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Schema über der Welt Arbeit.
Für jedes industrielle Unternehmen sind drei Teilhaber nötig. Der erste – zwar nicht seiner Bedeutung, wohl aber der Zeit nach – heißt: Kapital. Ohne diesen Teilnehmer kann nichts unternommen werden. Vom Kapital erhält jede Unternehmung ihren ersten Lebensodem.
Nachdem die Grundlagen aufgerichtet, das Unternehmen mit den nötigen Mitteln ausgestattet und alles für industrielle Tätigkeit fertig ist, beginnt der zweite Teilhaber seine Arbeit: Dieser Teilhaber heißt ›geschäftliche Tüchtigkeit‹. Der Teilnehmer ›Kapital‹ tat das seinige bereits. Er hat alle Mittel und Werkzeuge für die Gütererzeugung beschafft; allein solange Kapital nicht über Männer verfügt, welche das Geschäft zu leiten verstehen, ist all sein Aufwand umsonst.
Und nun erscheint der dritte Teilnehmer, zwar zuletzt, aber deshalb keineswegs der unwichtigste unter den dreien: Sobald ›Arbeit‹ nicht ihre Pflicht tut, ist alle Mühe und aller Aufwand vergeblich. Kapital und geschäftliche Tüchtigkeit ohne Arbeit sind gleich totgeborenen Kindern. Das Triebwerk rührt sich nicht, wenn Arbeit es nicht bewegt.
Man könnte Bände darüber schreiben, ob der erste, zweite oder dritte Teilnehmer größere Bedeutung besitzt; im großen und ganzen kommt jedoch nichts dabei heraus. Volkswirte und spekulative Philosophen haben sich Jahrhunderte lang den Kopf über dieses Thema zerbrochen; dennoch wurde bis auf den heutigen Tag auf diese Frage keine endgültige Antwort gefunden, noch wird in Zukunft jemals eine solche Antwort gefunden werden, weil eben jeder der drei Teilnehmer gleich wichtig, und jeder unter ihnen gleich notwendig ist. Es gibt eben in diesem Falle kein erstes, zweites und drittes – keinen Vorzug! Sie sind alle drei voll und gleich berechtigte Glieder des Dreibundes, welcher die industrielle Welt beherrscht. Geschichtlich genommen, bestand Arbeit lange vor Kapital und geschäftlicher Tüchtigkeit in der Welt. Denn Adam und Eva hatten kein Kapital, und nach den Ergebnissen ihrer Arbeit zu schließen, war keiner von beiden mit besonderem Geschäftssinn begabt, doch all das ereignete sich, bevor das Reich des Industrialismus begann und großer Kapitalaufwand nötig ward.
In unserer Zeit sind Kapital, Geschäftstüchtigkeit und Handarbeit die Beine eines dreibeinigen Stuhls. Solange die drei Beine gesund und fest stehen, steht auch der Stuhl fest. Sobald aber eines dieser drei Beine schwach und gebrechlich wird, zusammenstürzt oder gar verschwindet, bricht auch der Stuhl zusammen. Und solange das fehlende Bein nicht wieder hergestellt ist, bleibt der Stuhl ebenfalls unbrauchbar. Aus diesem Grunde befindet sich auch der Kapitalist, welchem Kapital wichtiger dünkt als eines der andern Beine, ganz und gar im Irrtum. Die Unterstützung der beiden anderen Beine, genannt Geschäftstüchtigkeit und Arbeit, bleibt für ihn unumgänglich. Ohne diese beiden, ja selbst ohne einen der beiden, fällt der Stuhl um.
›Geschäftliche Tüchtigkeit‹ irrt, wenn sie glaubt, ihr Bein sei das wichtigste. Ohne die beiden anderen, Kapital und Arbeit, ist das Bein ›Geschäftstüchtigkeit‹ nutzlos.
Zuguterletzt wollen wir nicht vergessen, daß auch Arbeit irrt, und zwar sehr stark, wenn sie größere Wichtigkeit für sich beansprucht, als jedes der beiden anderen Beine. Eine solche Anschauung ist oft genug die Quelle betrübender Mißverständnisse gewesen.
Alle drei sind voll und gleichberechtigte Glieder desselben großen Ganzen. Vereinzelt schaffen sie wenig, vereint aber können sie Wunder wirken. Daher haben sie auch, trotzdem unglückliche Differenzen zeitweise zwischen ihnen auftauchten, das neue Jahrhundert zum wohltätigsten für die Menschheit gemacht.
Die Menschheit bietet heute überall, sowohl materiell wie sittlich genommen, ein besseres Bild denn jemals in früheren Zeiten, und ich lebe der Überzeugung, daß sie noch größere und erhabenere Höhen beschreiten wird, erhabenere als selbst der größte Idealist unserer Zeit in seinen Träumen sich vorzustellen vermag.
Kapital, Geschäftstüchtigkeit und Arbeit müssen vereint sein.
Der ist ein Feind aller drei, welcher versucht, Zwietracht zwischen ihnen zu säen.