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Die letzte Nacht.

Die Stunden schlichen ruhig dahin, um so heftiger wogte es in der Seele der gefangenen Nydia. Der Gedanke, daß über den schuldlosen Glaukus das Todesurteil gefällt werden könnte, folterte sie unablässig. Sie mußte ihren Wohltäter befreien, wenn sie in diesem Leben je wieder glücklich werden wollte. Abermals kam ihr der abergläubische Sofia in den Sinn; war sie nicht beinahe reich genug, um ihm zu dem nötigen Lösegeld zu verhelfen? Goldene Spangen, Geschenke von Ione, zierten ihre Arme, und eine kostbare Kette, die sie von Glaukus erhalten, schmückte ihren Hals. Diese Reichtümer sollten ihr jetzt zustatten kommen.

Als nach mehrstündigem Warten Sofia endlich im Zimmer erschien, um nach seiner kleinen Gefangenen zu sehen, fragte sie ihn zunächst nach der Zeit.

»Es ist bereits Abend,« lautete die Antwort.

»O Götter! Wie ging es mit dem Gericht?«

»Beide verurteilt.«

Nydia unterdrückte einen Schreckensruf und fragte mit möglichster Ruhe: »Wann werden sie den Tod erleiden?«

»Morgen im Amphitheater; wärst du nicht, kleine Hexe, so bekäme ich auch Erlaubnis hinzugehen und zuzuschauen.«

Nydia seufzte, dann sagte sie: »Wieviel brauchst du, Sofia, um deine Freiheit erkaufen zu können?«

»Wie viel? Nun, ungefähr zweitausend Sesterze.«

»Die Götter seien gepriesen! Nicht mehr? Siehst du diese Armbänder und diese Kette? – Sie sind wohl doppelt so viel wert. Ich will sie dir geben, wenn –«

»Versuche mich nicht, ich kann dich nicht freilassen; Arbaces ist ein schrecklicher Herr.«

Nydia rang die Hände. »So gibt es denn keine Hoffnung?'' rief sie krampfhaft aus.

»Zum Wegkommen keine, bis Arbaces es erlaubt.«

»Gut denn; wenigstens wirst du mir nicht versagen, einen Brief zu bestellen; dafür kann dich dein Gebieter nicht töten.«

»Einen Brief? An wen?«

»An den Prätor.«

»An eine obrigkeitliche Person? nein! – man könnte mich vor Gericht zum Zeugen nehmen, und Sklaven werden nur auf der Folter vernommen.«

»Verzeihung, ich meinte nicht den Prätor – das Wort entschlüpfte mir Wider Willen; ich meinte einen ganz andern, den fröhlichen Sallust.«

»Was willst du von ihm?«

»Glaukus war mein Gebieter, er kaufte mich von einem grausamen Herrn; er allein war gütig gegen mich und soll jetzt sterben? Ich werde nie wieder froh, wenn ich ihm in seiner Todesstunde nicht zu wissen tun kann, daß wenigstens ein dankbares Herz für ihn schlägt. Sallust ist sein Freund – er wird meinen Brief überliefern.«

Sofia zeigte eine zweifelhafte Miene.

»Denke an deine Freiheit,« mahnte Nydia, »die du dir erkaufen kannst, wenn du mir den kleinen Gefallen erweisest. Deine Abwesenheit wird kaum eine halbe Stunde dauern. Einer solchen Kleinigkeit halber wolltest du deine Freiheit von der Hand weisen?«

Sofia war in großer Bewegung. Nach längerem Hinbrüten sagte er endlich: »Nun wohl, so gib mir den Schmuck, und ich will dir deine Botschaft bestellen.«

Er holte eine Paphrusrolle, und Nydia begann, ihm in einer für ihn unverständlichen Sprache einige Worte zu diktieren. Hastig schloß sie sodann das Billett und übergab es Sofia, welcher sich damit entfernte, nachdem er sorgfältig den schweren Riegel an Nydias Tür vorgezogen und die Vorlegeschlösser ebenso sorgfältig verwahrt hatte. Er steckte den Schlüssel in seinen Gürtel, ging in sein eigenes Gemach, hüllte sich von Kopf bis zu Fuß in einen groben Mantel und schlüpfte durch das Hinterpförtchen ungehindert und unbemerkt hinaus.

In kurzem hatte er Sallusts Haus erreicht. Der Pförtner hieß ihn den Brief dalassen und weggehen, denn Sallust sei über die Verurteilung des Glaukus so betrübt, daß er unter keinen Bedingungen gestört sein wolle.

»Aber ich habe gelobt, diesen Brief seinen eigenen Händen zu übergeben, und muß es also tun.« Damit drückte der schlaue Sofia ein halbes Dutzend Sesterze in des Pförtners Hand.

»Gut, gut,« entgegnete dieser, »du kannst eintreten.«

Sofia fand den Hausherrn beim üppigen Mahle, sich bemühend, den Kummer über die Verurteilung des Glaukus in edlem Falerner zu ertränken.

»Wer bist du?« rief ihm Sallust mit lallender Stimme zu.

»Nur ein Bote. Ich überbringe diesen Brief und bedarf, soviel ich weiß, keiner Antwort,« sagte der vorsichtige Sofia, das Antlitz in den Mantel gehüllt und mit verstellter Stimme, damit er später nicht als Überbringer des Billetts bezeichnet werden möchte.

»Geh,« gebot ihm Sallust, »niemand soll mich in meinem Schmerze stören.«

Sofia verlor keinen Augenblick, sich zurückzuziehen.

»Willst du den Brief lesen?« fragte ein Freigelassener seinen Herrn.

»Brief! welchen Brief?« entgegnete der Epikuräer, hin und her schwankend. »Ist jetzt Zeit, Briefe zu lesen? Verträgt sich das mit dem Schmerz in meiner Brust? O mein Glaukus! Es ist entsetzlich!«

»Bringt ihn zu Bett!« befahl der Freigelassene mehreren Dienern, und Sallust ward nach seinem Schlafgemach getragen, wo er sich in lauten Schmerzensausbrüchen über das Schicksal des Atheners erging.

Unterdessen kreuzte der nach des Ägypters Wohnung zurückkehrende Sofia ein Gäßchen in der Nähe des Amphitheaters. Ein dichter Menschenschwarm kam ihm entgegen, und ehe er sich versah, war er von der lärmenden Menge mit fortgerissen.

»Was gibt's?« fragte er seinen Nachbar, einen jungen Handwerker. »Wohin drängen sich die guten Leute? Teilt ein reicher Patron heute abend Almosen oder Speisen aus?«

»Nein, Kamerad – was viel Besseres!« erwiderte der Gefragte. »Der edle Pansa, der Freund des Volkes, hat erlaubt, die wilden Tiere in ihren Käfigen zu sehen. Beim Herkules! Es gibt ein paar Leute, die sie morgen nicht mit so heiler Haut betrachten werden!«

»Nun, das ist etwas, um die Augen zu erlustigen,« entgegnete der Sklave und ließ sich von der nachdrückenden Menge geduldig fortschieben. »Da ich morgen nicht zu den Spielen gehen kann, werde ich gut tun, heute abend wenigstens einen Blick auf die Tiere zu werfen.«

»Jawohl,« antwortete sein neuer Bekannter, »einen Löwen und einen Tiger sieht man in Pompeji nicht alle Tage.«

Die Menge hatte jetzt einen weiten Platz erreicht, auf welchem, da er bloß dürftig beleuchtet war, das Gedränge für jeden gefährlich wurde.

Aus der Menge jubelnder Stimmen tönte besonders jene eines jungen Mädchens hervor, das einigen ihrer Begleiterinnen zujauchzte: »Hab's euch ja immer gesagt, behauptete immer, wir würden einen Menschen für den Löwen bekommen, und nun haben wir noch gar einen für den Tiger! Ach, wär's nur schon morgen!«

»Hopp, heisa! zum lustigen Spiele herbei!
Ein Wald von Gesichtern auf jeglicher Reih!«

Die Menge war jetzt an dem Ort, dem sie zustrebte, angelangt. Der Raum, innerhalb dessen sich die Käfige der wilden Tiere befanden, erwies sich als zu klein, um auf einmal die Menschenmassen zu fassen. Das Gedränge erreichte daher seinen höchsten Grad. Sofia befand sich unter der Zahl derer, denen es infolge ihrer Körperkraft gelang, sich zuerst einen Weg bis zu den Käfigen zu bahnen. Mit großem Vergnügen blickte er auf die wilden Tiere.

Der Löwe, durch längeren Hunger zur Wildheit aufgereizt, schritt rastlos und blutgierig in seinen engen Grenzen hin und her; seine Augen funkelten vor Wut und Hunger, und wenn er dann und wann still hielt und umherstarrte, so wichen die Zuschauer angstvoll zurück. Der Tiger dagegen lag ruhig in seinem Käfig ausgestreckt und kümmerte sich wenig um die ihn anglotzende Menge.

»Selbst im Amphitheater in Rom habe ich nie ein wilderes Tier gesehen als diesen Löwen,« äußerte ein nerviger Gladiator, der Sofia zur Rechten stand.

»Ich fühle mich gedemütigt, wenn ich seine Glieder verrachte,« antwortete dem Sklaven zur Linken eine schlankere, jüngere Gestalt mit über der Brust gekreuzten Armen.

Du hast recht, Lhdon,« nickte der ungeschlachtere Gladiator; »es ist mir ebenso zumut.«

»Und zu denken,« bemerkte Lydon mit einem Ton tiefer Empfindung, »zu denken, daß der edle Grieche, den wir noch vor wenigen Tagen voll Jugend, Gesundheit und Freude vor uns sahen, dem Ungetüm zur Speise dienen soll!«

»Warum nicht,« brummte Niger, »manch ehrlicher Gladiator wurde zu einem solchen Kampf vom Kaiser gezwungen – warum sollte nicht auch einmal ein reicher Mörder vom Gesetz dazu gezwungen werden?«

»Nun,« sprach Lydon, sich abwendend, »ich danke den Göttern, daß ich es nicht bin, der mit dem Löwen oder Tiger zu kämpfen hat; selbst du, Niger, bist ein milderer Gegner als sie.«

»Aber ein ebenso gefährlicher,« entgegnete jener mit stolzem Lachen, und die Umstehenden stimmten, voll Bewunderung für seine gewaltigen Glieder, beifällig ein.

Lydon drängte sich durch die Menge und verließ den Zuschauerraum.

»Ich kann mir seine Schultern wohl zunutze machen,« dachte der kluge Sofia und eilte ihm nach. »Die Leute weichen einem Gladiator immer aus, und ich will mich also dicht hinter ihm halten.«

Rasch schritt Medons Sohn durch die Menge, unter welcher sich viele der Züge des allbekannten Fechters erinnerten.

»Das ist der junge Lydon, ein braver Kerl; der ficht morgen!« rief einer.

»Ah, ich habe auf ihn gewettet,« sprach ein anderer; »seht, wie fest er auftritt!«

»Viel Glück, Lydon!« sagte ein dritter.

So stark auch die reinen Triebfedern Lydons waren, und so gewiß er nur in der Hoffnung, seinem Vater die Freiheit zu gewinnen, diesen blutigen Beruf ergriffen hatte, blieb er gleichwohl nicht unempfindlich gegen die Aufmerksamkeit, die er erregte.

»Niger,« sprach er und wandte sich, als er etwas aus dem Gedränge herausgekommen, rasch um, »wir haben oft miteinänder gezankt, wir sind kein Paar gegeneinander; aber einer von uns wird vermutlicherweise doch fallen; so gib mir denn deine Hand.«

»Von Herzen gern,« entgegnete Sofia und streckte die seinige aus.

»Ah, was für ein Narr ist da? Glaubte ich doch, Niger folge mir auf der Ferse nach. Ich bin nicht gelaunt, mich mit dir zu unterhalten.«

»Freilich,« entgegnete der Sklave, »müssen dir gar manche ernste Gedanken den Kopf füllen; soviel ich weiß, versuchst du dich morgen zum erstenmal in der Arena. Nun, ich bin überzeugt, du wirst recht mutig sterben!«

»Mögen deine Worte auf dein eigenes Haupt zurückfallen,« rief der abergläubische Lydon aus, denn der Segenswunsch Sofias war ihm durchaus nicht genehm. »Sterben! Nein, – ich hoffe, meine Stunde ist noch nicht gekommen.«

»Wer mit dem Tod Würfel spielt, muß immer auf einen schlechten Wurf gefaßt sein,« erwiderte Sofia boshaft; »indessen bist du ein starker Bursche, und ich wünsche dir alles Glück. Lebe wohl!«

Damit drehte sich der Sklave herum und schlug den Weg nach Hause ein.

»Hoffentlich sind die Worte des Schurken von keiner üblen Vorbedeutung,« sagte Lydon nachdenklich zu sich selbst. »Im Eifer für die Freiheit meines Vaters und im Vertrauen auf meine sehnigen Arme habe ich bisher nicht an die Möglichkeit des Todes gedacht. Mein armer Vater! Ich bin dein einziger Sohn! … Sollte ich fallen …«

Von dieser Befürchtung übermannt, eilte der Gladiator mit schnellerem, unruhigerem Schritt vorwärts, als er plötzlich in einer Querstraße seinen greisen Vater erblickte. Auf seinen Stab gelehnt, von Kummer und Alter niedergebeugt, die Augen zu Boden gesenkt, die Schritte zitternd, näherte sich Medon langsam seinem Sohne. Lydon blieb einen Augenblick stehen; er erriet sogleich, was den Alten zu so später Stunde herführte.

»Gewiß sucht er mich; entsetzt über die Verdammung Olinths, hält er die Arena für sündhafter und gehässiger als je und kommt, mich von dem Kampf abzuhalten. Ich muß ihm aus dem Wege gehen – ich vermag seinen Bitten, seinen Tränen nicht zu widerstehen.«

Hastig kehrte er um und entfloh schnell in entgegengesetzter Richtung; er hielt nicht eher an, als bis er atemlos auf dem Gipfel einer kleinen Anhöhe angelangt war, von wo man den heitersten und glänzendsten Teil der Stadt überschaute. Die mondbeglänzten Straßen lagen heute stiller da als gewöhnlich, da die Mehrzahl der Bevölkerung nach dem Platz vor dem Amphitheater gezogen war. Der linde Hauch der Nachtluft trug das ferne Getöse von Zeit zu Zeit nach der stillen Anhöhe hinüber; doch Lydon wandte das Haupt geflissentlich von der Richtung ab, wo ein blutroter Fackelschein mit dem sanften Licht des Mondes rang. Sein Herz wurde ruhiger, und er gab sich dem Eindruck der ihn umgebenden Landschaft hin.

Ihm gegenüber erhob sich ein Prachtgebäude, hinter dessen Fenstern und offenen Türen ein Lichtmeer funkelte. Der reiche Hausherr gab eine glänzende Gesellschaft; da die Türen der Kühlung wegen offen standen, so sah der Gladiator die zahlreichen, festlich gekleideten Gäste um die Tische im Atrium her versammelt, während am Ende der langen Zimmerreihe der Perlenschaum eines fernen Springbrunnens im Mondschein flimmerte.

Jetzt begann einer der Gäste unter den begleitenden Tönen einer Cithara, ein lustiges Lied, dessen Refrain von den übrigen Anwesenden mitgesungen wurde. Der Text gefiel indessen dem bescheidenen Lydon nicht, denn der Dichter des Liedes leugnete alle Götter auf Erden und im Himmel und ließ nur den Genuß des Augenblicks gelten. Der Gesang schwieg endlich, und der durch Strauchwerk verborgene Gladiator bemerkte jetzt eine Anzahl Männer, die dicht an ihm vorüberkamen. Sie waren sehr einfach gekleidet und gehörten offenbar dem Mittelstände an.

»Schrecklich!« sprach der eine, »Olinth uns entrissen! Unser rechter Arm abgehauen; wann wird Christus herabsteigen, die Seinen zu schützen?«

»Kann menschlicher Blutdurst weiter gehen?« fragte ein anderer, »einen Unschuldigen zum nämlichen Kampfe verdammen, wie einen Mörder! Aber verzweifeln wir nicht, noch kann der Donner des Sinai ertönen und der Herr seinen Heiligen erretten. Ein Narr spricht in seinem Herzen: Es ist kein Gott.«

In diesem Augenblick ließ sich aus dem erleuchteten Hause der Schlußvers des Liedes aufs neue vernehmen:

»Laßt schlafen die Götter droben im Frieden,
Wir wissen, daß es gibt keine hienieden.«

Noch waren die Worte nicht verhallt, als die Nazarener, von plötzlicher Entrüstung ergriffen, den Klang auffaßten und eines ihrer Lieblingsgesänge anstimmten.

Feierlich tönte es durch die Stille der Nacht:

Um dich her, dir ewig nah,
Gottes Aug' Dich ewig sah!
Auf des Sturmes Wogen naht er der Sünde!
Beugt euch, ihr Himmel, und zittert, ihr Gründe:
Wehe den Träumern, die ihn verleugnen!
Wehe den Sündern, weh!

Wenn der Posaune Donner ruft,
Berstet die Erde, springt die Gruft!
Und ein heißer Flammensee
Wogt und kämpft in Todesweh,
Jede Welle ein lebend Herz!
Die Sterne bleich, die Sonne matt,
Der Himmel verschrumpft wie ein welkes Blatt;

Durch die ächzende Leere niederwärts
Scheint lang und rot in trübem Licht
Des Engels drohend Flammenschwert,
Das von Gott den Verlorenen wehrt
An der Erde letztem Gericht!
Wehe den Stolzen, die ihm nicht eignen,
Wehe den Träumern, die ihn verleugnen!
Wehe den Sündern, weh!

Eine plötzliche Stille folgte in dem ausgeschreckten Saal diesen bedeutungsschweren Worten; die Christen zogen vorüber und waren den Augen des Gladiators bald entschwunden. Von ihren geheimnisvollen Drohungen mit einer ihm selbst unerklärlichen Scheu erfüllt, erhob sich Lydon, um heimzukehren.

Wie heiter schien das Sternenlicht auf die liebliche Stadt vor ihm! – Wie geräuschlos ruhten die säulenbegrenzten Straßen in ihrer Sicherheit! – Wie weich kräuselten sich jenseits die dunkelgrünen Wogen! – Wie unbewölkt breitete sich in seinem hohen Blau der träumende Himmel Kampaniens aus! Und doch war dies die letzte Nacht für das fröhliche Pompeji. Die Kolonie des rauhen Kaldäers, die Fabelstadt des Herkules, die Wonne des üppigen Römers! Ohne Zerstörung, ohne Beachtung war Jahrhundert auf Jahrhundert über diese Mauern hingerollt, und jetzt zitterte der letzte Sonnenstrahl auf dem Zifferblatt ihres Schicksals! – Der Gladiator hörte leichte Schritte hinter sich; eine Gruppe Frauen kehrte von dem Besuch des Amphitheaters nach Hause. Lydon blickte sich nach ihnen um, ward aber durch eine seltsame Erscheinung am Firmament gefesselt. Von dem dunkeln, aus der Ferne herüberblickenden Gipfel des Vesuvs schoß ein blaßblaues, meteorähnliches Licht auf, zitterte eine Sekunde lang und war wieder verschwunden. Im gleichen Moment ertönte eine helle Mädchenstimme aus der Gruppe der vorübergehenden Frauen:

»Tripp trapp! wie ziehen sie stattlich und frei!
Heißa! zum morgenden Spiele herbei!«

*


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