatte sie sich in den Mann verliebt, den sie mir vorgestellt hatte; sie hatte ihre Eltern verlassen, um ihn zu heiraten, und war Schauspielerin geworden, um in allem das Los ihres Gatten zu teilen.

»Ich weiß,« sagte sie mir, »daß mein Vater gestorben ist; aber ich weiß nicht, was aus meiner Mutter geworden ist.«

Nach mancherlei Bemerkungen aller Art sagte sie mir: »Ich bin meinem Gemahl treu, mache mich jedoch nicht dadurch lächerlich, daß ich einen Liebhaber verzweifeln lasse, wenn es sich lohnt, ihn zu erhören. Hier habe ich niemanden, und mein einziges Vergnügen besteht darin, abends einige Freunde zum Essen bei mir zu sehen; die Ausgaben dafür drücken mich nicht, denn ich gewinne genug, indem ich eine kleine Pharaobank halte.«

»Sie werden mich heute Abend nach der Vorstellung sehen,« sagte ich beim Abschied; »in Triest ist das Spiel verboten, aber da die Bank klein ist, werde ich mich, wie die anderen, mit niedrigen Einsätzen am Spiel beteiligen.«

Ich kam pünktlich und speiste bei ihr mit einer Gesellschaft von leichtsinnigen jungen Kaufleuten, die alle in sie verliebt waren.

Nach dem Essen legte sie eine kleine Bank auf. Ich war sehr überrascht, als ich deutlich sah, daß sie sehr geschickt die Volte schlug, und zwar immer im richtigen Augenblick. Es kam mir komisch vor, als ich sie ihr Talent sogar gegen mich ausüben sah, doch sagte ich nichts und entfernte mich mit den anderen, nachdem ich ein paar Gulden verloren hatte.

Es war eine Kleinigkeit, aber die Sache ärgerte mich doch, denn ich wollte nicht, daß Irena mich für dumm halten sollte.

Ich suchte sie daher am nächsten Vormittage bei der Probe im Theater auf und machte ihr ein Kompliment über ihre Geschicklichkeit. Sie tat anfangs, als wenn sie mich nicht verstände; als ich ihr aber sagte, worum es sich handelte, hatte sie die Frechheit, mir zu sagen, ich irrte mich.

Hierüber ärgerte ich mich, drehte ihr den Rücken zu und sagte: »Sie werden bereuen, daß Sie dies nicht zugeben.«

Da lachte sie und sagte: »Nun also, mein lieber Freund, ich gebe es zu, und wenn Sie mir sagen wollen, wieviel Sie verloren haben, will ich Ihnen das Geld wiedergeben; wenn es Ihnen angenehm ist, bin ich sogar bereit, Sie an meinem kleinen Spiel zu beteiligen, ohne daß außer meinem Mann irgendein Mensch etwas davon erfährt.«

»Ich will weder das eine noch das andere, Irena; ich werde nicht einmal mehr zum Spiel kommen. Aber ich warne Sie davor, einen Ihrer Freunde zu sehr zu prellen; denn man würde es erfahren, und eine harte Buße würde Sie treffen, da die Glücksspiele streng verboten sind.«

»Ich weiß es und halte daher niemals unbare Sätze; übrigens haben alle diese jungen Leute mir Verschwiegenheit gelobt.«

»Ich werde nicht mehr bei Ihnen zu Abend speisen, aber Sie werden mir ein Vergnügen machen, wenn Sie zu mir zum Frühstück kommen, so oft Sie Zeit haben.«

Einige Tage darauf kam sie mit ihrer Tochter, die mir sehr gefiel und nichts dagegen hatte, daß ich sie liebkoste. Seitdem kam sie noch mehrere Male wieder. Eines Tages traf sie bei mir den Baron Pittoni, der nicht weniger als ich Geschmack an kleinen Mädchen fand; er wurde neugierig auf Irenas Tochter und bat die Mutter, ihm zuweilen dieselbe Ehre zu erweisen wie mir.

Ich redete ihr zu, das Anerbieten nicht zurückzuweisen, und der Baron verliebte sich in das kleine Mädchen. Dies war für Irena ein Glück; denn gegen Ende des Karnevals wurde sie angeschuldigt, verbotene Glücksspiele zu dulden, und der Baron würde unter anderen Umständen nach der Strenge der Polizeivorschriften gegen sie verfahren sein; da er aber ihr Freund geworden war, so warnte er sie zur rechten Zeit.

Man konnte die Buße nicht von ihr einziehen, denn als die Polizeibeamten in ihre Wohnung kamen, fanden sie dort niemanden.

Irena verließ Triest zu Anfang der Fastenzeit mit der Truppe, der sie angehörte. Drei Jahre später fand ich sie in Padua mit ihrer Tochter wieder, die ein reizendes Mädchen geworden war und mit der ich das zärtlichste Verhältnis erneuerte.

Ende


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