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Wird dir der Stunden Gedächtniß entweichen,
Die wir begruben in seliger Laube, Häufend auf ihre entschlafenen Leichen Blüthe und Duft statt der Decke von Staube? |
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Shelley. | |
Du führst die Reihe der Lebendigen Vor mir vorbei, und lehrst mich meine Brüder Im stillen Busch, in Luft und Wasser kennen. |
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Göthe im Faust. |
Könnt' ich der Kritik und dem Publikum vorschreiben, so wünschte ich, vorliegendes Werk möchte eher nach den Gesetzen der Poesie als der Prosa beurtheilt werden, denn im Bereich jener lagen Idee und Ausführung desselben, und ich fühle, daß ein gewisser Anklang zu Dem, was dem Verfasser vorschwebte, nöthig ist, um ihm für die Mährchen, die er seiner Erzählung einverleibt hat, für die Buntheit seiner Darstellung und die Ueberfülle seiner Gemälde Nachsicht zu gewinnen. Indessen kann man sich bei einem Versuch, die Umgebungen des Rheins zu schildern und einige der dortigen Sagen in unsere Welt einzuführen, vielleicht bei dem besten Willen nicht erwehren, der Phantasie den Zügel, wenn auch nur leichtweg, schießen zu lassen, oder dem überwältigenden Einfluß des romantischen deutschen Geistes, den ich in eine kältere Sprache zu übertragen gesucht, einigermaßen anheimzufallen.
6 Ich habe den Versuch gewagt, zum Grundzug meines Werkes den allereinfachsten Stoff auszulesen und darüber hin den Schmuck zu verweben, der Gegenständen von mehr phantastischer oder idealer Natur zukommt. Wie weit mir dies gelungen, weiß ich nicht, wohl aber haben sich verschiedene Gründe vereinigt, mir diese Arbeit zu der angenehmsten in meiner bisherigen schriftstellerischen Thätigkeit zu machen (obwohl sich Wehmuth dem Vergnügen beigesellte) und mein Gemüth am vollständigsten in dieselbe zu versenken. Indessen steht die Lust des Schaffens nicht immer in gleichem Verhältniß mit dem Werth der Schöpfung und das Publikum rächt bisweilen nicht unbilliger Weise jedes Vergessen seiner Existenz, welches den Hauptreiz in der Einsamkeit eines Autors, und die beglückendste, wenn nicht die weiseste, Entäußerung in seinen Träumen bildet. 7
I. | |
Gleich der Najade in der Griechen Träumen
Wohnt unsichtbar ein Kind der Poesie In unsrer Lebensfluten dunkelm Strom – Der Seele Nymphe, unsres Tages Botin; Sie läßt den Strom in Melodieen fließen, Sie macht den Sturm der Saite unterthan, Läßt Tempes Veilchen um die Zelle sprossen, Wo still der Mond dem grünen Rasen kost; Das Ideal im tiefen Born der Wahrheit Haucht sie um Alles jugendliche Klarheit. |
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II. |
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Ein Engel ob der dunkeln, blinden Erde,
Der uns in bleicher Höh die Heimath zeigt, – Besiegerin der Zeit und Angst, entstammst du Dem Morgen; und die menschgewordne Liebe, Dieselbe Macht, die einst in Galiläa, Als mit der grimmen See das Schifflein rang, Auf zorn'ges Dunkel milde Stille goß Und schweigen hieß der Tiefe wilden Aufruhr, – Sie ist dir nah mit hellen Sonnenblicken, Zu lächeln in den Sturm, die Nächte zu erquicken. |
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III. |
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'S gibt eine Welt jenseits der Sichtbarkeit,
Wo die Erinn'rung Hoffnungsfarben trägt. Der Jugend frischem Blick mag geisterhaft Dies Leben dünken, aber innig süß – Ein Herz nur und ein Traum. Wenn Nebeldunst Die Erde drückt, entfliehen wir dorthin; Die Luft weht sanft und golden glüht der Tag, Und Blumen blühen, Wälder rauschen, Vögel Erwiedern sich mit frohem Ruf. Der Mittag Lacht laut hinab die lust'gen Wasserfälle. 8 Kein Mensch ist dort, doch immer findest du Die Nixe, ihre goldnen Locken flechtend; Und ist der Tag hinunter und die Sterne Sind aus des Himmels duft'ger Nacht gebrochen, Erblickst du oft im fernen Dämmerlicht Die hellen Elfen auf dem Silbergrün; Und wenn des Morgens rosenfarb'nen Urnen Der junge Thau entperlt, wenn in den Himmel Ihr frohes Lied in wildverschlung'nen Kreisen Die erste Lerche webt, kommt lustig flötend Der bärt'ge Faun durchs würz'ge Laub daher, Und nebelähnlich sinken Dunstgestalten Hinab in den krystall'nen Quell, und still Zerfließt die Oreade in des Bergs Umgrünter Höhle. Dein Werk ist dies, und deine Welt, du holde Bewohnerin der Herzen; jedes Glaubens Gebild, wenn schön es oder wunderbar, Ist dein; von dir geboren, doch unsterblich; Und jeder Drang der sehnsuchtvollen Seele, Der Ewigkeiten Saame eingestreut Vom Himmel in die unfruchtbare Erde; Die Thräne, die dem Gram nicht, und das Lächeln, Das nicht der ird'schen Lust entflammet, – Keime, Die, wärest du nicht, all' begraben lägen Bis man uns einscharrt, steigen aus der Gruft, Wo deines Oheims hold Gebot sie ruft. |
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IV. |
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Wir lieben, liebend täuschen wir uns ewig,
Denn die Gewohnheit nimmt, was uns das Schicksal Gelassen, und in gleichem Maße wie Die heiße Glut der Leidenschaft sich nüchtert, Erbleicht der Engel vor dem Menschenblick. Umsonst, daß wir hinieden sehnend schmachten Nach unsres Busens eingebornem Bild; Du, die Egeria unsrer innern Welt, Aus Lenzeshauch und Sonnenstrahl geboren, Du Abklang unsrer süß'sten Herzenstöne, Du scheinst, doch bist nicht, in der Menschenliebe; 9 Ein Stern erglänzst du über'm tiefen Meer, Und unerreichbar bist du wie ein Stern. Stets wenden wir das Aug von deinem Licht, Die Last der Erdenbürde mehr zu fühlen, Nach fernem, dämmerigem Glück zu seufzen Und von dem Staub des Himmels Fund zu fordern. So hängt an deine Freuden sich der Schmerz, Wie Töne uns durch Wohllaut Thränen rauben. Doch wenn die Qual, kommt auch der Lohn von dir Und Phantasie besiegt die Erdenklage. Und stets, wie Persiens zärtster Dichter sprach, Durchströmt der Rose Hauch gemeinen Lehm. »Eines Tages ward ich entzückt durch den Duft eines Stückes Erde. Bist du Moschus? fragte ich. Bist Ambra? Es erwiederte: ich bin nur gemeine Erde, aber eine Rose entsproßte aus mir und ihre wohlthätige Kraft durchdrang mein Wesen. Wäre die Rose nicht, wo wäre ich eine gemeine Scholle.« — Saadi. Entsproßt für uns das Himmelsblümchen nicht, So hängt sein Balsam doch an unsrem Staub, Am süßen Duft zeigt sich die bess're Erde, Und Werth wird ihr durch eine fremde Würze. So gab dein Zauber ewig helle Namen An Seelen, denen Schwachheit ward zum Ruhm; So schlug er aus dem Schmerze heil'ge Thränen Und füllte Rousseaus unbefriedigt Herz Mit reiner Flamme des Prophetenthums. Und er, der irre Held, der trübe Weise, Um den das Urtheil, das ihn richtet, klagt, Der junge, schöne, dessen Melodie Ein Echo nachließ, wo sein Schatten ging, Und der mit Wehmuth halb und halb mit Hohn Das stumme Herz der Welt mit Dichterketten Band an sein wandernd Haus: war er nicht dein? Ganz dein? Nach Schwäche, Irrthum, Kraft, Nach Ruhm und Allem, was Gedächtniß ihm In unsrer Brust erschuf? Sein Leben war Von dieser Erde nicht: der Luft, die er Als Odem sog, gab dein Erscheinen Licht, Dein Untergehen sonnenlose Nacht. Beschlich ihn schlangengleich der Erde Weh, Erzeugte Argwohn staubverwandte Sünde, 10 Schwand sein Gemüth in einen kranken Traum, Bis ihm das Ich sein Gott ward wie sein Stoff: So schilt sein gramvoll Antlitz unsre Rüge, Als thäten Schmach wir eines Freundes Grab. Wie Mondenlicht der Fluten Sturm beherrscht, Beherrschtest wilder Sänger du die Brust, Und machtest uns zu deinen Bundsgenossen. Und als dein pilgernd Herz zur Ruhe kam Schien die Natur im ew'gen Lauf zu stocken: Betäubt, erschrocken standen wir; dein Leben War von uns selbst ein Theil, ein Seyn geworden! Und Wer kann sagen, welche Labe dennoch Die stille Nacht der tiefverborgnen Seele Dir bot als du an Rheines Wogen standst, In Neros Thurm der Winde klagen horchtest, Den Mond auf des Ilyssus schmales Bett Sein träumend Licht als Jüngling werfen sahst? Des Ideales Opfer und sein Priester! Kein Anderer wird deine Freuden messen, In deinen Schmerz kein Andrer niedersteigen. Zerschmettert ist die Harfe, fort der Geist, Und aus der Luft schwand eine Himmelshälfte! Doch ewig wird Venedigs rauschend Meer Zu Tasso's Sang dein wildes Lied gesellen; Dein Schatten wird Ravenna's Flur durchwandern »Bis selbst das Laub von Andacht scheint bewegt.« Und wenn die Zukunft, neidisch auf die Vorwelt, Einst des Argeiers ehernen Schlaf zerbricht, Wird feiervoll dein Name in dem Mund Der Albaneser-Jünglinge erklingen, Dein Bild den Traum der Mädchen Ioniens Durchwandeln, und, «der Oreadenhügel«, »Der Liebe Insel«, und der alte »Quell Der Töne« deinem Lied zur Heimath werden, Und grau ein früher nicht genannter Ort Die wilde Oede Missolonghi's zeichnen. |
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V. |
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Doch nicht des Leiergottes Söhnen nur
Ward zugetheilt des Ideales Himmel; 11 Gewaffnetern und strengern Seelen auch Gebeut dein Ruf, und jede Erdenwahrheit Trinkt ihre Frische nur aus deiner Urne. Im finstern Kerker, drin der hohe Sidney Die Stunden zählte bis zum Morgen, wo Mit sicherm, ungebeugtem Schritte er Die alte, nimmer wanke Brücke trat, Die übers schauerliche Unsichtbare – Den Abgrund, der vergangner Zeit Geheimniß In seinem Schoose trägt, – zu unsrem Ziel Hinüberführt: welch göttliche Gedanken, Welch weiß verhüllte Träume wachten hier, Gleich Priesterinnen Vesta's vor der Glut, Am lichten Altar seines hohen Sehnens. Sein ungefunden Ideal, deß Glanz Durch Erdenschranken in sein Auge brach, Du, seines Herzens angebetete Erschaffene und Schöpferin, o Freiheit, Du die um des Atheners Schwert den Zweig Einst wandte, der Hipparchos Tod geweiht, Bist du mit ihm im Kerker nicht gewesen? Erfülltest du die Finsterniß ihm nicht Mit hellen Bildern, mächtigen Gesichten Der künft'gen Zeiten? Liebe für dich schuf Ihm Fesseln, doch die Flügel, welche du Mit Adlerfittichen besetzt, vermochte Nicht Kettenlast zu beugen, ein Gefängniß Bracht'st du ihm ein und schlossest ihm die Thore Des Himmels auf; der Todesstreich ward ihm Durch dich und todentrückter Ruhm. Der Donner Zog weit umher, doch durch der Wetterwolken Zerriss'ne Klüfte kam der Zukunft Engel Und kündete in des Gefangnen Zelle Der Menschheit lichterfüllten Gang voraus. Ja! wenn des Lebens letzte Hoffnung sinkt Und schreckenvoll die Seele von dem Ufer Hinausschifft auf die Nacht der ew'gen Tiefe, Glimmst du in einem fernen Stern und leitest Den steuerlosen Kahn. – Vom Blutgerüst, Vor dem gehobnen Beil erhebt der Freund 12 Des Vaterlands zu dir das feste Aug, Sieht nicht die Menge drunten, nicht den Henker, Das Gaffen – Schweigen – Beben – Weinen nicht. Hell durch die Wüste strahlt die Feuersäule Auf das gelobte Land, das Kanaan Der Träume seiner Brust. Der Freiheit Blut Befreit dem künftigen Geschlecht den Pfad Und jeder Tropfen zeugt die Drachensaat. |
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VI. |
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Heißt du nicht Trösterin? Verlangen wir
Ein Gut, so wirst du liebend uns geschweigen Mit seinem goldnen Schein. Das Leben ist Ein weinend Kind, und deine Muttersorge, Es stets in süße Träume einzuwiegen. Erheberin und Trösterin! Hast du Der Größe ihren Tempel nicht gebaut Im Menschenbusen? Deines Diensts entbehrend Was wären menschliche Gedanken? was Dies dunkle Eiland in dem Meer der Zeit, Umhegt von kleinen Nöthen, niederm Streben? Stand nicht dein Wort in Sternenschrift am Himmel? Begeisterst du uns doch für Alles, was Wir edel achten! Poesie und Glauben; Der Seele mächt'ger Engel, Ruhm; die Freiheit, Die nie erliegt; der Wunsch nach einem Seyn, Das besser ist und lichter als das unsre; Der Drang die Menschen groß zu seh'n und glücklich; Und unsres Gleichen zu den Strahlenbildern Des Himmels zu erheben; das Verlangen Hinaus zu dringen über Sterblichkeit Und zu erklimmen den Olymp: ist Dies Nicht all von dir gegeben, nicht dein Werk? Ists nicht der Wunsch dem Götterruf zu folgen, Der unsern Staub durchbebt? das Unsichtbare Zur Glorie der Wirklichkeit zu bringen? Das Ideal ins Leben zu beschwören? Die Träume in dem Haus von Elfenbein Sind dein, die ungezählte Schaar der Nacht, Der großen Mutter dieser dunkeln Erde, 13 Die lieblichen Despoten, deren Throne Sich bünden gegen jede Lebensangst, Und wunderkräftig, mächtiger als je Der Menschen harsches Wort, die Zähren hemmen! Sie decken auf des Herzens bittre Thränen, Ein lächelnd Luftgespenst; vom Grab zurück Entbieten sie die Lieben und umgaukeln Mit unsres Busens alten Lenzesfarben Die kurze Stunde; wie ihr weinend Kind Die Amme gängelt oder lullt in Schlaf, So leiten oder stillen sie die Seele. Sie herrschen, deine Sklaven, über uns: Was Wunder, daß dem süß verwirrten Munde Die fromme Vorzeit lieh der Zukunft Kunde? |
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VII. |
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Sieh auf dem Sarg Oestreichs entkrönten Sohn,
Den Hektoriden der gefallnen Troja: Welch hohe Hoffnung stand an seiner Wiege! Ein Traum von Thronen bis zur fernsten Zukunft, Und Frankreichs Veilchenau und Perlenwein. Hoch schwoll die Leier, jubelnd stieg das Lied; Und Frauen, Krieger mit benarbter Stirn, Der alte Stamm von Austerlitz, die Schaaren, Die durch der Alpen Kluft den Rachekrieg Ins Heimathland des Siegeraars getragen, Sie alle drängten sich umher und riefen. Heil Frankreich, Mutterland, dir ist ein Sohn gefunden! Ergraute Mächte bebten ob dem Ruf Auf ihren schwachen, angeerbten Thronen, Und gattenlose Mütter kündeten Den Mord voraus dem Knäblein an der Brust. »Soll dies Geschlecht dem Blut verfallen seyn, »Die Menschheit fortan Ate's Erbtheil werden? »Wird dieser stolzen Loose Ruhe nie »Gerüttelt in der Urne?« – Abwärts zogen Die Jahre; – tritt, erblaßte Fragerin, Herbei und lern! Auf jenem Felsen stirbt der Adler Herr! Des Sohnes Leben ist des Vaters Buße! 14 Was wissen wir von deinem wahren Selbst, Entschlafner Knab', ob tapfer du, ob feige; Ob deine Seele feurig, ob zufrieden Mit niedrer Lust; ob diese schöne Stirn Ein Haus des Geistes, oder stumpfer Sinn Sich schüchtern sperrte in die Formenregel Von einem Hofgefangenwart; ob rasch Dein Blut durch stolze Adern tanzte, oder Vom trägen Herzen dumpfig nieder schlich; Ob, wie in seinem mildern Guß dein Antlitz Bekundete, du Züge deines Vaters Im Innern trugst, die, hätte deinen Faden Geschont das Schicksal, wohl verheißen mochten Des Holzstoß's Asche, der auf Helena's Einsamem Strand gelodert, werd' ein Phönix Entsteigen; oder ob dir Zungenhüter Und Augenwächter, ob entmannte Weichheit, Die zwischen Höfe und Gedanken, wie Dem Vater in der kräft'gen Lust des Lebens Sie zugewebt, lichtlose Mauern zieh'n – Ob sie den Funken löschten, der den einz'gen, Den scepterlosen Sohn Napoleons Zum Kampf entflammte, noch einmal die Schwingen Des dunkelen Adlers auf die alten Thürme Geborner Könige im Sturme trieb? Wer kanns jetzt sagen, kann es fernher ahnen? Des Schicksals trübes Dunkel schließt selbst Träume Von deinem lorbeerlosen Grabe aus. Das lockere Geweb der Schmeichelei, Des Vorgemachs Geträtsch, Lakaienlug, Der Höflingsherzen überreiche Milde, Gleich freundlich gegen Berry's Kind und dich, Sind deine einz'ge Kronik. So verschwand Des großen Korsen weltbegrüßter Sohn! Doch bleibt uns mindestens Dies von dir zu denken, Dem – im Gedankenreich – der Thron noch steht, Daß Nachts, wenn wir in Schlaf begraben lagen, Der Geisterheimath leichtbeschwingte Träume Zu deinem unbemerkten Pfühle kamen 15 Und auf die Zukunft, die dir niemals ward, Ein Licht sich goß. Denn Jedem theilt die Jugend Von ihren Schätzen eine Gabe mit, Und du, das Kind des Schwertes, (das zuerst Den Königen ihr göttlich Recht errang!) Du mochtest mindestens den Wunsch und Traum, Die Phantasie, die gern zur That erwüchse, Als Jugendmitgift in dem Busen nähren. Dann strahltest du vor der erbleichten Welt, Es hielt der Ruhm das düstere Versprechen, Das er an deiner Wiege zugesagt, Aufs Neue ward des Adlers Fahn' entrollt, Ein Herrschermund rief: »kämpfe!« zu der Erde, Ein neu Philippi bot den Weltbesiegern Hohn Und Cäsars Schicksal rächte Cäsars Sohn. |
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VIII. |
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Ja, du der Seele mächtige Armida
Verlachst der Kön'ge Witz und Wehr. Sie theilen Die sichtbar'n Reiche unter sich, beherrschen Die Oberfläche auf der Erdenflut: – Der tiefre Quell – der höhre Aether, ja Die Sterne selbst und all die lichte Welt Befreiter Hoffnungen, des Himmels Himmel, Sind dein, und Riegel nicht, noch Ketten, Nicht Fürstenhöfe, nicht Gesetze können Dies Feld beschränken; selbst das Schicksal kann Kein Blatt in deinen winterlosen Gärten Verdorren; fruchtlos klopft die Parze An deine Thore. Uebertünchte Liebe, Der Herzdurchbohrer Gram, das schwanke Glück, Die Schaam, die hinter dürft'gem Stolze schleicht, Die Eifersucht (der Leidenschaft Gefährtin), Sie können deine Lauben nicht beschleichen! Als aus Edens Verfehmtem Raume die gefall'ne Menschheit Der Herr verbannte, ließ er einen Fleck Im Herzen – (dich, du heilig Ideal In unsrer Lebenswüste –) unbewacht Von jenen Schaaren mit dem Flammenschwerte: Des Paradieses Nachklang auf der Erde! 16 |
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IX. |
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Du meines Busens Seraph, holder Tröster,
Apostel, der mir heilige Gedanken Und einen Himmel bringt: zu irren Ist unser Loos, der Irrthum aber mag Verziehen werden, wenn er edel ist; Doch Eine niedrige Begier verscheucht Den Engel aus der Stätte, die er hütet. Drum nähr' ich deinen Altar mit der Flamme, Die nur in priesterlicher, reiner Tracht Gewartet werden darf und seh' mit heit'rem, Geheiligtem Gemüth die helle Lohe Der Dünste Qualm von jedem Ort verdrängen. Der Schönheit bring ich meinen Opferdienst, Sey sie auf Erden, sey's im Menschenherzen, Und suche in dem Schattenthal die Blumen, Von denen ich die holde Kunst erlerne, Den Weihrauch stiller Andacht auszustreuen, So hab ich Tugend als ein sichtbares, Fühlbares Gottbild mir gestaltet, und Mit Liebe – wie einst unsre Brust der Herr Erfüllen wird – die Quellen all erfüllt, Woraus das Weltall in das Leben strömt. Sieh! weil ich schreibe rauscht vor meinem Fenster Der wilde Wald, des Nachtwinds freud'ge Lust, Und auf dem Bach, der an die grünen Ufer Mit Geistertönen klagt, steht Stern an Stern, Geheiliget von deiner Gegenwart, Nicht die gemeine Aue, Woge, Luft – In jedem Gräschen seh ich deine Hoheit, In jedem Wehen flüstert deine Stimme. Mein Herz neigt sich zur Trübe, meinen Gliedern Entschwand das Mark der kräft'gen Jugendtage, Und Viel, deß Name schon einst meine Seele Entzückt erhob, verlor, zu spät gewonnen, Die Kräfte der Erquickung; aber du Unangeweht vom Todeshauch der Zeit, Deckst fort und fort die Winterflur mit Grün. Sey du die Meine auf der Bahn der Kämpfe, 17 Der Müh, vielleicht des Unrechts für den Staat, Aus welcher ich zum Lebensende schreite. Der Verfasser ist Parlamentsmitglied, jedoch mit seinem Bruder Heinrich, ebenfalls einem Gliede des Unterhauses, der häufiger als öffentlicher Redner auftritt (z. B. unlängst in der Sache der Polen) nicht zu verwechseln. — Der Verfasser. Heb mir das dunkle Herz durch deinen Sang; Zeige der Ruhmbegier ihr edler Ziel – Den Niedern zu erheben, nicht den Starken Zu fürchten. Laß mich hoffen, daß mein Name Als eines Freien mit den Hoffnungen Des Vaterlandes fest verbunden bleibe, Und meinem Grab die Inschrift sey beschieden: »Den Menschen half er; seinem Irrthum Frieden.« |
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X. |
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Genug! mein Lied schließt ab und dir, dem Land
Des Nordens, sey sein ernster Klang geweiht, Wie ich geweiht die einfache Geschichte, Das Drama dieses Vorspiels. Ferne rollt Der schnelle Rhein im Mondenlichte hin, Doch rauscht vor meines Geistes Ohr und Aug Die Tanne, dran die blaue Woge schlägt; Durch Rheingaus weinbekränzte Thäler seh' Ich dunkle Bilder auf dem Strome gleiten, Ich hör' der Lurlei-Jungfrau Klage zu Und wandle still um Rolands alte Burg. Gepränglos ist und einfach traurig, was Aus wohlverwahrten Angedenken, die Nicht klanglos sterben sollen, meine Seele Gewoben. – Sterben – nimmermehr! die Fluth, Die des Gedankens Strom aus seinen Höhlen Hervortreibt an das Licht – und flöße sie Bis zu der Erde letztem Tag – kann nie Dies Schmerzensangedenken überdauern. Sind unsre Seelen frei von Sterblichkeit, So trage ich in meiner Jugend Gruft Gedanken, die entsprossen sind der Seele, Und wenn Verwesung fordert ihre Habe Mit jener siegreich steigen aus dem Grabe. 18 |
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XI. |
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Gepränglos ist was ich erzähl' und nimmer
Würd' es das Ohr gemeiner'm Erdenton Entlocken, lieh die helle Phantasie Nicht ihre Regenbogenbilder, gäbe Des Ideales Färbung der Geschichte. Von einem schönen Mädchen bringt sie Kunde, Durch dessen jungen Mai der Sturm gebraust Und als er rasch mit dieser zarten Blüte Der Hoffnung Knospen einem Herz geknickt, Es einsam ließ im weiten Grab der Welt! All dies begab sich wirklich, aber du Sollst freundlich während unsrer Pilgerfahrt Die Luft durchdüften, sollst mit mancher Sage Den bunten Weg verkürzen, ja den Tod Mit frischem Liebeslächeln überstrahlen. Und wie die Kranke mehr und mehr verwelkt, Ruft aus den grünen Hallen Oberons Dein Zauber zarte Magdgestalten vor, Läßt milde Feen ob dem Leben wachen, Mit holden Träumen seinen Abend schmücken, Den Pfad erhellen, unter Obhut nehmen Das müde Herz und endlich von dem Pfeil Das Bittre wischen; läßt den letzten Odem Schmerzlos verhauchen an der Liebe Mund Und leiht dem Tod des Schlummers süße Farben. Und wenn die Brust nun ausgeschlagen, rufen Die Elfen stets nach Blumen um die Gruft, Entbieten zarten Mondschein auf das Gras Und sänft'gen zur Musik die schnelle Woge. Und immer wird die Phantasie in Dem, Der dieser Blumen kurzen Frühling sich Zum Strauß gewunden, deinen Hauch erkennen, Hast du ihm zugeschaut vom Sternensaum, Ward ihm dann Kraft von Oben nicht verliehen, Von trüber Wirklichkeit zu holdem Traum Die bange Welt mit Zauberklang zu ziehen, Verwebend in die Nacht des mühevollen Strebens Das kurze Mondlicht eines schönern Lebens? 19 |