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Zuerst veröffentlicht Januar 1885.
Daß das neue Feuerungsmaterial, welches die Erde uns vor nicht allzu langer Zeit geschenkt, allgemeine Aufmerksamkeit erregt, ist nicht gerade zu verwundern, denn zweifellos war niemals vorher etwas ähnliches bekannt gewesen. Höchstwahrscheinlich bildet das westliche Pennsylvania den an unterirdischen Schätzen reichsten Distrikt auf der ganzen Erdoberfläche. Seine Hauptstadt ist das verräucherte Pittsburg. Südöstlich von dieser Stadt finden sich die berühmten Kokskohlenlager, bekannt und benutzt über ganz Amerika, von den Gestaden des atlantischen Ozean bis zu den Silberbergwerken Colorados hin. Ihre Ader läuft sieben bis neun Fuß tief und umfaßt einen Bezirk von zweihundert (englischen) Quadratmeilen. Sie liegen für den Bergbau so außerordentlich günstig, daß Tausende von Tonnen Koks für 3 Sh. 6 d (3,60 M.) die Tonne, Verladung mit inbegriffen, abgegeben werden. Das Wachstum dieses Handels ist ungeheuer gewesen, sogar für die Verhältnisse Amerikas; es leben noch Männer, welche die ersten Koksöfen bauten, während heute 4-10 000 solcher Öfen im Lande existieren. Seit zwanzig Jahren erst fand Koks für Windöfen Verwendung. Und doch wurden schon im Jahre 1882 138 001 840 Bushels (1 Bushel gleich einem alten Scheffel) geerntet. Unmittelbar östlich von Pittsburg liegt das Westmore- und Gaskoksgebiet, woher die östlichen Städte sich mit Gas versehen. Diese Kohlenader ist 5-6 Fuß tief und so leicht zu fördern, daß die Pennsylvanische Eisenbahn-Gesellschaft ihre Lokomotiven für etwa 3 Sh. die Brutto-Tonne, alle Unkosten mit inbegriffen, zu versorgen vermag. Das Kohlenfeld dehnt sich östlich und südöstlich von der Stadt aus, entlang den Ufern des Monongahela- und Youghiogheny-Flusses. Von den an diesen Ufern gelegenen Bergwerken werden Städte, soweit entfernt wie New Orleans, mit Gaskohle versorgt. Die jährliche Ernte übersteigt 7 000 000 Tonnen.
Wenden wir uns nun von diesen Koks- und Gaskohl-Behältern etwa hundert Meilen weiter von Pittsburg dem Norden zu, dann gelangen wir in die Region des Öls. War schon die Entwickelung der Koks- und Gaskohleindustrie ungeheuer, so wird diese doch noch um bis dahin nie Gekanntes durch die Petroleum-Industrie übertroffen. Vor kaum zweiundzwanzig Jahren besuchte ich in Gesellschaft einiger Freunde die berühmte Ölquelle von Storey-Farm, über Öl-Creek (Öl-Bach). Das Öl lief damals von der Quelle in den Bach, auf welchem ein paar flache, mit dem Öl angefüllte Böte lagen, die darauf warteten, den Alleghany Fluß an einem bestimmten Tage jeder Woche hinuntergetrieben zu werden; der Bach wurde damals mit Hilfe eines Dammes beflutet. Das war der Anfang der Industrie in natürlichem Öl. Wir kauften die Farm für £ 8000 (160 000 M.). So gering war unser Glaube an die Fähigkeit des Bodens, auf längere Zeit die hundert Fässer Öl, welche die Quelle damals täglich hergab, hervorzubringen, daß wir uns zur Herstellung eines ausreichend großen Teiches entschlossen, um 100 000 Tonnen Öl zu halten; nach unserer Rechnung war dieses Quantum, im Falle eines Versagens der Quelle, £ 200 000 (4 Millionen Mark) wert. Unglücklicherweise leckte der Teich ganz furchtbar; daneben verursachte die Verdampfung großen Verlust; allein wir ließen das Öl ruhig weiter in den Teich hineinlaufen, um die täglichen Verluste wieder auszugleichen, bis auf diese Art verschiedene hunderttausend Tonnen des kostbaren Stoffes verschwunden waren. Unsere bei dieser Farm gemachte Erfahrung verdient allgemein bekannt zu werden. Ihr Wert stieg auf £ 1 000 000 (20 Mill. Mark); das will sagen, so hoch war die Grundwertschätzung für den Marktverkauf der Aktien; in einem einzigen Jahre zahlten letztere £ 200 000 Dividende in reiner Kasse, gewiß ein außerordentlich guter Gewinn für eine Kapitalanlage von nur £ 8000 (160 000 M.). Selbstverständlich ist das ein außergewöhnlicher Fall; gar viele Hunderttausende von Pf. Sterl. sind bei der Anlage von Ölländereien von anderen verloren worden. Noch vor wenigen Jahren wurde dasselbe Öl als ein Heilmittel für alle nur möglichen bekannten und unbekannten Krankheiten für 8 Sh. die Flasche verkauft. Es war damals als ›Seneca-Öl‹, ›das große Indianer-Heilmittel‹, bekannt, weil die Indianerhorden, welche zur Zeit den Bezirk bewohnten und das Öl von der Oberfläche des Teiches abschöpften, ›Seneca-Indianer‹ hießen. Das ›allmächtige Heilmittel‹ wird jetzt für weniger als 3 Sh. die Tonne verkauft. Doch so befremdend es scheinen mag, dieselben Leute, welche früher jede einzelne Flasche mit 8 Sh. bezahlten und die großen Heilseigenschaften des Öls öffentlich bescheinigten, finden nun, da die Flasche für ½ d (5 Pf.) gekauft werden kann, daß alle guten Eigenschaften des Öls dahin sind. Soviel hängt von den Mysterien in der materia medica ab!
Wir begannen vor etwa zwanzig Jahren mit nichts; heute (1885) produziert derselbe Bezirk 70 000 Fässer Öl täglich. Am ersten November 1884 wurden nicht weniger als 38 034 337 Fässer in großen Behältern aufgespeichert; eine Masse von Öl, die für den Bedarf der ganzen Welt auf mehrere Jahre hinreicht. Bis zum Januar 1884 hatte dieser Bezirk 250 000 000 Fässer Öl ans Licht gebracht, und doch strömt es noch immer in täglich wachsenden Massen hervor. Zur Fortschaffung dieser ungeheuren Mengen wurden 6200 englische Meilen lange eiserne Röhren gelegt. Vermittelst dieser Röhren wird das Öl von den Teichen, welche sich jetzt auf 21 000 Stück belaufen, nach der Seeküste – einer Entfernung von ungefähr 300 englischen Meilen – gepumpt. Der Wert des Petroleums und der daraus gezogenen Produkte belief sich im Jahre 1877 auf £ 12 000 000 (2 400 000 000 Mark). Im Jahre 1883 betrug seine Ausfuhr nur £ 9 000 000 (180 000 000 M.), obgleich die ausgeführte Menge, 656 363 869 Gallonen (ungefähr 11 505 465 Hektoliter), doppelt so groß war, wie die im Jahre 1877 ausgeführte. Die Gesamtausfuhr bis zum 1. Januar 1884 beträgt etwas mehr als £ 125 000 000 (250 Millionen Mark). Man kann ruhig sagen, daß der Ertrag aus den Ölquellen des westlichen Pennsylvania im stande sein würde, bevor diese Quellen irgendwie erschöpft sind, die gesamten amerikanischen Staatsschulden zu zahlen.
Wir kommen nun zu der allerletzten Entdeckung unserer unterirdischen Schätze: der Gasquellen, welche Pittsburg so geschwind umgaben. Gerade so wie das natürliche Öl auf der Oberfläche von Öl-Creek (Öl-Bach) – daher der Name – zu allererst bemerkt worden, geradeso wurde im nordöstlichen Bezirke von Pittsburg – in einer Entfernung von etwa fünfzehn englischen Meilen – zuerst ein Emporsteigen kleiner Gasblasen auf den Wässern der Bäche bemerkt. Ebenso hatte man im Morast viele Jahre lang ein Gas, in einer Tiefe von zwanzig Fuß bemerkt, welches die Landbauer oftmals für Einkochen des Saftes vom Ahornbaum benutzten, um daraus Zucker zu gewinnen. Der Mittelpunkt dieses natürlichen Gas-Bezirks ist das Dorf Murraysville in der Landschaft Westmoreland. In der Strömung einer dortigen kleinen Mehl-Mühle wurde eine größere, als die gewöhnliche Menge Gas wahrgenommen; infolgedessen ließ vor etwa fünfzehn Jahren eine Gesellschaft von Spekulanten an dem genannten Ort Bohrversuche bis zu einer Tiefe von 900 Fuß vornehmen, doch ohne jedes Resultat. Sieben Jahre später wiederholte eine andere Gesellschaft diese Versuche; sie entschied sich dahin, mit dem Bohren nicht aufzuhören, bevor eine viel größere Tiefe erreicht sein würde. Natürlich hofften sie, auf Ölquellen zu stoßen. Sobald sie jedoch 1320 Fuß tief gebohrt hatten, fand eine so ungeheure Explosion statt, daß die Drillbohrer aus den Bohrlöchern in die Luft geschleudert wurden und alles in Stücke brach. Das Brausen des ausströmenden Gases hörte man bis nach dem fünf englische Meilen entfernten Monroeville. Die bis dahin abgesperrte Kraft hatte endlich einen Ausweg gefunden. Damit entstand eine neue Reichtumsquelle für das, wie meine Leser vielleicht sagen mögen, von der Natur schon vorher allzu günstig bedachte westliche Pennsylvania. Nachdem vier Röhren, jede zwei Zoll im Durchmesser, von der Mündung der Quelle aus gelegt und der Gasstrom durch dieselbe hindurch geleitet war, wurde das Gas angezündet und der ganze Distrikt erschien auf Meilen weit rund herum in Flammen. Man ließ diesen kostbaren Feuerungsstoff volle fünf Jahre lang brennen, da kein Kapitalist auch nur die £ 40 000 (800 000 M.) für die Legung von Gasröhren in die Faktoreien und Mühlen, wo das Gas benutzt werden konnte, herzugeben willens schien.
Ich besuchte den Bezirk vor kurzem und fand dort neue Gasquellen. Das Gas von den drei mächtigsten Quellen strömte immer noch in die Luft aus. In der Tat, ein wunderbarer Anblick. Das Gas strömt mit solcher Gewalt durch die sechs Zoll breite Röhre, welche zwanzig Fuß hoch über die Erdoberfläche aufsteigt, daß es sich erst sechs Fuß hoch über der Röhrausmündung entzündet. In den klaren blauen Himmel blickend, sieht man ohne jede sichtbare Verbindung mit der Erde, einen tanzenden goldenen Geist, welchen der Wind in phantastische Formen wandelt und nach allen Richtungen hin umherwirbelt. Da das Gas aus der Quelle mitten in die Flamme hineinschlägt und teilweise durch die Flamme hindurchströmt, so kräuselt sich der untere Teil der Flamme nach einwärts, bringt dabei die schönsten Lichtwirkungen hervor und sammelt sich in reizenden Falten am Grunde, gleich einer wahren Feuersäule. Und dabei ist nicht auch nur ein einziges Atom Rauch zu bemerken. Jetzt bringen bereits vier verschiedene Röhrenlinien, von denen zwei acht Zoll im Durchmesser haben, das Gas von dem eben beschriebenen Bezirke nach den Fabriketablissements in Pittsburg, und eine fünfte Röhre versorgt unsere Bessemer Stahl-Werke damit, in einer Entfernung von neun bis zehn Meilen. Eine andere Röhre, zehn Zoll im Durchmesser, wird eben gelegt.
Die Kosten für die Röhrenlegung werden, das Wegrecht mit eingeschlossen, jetzt auf £ 1500 (30 000 M.) die Meile berechnet, so daß die Linie nach Pittsburg ungefähr £ 27 000 (540 000 M.) die Meile kostet. Die Bohrungskosten belaufen sich ungefähr auf £ 1000 (20 000 M.). Die dabei befolgte Art des Vorgehens ist folgende: Zuerst wird ein Krahn aufgerichtet; eine sechs Zoll breite, schmiedeeiserne Röhre wird dann unter dem Krahn in die weiche Erde getrieben, etwa 75-100 Fuß tief, bis man auf Gestein stößt. Darauf werden große Drillbohrer im Gewicht von drei bis zu vier Tausend Pfund (1500-2000 Kilo) in Tätigkeit gesetzt; sie steigen und fallen bei jeder Bewegung vier bis fünf Fuß. Die zur Bewegung dieser Bohrer nötige Gasfeuerung wird durch schmälere Röhren von den beiden Gasquellen herbeigeschafft. Nachdem ein acht Zoll großes Loch bis zu einer Tiefe von etwa 500 Fuß gebohrt ist, wird eine schmiedeeiserne Röhre so angelegt, daß sie das Wasser ausschließt. Das Loch wird dann in einem Durchmesser von sechs Zoll so lange weiter gebohrt, bis man auf Gas trifft; sobald man so weit gelangt, wird eine weitere Röhre von vier Zoll Durchmesser angelegt. Man braucht vierzig bis sechzig Tage zum Abtäufen der Quelle und zur Gewinnung des Gases. Die bis jetzt größte Gasquelle ergibt 30 Millionen Quadratfuß Gas in vierundzwanzig Stunden; man schätzt, daß etwa die Hälfte davon auch jede andere gute Quelle ergeben muß. Der Druck des Gases, bei seinem Ausfluß aus der Mündung der Quelle ist beinahe oder ganz gleich 200 Pfund auf jeden Quadratzoll. Eine der von mir untersuchten Spurweiten zeigte einen Druck von 187 Pfund. Sogar bei unseren Werken, die neun Meilen von der Quelle entfernt liegen, beträgt der Druck noch immer 75 Pfund auf den Quadratzoll. Bei einer der Gasquellen wurde eine Zufuhr von reinem Wasser wünschenswert; ich errichtete eine kleine Dampfmaschine, getrieben ohne jede Hilfe durch den Druck des von der Gasquelle einsteigenden Gases; auf diese Weise wurde voller Wasserzufluß von einer Quelle im Tal erlangt. Selbstverständlich hat man verschiedene Theorien über die Ursprungsart und Ausdehnung dieses Gasgürtels aufgestellt. Die Zahl der im Murraysville-Bezirk gebohrten Quellen läßt diesen Gasgürtel auf eine halbe Meile Umfang schätzen, ja südöstlich von Murraysville sogar in einer Ausdehnung von fünf bis sechs Meilen. Die darüber hinausgebohrten Quellen ergaben solch ungeheuren Strom von salzigem Wasser, daß dieser das Gas nahezu ertränkte; wenn auch hier etwas Gas zu Tage kam, waren doch die gewonnenen Gasmengen für irgendwelche Ausnützung nicht bedeutend genug; sie bewiesen eben nur, daß überhaupt Gas vorhanden war. Sachverständige nehmen daher an, daß unter den Gasquellen große Salzwasserflächen existieren müssen. Verschiedene Quellen sind in der Stadt Pittsburg und deren Umgebung gebohrt worden; doch auch hier hat das Salzwasser gleichen Schaden für das Gas angerichtet. Ein mir befreundeter Geologe belehrte mich, daß die Bodenlage ungefähr 6000 Fuß tief nahe Pittsburg einsinkt; seiner Annahme nach ist diese ganze tiefere Niederung einst mit Salzwasser angefüllt gewesen; deshalb haben sich alle Gasbohrversuche in diesen Bezirken erfolglos gezeigt. Ob noch tiefere Bohrung oder ein Verfahren für Absperrung des Wassers diese Schwierigkeit überwältigen wird, bleibt abzuwarten. Nordwestlich von Murraysville ist nur wenig für Feststellung einer Ausdehnung des Gasgürtels getan. So viel über den Murraysville-Bezirk, der den größeren Teil alles in Pittsburg verbrauchten Gases liefert.
Wenn meine Leser eine Karte vom westlichen Pennsylvania zur Hand nehmen und dem Alleghany-Flusse einige zwanzig Meilen von Pittsburg aus folgen, dann werden sie die Stadt Tarentum, den Mittelpunkt des zweiten gasreichen Bezirks, bemerken. Dort sind verschiedene reiche Gasquellen entdeckt, und es ist gar leicht möglich, daß die Zukunft dort ähnliche Naturreichtümer wie die im Marraysville-Bezirk aufdecken wird. Eine kürzlich dort aufgefundene Quelle kann sehr wohl mit den Quellen im letztgenannten Bezirke verglichen werden. Unlängst hat sich eine Kapitalistengruppe gebildet, um das Gas in Röhren, die in den Alleghany-Fluß eingebettet werden sollen, bis nach Pittsburg zu bringen; ich zweifle nicht daran, daß bis Ende 1885 diese Gaskanäle bereits in Gebrauch sein werden, und daß Tarentum uns eine große Menge von Gas liefern wird. – Ich komme nun zu dem dritten Bezirk; sein Mittelpunkt ist das Landstädtchen Washington in Pennsylvania; es ist ungefähr fünfundzwanzig Meilen von Pittsburg entfernt. Ich fuhr nach diesem Bezirk hinaus und blieb eine Nacht über im Hause eines Freundes, zwölf Meilen von den Quellen entfernt. Sie waren in Feuer gesetzt, und der ganze Himmel war glänzend von ihnen beleuchtet. Obgleich so weit entfernt, hatten wir doch den Eindruck, als rase ein großes Feuer. Am nächsten Morgen fuhren wir zu den Quellen. Eine lange Röhre war bereits gelegt; sie trägt das Produkt einer diese Quellen zu den Eisenwerken, dem Ufer des Ohio entlang bis Pittsburg; zwei andere Röhren sind gleichfalls in Angriff genommen. Was wir hier sahen, war ganz ähnlich dem im Murraysville-Bezirk Bekannten; nur mit dem Unterschiede, daß hier das Gas von dem Ausfluß der Gasquellen in auf dem Boden liegenden Röhren geleitet wird, während es im Murraysville-Bezirk gerade aufrecht und hoch in die Luft schießt. Wenn man von dem Rande über die erste Quelle ins Tal hinunterblickt, scheint das Ganze ein ungeheurer runder Ring, dessen Grün verbrannt ist und dessen Grund unter der Flamme erglüht. Der Ring war ganz kreisrund, da der Wind die Flamme von einer Richtung zur anderen im Kreise herumtrieb; der Anblick der großen goldenen, abschüssig am Boden lagernden Flamme, die mit dem Winde spielte und nach jeder Richtung hin umherwirbelte, überwältigte geradezu. Die große Bestie Apollyon schien, jedoch ohne jeden Rauch, von ihrem Lager wieder auferstanden.
Im allgemeinen gilt Amerika als das Land der Auswanderung; allein die Wanderungen der Menschen über die ganze Erde werden von Tag zu Tag allgemeiner. Die angelsächsische Rasse wächst rastlos überallhin empor. Da ich einen Augenblick anhielt, um über den Zaun zu klettern und herunterzugehen zu dem feurigen Ungetüm, erblickte ich folgende Ankündigung:
Öffentlicher Verkauf.
Der Unterzeichnete, im Begriff nach Australien überzusiedeln, will am Donnerstag, den 25. September, zum Verkauf ausbieten auf seinem Wohnsitz, der als Frau Andrew Carlisle's Farm, 1½ Meilen östlich von Hickory an der Hickory und Washington-Straße, wohlbekannt ist, die ganzen Haushaltungs- und Küchenmöbel, bestehend aus Pulten, Bettstellen, Betten, Stühlen, Tischen, Anrichtetischen, Kochofen; also alles, was er besitzt. Beginn des Verkaufs pünktlich 1 Uhr; die Bedingungen werden zu dieser Stunde bekannt gegeben.
William Tiplady.
A. W. Cummins, Auktionator.
Was in aller Welt mochte wohl Herrn Tiplady aus dieser schönen Gegend, einem der besten Ackerlands-Bezirke in ganz Amerika, vertrieben haben, gerade im Augenblicke, da unerwartete Schätze in der Erde, unmittelbar unter seinen Füßen entdeckt wurden? Schätze, welche eine unbegrenzte Tätigkeit in dem Bezirk verhießen und jedermann die leichte Möglichkeit gaben, mehr als sein Auskommen zu finden? Verschiedene Mutmaßungen wurden aufgestellt; am wahrscheinlichsten schien, daß er Verwandte in Australien besaß, in deren Mitte er seine Tage zu beschließen wünschte. Der Name war uns allen vollkommen unbekannt; allein er ist sehr ähnlich den vielerlei zusammengesetzten Namen, die während unserer letzten Wagentour durch das südwestliche England in so hohem Grade unsere Aufmerksamkeit erregten; wir meinten deshalb, er müsse von dem englischen Mutterlande herübergekommen sein. Wahrscheinlich war der eine der Brüder nach den Antipoden ausgewandert, während ein anderer den Schutz der Republik suchte. Wirklich unsere Rasse ist eine wahre Nomadenrasse, weithin und rastlos über die Erde wandernd.
Als wir unsere Hände auf die zitternde Röhre an der Quelle legten – es braucht starke Nerven, sich dem tobenden Gebrüll und der wirbelnden Flamme zu nähern – und dort standen, waren wir von der eisigen Kälte überrascht. An einer der Quellen, bei der eine Holzdecke über die Ventilklappe gelegt worden, bedeckte eine schöne Eisschicht von etwa einer achtel Elle Dicke, durch die Verdichtung hervorgerufen, die Röhre. Neue Brunnen wurden gerade jetzt aufgedeckt; augenscheinlich ist die Landschaft Washington dazu bestimmt, wesentlich zu den in Pittsburg verbrauchten Gasmengen beizusteuern So wurde die Existenz von Gas bereits für drei Viertel eines die Stadt Pittsburg voll umgebenden Kreises, für eine Entfernung von fünfzehn bis zwanzig Meilen, in großen Mengen nachgewiesen. Das Gas wartet hinter seinem Sandfelsen nur noch auf Befreiung.
Kommen wir nun zur praktischen Ausnützung des natürlichen Gases. Die erste Frage ist selbstverständlich: Wie lange wird es andauern?
Freunde von mir, die mit Ölländereien, mit denen Gasland vieles gemeinschaftlich hat, wohl vertraut sind, versichern mir, daß selbst nach zwanzig Jahren das gegenwärtig bekannte Gasland nicht erschöpft sein wird. Auch scheint es kaum möglich, daß wir schon alles Gasland entdeckt haben. Der Bruch im Gasgürtel nahe Pittsburg ist vermutlich ein mehr örtlicher Fehler, sodaß südwestlich von Pittsburg der Gasgürtel sich höchstwahrscheinlich noch viele Meilen lang ausbreitet. Voraussichtlich werden wir hier ähnliches wie mit der Ölregion erleben. Monat auf Monat ertönte der Schrei, die Erde könne solche Verschwendung nicht aushalten! Nicht nur Ölflüsse, sogar ganze Seen von Öl müßten sich zuletzt erschöpfen, wenn 70 000 Fässer täglich herausgeschöpft würden. Spekulanten mischen sich zeitweise ein und kaufen Millionen von Fässern auf, in der bestimmten Erwartung, daß der Vorrat an Öl sich erschöpfen müsse, und doch lähmt oder ruiniert jede darauf bauende Spekulation ihre Urheber. Früher galt der Petroleum-Preis von £ 2 (40 Mark) das Faß für billig; dann fiel der Preis auf £ 1 (20 Mark), und dann ging er sogar auf 4 Sh. herunter; jetzt aber (1885) kostet das Faß Petroleum nur noch 2 Sh. 10 d., und dabei ist der Vorrat größer als je zuvor. Es verspricht mit Gas gerade so zu werden.
Wie man mir mitteilt, ist für die Bereitung von Glas, das in ungeheuren Massen zu Pittsburg fabriziert wird, Gas in jeder Beziehung wertvoller und auch handlicher als Kohle, da es die Qualität des Produktes erhöht. Eine Firma in Pittsburg macht jetzt Glasplatten von ungeheurer Größe, welche an Güte dem eingeführten französischen Glase vollkommen ebenbürtig sind; sie ist dazu imstande durch Gebrauch von Gasfeuer. Auch in der Eisen- und ganz besonders in der Stahlfabrikation wird die Qualität durch den neuen Feuerungsstoff bedeutend verbessert. In unseren Stahlschienenwerken haben wir während der letzten Zeit auch nicht ein einziges Pfund Kohle mehr verwendet; desgleichen in unseren Eisenwerken. Die Veränderung ist geradezu staunenerregend. In einem Dampfkessel-Hause, in dem wir früher neunzig Heizer beschäftigten und 400 Tonnen Kohle täglich brauchten, kann der Besucher eine lange Reihe von Dampfkesseln entlang gehen und sieht all diese Kessel von einem einzigen Manne bedient. Nachdem das Haus einmal gründlich gereinigt, ist der frühere Feuerungsschmutz für immer verschwunden; auch die Essen rauchen nicht mehr. In den Union-Eisenwerken haben unsere Puddelarbeiter die zu ihren Schmelzöfen gehörigen Kohlen-Bunker weiß gewaschen. Die meisten und vorzüglichsten Eisen- und Glaswerke in Pittsburg benutzen entweder schon das Gas als Feuerungsmaterial oder machen Vorbereitungen für seine Benutzung. Nicht nur werden die Kosten für die Kohlen, sondern auch die großen Kosten für Handhabe und Anfeuerung der Kohlen erspart; zugleich sind die Reparaturkosten für die Kessel und Roststangen bedeutend geringer. Der folgende Auszug aus einem an die amerikanische Gesellschaft mechanischer Ingenieure erstatteten Bericht giebt eine Idee von dem Werte des neuen Feuerungsstoffes.
»Natürliches Gas ist nach dem Wasserstoffgas die machtvollste aller Gasfeuerungen, und, richtig verwendet, eine der sparsamsten, weil fast die ganze ihm eigene Heizungskraft in verdampfendem Wasser benutzt werden kann. Frei, wie es ist, von allen schädlichen Bestandteilen, besonders von Schwefel, bringt es besseres Eisen, Stahl und Glas, als Kohlenfeuer zustande. Es macht den Dampf regelmäßiger, da es kein Öffnen der Kesseltüren und keine leeren Räume an den Rostbarren für Einlaß kalter Luft frei läßt; richtig gehandhabt, reguliert es den Dampfdruck, sodaß der mit der Beaufsichtigung der Kessel betraute Arbeiter nur nach dem Wasser zu sehen hat; und selbst das könnte unterbleiben, wenn man einem so flüchtigen Wasser-Tender voll vertrauen wollte. Die Kessel werden länger halten, auch können weniger Explosionen infolge Ausdehnung und Zusammenziehung – dadurch hervorgerufen, daß kalte Luftmassen an heiße Platten kommen – entstehen.«
*
»Ein Versuch wurde gemacht, den Wert des Gases als Brennstoff im Vergleiche zur Kohle als dampferzeugender Kraft festzustellen; man benutzte dabei eine Retorte oder Sieder von zweiundzwanzig Zoll im Durchmesser, zehn Fuß lang mit vierzölligen Röhren. Der Sieder wurde mit auserwählter Youghiogheny-Kohle, in Stücken von etwa 4 Kubikzoll, geheizt; der Ofen mußte so gefüllt werden, um vermittels der dem Sieder verbundenen Esse die besten Erfolge zu erzielen. Mit jedem Pfund verbrauchter Kohle wurden neun Pfund Wasser in Dampf verwandelt. Das Wasser wurde mit zwei Messern – das eine Mal bei der Aufsaugung und das zweite Mal bei der Entladung – gemessen. Man ließ das Wasser in einen Wärmer zu einer Temperatur von 60-62° ein; dann wurde der Wärmer, der von dem Sieder nach der Esse ging, in den Strom gestellt, sowohl für den Versuch mit dem Gase, wie für den mit der Kohle. Bei den entsprechenden Berechnungen wurde der im Pittsburger Bezirk allgemein gebrauchte 76 Pfund Scheffel verwendet. Auf jeden Scheffel wurden 684 Pfund Wasser in Dampf verwandelt, was 60,9 Prozent des theoretisch berechneten Wertes der Kohle entsprach. Wo Gas mit demselben Sieder brannte, aber mit einem anderen Schmelzofen, fand man, daß bei einem Pfunde Gas auf 23,5 Kubikfuß das in Dampf verwandelte Wasser im Werte von 20,31 Pfund oder 83,4 Prozent der berechneten (theoretischen) Wärmeeinheiten nutzbar gemacht wurde. Der Dampf selbst stand unter atmosphärischem Druck, und eine Öffnung war angebracht, groß genug, jeden Druck von hintenher zu vermeiden; dabei war der Verbrennungsprozeß sowohl des Gases wie der Kohle durchaus nicht besonders schnell. Man fand, daß die untere Röhrenreihe verstopft und dann dieselbe Wassermasse mit Kohle in Dampf verwandelt werden konnte. Dagegen ergab es sich, daß mit Gas, selbst wenn man alle Röhren an dem der Esse nächsten Ende schloß und nur soviel offen ließ, um der Verbrennungsstoffe ledig zu werden, fast ganz dieselben Resultate erzielt werden konnten, sobald der gegen die Wände des Schmelzofens geübte Druck gleich drei Unzen, also möglichst kräftig war. Daraus durfte man schließen, daß der größte Teil der Arbeitsleistung am Schlote des Sieders geschieht.«
Die einzigen bisher gemachten Analysen dieses natürlichen Feuerungsmaterials, soweit solche veröffentlicht wurden, stammen von unserem ersten Chemiker, Herrn Ford. Die dazu benutzten Gasproben sind von der Mündung der Röhre in unsere Stahlschienenwerke genommen, nachdem das Gas neun Meilen weit von den Quellen herkam.
Herr Ford schreibt mir, wie folgt:
»Ich übersende vier meiner letzten Analysen, welche an demselben Tage, da ich die Gasproben erhielt, gemacht wurden. Vorläufig sind diese Untersuchungen noch in ihren Anfängen. Ich möchte, sobald meine Arbeit im Laboratorium für die Stahlwerke mir dazu die nötige Zeit läßt, Gasproben von verschiedenen Quellen nehmen und eine Sammlung ihrer vorzüglichen Bestandteile anlegen. Ich glaube, ich habe bezüglich dieser Bestandteile einige sehr interessante Tatsachen entdeckt; allein es wäre recht töricht, schon jetzt meine Meinung darüber näher zu äußern, da ich bis jetzt weder Zeit noch Gelegenheit gehabt habe, die verschiedenen Quellen zu besuchen und eine Sammlung aller ihrer Bestandteile anzulegen, um so meine ersten Eindrücke bestätigt zu finden.
Die von mir gemachte Entdeckung, daß natürliches Gas im Laufe der Zeit seine Bestandteile ändert, dürfte viele in Erstaunen setzen und neue Anregungen zum Nachdenken geben. Ich wünschte wohl Gewisses darüber, ob das natürliche Gas aus anderen Quellen ebenso sehr sich verändert, wie das von Murraysville; wenn das Gas einiger Quellen sich verändern, das von anderen dagegen stets dasselbe bleiben sollte, so erstände natürlicherweise die Frage, welche Quellen die mehr ausdauernden sind? Die Tatsache der Verschiedenheit des Gases von denselben Quellen wird sicher ein neues Licht über die Entstehung des Gases werfen und, wie ich glaube, möglicherweise auch neues Licht auf das Petroleum-Problem. Mit Rücksicht darauf, daß ich die verschiedenen Seiten des Problems im Auge hatte, möchte ich meine Ansichten erst durch zahlreiche Analysen bestätigt und wieder bestätigt sehen, bevor ich meine Resultate veröffentliche. Indem ich hoffe, daß die beifolgenden Analysen Ihren Zwecken entsprechen, verbleibe ich u. s. w.
S. A. Ford.«
Analysen des natürlichen Gases.
Gas | Gas | Gas | Gas | Gas | |
Kohlensäure | – | 0,61 | 0,81 | – | 0,67 |
Sauerstoff | 2,60 | 0,40 | 0,61 | 0,61 | 2,90 |
Olefiantgas | 0,80 | 0,61 | 0,81 | 0,61 | 2,45 |
Kohlenoxyd | 0,40 | 0,61 | 0,81 | 0,40 | 3,12 |
Wasserstoffgas | 3,51 | 29,75 | 2,94 | 19,67 | 31,52 |
Sumpfgas | 88,40 | 68,01 | 94,02 | 78,72 | 39,97 |
Stickstoffgas | 4,29 | – | – | – | 19,35 |
Angaben in Percent.
Herrn Fords Untersuchungen stehen, soviel ich weiß, bis jetzt einzig da, und meine Leser finden darin alles, was bisher über das natürliche Gas wissenschaftlich feststeht.
Wie, wo und in welchem Maßstabe Gas in den unteren, bisher noch nicht bekannten Regionen erzeugt wird, sind wir nur zu vermuten im stande. Klar bewiesen dagegen ist, daß sich Gas in jeder Richtung rund um Pittsburg herum, vom Nordwesten abgesehen, findet, und daß der Gasgürtel in der Nähe von Murraysville ungefähr eine halbe Meile lang ist; dennoch sind damit die wirklichen Grenzen der Gasvorräte noch nicht erreicht, denn sogar, während ich diese Zeilen schreibe, kommt die Nachricht von einer mächtigen Quelle, auf die man zu Canonsburgh gestoßen: einem Orte, der etwa acht Meilen von den Quellen, die ich in der Landschaft Washington besuchte, entfernt liegt; daneben ist eine neue Region westlich von Canonsburgh unlängst in Angriff genommen, deren Gas in den Fabrik-Anlagen zu Beaver Falls (Pennsylvania), fünf Meilen westlich von Pittsburg, verwendet wird.
Wir mögen daher sehr wohl zu dem Schlusse kommen, daß Pittsburg den Mittelpunkt bildet für eine Gaserzeugung, welche mehrere Quadratmeilen bedeckt, und daher wohl hinreicht, all das Gas zu erzeugen, welches innerhalb seines Bezirkes der gegenwärtigen Generation nötig ist, sowohl für Fabrik- als für häuslichen Bedarf. Am Ende des laufenden Jahres (1885) werden acht Röhrenlinien das Gas nach Pittsburg bringen, und doch wird die Menge des schon empfangenen Gases und dessen, was jetzt ungenützt draufgeht, die Leistungsfähigkeit dieser Linien noch übertreffen. Zwei dieser Röhren sind 5-5,8 Zoll im Durchmesser, vier betragen acht Zoll, eine erreicht zehn Zoll und eine andere zwölf Zoll im Durchmesser.
Verschiedene Theorien wurden für die Erklärung des Daseins dieses Brennstoffes aufgestellt. Am vernünftigsten scheint mir die, welche mir Professor Dewar in Cambridge gab, der uns unlängst besuchte und von der neuen Reichtumsquelle einen tiefen Eindruck gewann. Er glaubt, daß das Gas unaufhörlich sich selbst aus dem Naturöl destilliert, oder von ungeheuren Lagern von Materie, welche langsam in Öl sich verwandelt, kommt, und daß wir deshalb noch lange, nachdem die Ölregion aufgehört haben wird, Öl in beträchtlichen Mengen zu liefern, trotzdem weiter eine genügende Zufuhr von Gas haben werden; denn je seichter das Öllager werde, desto günstiger würden die Bedingungen für seine schnelle Destillation. Es ist daher wohl wahrscheinlich, daß Pittsburg, welches heute den Ruf genießt, die bei weitem schmutzigste Stadt der ganzen Welt zu sein, später einmal das andere Extrem erreichen und aus der schmutzigsten und rauchigsten die reinste Stadt der Welt werden wird. Wie dem aber auch immer sein mag, eines, denke ich, dürften nur wenige bestreiten: daß, umgeben von solchen Hilfsquellen, wie ich sie hier zu beschreiben versucht habe, Pittsburg, soweit unterirdische Schätze in Frage kommen, heute die Metropolis des reichsten Bezirkes der Welt ist.
Anmerkung: So wenig sparsam ist man mit dem hier besprochenen natürlichen Feuerungsstoff umgegangen, und so groß war die mit ihm getriebene Verschwendung, daß sogar das scheinbar Unerschöpfliche infolge seiner neueren Spärlichkeit kostbar geworden; das Gas, welches früher durch die weiten Röhren flatterte und die Straßen selbst der kleinsten Städte mit fünf Fuß hohen Flammen erleuchtete, wird jetzt meterweise vermessen und nach Tausenden von Kubikfuß verteilt.