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Bedeutsame Vorzeichen.

Grau erhob sich die Dämmerung des letzten Tages von Pompeji. Die Luft war ungewöhnlich ruhig und schwül; ein dünner, dumpfer Nebel hing über den Tälern und Niederungen der breiten kampanischen Gefilde. Mit Verwunderung bemerkten jedoch die frühen Fischer, daß trotz der ausnehmenden Stille der Atmosphäre das Meer unruhig war, und wie verstört vom Gestade zurückzuprallen schien, während dem blauen, prächtigen Sarnus entlang, nach dessen alter Breite der Reisende sich jetzt umsonst umsieht, ein heiseres, verstecktes Gemurmel zu den lachenden Ebenen und prächtigen Villen der reichen Pompejaner hinübertönte. Klar über dem Nebel der Tiefe erhoben sich die verwitterten Türme der uralten Stadt, die roten Ziegeldächer der blinkenden Straßen, die heiligen Säulen der vielen Tempel und die mit Statuen gekrönten Portale des Forums und des Triumphbogens. In weiter Ferne stiegen die Silhouetten der die Landschaft einschließenden Bergesketten über den Dunst empor und verschwammen mit den wechselnden Farben des Morgenhimmels. Die Wolke, die so lang über der Kuppe des Vesuvs geruht hatte, war plötzlich verschwunden, und seine rauhe, stolze Stirn blickte zornlos auf die reizende Landschaft unter ihm herab.

Trotz der frühen Stunde standen die Stadttore offen. Reiter und Fuhrwerke jeglicher Art eilten rasch herein, und die Stimmen zahlreicher Gruppen von Fußgängern in ihren Festtagskleidern schallten in fröhlichem Jubel weit dahin; die Straßen waren von Bürgern und von Fremden aus der volkreichen Umgegend Pompejis dichtgedrängt, und lärmend, schnell durcheinander wogten all diese mannigfaltigen Ströme des Lebens dem verhängnisvollen Zirkus zu.

Während das gemeine Volk mit jener dem kampanischen Blut eigentümlichen Lebhaftigkeit und Heftigkeit sich drängte und schob, verfolgte eine seltsame Fremde ihren Weg zu des Ägypters Wohnung.

Beim Anblick ihres wunderlichen, der Vorzeit entnommenen Anzugs, ihres wilden Ganges und Gebärdenspiels stießen sich die Vorübergehenden an und lächelten; sobald sie aber auf ihre Züge blickten, brach die Fröhlichkeit jäh ab, denn das Antlitz der Fremden mahnte an das des Todes. Schweigend und schüchtern wich ihr jedermann aus, und bald erreichte sie den breiten Säulengang vor dem Portal des Ägypters.

Der schwarze Pförtner, der, wie die übrige Welt, in dieser ungewöhnlichen Stunde schon auf den Beinen war, fuhr zusammen, als er der Fremden die Tür öffnete.

Der Schlaf des Arbaces war während dieser Nacht ungewöhnlich tief gewesen, mit herannahender Morgendämmerung wurde er jedoch durch seltsame, unruhige Träume gestört, die eine so furchtbare Gestalt annahmen, daß er mit einem Schrei der Wut und des Schmerzes plötzlich aufwachte. Sein Haar zu Berge steigend, – die Stirn in Schweiß gebadet, – die starren Augen weit geöffnet, – die mächtigen Glieder, wie die eines Kindes vor der Todesangst des Traumes zitternd. Er fuhr empor, – gewann die Besinnung und segnete die Götter, an die er nicht glaubte, daß er nur geträumt habe. – Nach allen Seiten wandte er die Augen; – er sah das Morgenlicht durch das kleine, hohe Fenster brechen; – er war wieder im Reich des Tages, er freute sich, er lächelte. Da kehrte er sich abermals um und erblickte sich gegenüber die gespenstigen Züge, das steinerne Auge und die blauen Lippen der Hexe des Vesuvs.

»Was,« rief er und fuhr mit der Hand vor die Augen, wie um die schreckliche Erscheinung von sich abzuwehren, »träume ich noch? – Bin ich bei den Toten?«

»Mächtiger Ägypter,« ertönte es von den fahlen Lippen der Fremden, »erkenne deine Freundin und Magd.«

Ein langes Stillschweigen folgte. Endlich begann Arbaces:

»So ist es nur ein Traum gewesen! Möge er nie wiederkehren. Aber Weib, wie kommst du hierher?«

»Ich kam, dich zu warnen,« erwiderte die Grabesstimme der Saga.

»Mich warnen? Vor welcher Gefahr?«

»Höre mich. Ein Unglück hängt über dieser Stadt. Fliehe, solange es Zeit ist. Du weißt, daß ich auf dem Berge wohne, unter welchem der alten Sage nach jetzt die Feuer des Phlegethon brennen. In der von mir bewohnten Höhle befindet sich ein tiefer Abgrund, in dem ich schon seit vielen Tagen einen dunkelroten Bach dahinfließen sah; dabei hörte ich ein Gezisch und Gebrüll durch die Finsternis. Als ich aber in voriger Nacht hinabschaute, war der Bach nicht mehr dunkel, sondern flammenhell, und während ich noch hinblickte, stieß das Tier, das bei mir wohnt und an meiner Seite kauerte, ein gellendes Geheul aus, fiel nieder und verendete. Ich kroch auf mein Lager zurück; aber die ganze Nacht fühlte ich deutlich, wie der Fels schlitterte und bebte, und obwohl die Luft schwül und still war, zischte es doch unter der Erde. Sobald ich mich diesen Morgen mit der ersten Frühe erhoben hatte, schaute ich wieder in den Abgrund und sah, daß große Felsstücke, schwarz und wogend, in dem funkelnden Bach dahinschwammen, während dieser selbst breiter, wilder und röter geworden war. Da ging ich hinaus und stieg auf den Gipfel des Felsens, und in den Gipfel war plötzlich eine große Öffnung gekommen, die ich zuvor nie gesehen, und aus welcher ein nebliger, schwarzer Rauch aufstieg, und der Dunst war tödlich, und ich keuchte und ward schwach und wäre beinahe gestorben. Ich kehrte zurück, nahm mein Geld und meine Kräuter und verließ das Obdach langer Jahre; denn ich gedachte der dunkeln, etruskischen Verkündigung, die da sagt: ›Wenn sich der Berg auftut, wird die Stadt fallen; – wenn der Rauch den Berg der heißen Felder krönt, wird Wehe und Weinen in den Herzen der Kinder der See sein.‹ Erhabener Meister, ehe ich mich aus diesen Mauern nach einem entlegenen Wohnort entferne, komme ich zu dir. So gewiß du lebst, weiß ich in meinem Herzen, daß das Erdbeben, das vor sechzehn Jahren die Stadt in ihren Grundfesten erschütterte, nur der Vorbote eines tödlicheren Geschickes ist. Die Mauern Pompejis sind über den Gefilden des Todes und den Strömen der schlaflosen Hölle erbaut. Laß dich warnen und fliehe.«

Bild: Eugen Hanetzog

»Hexe, ich danke dir für deine Warnung. Auf jenem Tisch steht ein goldener Becher, nimm ihn, er gehört dir,« erwiderte der Ägypter. »Die Zeichen, die du gesehen, deuten allerdings auf eine der Stadt drohende Gefahr; vielleicht auf ein zweites, zerstörenderes Erdbeben als das frühere. Sei denn, wie ihm wolle, so ist es für mich ein Grund mehr, diesen Mauern den Rücken zu wenden. Morgen will ich mich zur Abreise anschicken. Tochter Etruriens, wohin gehst du?«

»Ich lasse mich noch heute nach Herkulanum übersetzen; dort wandere ich an der Küste fort und suche mir eine neue Heimat. Ich bin freund los: meine zwei Gefährten, der Fuchs und die Schlange, sind tot.«

Die Hexe, die das kostbare Geschenk in den weiten Falten ihres Gewandes verborgen hatte, erhob sich zum Aufbruch; an der Tür blieb sie stehen, wandte sich noch einmal um und sprach: »Dies ist vielleicht das letztemal, daß wir auf Erden beisammen waren; aber wohin flieht die Flamme, wenn sie die Asche verlassen hat, und wie ein Irrlicht des Sumpfes auf und nieder wandelt? Man kann sie in dem Moor des Sees, weit in der Tiefe unten, sehen, und so treffen die Hexen und die Zauberer, die Schülerin und der Meister, der Mächtige und der Fluchbeladene vielleicht einst wieder zusammen. Lebe wohl!«

»Fort, krächzender Rabe!« murmelte Arbaces. Als sich die Tür hinter den flatternden Gewändern der Saga schloß, rief er eilig seinen Sklaven.

Es war Sitte, den Spielen im Amphitheater in festlicher Kleidung beizuwohnen, und Arbaces schmückte sich heute mit außergewöhnlicher Sorgfalt. Seine Tunika war von glänzendstem Weiß, und die mannigfachen Schnallen daran bestanden aus den kostbarsten Steinen; über die Tunika floß ein weites, morgenländisches Gewand herab, halb Talar, halb Mantel, das in der reichsten Färbung des lyrischen Purpurs schimmerte, die hohen Sandalen waren mit Edelsteinen besetzt und mit Gold ausgelegt.

Gewöhnlich ließen sich Leute von Rang durch einen Zug von Sklaven und Freigelassenen zu den Spielen begleiten, und bereits stand das zahlreiche Gefolge des Ägypters in Reih und Glied und wartete der Sänfte des Gebieters.

Bloß jene Sklavinnen, welche Ione zu bedienen hatten, sowie Sofia, als Kerkermeister Nydias, sahen sich zu ihrem großen Verdruß verdammt, zurückzubleiben.

»Kallias,« sprach Arbaces zu seinem Freigelassenen, der ihm den Gürtel umschnallte, »ich bin Pompejis müde und gedenke es, wenn der Wind günstig ist, in drei Tagen zu verlassen. Du kennst das Fahrzeug im Hafen, das dem Narses von Alexandria gehört; ich habe es von ihm gekauft. Übermorgen wollen wir mit der Verladung meiner Schätze beginnen.«

»Schon so bald? Gut. Arbaces Wille soll befolgt werden. Und seine Mündel Ione?«

»Begleitet mich. Genug! – Ist der Morgen schön?«

»Trüb und schwül; wahrscheinlich wird es heute vormittag sehr heiß.«

»Die armen Gladiatoren und die noch unglücklicheren Verbrecher! Gehe hinunter und sieh zu, daß die Sklaven sich in Ordnung stellen.«

Wieder allein, schritt Arbaces in sein Arbeitszimmer und von da in den Portikus hinaus. Er sah die dichten Menschenmassen schnell nach dem Amphitheater strömen, hörte das Rufen der Arbeiter und das Knarren der Taue beim Aufspannen des gewaltigen Sonnenzeltes, unter welchem die Einwohner, von keinem blendendem Strahl belästigt, in schwelgerischem Behagen der Todesqual ihrer Mitgeschöpfe zuschauen konnten. Plötzlich erhob sich ein wildes, seltsames Getös und erstarb ebenso schnell wieder: – es war das Brüllen des Löwen. Eine Stille entstand unter der fernen Menge; aber auf die Stille folgte ein freudiges Lachen – man machte sich lustig über die hungrige Ungeduld des königlichen Tieres.

»Bestien,« murmelte Arbaces verächtlich, »seid ihr weniger Mörder als ich? Ich töte nur zu meiner Verteidigung; – ihr macht den Mord zu einer Kurzweil!«

Mit rastlosen, neugierigen Augen wandte er sich gegen den Vesuv. Reizend glänzten die grünen Weingärten um die Brust des Berges, und ruhig, wie die Ewigkeit, erhob sich seine gewaltige Gestalt gen Himmel.

*


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