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XVI.
Eisen und Stahl daheim und in der Fremde

Großbritannien war bis jetzt in der Lage, Stahl billiger zu fabrizieren und auf den Markt zu bringen, als Deutschland; jetzt ist Deutschland Großbritannien überlegen. Großbritannien produziert 5 000 000, Deutschland 6 000 000 Tonnen. Dennoch hält England in Europa die führende Stellung. Es hatte früher die Führerschaft in der ganzen Welt. Aber seine Stellung ist heute nur noch künstlich, da es Koks nicht unter 10 M. die Tonne zu produzieren vermag. Bis zu den Stahlwerken kostet sein Koks ungefähr 12 M. die Tonne. Auch seinen gegenwärtigen Vorrat an Erzen kann es sich nicht voll erhalten. Diese werden täglich seltener und deshalb kostbarer. Es ist zu einem großen Teil von den Bilbao-Bergwerken in Spanien abhängig; die Besitzer dieser Bergwerke wollen jedoch nicht länger eine Garantie für die Güte ihres Produktes übernehmen, daher sind die englischen Fabrikanten gezwungen, zu nehmen, was immer sie kriegen können, und Jahr für Jahr wird der Vorrat spärlicher. Unter solchen Verhältnissen vermag Großbritannien keineswegs so billig Stahl zu machen, wie wir in Pittsburg Stahl fabrizieren und nach England senden können. Nebenbei bemerkt, sind Großbritannien und andere fremde Länder die Ablagerungsstätte für unsere Überproduktion geworden, und das bedeutet mehr, als der Uneingeweihte vermuten dürfte. Die Carnegie-Stahlgesellschaft macht über 200 000 Tonnen Stahl monatlich, und Präsident Schwab sagte mir unlängst, daß nach seiner Ansicht in kurzem ein volles Drittel davon ins Ausland gehen werde.

Auch die Stellung Deutschlands ist im hohen Grade künstlich. Allerdings haben sie dort einen hohen Schutzzoll; die Fabrikanten sind daher in der Lage, mit einander verbunden, auf ihrem einheimischen Markte einen hohen Preis zu erzielen. Das setzt sie in den Stand, ins Ausland zu verladen und dort billig zu verkaufen.

Auch sie streben danach, den Weltmarkt zu ihrem Schalter zu machen. Es waltet jedoch dabei der Unterschied ob, daß die in Deutschland von den Konsumenten geforderten Preise die Konsumption beschränken. Unsere eigenen außerordentlich niedrigen Preise – 3 Pfund Stahl für 2 Cent – vergrößern dagegen die Kauflust. Deutschlands Stellung ist auf Sand gebaut. Ich bin zwar für alle diejenigen Fälle ein strammer Schutzzöllner, in denen eine Aussicht besteht, durch zeitweiligen Schutzzoll den Käufer eines bestimmten Artikels besser und billiger mit einheimischem Fabrikat, denn mit fremdem zu versorgen. Wo das nicht möglich ist, glaube ich auch nicht an den Schutzzoll; Deutschland aber hat seine gesunde Wirtschaftspolitik verlassen und ist jetzt schutzzöllnerisch geworden nur des Zolles wegen; der deutsche Käufer hat keinen Vorteil davon. Darin zeigt sich eine falsche Wirtschaftspolitik.

Um unseren Ausfuhrhandel in Eisen und Stahl noch weiter auszudehnen, bedarf es nur noch eines: regelmäßige Dampferlinien nach allen Teilen der Welt. Wir dürfen ja niemals auf solche Verkehrsleichtigkeit rechnen, wie sie Großbritannien besitzt, da dieses eine ungeheure Masse solcher Güter aus verschiedenen Teilen der Welt erhält, die wir Amerikaner glücklicherweise zu Hause, in unserem eigenen Lande, erzeugen. Infolgedessen finden englische Schiffe leicht Cargos für den Heimweg; die Frachten sind daher billiger; doch selbst dieses zu unserem Nachteil obwaltende Verhältnis vermögen wir durch kleinere Preise für unsere Erzeugnisse wieder auszugleichen. Wenn wir unseren Vereinigten Staaten die ihnen zukommende Stellung als die Schiffsbauer der ganzen Welt wieder verschaffen könnten, würde unsere Aufmerksamkeit sich sehr bald der Errichtung regulärer Dampfschifflinien zuwenden, und das eben besprochene Hindernis müßte dann schwinden. Schon jetzt nimmt unser Ausfuhrhandel solchen Umfang an, daß er, wie leicht ersichtlich, verschiedene neue Dampferlinien durchaus rechtfertigt; nach und nach werden wir auch in dieser Richtung weitere Fortschritte machen. Ich habe die Wichtigkeit einer Schiffs-Werft in New York nachdrücklichst betont; sie muß kommen. Kapitalisten werden sehr bald einsehen, daß darin eine Chance für sie liegt, da der Stahl- und Eisenmarkt in New York viel billiger ist, als in Belfast und am Clyde. Es wird nicht mehr lange dauern, bis sich das nötige Kapital dazu findet.

Unsere gegenwärtigen Werften gedeihen und werden sich noch weiter ausdehnen; dennoch ist Raum genug für eine gute Schiffswerft in New-York. Die Tatsache, daß Schiffe, wie St. Pauli und die St. Louis, die New York und Paris nach Southampton fahren müssen, um dort gedockt zu werden, nur weil der große Hafen von New York selbst keine Docks hat, auch nur groß genug für diese kleineren Schiffe, wirkt geradezu niederdrückend. Ich kam mit dem in Deutschland gebauten Kaiser Friedrich herüber. Wer einmal mit einem solchen Schiff fuhr, dem will nichts anderes mehr gefallen. Wir hatten eine schlechte Überfahrt, die schlechteste, die ich je erlebt, und doch befanden wir uns außerordentlich wohl.

Die Konsolidierung der Eisen- und Stahl-Interessen ist die Folge natürlicher Entwickelung. Wenn wir 3 Pfd. Stahl für 2 Cent verkaufen sollen, muß Stahl in Millionen von Tonnen gemacht werden. Es ist ein geschlossenes Rennen für alle besten Betriebe. Man muß die von den großen Stahl-Aktien-Fabriken während der letztvergangenen Jahre erreichten Resultate überschauen, deren Geschäftslage durch ihre jährlichen Berichte öffentlich bekannt ist, oder deren Eigentum in den Händen des Steuererhebers war: dann wird man wahrnehmen, daß ein Preis von 2 Cent für 3 Pfd. Stahl selbst die bestsituierten Betriebe beunruhigt. Die Betriebe, welche bei diesen Preisen Geld zusetzen, müssen irgendwie Trost suchen, und da bietet sich dann eine Vereinigung aller Interessenten, wie ein zweites Mesopotamien als etwas Vielversprechendes dar. Man möge mich keineswegs dahin verstehen, als wollte ich irgend einen Schatten auf die Verwaltung dieser Betriebe werfen. Weit davon entfernt. Nicht die Verwaltung – die Verhältnisse tragen die Schuld. Stahl kann nun einmal so billig, wie bisher, nicht ohne Verlust für alle dabei in Betracht kommenden Werke verkauft werden.

Vereinigung der Interessenten ist weise und notwendig. Sie stellt einen Schritt nach der rechten Richtung hin dar. Der Stahlfabrikant muß sich eben mit einem sehr bescheidenen Nutzen pro Tonne begnügen. Sobald ein Betrieb 2 500 000 Tonnen jährlich liefert, braucht es nur wenig, um Verlegenheiten und Not fernzuhalten, besonders wenn auf dem Betriebe keine Schuldverpflichtungen liegen.

Obgleich der Verbrauch von Eisen und Stahl ungeheuer groß ist, steigen doch die Preise nicht. Ich glaube nicht, daß sich die Stahlkonsumption noch steigern wird; deshalb halte ich dafür, daß unsere Fabrikation unsere wirklichen Bedürfnisse übertrifft. Wäre dem nicht so, dann hätten wir ein starkes Anziehen der Preise erleben müssen; das ist aber durchaus nicht der Fall. Ganz im Gegenteil, die Preise sind viel zu niedrig, um selbst nur einen mäßigen Nutzen abzuwerfen. Eisenbahnen zeigen sich außerordentlich ertragreich, besonders im Westen. Man darf hoffen, daß alle Schienen, deren Fabrikation möglich ist, einen Markt finden werden. Auch der Gebrauch von Eisen-Schwellen wird bei uns wachsen, wenn der Preis niedrig bleibt, wie bisher. Gegenwärtig verwendet ein verhältnismäßig kleines Land, wie Deutschland, dreimal soviel Eisenbahn-Schwellen, wie die Vereinigten Staaten. In Deutschland denkt niemand an den Bau eines anderen als feuersicheren Hauses. Bei uns bauen nur die Millionäre ihre Häuser feuersicher; ich kenne sogar einige Millionäre, die erst unlängst nur feuerfeste Türen eingeführt haben. In kurzem wird auch bei uns, wie in Deutschland, jedes gewöhnliche Haus feuerfest gebaut werden. Gegenwärtig aber könnte alles in den Vereinigten Staaten für den Hausbau verwendete feuerfeste Material von der Carnegie-Stahl-Gesellschaft allein fabriziert werden. Es ist an und für sich ein sehr kleines Feld, aber es zeigt die Möglichkeiten für eine größere Ausnutzung und einen vermehrten Verbrauch des Stahls und Eisens.


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