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Mangani, Manus und die bunten Vögel

Meriem rang nach Luft; sie war außer sich vor Schrecken, als der Leopard jetzt über den großen Affen herfiel, doch weniger wegen des Schicksals, das Akut nun drohte, als aus Bestürzung über die unbesonnene Tat des Jungen, weil er seinem sonderbaren Gefährten solch derben Schlag ins Gesicht versetzt hatte. Die Raubtierbestie war indessen kaum von Korak flüchtig bemerkt worden, da hatte er sich auch schon mit gezücktem Dolche über sie hinweg ins Dickicht hinabgeschwungen und war ihr, als sie eben Zähne und Pranken in Akuts breiten Rücken einhauen wollte, in den Nacken gesprungen.

Die große Katze bäumte sich auf und schlug mit ihren Pranken in die Luft, sobald sie die Last auf dem Rücken spürte; Akut, der nur noch eine Handbreit von ihr entfernt gewesen, war für den Augenblick wenigstens gerettet! Unter schrecklichem Geknurr wälzte sich der Leopard auf seinem Rücken, schlug mit den Pranken wütend um sich und suchte so seinen neuen Gegner abzuschütteln, der sich in seinen Nacken festgebissen hatte und ihm mit seinem Dolchmesser gehörig zusetzte.

Akut hatte in seiner Entrüstung über Koraks Handlungsweise nur gemerkt, daß hinter seinem Rücken etwas nicht in Ordnung war und sich ganz instinktiv und in einer für seinen schweren Körper geradezu verblüffenden Gewandtheit wieder zu dem Mädchen auf den Baum hinaufgeschwungen. Aber als er oben sah, wie die Dinge tatsächlich standen, stürzte er sofort zur Kampfstätte zurück. Persönliche Konflikte waren stets vergessen gewesen, wenn er seinen menschlichen Gefährten in der Not wußte, und so säumte er auch jetzt nicht einen Augenblick, sein Leben für ihn in die Schanze zu schlagen, zumal Korak ihm offenbar zu Hilfe geeilt sein mußte.

Sheeta sah sich also auf einmal zwei erbitterten Gegnern ausgeliefert. Brüllend, knurrend und brummend wälzten sich die drei im Untergestrüpp bald hierhin, bald dahin, während über ihnen auf hohem Ast zwei angsterfüllte Augen dem königlichen Schauspiel folgten. Zitternd sank das Mädchen immer mehr in sich zusammen; ihr einziger Trost schien Geeka, die sie fest an ihr kleines Herz drückte.

Der Dolch des Jungen mochte jedoch dem Kampf schließlich die entscheidende Wendung gegeben haben. In wilden Zuckungen brach das Tier zusammen und verendete. Im Nu waren Akut und Korak auf den Beinen und standen einander mit herausforderndem Blick über der Leiche ihres Feindes gegenüber. Korak wies mit dem Kopfe hinauf zu dem Mädchen.

Laß sie in Ruhe! sagte er bestimmt. Sie gehört mir!

Akut blinzelte nur ein wenig mit seinen blutunterlaufenen Augen und gab einen grunzenden Laut von sich. Dann trat er aufgerichtet und mit herausgeworfener Brust auf Sheetas toten Leib, wandte sein Gesicht hinauf zum Himmel und stieß einen markerschütternden Schrei hervor, so daß das kleine Mädchen auf seinem Baumsitz erneut angsterfüllt zusammenfuhr. Der Affe hatte seinen Feind getötet – es war sein altgewohnter Siegerruf, der jetzt dröhnend durch die Dschungel hallte. Korak verharrte einen Augenblick in stummer Bewunderung seines Kampfgenossen; dann sprang er behend zu der verängstigten Meriem. Akut kam bald nach. Ein paar Minuten hockte er mit oben und leckte sich mit sichtlichem Eifer seine Wunden; dann trieb ihn der Hunger auf die Jagd nach dem wohlverdienten Morgenfrühstück.

*

Einige Monate vergingen, ohne daß sich etwas ereignete, was dem Urwaldleben dieses seltsamen Kleeblatts eine außergewöhnliche Note gegeben hätte, – wenigstens nach der Ansicht Koraks und des Affen. Für das kleine Mädchen dagegen waren Tage und Nächte nur eine einzige Schreckensreihe, bis allmählich auch ihr die Macht der Gewohnheit lindernd zu Hilfe kam. Sie lernte dem Tode unerschrocken in die Augen schauen, wenn er auch lauernd durch die Dschungel schlich.

Sie drang auch nach und nach in den Sinn der rohen unbeholfenen Naturlaute ein, die offenbar die einzige Verständigungsmöglichkeit zwischen und mit ihren Gefährten boten ... sie lernte die Sprache der Menschenaffen verstehen und anwenden. – Viel leichter fiel ihr aber die Anpassung an alles, was das Dschungelleben sonst von denen fordern muß, die nicht zu Grunde gehen wollen; sie stand so ihren Kampfgenossen schon bald wacker zur Seite. Sie hielt Wache, wenn die beiden schliefen, oder zeigte sich überaus findig, wenn man auf der Jagd der Spur des flüchtenden Wildes folgte.

Akut hatte sich mit ihrer Gegenwart abgefunden, ja er behandelte sie sogar mit einer gewissen Freundschaft, so oft er etwas mit ihr zu tun hatte. Im allgemeinen schien er sich aber lieber etwas von ihr fernzuhalten. Der Junge war dagegen stets freundlich zu ihr und ließ es ihr nicht merken, wenn er – und das kam öfter einmal vor – im stillen doch über die Last seufzte, die er sich mit ihr aufgebürdet. Er sah, wie sie unter der kalten, feuchten Nachtluft zu leiden hatte, und baute eigens für sie oben auf dem schwankenden Geäst eines Baumriesen ein kleines, dichtes Zelt aus Zweigen. Dort war Klein-Meriem für die Nacht wenigstens verhältnismäßig mollig und sicher geborgen, indessen der »Töter« und der Affe auf den Ästen nebenan nächtigten. Korak nistete sich immer in den Zweigen dicht vor dem Eingang dieses seltsamen Schlafgemaches ein, denn so konnte er seinen Schützling am besten vor den immer und überall drohenden Dschungelfeinden sichern. Gewiß, man hatte in diesem hohen »Nest« von Sheeta nichts zu fürchten. Aber da war ja noch Histah, die Schlange; die konnte einen zu Tode erschrecken. Und dann die großen Paviane! Die waren geradezu ihre Nachbarn, und wenn sie auch nie offen zum Angriff übergingen, so zeigten sie doch zu gern ihre Zähne und bellten ganz mörderisch herüber, so oft sie einen von den Dreien bei einem kleinen Vorstoß zu Gesicht bekamen.

Das Zelt bewährte sich, und damit spielte sich das Leben und Treiben der Drei mehr oder minder im näheren Umkreis dieses »Baumhauses« ab. Man streifte nicht mehr weit weg in die Tiefen der Dschungel, denn bei Einbruch der Nacht mußte man ja ohnehin zurück sein. In der Nähe war auch ein Fluß und spendete neben dem köstlichen Naß Fische in Menge. Obendrein gab es Wildbret und Früchte in Hülle und Fülle. Ein Tag glich jetzt fast dem anderen: Man ging auf die Jagd und Nahrungssuche ... und schlief dann mit wohlgefülltem Magen bis zum neuen Morgen. Man sorgte für das Heute; was dann kam, kümmerte niemanden. Ab und zu dachte der Junge wohl an sein vergangenes Leben und an die Seinen in der fernen Heimatstadt, die sicher sehnsüchtig nach einem Lebenszeichen von ihm ausschauten. Aber das ging immer rasch vorüber und war für ihn eigentlich nicht viel mehr als eine verschwimmende Feststellung der Tatsache, daß andere eben ihr Leben anders lebten als er, jeder seinen Anlagen und Neigungen entsprechend. Zudem hatte er die Hoffnung, je wieder heimkehren zu können, aufgegeben, seit ihm alle, deren Freundschaft und Unterstützung er gesucht, gewissermaßen einen Fußtritt gegeben hatten. Er hatte sich seiner Überzeugung nach bereits so tief in die Wildnis hineingewagt, daß er sich völlig in diesen unendlichen Irrgärten gefangen glaubte.

Dann war ihm auch in Meriem etwas beschert worden, was er in der ersten Zeit seines Dschungellebens am meisten vermißte: Er hatte endlich einen Menschen, der sein Schicksal teilte, er hatte einen Kameraden seinesgleichen. Seine Zuneigung zu diesem rührenden Menschenkind entsprang nicht dem, was man gemeinhin Liebe nennt. Sie waren Freunde – gute Kameraden, und das war alles. Sie hätten beide Jungen sein können, nur daß Korak mit seinem halb gütig-freundlichen, aber doch immer bestimmt-männlichen Wesen und in der Betonung der Beschützerrolle seinem Gefährten gegenüber stets als der überlegene hätte gelten müssen.

Das kleine Mädchen schwärmte für ihn wie es vielleicht für einen älteren und hilfsbereiten Bruder geschwärmt hätte. Beide wußten noch nichts um die Liebe ... aber es war immerhin nur eine Frage der Zeit. Einmal mußte schließlich der Tag kommen, da auch diese Macht über den Jungen wie über jedes andere wilde Dschungeltier hereinbrach.

Im Bereich ihrer Jagdgründe und vor allem in der näheren Umgebung ihres Standquartiers waren die drei bald bekannte Gestalten. Die kleinen Kletteräffchen schienen sich sogar besonders für ihre neuen Nachbarn zu interessieren, kamen oft herüber und konnten sich mit Plappern und Schnattern und allerhand Späßen nicht genug tun. War Akut da, hielt dies lustige Dschungelvölkchen sich lieber in angemessenem Abstand. Mit Korak nahmen sie es schon weniger genau, und waren gar die beiden »Herren« ausgegangen, so kamen sie zu Meriem, zupften an dem blinkenden Schmuck oder trieben mit Geeka ihre Possen. Das war allemal ein Hauptvergnügen, am liebsten wären sie gar nicht wieder fortgegangen. Das Mädchen spielte gern mit ihnen, gab ihnen auch öfters etwas zu beißen und war vor allem nicht böse darüber, daß ihr durch diesen drolligen Zeitvertreib die Stunden bis zu Koraks Rückkehr nicht gar zu lang wurden.

Geeka hatte sich auch eine kleine Wandlung gefallen lassen müssen, seit ihre kleine »Mutter« das Dorf und den finsteren Scheich mit Korak verlassen hatte. In ihrer Kleidung wenigstens war sie jetzt gewissermaßen eine kleine Meriem, denn über dem Rattenfelltorso hing von der Schulter bis zu den Beinchen ein winziges Leopardengewand. Ein aus Waldgräsern geflochtenes Stirnband hielt die bunten Papageienfedern auf ihrem Elfenbeinköpfchen, und obendrein trug sie an Armen und Beinen Spangen und Ringe, wobei sie allerdings mit Dschungelgras als Metallersatz fürlieb nehmen mußte. Geeka war also ein richtiges kleines Kind der Wildnis, doch nur äußerlich. Im Grunde ihres Herzens war sie dieselbe geblieben: Sie hörte nach wie vor ihrer Mutter mit einer wahren Engelsgeduld zu, ja es war aller Ehren wert, daß Geeka niemals Meriem unterbrach, um schließlich auch mal was von ihren Freuden und Leiden zu erzählen. Auch heute war sie nicht minder geduldig.

Die junge schlanke Meriem lag behaglich und wie ein Kätzchen so schmiegsam auf einem leicht schwankenden Ast – und sie, die kleine Geeka, lehnte nun schon eine volle Stunde ihr gegenüber am Baumstamm und – mußte immer aufmerksam anhören, was Mutter sagte.

Liebe Geeka, meinte Meriem, unser Korak ist heute recht lange fort. Es ist Zeit, daß er wiederkommt, nicht wahr, Geeka? Und es ist auch so sehr, sehr langweilig ... und recht einsam hier in der großen Dschungel, wenn Korak nicht da bleibt. Was er uns wohl heute mitbringen mag? Noch solch einen glitzernden Metallring für Meriems Fuß? Oder einen weichen ledernen Lendenschurz, wie ihn die schwarzen Frauen tragen? Er sagt mir immer, daß es nicht so einfach ist, Frauenschmuck und Frauenkleidung zu erlangen, denn er will die Frauen nicht einfach wie die Männer töten. Und sie wehren sich ganz furchtbar, wenn er ihnen ihre Kostbarkeiten nehmen will. Mit Speeren und Pfeilen gehen die Männer auf ihn los, und er muß sich dann meist in die Bäume zurückziehen. Ein paarmal hat er eine Schwarze mit hinauf ins hohe Geäst geschleppt und ihr dort die Herrlichkeiten, die er Meriem zugedacht, entrissen; er sagt auch, daß die Schwarzen ihn jetzt sehr fürchten, und daß Frauen und Kinder sich schreiend in die Hütten flüchten, wenn sie ihn nur auftauchen sehen. Aber er folgt ihnen dann oft, und selten kehrt er ohne Pfeile für sich und ohne ein hübsches Geschenk für Meriem zurück. Korak hat große Macht in der Dschungel. O, unser Korak, liebe Geeka! Nein ... mein lieber Korak, meiner allein!

Meriem wurde in ihren Betrachtungen plötzlich unterbrochen. Ein kleines Äffchen war wie im Fluge von einem Nachbarbaum herabgeschossen und gerade auf ihrer Schulter zu sitzen gekommen.

Du mußt fortklettern! schrie das Tier in höchster Erregung und halb außer Atem. Reiß aus! Die Mangani sind nicht mehr weit.

Meriem blickte gelassen über ihre Schulter auf den sonderlichen Störenfried.

Klettere du nur selber, kleiner Manu, entgegnete sie ruhig. Akut und Korak sind die einzigen Mangani in unserem Dschungelrevier. Und sie sind es auch, sie kommen von der Jagd heim. Es kann noch passieren, daß du, kleiner Manu, eines schönen Tages vor deinem eigenen Schatten zu Tode erschrickst, wenn du dich immer gleich so aufregst.

Das kleine Äffchen kreischte indessen weiter und wiederholte seine Warnung nur immer lauter, während es, wie von der Tarantel gestochen, hinauf in die lichte Baumkrone klomm; denn dorthin durften sich die Mangani, diese großen, schweren Affen, gar nicht wagen. Meriem hörte, wie etwas durch die Bäume von drüben heranrauschte. Sie horchte gespannt: Es mußten zwei große Affen sein; nun ja, Korak und Akut kamen endlich wieder. Auch Korak war nämlich ein Mangani; die drei hatten sich als gar nichts anderes bezeichnet, seit sie sich kannten. Die »Menschen« waren ja jetzt ihre Feinde; die drei dachten nicht daran, sich nun auch gar noch mit diesem Namen zu schmücken. Sie gehörten einfach nicht mehr zu diesen Erdbewohnern und nannten diese großen, weißen Affen in ihrer Sprache Tarmangani; die großen schwarzen Affen oder Neger hießen bei ihnen Gomangani, und, da die drei eben mit beiden nichts zu tun haben wollten, hatten sie für sich »Mangani« am passendsten gefunden.

Meriem hatte sich augenblicklich einen kleinen Spaß für Korak ausgedacht: Sie wollte so tun, als ob sie schliefe. Immer näher hörte sie die beiden herankommen, sie lag mäuschenstill da und hatte ihre Augen fest geschlossen. Jetzt mußten sie auf dem nächsten Baum sein und sie auch entdeckt haben, denn sie hatten plötzlich Halt gemacht. Merkwürdig! Warum sie heute nur so ruhig waren? Korak hatte es doch sonst immer recht eilig, ihr »Guten Abend« oder ein paar freundliche Worte zuzurufen.

Im nächsten Augenblick klang es jedoch, als schliche sich einer von den beiden leise zu ihr herüber. Aha, Korak wollte sich nun sicher einen Scherz erlauben! Bah! Er sollte sie nicht narren! Sie blinzelte ein ganz klein wenig hinüber ... doch was war das? Ihr Herzschlag stockte. Leise, wie eine Schlange, kroch ein unheimliches Affentier auf sie zu, ein Riesenkerl ... und hinter ihm noch einer. Und beide wildfremd, dazu weit und breit nichts von Akut und Korak zu sehen!

Im Nu war Meriem auf den Beinen, noch ehe das Affenungetüm sie mit dem schon ausgestreckten Arm fassen konnte. Wie ein Eichhörnchen sprang sie von Ast zu Ast immer weiter davon in die Dschungel, und dicht auf ihren Fersen die beiden großen Affen. Oben in den Wipfeln über ihr eilte schreiend und kreischend ein ganzer Schwarm kleiner Kletteräffchen mit, schmähte und höhnte die Mangani und suchte dem Mädchen durch allerhand Winke und ermunternde Zurufe die Flucht zu erleichtern.

Meriem schwang sich von Baum zu Baum und schien darauf aus zu sein, möglichst bald in die höheren Regionen zu kommen, wohin diese Affenkolosse nicht folgen konnten. Doch die beiden rückten immer näher und näher heran, ja ein paarmal fehlte nicht viel, und der eine hätte sie mit seinen Krallenfingern gepackt, wäre sie nicht unter Anspannung aller Kräfte wie bei einem Endspurt dahingeflogen oder in tollkühnem Wagen über abgrundtiefe Lücken zwischen Baum und Baum hinweggesprungen.

Nach und nach war sie dabei auch immer höher hinauf in die Bäume geklommen, denn nur dort winkten Sicherheit und Möglichkeit zum Verschnaufen. Eben hatte sie in einem besonders gewagten Sprung einen Ast über sich umklammert, um sich auf ihm hinaufzuschwingen, da mußte sie auch schon erkennen, daß er doch nicht der Arm sein konnte, auf den sie hoffte. Der Ast neigte sich erst stark unter ihrer Last nach unten ... ein leises Knacken und Knirschen ... und krachend brach er vom Stamm. Meriem verlor den Halt, stürzte ein paar Meter tief hinab, besaß aber noch soviel Geistesgegenwart, sich unten im dichteren Geäst festzuklammern und so vor tödlichem Aufprall zu retten. Sie war in den ersten Wochen ihres Dschungellebens oft genug abgestürzt und hatte sich an derlei Mißgeschicke schon gewöhnt. Das Schlimmste war jetzt zweifellos, daß sie den mühsam errungenen Vorsprung eingebüßt hatte. Und richtig: Sie hatte sich kaum wieder einigermaßen ins Gleichgewicht gebracht, da glitt auch schon das Affenungetüm zu ihr herab. Ein langer zottiger Arm schlang sich um ihre Hüften.

Fast gleichzeitig hatte sich der andere Affe herangeschwungen und suchte Meriem seinem Gefährten abzujagen. Doch da kam er an den Rechten! Der zeigte ihm unter bösem Gebrumm die Zähne und riß seine schwer erkämpfte Beute blitzschnell nach der anderen Seite herum. Meriem suchte sich mit Händen und Füßen zu wehren, denn es galt Freiheit und Leben. Sie zog den Affen an den Haaren auf der Brust und im Gesicht, sie biß ihn mit ihren scharfen weißen Zähnen in den zottigen Unterarm, allein die Bestie verstand keinen Spaß und antwortete mit ein paar derben Ohrfeigen. Dann mußte er sich jedoch wieder mit seinem Kameraden beschäftigen, der offenbar noch immer gesonnen war, ihm die Gefangene streitig zu machen.

An einen Kampf mit seinem Rivalen war natürlich nicht zu denken, solange er mit seiner zappelnden und strampelnden Beute auf schwankendem Ast blieb. Er kletterte also rasch nach unten, doch der andere folgte unverzüglich. Der Kampf begann, doch schon im nächsten Augenblick hatte das Mädchen sich die Schwäche ihrer Verfolger zunutze gemacht und suchte in rasendem Lauf dem drohenden Unheil zu entrinnen. Aber sofort ließen die Affen voneinander ab und stürzten Meriem nach. Kaum hatte man sie von neuem gefaßt, da ging auch schon der Zweikampf wieder los. Wohl wagte die kleine Meriem noch ein paar Mal denselben tollkühnen Streich, doch die Affen waren auf der Hut. Bald wurde sie von dem einen, bald von dem anderen zuerst eingeholt, und jedesmal entspann sich dann dasselbe wütende Ringen um die kostbare Beute. Am liebsten hätte jeder seinen Widerpart in Stücke gerissen.

Das Mädchen hatte oft einen ordentlichen Schlag abbekommen, der eigentlich dem immer dreisteren Rivalen zugedacht war, und schließlich wurde sie so unglücklich getroffen, daß sie bewußtlos niedersank. Die Affen atmeten auf, als sie sahen, daß sie sich ihr Opfer nun wenigstens gesichert hatten, und stürzten mit neuer Erbitterung in den Kampf, den kein Fluchtversuch mehr unterbrechen sollte.

Hoch in den Wipfeln über dem Kampfplatz tobten höhnend die kleinen Kletteräffchen, unzählige buntgefiederte Vögel schwirrten kreischend und krächzend durch die Zweige, und aus der Ferne meldete sich ein Löwe mit tiefem Gebrüll. Der ganze Wald schien in Aufruhr und in größter Erregung dem einzigartigen Schauspiel zu folgen.

Der größere Affe gewann offenbar langsam, aber sicher die Oberhand. Beißend und wild um sich schlagend wälzten sich die beiden im Grase, dann sprangen sie mit einem Male wieder hoch, prallten von neuem aufeinander los und verstrickten sich in immer verzweifelterem Ringen. Es war, als kämpften zwei Menschen um die Meisterschaft, nur daß unter den scharfen Fangzähnen und Krallen auf beiden Seiten das Blut in Strömen floß. Meriem lag immer noch regungslos und ohne Besinnung abseits im Dschungelgrase.

Der Höhepunkt war jetzt erreicht. Schäumend vor Wut umklammerte der Stärkere die Gurgel seines nicht minder erbitterten Gegners, als beide sich zum letzten Male gemeinsam zu Boden rollten. Ein paar Minuten schien es, als hätten sich beide den Garaus gemacht, doch der Stärkere hatte allein den Sieg. Ein krampfartiges Zucken durchschoß jäh seinen massigen Körper, und zugleich bezeugte ein tiefes Brummen, daß er mit sich zufrieden war. Er trottete ein paarmal zwischen seiner Beute und dem erlegten Gegner auf und ab, ehe der letzte Akt dieses Urwalddramas begann. Dann trat er auf die Leiche seines Rivalen ... und weithin schallte der schrille Siegesschrei der Menschenaffen. Die kleinen Kletteräffchen stoben kreischend nach allen Winden auseinander, die buntschillernden Vögel schlugen erschreckt die Flügel und flatterten taumelnd davon, und wieder drang Numas Brüllen rollend herüber, doch diesmal aus noch größerer Entfernung.

Der Riesenaffe humpelte wieder zu dem Mädchen hin. Erst drehte und wendete er es nach allen Seiten, dann bückte er sich, beschnupperte das Gesicht und drückte sein Ohr dicht an die Brust. Sie lebte noch!

Die Kletteräffchen kamen zurück, es wimmelte von ihnen in den Baumkronen, und immer heftiger schwoll ihr Kreischen zur Verhöhnung des Siegers.

Der Affe knurrte mit fletschenden Zähnen zu ihnen hinauf. Er verachtete diesen Mob. Dann beugte er sich nieder, hob das Mädchen auf seine Schultern und trottete durch die Dschungel davon. Zu seinen Häupten folgte lärmend die Horde der Schmäher.


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