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X.
Geschäft

Geschäft ist ein viel umfassendes Wort, und seine ursprüngliche Bedeutung deckt den ganzen Umkreis des menschlichen Tuns.

Es ist das Geschäft des Predigers, zu predigen, des Arztes, zu heilen, des Dichters, zu schreiben, des Universitäts-Professors, zu lehren und des Studenten – so möchte man nach dem Maße der Aufmerksamkeit, welche dieser Beschäftigung zugewendet wird, beinahe denken – Fußball zu spielen.

Ich will nicht über »Geschäft« in diesem allumfassenden Sinne sprechen, sondern mehr über »Geschäft«, soweit das Wort im »Century Dictionary« erklärt wird:

»Geschäftliche und industrielle Zwecke im allgemeinen genommen, Tätigkeit, welche Kenntnis von Rechnungablegung und finanziellen Methoden erfordert, Tätigkeit des Geschäftsbetriebes, oder irgend welche anderen Geld-Transaktionen.«

Die weitere Erklärung ist bemerkenswert und macht diese Anschauung von »Geschäft« noch deutlicher. Sie lautet:

»Es kommt selten vor, daß studierte Leute den Ruf großer Geschäftskenntnis erlangen«.

Doch wir müssen noch einen Schritt weiter gehen und »Geschäft«, wie ich es betrachten will, noch näher definieren. Ist ein Eisenbahn-Präsident, der ein festes Gehalt empfängt, oder ein Bank-Präsident, oder irgend ein anderer mit Gehalt angestellter Beamter ein Geschäftsmann zu nennen? Streng genommen, nein; denn ein Mann muß, um als Geschäftsmann zu gelten, mindestens ein Teilhaber des betreffenden Unternehmens sein, das er leitet und dem er seine Aufmerksamkeit widmet; seine Einnahmen müssen nicht vom Gehalt, sondern vom Gewinn des Geschäftes abhängig sein. Diese Anschauung schließt die mit Gehalt angestellte Klasse einfach aus. All diese Leute sind keine wirklichen Geschäftsleute, aber viele unter ihnen waren es früher und zwar mit großem Erfolge. Der wirkliche Geschäftsmann wirft sich mit voller Kraft und vollen Mitteln in das Meer des Geschäfts, ohne den Schwimmgürtel eines Gehalts; er riskiert alles. Mit Gehältern kann man kein großes Vermögen erwerben, mögen sie auch noch so groß sein. Der Geschäftsmann aber strebt nach Vermögen. Ist er weise, so tut er alle seine Eier in ein und denselben Topf und wacht über den Topf. Wenn er ein Kaffee-Kaufmann ist, dann widmet er sich ganz dem Kaffee, als Zuckerhändler, ganz dem Zucker und läßt den Kaffee unberücksichtigt; nur wenn er seinen Kaffee trinkt, mag er Zucker hineinmischen. Gräbt und verkauft er Kohlen, dann habe er nur auf die schwarzen Diamanten acht; sobald er Schiffe besitzt und segeln läßt, dann widme er sich ganz dem Schiffsverkehr. Er versichere seine eigenen Schiffe nicht weiter, sowie er Kapital genug besitzt und den Verlust eines Schiffes überstehen kann, ohne seine Zahlungsfähigkeit zu gefährden. Wenn er Stahl fabriziert, soll er beim Stahl – dem Kupfer aber fern – bleiben. Gräbt er Eisenstein, möge er einzig und allein dabei bleiben und jede andere Art des Bergwerksbetriebes vermeiden, besonders Silber- und Goldbergwerke; das alles ist ratsam, weil ein Mann nur in einem Geschäft vollkommen Meister sein kann; und selbst das vermag nur ein fähiger Mensch.

Ich habe niemals gefunden, daß jemand auch nur zwei verschiedene Arten von Geschäften gleich gut verstanden hätte; solch ein Mann ist eben so schwer zu finden wie jemand, der mit gleicher Vollkommenheit in zwei Sprachen denkt.

Teilung und Spezialisierung der Arbeit ist heutzutage die Parole.

Ich habe hier alle Arten von Studierenden vor mir. Ein Einblick in Ihre Herzen, meine jungen Freunde, würde mich verschiedenerlei Ehrgeiz bei Ihnen erkennen lassen. Einige erstreben eine ausgezeichnete Stellung in einem bestimmten Berufe; manche unter Ihnen wollen Juristen, andere Geistliche, andere wieder Lehrer, Ärzte, Baumeister, Elektriker und Ingenieure werden. Jeder hat wohl ein Ideal vor sich: einen der Männer, der die höchste Stellung in dem betreffenden Berufe erlangt hat. Mit der Erreichung des Höchsten in seinem Lieblingsberufe würde sein Ehrgeiz voll erfüllt sein. Wenigstens glaubt er das jetzt selbst. Mit diesen Klassen von Berufsenthusiasten will ich mich nun hier nicht weiter befassen. Trotzdem bleiben die Eigenschaften für einen vollen Erfolg in den soeben genannten Berufen eigentlich ganz dieselben, wie die, welche für eine erfolgreiche geschäftliche Laufbahn nötig sind. Deshalb findet auch das, was ich zu sagen habe, mehr oder weniger auf alle Anwendung.

Neben den bereits genannten Berufen ist der Beruf des Geschäftsmannes besonders der Betrachtung wert: des Mannes, der dem wandelbaren Meere des geschäftlichen Lebens sich anvertraut und all seine Kräfte dem Gelderwerbe widmet, damit er ein großes Vermögen gewinne und, wenn möglich, Millionär werde. Ich bin fest davon überzeugt, daß dieses Ihr erster und hauptsächlichster Gedanke; dennoch ist das nicht alles, was Sie mit einer geschäftlichen Laufbahn erstreben; Sie alle fühlen, daß dabei die Gelegenheit geboten wird, große Fähigkeiten zu zeigen: Unternehmungsgeist, Tatkraft, Urteil und all die besten Wesenheiten der menschlichen Natur; ebenso darf ich annehmen, daß Ihrer Auffassung nach Geschäftsleute einen der Gesellschaft nützlichen Dienst erweisen.

Ich will nun versuchen, einiges Licht über den Weg zum geschäftlichen Erfolge zu verbreiten und auf einige der gefährlichsten Klippen und Felsen in dem verräterischen Meere hinweisen, indem ich Ihnen zugleich einige Winke dafür gebe, wie Sie Ihr Schiff zu lenken oder Ihr Boot zu rudern haben; ob beispielsweise schneller oder langsamer Ruderschlag Ihnen den Preis in dem langen Rennen zu sichern vermag.

Lassen Sie uns denn mit dem Anfang beginnen. Wird sich irgend ein junger Geschäftsmann mit dem Gedanken zufrieden geben, sein ganzes Leben lang nur für festes Gehalt zu arbeiten? Ich bin sicher, nicht einer. Darin zeigt sich die Linie, welche den wirklichen Geschäftsmann von dem Nichtgeschäftsmann trennt. Der eine ist sein eigener Herr und hängt in seinem Fortkommen von selbstgemachtem Gewinn ab. Der andere ein Diener, der einzig und allein von seinem Gehalt abhängt. Selbstverständlich haben Sie alle als bloße Angestellte zu beginnen; allein Sie sollten nicht alle damit enden.

Gewöhnlich werden Sie viele Schwierigkeiten haben, überhaupt nur einen Anfang zu machen, ausgenommen der außerordentlich Vorgebildete. Für ihn bestehen dergleichen Schwierigkeiten nicht; er hat die Aufmerksamkeit seiner Lehrer auf sich gezogen; diese kennen viele Geschäftsleute. Er erhielt Preise, ist der erste in seiner Klasse und hat ungewöhnliche Fähigkeiten sowie Eigenschaften des Charakters gezeigt, die im allgemeinen Wettbewerbe von allergrößtem Werte sein müssen; er hat sich als ein Mann von großer Selbstachtung, von untadelhaften Gewohnheiten, gesundem Menschenverstand, richtiger Methode und unermüdlichem Fleiße gezeigt; seine Mußestunden wendet er zur Erweiterung seiner Kenntnisse an, zu einer Arbeit, die seine besondere Freude ist. Und noch etwas anderes, sehr Wichtiges kommt hinzu: seine Geldverhältnisse sind jederzeit geordnet; gewissenhaft weiß er sich nach der Decke zu strecken und endlich hat er, was keineswegs das unwichtigste ist, dargetan, daß er mit ganzer Seele in seiner Arbeit lebt. Zu all dem besitzt er das, was in den meisten Fällen eine starke Gewähr für Fleiß und nützlichen Ehrgeiz bedeutet: Mangel an Reichtum; er wird deshalb gezwungen, sich selbst seinen Weg in die Welt zu bahnen. Auch ist er noch kein Millionär, sondern will nur erst einer werden. Er hat keinen reichen Vater, oder was beinahe noch besser, keine reiche Mutter, die ihn im Müßiggange unterstützen würde, sollte er sich als untüchtig erweisen; er besitzt keinen Schwimmgürtel und muß daher ganz aus eigenen Kräften entweder schwimmen oder untergehen. Ehe dieser junge Mann noch die Hochschule verläßt, ist er schon ein Auserwählter. Mehr als ein weiter Weg liegt vor ihm offen. Alle Türen tun sich ihm auf, bevor er noch angeklopft hat; der kluge Arbeitgeber wartet geradezu auf ihn. Nicht das schriftliche Zeugnis seines Professors – denn Zeugnisse müssen immer oft gelesen werden und werden bis zu einem bestimmten Grade ja auch gelesen – sondern ein oder zwei Worte, die jener mit dem Geschäftsinhaber wechselt, welcher immer nach dem außerordentlich fähigen und gebildeten jungen Mann auf der Lauer liegt, sichern ihm alles, was ein junger Mann einzig und allein bedarf – nämlich ein Beginnen. Die wertvollste Erwerbung für einen Geschäftsmann bleibt der außerordentlich fähige junge Mann; kein anderes Geschäft zeigt sich für den Arbeitgeber so gewinnbringend, wie dieses. Selbstverständlich hat der Durchschnittsstudent große Schwierigkeiten; doch zuguterletzt findet auch er eine Stellung. Gerade die Laufbahn des besonders befähigten Studenten illustriert am besten den Weg zum Erfolge. Wir brauchen seinetwegen nicht besorgt zu sein; er macht seinen Weg. Er fängt mit sehr kleinem Gehalt und mit Arbeiten an, welche er vielleicht seiner nicht für ganz würdig hält, dennoch tut er alles, was er tut, gründlich.

Eines Tages lenkt eine von dem jungen Mann gemachte Bemerkung oder eine seiner Handlungen die besondere Aufmerksamkeit seiner unmittelbaren Vorgesetzten auf ihn.

Angenommen, er sei ein Elektriker oder Ingenieur und komme von Sibley, einer nach jeder Richtung empfehlenswerten Schule. In den großen Fabrikwerken, welche so glücklich sind, sich seine Dienste zu sichern, wird er zunächst mit niedrigen Handhabungen beschäftigt; allein er entdeckt sehr bald, daß ein paar Dampfkessel nicht ganz heil und daß die Dampfmaschinen oder Motoren, nach falschen Prinzipien konstruiert, übermäßig viel Feuerung verbrauchen; auch wie eine der Dampfmaschinen über kurz oder lang allerlei Ungelegenheiten bereiten muß; er hat gewisse Gründe anzunehmen, daß der Maschinenbauer keine ehrliche Arbeit geliefert. Daher hält er es für seine Pflicht, sofort einzuschreiten, um das Geschäft von gefährlichen Zufällen zu behüten. Er entwirft ein paar Zeichnungen, unterbreitet dieselben seinen Arbeitgebern mit Vorschlägen, wie die von ihm bemerkten Schäden abzustellen sind und benutzt dabei die neuesten wissenschaftlichen Grundsätze, welche er in Sibley erlernte. Der Eigentümer des Geschäfts ist zunächst, wie ganz selbstverständlich, durchaus nicht dazu geneigt, Geld auszugeben; ja, er ärgert sich darüber, daß seine Maschinen ganz und gar nicht das sind, was sie sein sollen. Allein, obgleich er seinem Mißbehagen offenen Ausdruck gibt und den jungen Mann für einen Augenblick stutzig macht, fährt er ihn doch nicht hart an; sobald erst seine üble Laune vorübergeht, lernt er von ihm, wieviel ein paar Tausend Dollars, sofort richtig verwendet, in Zukunft sparen dürften und zum Schluß stimmt er zu und sagt dem jungen Sibley-Studenten, er solle die Sache in die Hand nehmen und sie, ganz seinen Vorschlägen gemäß, in Ordnung bringen.

Jetzt ist das Glück dieses jungen Mannes schon so gut wie gemacht. Selbstverständlich bleibt ihm immer noch ein gutes Teil zu tun übrig. Der junge Mann hat Eifer und Geschicklichkeit bewiesen, er zeigte, daß er die erste unerläßliche Eigenschaft für jedes Geschäft: richtiges Urteil – und eine zweite nicht weniger wertvolle Eigenschaft besitzt: volle Hingabe an seine Arbeit, welche ihn jede andere Tätigkeit und jede Versuchung beiseite schieben läßt. Alle anderen Beschäftigungen, Studien und Vergnügungen ordnet er dem Geschäfte unter; das Geschäft ist ihm eben alles. Schnell steigert sich infolgedessen sein Gehalt. Weiß sein gegenwärtiger Arbeitgeber seine Verdienste nicht genügend zu schätzen, so tut das nichts, der junge Mann findet sehr bald einen besseren. Im allgemeinen trifft dieser Fall nur selten zu; denn jeder intelligente Geschäftsmann fühlt sich glücklich, wenn er sich einen besonders tüchtigen jungen Mann zu sichern vermag. Immerhin ist Vertrauen eine nur langsam aufblühende Pflanze, und der Weg von einem bloßen Mietling mit hohem Gehalt zum wirklichen Teilhaber des Geschäftes ist noch sehr weit. Folgen wir ein wenig diesem Wege!

Bei verschiedenen Gelegenheiten muß der junge Mann dem Privathause seines Prinzipals einen Besuch abstatten. Er wird dort seinen Verdiensten gemäß aufgenommen, und sein Prinzipal beginnt jetzt, bei sich selbst zu überlegen, ob er ihn zu seinem Partner machen soll. Und dabei kommt ihm die Frage aller Fragen: Ist der junge Mann ehrlich und treu? Denn jeder ehrenhafte Geschäftsmann sucht in seinem Partner zunächst »der Ehre Seele«, und selbst der, welcher auch nur, um ihm selbst zu dienen, den schmalen Pfad der Ehre verlassen hätte, würde nur sein Vertrauen verwirken. Ja,, meine jungen Freunde: es kommt wohl bisweilen vor, daß nicht nur junge, sondern auch alte Leute in der Übereilung heiraten, und das ist immer eine große Torheit; allein glücklicherweise wird Teilnehmerschaft am Geschäft nur sehr selten in Übereilung angeboten. Nicht eine oder zwei Eigenschaften allein sichern eine Teilnehmerschaft,, sondern die ganze volle Persönlichkeit, mit in vieler Hinsicht wünschenwerten und in keiner Hinsicht unangenehmen Eigenschaften sowie mit hervorragenden Fähigkeiten nach einer oder zwei Richtungen hin. Wir hören die Behauptung oft aufstellen, es sei heutzutage unmöglich für junge Leute, Geschäftsherrn zu werden, weil das Geschäft gegenwärtig in so großem, ja ungeheurem Stile betrieben wird, und das dazu nötige Kapital sich auf Millionen beläuft; der junge Kaufmann sei deshalb für immer an das Leben eines bloß Angestellten gefesselt. Zweifellos liegt darin etwas Wahres, soweit die großen Gesellschaften in Frage kommen, weil wirklich hier ein Interesse nur durch Kapital zu erhalten ist; man kann für so und soviel Geld so und soviel Aktien kaufen. Da nun die jungen Leute, an welche ich gegenwärtig meine Worte richte, wie ich hoffe, nicht ihr ganzes Leben lang nur Angestellte bleiben wollen, sondern entschlossen sind, eher oder später Geschäftsleute, d. h. Geschäftsherrn zu werden, so glaube ich, daß eine Anstellung bei großen Gesellschaften für sie weniger günstig sein müßte, als in einem Privatgeschäfte. Denn alles, was sie bei großen Gesellschaften erwarten können, ist ein hohes Gehalt. Sogar die Präsidenten dieser Gesellschaften sind im eigentlichsten Sinne des Wortes keine Geschäftsleute, da sie bloße mit Gehalt Angestellte sind. Wie also könnte ein unter ihnen arbeitender junger Mann sein ganzes Leben lang etwas Höheres erreichen? Viele Geschäfte, die bis dahin Privateigentum gewesen, werden zu einer Aktiengesellschaft umgewandelt; die Aktien gelangen dann auf den Markt, und viele Nichtkaufleute, die, geschäftlich genommen, wahre Unschuldslämmer sind – unter ihnen auch spekulationssüchtige Frauen, und ich bedaure, das sagen zu müssen, oftmals Geistliche und Künstler – lassen sich zum Ankauf solcher Aktien verführen. Das Publikum kauft das Geschäft; besser hätte es den Mann oder die Männer gekauft, welche bis dahin das Geschäft leiteten. Kennen Sie die berühmte Geschichte vom Hundekauf? Ein Mann bat seinen Freund, einen Kenner von Hunden, sich einen Hund anzusehen, den er für Vertilgung der Ratten in seinem Gartenglashause kaufen wollte. Während der Hundezüchter den beiden zeigte, wie der Hund die Ratten vertilgte, erschien plötzlich eine mächtige alte Ratte, vor welcher der Hund davonlief. Der Glashauseigentümer fragte seinen Freund: »Nun was würdest Du tun?«

Der Freund erwiderte: »Ich würde die Ratte kaufen.«

Das Publikum kauft oftmals die Ratte, ich meine das unechte Ding. Als ein ausgezeichnetes Studium empfehle ich Ihnen die Aktienlisten kleinerer Aktiengesellschaften. Einige Zeitungen geben diese Listen regelmäßig. Beachten Sie darin genau den Pari-Wert der verschiedenen Aktien und den Preis, zu welchem sie zu kaufen sind. Man könnte vielleicht sagen: dieser Pari-Wert beruht auf nur imaginärem Kapital. Doch das trifft nur in einzelnen Fällen zu; bei Fabrik-Aktiengesellschaften ist viel eher das Umgekehrte der Fall. Das Kapital repräsentiert dabei häufig nicht einmal die vollen Kosten des gesamten Eigentums.

Außerdem gibt es viele Gesellschaften, welche im eigentlichen Sinne des Wortes keine Aktiengesellschaften sind, da das Geschäft tatsächlich Eigentum einzelner Teilhaber ist; verglichen mit den Aktiengesellschaften, deren Teilhaber nach allen Richtungen hin zerstreut sind, zeigt sich zwischen diesen beiden Arten von Gesellschaften eine sehr bemerkenswerte Verschiedenheit. Nehmen wir beispielsweise die großen Dampfschiffahrtsgesellschaften der Welt. Die meisten zahlen, wie bekannt, ihren Aktieninhabern überhaupt keine Dividende. Die Aktien einiger der größten Dampfschiffsgesellschaften sind zeitweise für die Hälfte, ja für ein Drittel ihres ursprünglichen Preises käuflich. Diese Gesellschaften bilden Aktiengesellschaften im eigentlichsten Sinne des Wortes; doch wenn wir auf andere Dampfschiffslinien blicken, die ganz dieselben Meere befahren, jedoch von ihren wirklichen Eigentümern, unter denen sich gewöhnlich eine erste Kapazität befindet, geleitet werden, so finden wir, daß diese letztgenannten Linien gewöhnlich große Dividenden abwerfen und außerdem Jahr für Jahr noch große Summen ihrem Reservefonds zuzuschreiben vermögen. Darin zeigt sich, angewendet auf das Geschäftsleben, der Unterschied von Individualismus und Kommunismus; der Unterschied zwischen einem Geschäft, das von fachkundigen Eigentümern, und einer Aktiengesellschaft, die von Tausenden kleiner geschäftsunkundiger Eigentümer geleitet wird.

Derselbe Gegensatz läßt sich in jedem anderen Geschäftszweige feststellen. Im kaufmännischen Geschäft, im Fabrikwesen, im Finanzwesen, sowie beim Verkehrswesen, zu Lande sowohl wie zu Wasser. Es ist ganz dasselbe mit dem Bankgeschäft. Viele Banken sind in Wirklichkeit das Eigentum nur weniger Geschäftsleute. Diese Banken erobern sich sehr bald eine führende Stellung; ihre Anteilscheine werden mit den höchsten Prämien gehandelt, besonders wenn der Präsident der Bank der hauptsächlichste Eigentümer ist, wie das tatsächlich bei den erfolgreichsten Banken auch zutrifft. Bei solchen Gesellschaften steht für den kommenden Geschäftsmann immer die Türe zur Teilhaberschaft offen, da die Eigentümer derartiger Geschäfte ihre Angelegenheiten selbst besorgen und deshalb beständig auf der Suche nach fähigen Leuten sind.

Sei nicht gar zu wählerisch, nimm was die Götter Dir bieten! Fange, wenn nötig, bei einer Gesellschaft an; doch halte stets Deine Augen für jede Möglichkeit offen, in einem Geschäft als Miteigentümer oder als Teilnehmer einzutreten. Vergiß nie: jedes Geschäft kann gewinnbringend gemacht werden, solange es dringende Bedürfnisse der Allgemeinheit befriedigt. Es füllt eine notwendige Stelle aus, möge es nun selbst fabrizieren oder bestimmte Artikel kaufmännisch sammeln und dann wieder verteilen, oder möge es endlich ein Bankgeschäft sein, dazu bestimmt, angelegte Kapitalien zu verwalten.

Es gibt kein Geschäft, in welchem ein Erfolg unmöglich wäre. Immer werden an der höchsten Spitze des Geschäftes nur wenige stehen; die Zahl derer, die dem Boden nahe, wird immer um vieles größer sein. Wenn Sie der Spitze nicht nahe kommen, dann liegt das nicht etwa an den Sternen, sondern an Ihnen selbst. Diejenigen, die erfolglos bleiben, mögen sagen, daß dieser oder jener große Vorteile hatte; daß die Schicksalsgöttinnen ihm wohl wollten und ihm die Verhältnisse besonders günstig waren – das alles ist kaum mehr als wertloses Gerede. Der eine kommt mitten in dem Strom nieder, den er zu überspringen sucht und wird dann von den Wassern weiter fortgetrieben, ein anderer versucht dasselbe und landet wirklich auf dem gegenüberliegenden Ufer.

Prüfen Sie die beiden; Sie werden dann finden, daß dem ersten das richtige Urteil mangelte. Er hatte seine Mittel nicht richtig abgeschätzt; handelte also wie ein Narr, er hatte sich vorher nicht genügend trainiert; daher konnte er nicht genügend springen; dennoch versuchte er es. Er gleicht der jungen Dame, die, als sie gefragt wurde, ob sie die Violine spielen könnte, antwortete, sie wüßte es nicht, da sie es niemals versucht hätte. Dagegen hatte sich der andere, der den Fluß wirklich übersprang, sorgfältig vorbereitet und voll und ganz vorher trainiert; er wußte, wie weit er ungefähr springen könnte, außerdem war er in dem einen »totsicher« und wußte ganz genau, daß er zum mindesten bis zu einem Punkte springen konnte, von welchem er ans Land zu waten vermochte, um noch einen zweiten Versuch zu machen. Er zeigte also gesundes Urteil.

Ansehen gilt viel, meine jungen Freunde. Ein junger Mann, der in dem Rufe steht, das durchzuführen, was er sich einmal vorgenommen, wird mit jedem Jahre das Feld seiner Tätigkeit erweitert finden; und auch die ihm anvertrauten Aufgaben müssen mit jedem Jahre größer und größer werden. Dagegen ist derjenige, welcher einmal erfolglos gewesen und dann zum zweiten Male seine Freunde um Beistand bittet, unter allen Verhältnissen in einer recht unangenehmen Lage.

Jede gute Münze hat ihr Gegenstück; das Gegenstück ehrlichen Geschäftes heißt Spekulation. Der Geschäftsmann zahlt für sein Einkommen stets mit guten Werten; er nützt daher der Allgemeinheit. Seine Dienste sind notwendig; dazu ist er stets bemüht, die Hilfsquellen seines Landes zu entwickeln und trägt so auch zum Fortschritte der Menschheit bei. Das ist echte Münze. Spekulation dagegen ist nichts besseres als ein Parasit, welcher an der Arbeit des Geschäftsmannes sich anklammert. Spekulation schafft weder etwas neues, noch erfüllt sie bestehende Bedürfnisse. Wenn der Spekulant Gewinn einheimst, nimmt er Geld ein ohne Gegendienste dafür zu leisten; wenn er verliert, verliert er sein Geld an einen anderen Spekulanten. Das Ganze ist ein Spielen, das beide erniedrigt. Man kann niemals ein ehrlicher Geschäftsmann und zu gleicher Zeit ein Spekulant sein. Wege und Ziele des einen sind dem andern schädlich. Kein Geschäftsmann darf, wenn er ehrlich bleiben will, spekulieren, denn die, deren Vertrauen er genießt, sind berechtigt, von ihm zu verlangen, daß er sich ganz strikt an die Methoden des ehrlichen Geschäfts hält. Seine Gläubiger gehen wohl das übliche mit jedem Geschäft verbundene, aber nicht das von jeder Spekulation untrennbare Risiko mit dem ihm eröffneten Kredite ein. Die echte und die falsche Prägung des Geschäftes haben durchaus nichts mit einander gemeinsam.

Daß 95 Prozent aller derjenigen, die auf eigene Hand Geschäfte machen, fehlgehen, scheint unglaublich und doch ist es so, wenn man der Statistik glauben darf. Obgleich nun behauptet wird, daß man mit Zahlen alles nur mögliche beweisen kann, so ist doch tatsächlich die Zahl der Schiffbrüchigen verhältnismäßig sehr groß. Denken Sie nicht, ich wolle Sie davon abbringen, ihr eigener Herr zu werden; ich bin weit davon entfernt. Auch läßt sich der werdende Geschäftsmann durch nichts und durch niemanden in der weiten Welt von seinem Ziele abbringen. Er gleicht dem echten Ritter, der mit Fitzjames sagt:

If the path be dangerous known,
The danger self is lure alone.
»Mag sein, der Pfad ist voll Gefahren,
Grad' darin liegt der Reiz, Gefahr zu wagen.«

Der junge Mann, der einmal entschlossen ist, ein Geschäftsmann zu werden, läßt sich seinen Weg weder versperren, noch läßt er sich auf andere Pfade lenken; er fängt sein Geschäft mit der festen Absicht, einen Versuch zu machen, an; er will versuchen, sich selbst seine Suppe zu kochen, sollte er sich auch etwas Unangenehmes dabei einbrocken. Er will sich versuchen und abwarten, was dabei herauskommt. Um sein ganzes Leben lang ein bezahlter Angestellter zu bleiben, dazu behält man noch immer Zeit genug, nachdem man eine geschäftliche Tätigkeit auf eigene Hand versucht und sich darüber Gewißheit verschafft, ob man zu den Bevorzugten gehört, welche all die dazu notwendigen Eigenschaften besitzen. Ich darf mir, ohne einer allzu großen Abschweifung beschuldigt zu werden, vielleicht noch einige Bemerkungen über den Einfluß der geschäftlichen Laufbahn, auf den menschlichen Charakter, verglichen mit dem anderer Berufe, erlauben.

Da muß ich denn zu allererst erklären, daß meiner Erfahrung gemäß die Künstlerlaufbahn engherzig macht und so viel kleinliche Eifersüchteleien, so viel maßlose Eitelkeit und so vielerlei Gehässigkeit mit sich bringt, daß sie den größten Gegensatz zu den Eigenschaften darstellt, die ich bei Männern des praktischen Lebens gefunden habe. Man sollte meinen, daß die Tonkunst, die Malerei und die Kunst des Bildhauers auf diejenigen, deren täglicher Beruf sie sind, den allerwohltätigsten Einfluß ausüben. Die Erfahrung zeigt jedoch das gerade Gegenteil. Vielleicht liegt es daran, daß jedes künstlerische Werk im hohen Grade persönlich ist und dabei so voll sichtbar und so unmittelbar vor die Öffentlichkeit gebracht wird, daß es zu kleinlicher Leidenschaft anreizt; wie dem aber auch immer sein mag, so glaube ich, wird es sich doch nicht bestreiten lassen, daß der Geist des Künstlers eng gegrenzt und voller Vorurteile ist. Wohl gemerkt: ich spreche hier nur von ganzen Berufsklassen und der durchschnittlichen Wirkung des Berufes. Ausnahmen gibt es selbstverständlich überall; doch lassen diese Ausnahmen die Regel nur noch schlimmer erscheinen. In den gelehrten Berufen wiederum finden wir besonders die Vorliebe für Spezialitäten ausgebildet.

In der Beamtenklasse ist die letztere Richtung heute nicht mehr so besonders hervortretend. Hohe Beamte und Minister ziehen jetzt einen weiteren Kreis von Gegenständen in Betracht; sie haben jetzt weniger bloße Glaubenssätze und Formalitäten und mehr die tatsächlichen Übel und Mißstände menschlicher Existenz in ihren verschiedenen Phasen im Auge. Dergleichen erweitert notwendigerweise den Gesichtskreis. Man behauptet, daß die juristische Laufbahn zwar klare, aber beschränkte Geister erzieht und weist darauf hin, daß große Rechtsgelehrte selten eine herrschende Stellung und Macht über ihre Mitbürger erlangen. Damit soll jedoch keineswegs gesagt sein, daß Leute, welche die Rechte studieren, als Gesetzgeber oder Staatsmänner oder auch als Staatsleiter den mit solchen Stellungen verbundenen Anforderungen nicht gewachsen seien. In diesem Falle wäre unser Amerika wahrlich übel daran, da wir geradezu von Juristen regiert werden. Trotzdem waren die berühmtesten Amerikaner keine großen Rechtsgelehrten; das will sagen, sie haben nur sehr selten in ihrem eigenen Berufe eine große Stellung gewonnen, dagegen zeigten sie als Staatsmänner, welch' unschätzbaren Vorteil ihnen das Studium der Gesetze eingebracht; sie sind eben weit über die Grenzen ihres eigentlichen Berufes hinausgewachsen. Der Jurist folgt Präzedenzfällen, der Herrscher dagegen schafft Präzedenzfälle.

Aus all dem erhellt, daß die bis jetzt erwähnten Berufsarten den Geist nur schärfen, zugleich aber auch beschränken. Dagegen führt den Geschäftsmann sein Beruf dazu, sich mit einer stets wechselnden Verschiedenheit von Fragen zu befassen. Er muß ein allumfassendes Urteil besitzen, das sich auf Kenntnis mannigfaltiger Gegenstände gründet. Für den Geschäftsmann und Großkaufmann reicht es heutzutage nicht mehr aus, sein eigenes Land gut zu kennen, sowie dessen physikalische Bedingungen, Hilfsquellen, Statistik, Ernten, Wasserweg und Finanzlage; er braucht alles, was nicht nur die Gegenwart bestimmt, sondern ihm auch Anhaltspunkte genug liefert, bis zu einem bestimmten Grade die Zukunft voraussagen zu können. Der Kaufmann, welcher seine Tätigkeit auf verschiedene Länder ausdehnt, muß notwendigerweise auch diese Länder und das Hauptsächlichste über ihren Zustand wissen. Seine Anschauung muß weltweit sein. Denn nichts kann in der ganzen Welt geschehen, was auf sein eigenes Handeln ohne Einfluß wäre! – Politische Verwicklungen in Konstantinopel; die Erscheinung der Cholera im Orient; das Auftreten der Koloradokäfer oder der Fall eines Ministeriums; Kriegsgefahr; die Wahrscheinlichkeit eines Schiedsgerichtes, welche zu einer neuen Niederlassung zwingt: Nichts gibt es auf der weiten Welt, was er nicht in Erwägung zu ziehen hätte. Er bedarf einer der seltensten Eigenschaften – wahrer Menschenkenntnis, da er Tausende von Leuten beschäftigt und dabei das beste aus den verschiedenen Charakteren ans Licht zu ziehen wissen muß; er muß Organisationstalent – eine andere seltene Eigenschaft – haben, dazu Geschicklichkeit für das Durchführen der geplanten Dinge und muß endlich weise und schnelle Entscheidungen zu treffen verstehen.

Keine dieser seltenen Eigenschaften sind für besondere, in sich eingegrenzte Berufe von gleich großer Wichtigkeit. Der Geschäftmann allein verfolgt eine Laufbahn, die sich nicht nur dazu eignet, seine Einsicht zu schärfen, sondern auch seine Kräfte zu erhöhen; sein Beruf unterscheidet sich auch dadurch von allen anderen Berufen, daß er ihn nicht auf ein absehbares Gebiet beschränkt und den Geist in engen Grenzen hält, sondern einen Mann dahin führt, sein Urteil auf große und weitumfassende Anschauungen zu gründen. Kein anderer Lebensberuf umfaßt so viele Probleme, kein anderer fordert eine so weitumfassende Anschauung der Dinge. Ich glaube deshalb, man darf ruhig behaupten, daß die geschäftliche Laufbahn die geistigen Kräfte erweitern und erhöhen muß.

Andrerseits erscheinen andere Berufsarten insofern um ein Unermeßliches edler, als ihr Hauptendzweck nicht in Geldsachen besteht; sie bleiben daher von der schlimmsten, mit jeder geschäftlichen Laufbahn verbundenen Gefahr frei; denn die Laufbahn des Kaufmanns ist, wenn im unrechten Geiste unternommen, die schmutzigste von allen Berufsarten. Zweifellos ist Geldmachen das erste, was junge Leute, die sich dem Kaufmannsstande widmen, im Auge haben. Doch, obgleich zunächst das Wichtigste, darf es doch nicht der letzte Endzweck des Geschäftsmannes sein.

Der Geschäftsmann kann durch Entwickelung der Hilfsquellen seines Landes, durch Arbeitsschaffung für Tausende und durch Unterstützung von Erfindungen, die für die Menschheit eine Wohltat sind, der Welt von allergrößtem Nutzen werden. Der erfolgreiche Geschäftsmann erhebt sich gar bald über den Standpunkt des bloßen Geldverdienens. Er sucht vielmehr seinen größten Stolz in der Ausdehnung seiner internationalen geschäftlichen Beziehungen und in seinen Schiffen, die jedwedes Meer befahren. Der Fabrikant wieder findet in seinen Angestellten, in seinen Werken, in seinen Maschinen und deren Verbesserungen, sowie in der Vervollkommnung seiner Werkstätten und seiner Methoden sein Hauptinteresse und seine hauptsächlichste Belohnung. Und der Gewinn, den er einheimst, ist ihm nicht nur als Geldgewinn, sondern fast mehr noch als Zeichen seines geschäftlichen Erfolges willkommen. Neben der rein prosaischen hat jedes Geschäft auch seine romantische Seite. Der junge Mann, der bei einer Finanzfirma beginnt und mit hunderterlei verschiedenartigen Anlagen von Kapital zu tun hat, mit Eisenbahnsicherheiten, mit Vorschüssen an Kaufleute und Fabrikanten, welche die letzteren in den Stand setzen, ihre Wunder zu wirken, findet sehr bald, daß sich auch im Geschäft Romantik und unbegrenzter Raum für seine Phantasie findet. Er ist in der Lage, einen in seiner Art weltweiten Kredit zu gewähren. Ein einfacher Brief von ihm wird einen Reisenden zu dem fernsten Teil der Erde bringen. Ja, er kann sogar, während einer Krisis, seinem Lande große Dienste leisten, wie beispielsweise Richard Morris, der große Kaufmann in Philadelphia, dem General Washington in den Zeiten unserer Revolution, oder wie unsere großen Bankiers der Gegenwart, die unserer Regierung erhebliche Goldvorschüsse in Zeiten der Krisis machten und dadurch Unglück verhüteten.

Wenn ein junger Mann im Geschäft keine Romantik findet, dann liegt die Schuld nicht am Geschäft, sondern an ihm. Vergegenwärtigen Sie sich nur die Wunder und Mysterien, die mit der neueren Entwicklung der unkörperlichsten aller physikalischen Kräfte – der Elektrizität – einer bis jetzt kaum gekannten und vielleicht noch weniger begriffenen Naturgewalt, verbunden sind. Der junge Mann muß doch wahrhaftig stumpf und durch und durch prosaisch veranlagt sein, welcher bei einer Beschäftigung mit Elektrizität, gleichviel in welcher Gestalt, vom schwerfällig rein materiellem Geschäft nicht zur Sphäre des Geheimnisvollen erhoben wird. Geschäft ist nicht bloße Kasse allein; die Dollars sind nur die Schalen, der Kern der Sache aber liegt tiefer und bringt jedem Genüsse mit der Entwickelung höherer Fähigkeiten des Geschäftsmannes, welche beständig aufgerufen, entwickelt und zur Reife gebracht werden. Solange Militarismus und barbarische Gewalt die Welt regierten, war die Verachtung für alles, was Geschäftsmann hieß, allgemein. Doch wie ganz und gar hat das alles sich heutzutage geändert! Allerdings darf man nicht vergessen, daß diese Verachtung verhältnismäßig neueren Datums war, denn wenn wir in die Geschichte weiter rückwärts blicken, finden wir, daß die alten Familien auf nichts so stolz waren, wie auf die Rolle, welche sie in der Geschäftswelt spielten. Wollsack und Kombüse prangen noch heute in den Wappen einzelner. Eine der einflußreichsten, ja vielleicht geradezu der einflußreichste Staatsmann in England ist jetzt der Herzog von Devonshire, da er das Vertrauen der beiden großen politischen Parteien Englands besitzt. Er ist Präsident der Barrow Stahl Aktiengesellschaft. Die Mitglieder des gegenwärtigen Ministeriums in England haben 64 Direktorstellen in verschiedenen Handels-, Fabrik- und Bergwerksgesellschaften inne. In dem heutigen Großbritannien fragt man sich nicht, wie man dem Geschäft aus dem Wege gehen, sondern wie man in dasselbe hineinkommen könne. Jules Faure, der Präsident der französischen Republik, ein Mann mit einer bewunderungswürdigen Laufbahn hinter sich, war durch sein ganzes Leben ein Geschäftsmann. Die frühere Abneigung gegen das Geschäft ist vollkommen verschwunden.

Sie werden sich vielleicht entsinnen, daß der verstorbene Kaiser von Deutschland (Friedrich III.) seinen Freund, den Stahlfabrikanten Krupp zum Fürsten des Reiches zu machen wünschte; doch dieser Geschäftsmann war auf seine Werke zu stolz; er war eben der Sohn seines Vaters und bat den Kaiser, ihn des Ranges nicht zu berauben, welchen er, ein König im Stahlbereich, inne hatte. Ich zweifle nicht, daß sein Sohn, der ihm in der Herrschaft gefolgt, dieselbe Antwort geben würde. Gegenwärtig ist er ein Monarch, geradeso wie der Kaiser, und soviel ich über den jungen König Krupp weiß, gerade so stolz auf seine Stellung. Diese Darstellung ist nur teilweise zutreffend. Zunächst wollte Kaiser Friedrich Krupp nicht zum » Fürsten« machen, sondern er trug dem alten Krupp nur die Nobilitierung an. Sein unlängst verstorbener Sohn hatte, wie allbekannt, entgegen der von Carnegie ausgesprochenen Erwartung den Adel angenommen.

Sogar in den alten Festen Europas ist das Vorurteil gegen den Kaufmann verschwunden. Dieser Wandel entstand dadurch, daß das Wesen des Geschäftes selbst sich verändert hat. In alten Zeiten wurde jedes Geschäft in kleinem Maßstabe betrieben, kleinliches Handeln in kleinlichen Dingen bringt aber auch kleinliche Menschen hervor. Jeder mußte sich eben um jede kleinliche Einzelheit kümmern, da jeder für sich selbst fabrizierte und handelte. Die höheren Fähigkeiten für Organisation und Unternehmungen, sowie weite und große Anschauungen und ausführende Geschicklichkeit fanden damals keinerlei Verwendung. Heutzutage werden die Geschäfte aller Branchen in so gigantischem Maßstabe betrieben, daß die Besitzer großer Betriebe über ganze Reiche herrschen. Der große Arbeitgeber hat oft in seinem industriellen Heere mehr Leute, als die kleinen germanischen Könige unter ihrem Banner versammelten.

Früher hielt man es für ausgemacht, daß zwei Geschäftsleute niemals übereinstimmen könnten; heute dagegen besteht die wärmste Freundschaft in jedem Bereiche menschlicher Tätigkeit zwischen den Angehörigen desselben Geschäftszweiges; sie besuchen sich gegenseitig in ihren Klassenämtern, ihren Werkstätten, ihren Warenhäusern; sie zeigen einander ihre verschiedenartigen Methoden, ihre Verbesserungen, ihre neuen Erfindungen und wenden sie offen jeder in seiner Werkstatt an.

Die Dinge haben heutzutage einen viel zu großen Maßstab angenommen, als daß sie kleinliche Eifersüchteleien mit sich bringen könnten. Mit dem Wunsch, Gewinn zu machen, verbindet sich jetzt das Verlangen nach Fortschritt, Erfindung, Verbesserung der Methoden, wissenschaftlichem Fortschritt; man ist stolz auf jeden wichtigen Erfolg in diesen Dingen. Deshalb ist die Dividende, welche der Geschäftsmann heutzutage erhält, nicht allein eine Dividende in Dollars. Zugleich mit dem Dollar erhält er noch eine Dividende höherer Art in Gestalt der Genugtuung, die er empfindet, das Geschäft, welchem er sein Leben gewidmet, höher entwickelt zu haben!

Ich darf Ihnen die kaufmännische Laufbahn getrost als eine solche bezeichnen, in der Raum genug für Entfaltung höchsten menschlichen Könnens und aller in der Menschennatur liegenden guten Eigenschaften bleibt. Nach meiner Überzeugung ist die Lebensaufgabe eines großen Kaufmanns, eines Bankiers oder eines Führers auf industriellem Gebiete besonders günstig zur Entfaltung geistiger Kräfte und zur Betätigung eines gereiften Urteils über eine große Zahl bedeutender Dinge, sowie zur Befreiung von Vorurteilen und zur Aufrechterhaltung freier Anschauungen. Ebenso weiß ich, daß dauernder Erfolg nur durch offenes und ehrenhaftes Handeln, verbunden mit tadellosen Lebensgewohnheiten, mit gesundem Menschenverstand und seltener Urteilskraft über alle menschlichen Lebensbeziehungen zu erreichen ist; denn der Geschäftsmann, der sich in Wort und Handeln unzuverlässig in seinen Gewohnheiten zeigt oder gar unehrlicher Kniffe verdächtig wird, verliert sehr bald Kredit und Vertrauen. In anderen Berufen mag selbst für einen Narren mitunter Raum sein – ich meine damit, für jemanden, der außerhalb seiner Berufsklassen närrisch wie ein Kind ist und doch in seinem Berufe selbst erfolgreich – niemals aber kann ein Geschäftsmann, der ein Narr ist, Erfolg haben. Ohne gesundes, allumfassendes Urteil muß ein solcher Geschäftsmann zuguterletzt Schiffbruch leiden.

Die geschäftliche Laufbahn ist eine strenge Schule aller Tugenden; daneben verheißt sie oftmals als höchsten Lohn etwas, was keine andere Laufbahn besitzt: ich ziele auf die edlen Wohltaten, die sie ermöglicht. Es gibt Geschäftsleute, denen wir im Verlauf ihrer geschäftlichen Laufbahn vor allem, unsre Universitäten, höhere Schulen, Büchereien und Erziehungsanstalten verdanken; Zeugnis dafür liefern die Girard, Lehigh, Chicago, Harvard, Yale, Cornell und viele andere.

Welches Andenken könnte der Mensch hinterlassen, das so produktiv und so viel Gutes wirkte und seinen Namen so sicher zukünftigen Geschlechtern, gesegnet von Tausenden in jedem Jahrzehnt, zu überliefern imstande wäre, wie das köstliche, Unzähligen zugängliche Besitztum einer gesunden und freisinnigen Erziehung? Und doch, gerade das sind die Werke der Männer, die ihren Überreichtum als ein ihnen anvertrautes heiliges Pfand betrachteten, dem noch während Lebzeiten seines Besitzers zum Segen seiner Mitmenschen die bestmöglichste Verwendung zu geben, sie bestrebt sind. Deshalb können wir, wenn einige Geschäftsleute den Vorwurf des Geldgrapsens verdienen, zu ihrer Rechtfertigung als ganze Klasse geltend machen, was der ehrliche Thomas Cromwell zur Verteidigung des großen Cardinais (Wolsey) sagte: »Wenn sie auch geldgierig sind, so sind sie doch auch wahrhaft fürstlich im Geben; die von ihnen geschaffenen Sitze der Gelehrsamkeit legen Zeugnis dafür ab.«


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