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Zwölftes Kapitel.

Die Freierei des Meisters Fuchs. Bei den Elfenepisoden beabsichtigt der Verfasser vor den Lesern eine Bilderfolge der verschiedenen Geschöpfe des deutschen Mährchensatzes in der Kürze vorübergehen zu lassen, so daß sein Werk auf diese Art die äußere und die innere Welt des Landes am Rhein schildert. Die Geschichte von der Freierei des Fuchses wurde entworfen, um dem englischen Publikum einen Begriff von einer bei uns nicht eingebürgerten, obwohl bei unsern irländischen Nachbarn sehr häufigen Mährchenart zu geben, in welcher blos Thiere als handelnde Personen eingeführt, und mit all den feinen Schattirungen des Charakters und der ganzen Abwechslung individueller Züge gezeichnet sind, als ob es Wesen aus der Menschenwelt wären.

Bekanntlich, geliebte Silpelit, waltete zur Zeit, von der ich spreche, keine Feindschaft zwischen den verschiedenen Thiergeschlechtern ob. Der Hund und der Haase plauderten ganz vergnügt mit einander, und Jedermann weiß, daß der Wolf, der damals noch nichts vom Hammelsbraten zur Kunde gebracht, eine besondere Zärtlichkeit für das Lamm empfand. In jenen glücklichen Tagen hatten zwei höchst angesehene Katzen von sehr altem Haus eine einzige Tochter. Nie gab es ein liebenswürdigeres, anziehenderes Kitzchen; als es größer wurde, entfaltete es so viele Reize, daß es in kurzer Zeit als die erste Schönheit in der Umgegend berufen war. Soll ich seine Vorzüge beschreiben? Es genüge an der Andeutung, daß sein Fell die Farbe des feinsten Schildplatts hatte, daß seine Pfoten weicher als Sammt, sein Schnurrbart mindestens zwölf Zoll lang war, und daß die Augen eine für eine Katze erstaunliche Sanftheit aussprachen. Zählte die junge Schönheit schon während des Lebens von Monsieur und Madame Bewerber in Menge, so könnt Ihr Euch vorstellen, daß diese Zahl nicht abnahm, als sie in einem Alter von dritthalb Jahren Waise, und damit einzige Erbin des ganzen Vermögens ihrer Eltern wurde. Mit einem Wort, sie war die reichste Partie im ganzen Land. Ohne Sie, meine theure Königin, mit den Begegnissen ihrer übrigen 117 Liebhaber, mit deren Bewerbung und eingeholten Körben zu belästigen, geh ich sogleich auf die zwei Nebenbuhler über, die am meisten Vertrauen auf einen glücklichen Erfolg hatten: – den Hund und den Fuchs.

Der Hund war ein hübscher, grundehrlicher, armer Bursche. »Für meinen Theil,« sprach er, »wundere ich mich nicht, daß meine Base Braun den Bären und Isegrim den Wolf ausgeschlagen; freilich geben sie sich ein großes Ansehen und nennen sich von Adel, aber was mehr? Braun ist immer übeln Humors und Isegrim beständig in einer Leidenschaft; eine Katze von irgend einigem Gefühl würde mit Jedem von Beiden ein klägliches Leben führen. Was mich betrifft, so bin ich stets von der besten Laune, wenn man mich nicht mit Gewalt aufbringt, und habe keinen Fehler, als daß ich ärgerlich werde, wenn man mich beim Essen stört. Ich bin jung und wohlgestaltet, liebe Spiel und Vergnügung und bin überhaupt ein so guter Ehemann, als eine Katze an einem Sommertag finden kann. Nimmt sie mich, wohl und gut; sie mag ihr Vermögen für sich behalten! Nimmt sie mich nicht, so trag ich ihr deßhalb nichts nach, und werde mich hoffentlich nicht so sehr verlieben, daß ich vergäße, es gäbe noch andere Katzen in der Welt.«

Damit schlug der Hund den Schwanz über den Rücken, und begab sich mit fröhlichem Gesicht zu seiner Gebieterin.

Nun hatte aber der Fuchs gehört, wie der Hund also zu sich sprach, denn der Fuchs lugte überall aus Höhlen und Winkeln hervor, und als der Hund ihm aus dem Gesicht war, brach er in ein Gelächter aus.

»Hoho! mein hübscher Gesell,« sprach er, »nicht so eilig, wenn ich bitten darf, Du hast, mußt Du wissen, den Fuchs zum Mitbewerber.«

Der Fuchs ist, wie Ihr wißt, ein Thier, das nichts ohne eine Mächelei thun kann, und da er seiner List halber in der Regel in all seinen Unternehmungen sehr glücklich war, zweifelte er keinen 118 Augenblick, er werde dem Hund den Brei versalzen. Wohl wußte Reinecke, daß man in der Liebe wo möglich stets der Erste in der Reihe seyn muß, daher er beschloß, dem Hund den Vorsprung abzugewinnen und früher als er in der Wohnung der Katze anzulangen. Das war aber keine leichte Sache, denn konnte Reinecke auch auf eine kurze Strecke Wegs schneller rennen, als der Hund, so that er es ihm auf einer längern Wanderung nicht gleich. »Bei all Dem,« sagte Reinecke, »haben solche gutmüthige Geschöpfe nie viel Kopf, und ich denke, ich weiß schon was ihn unterwegs anködern soll.«

Damit trabte der Fuchs durch einen nähern Zwischengang im Wald rasch vorwärts, kam dem Hund zuvor, legte sich in ein Loch in der Erde und fing an höchst jämmerlich zu heulen.

Der Hund erschrack, als er den Lärm vernahm, sehr. »Sieh einmal,« sprach er, »ob sich der arme Fuchs nicht in eine Schlinge verfangen hat. Solche verschmitzte Geschöpfe haben immer Unglück; dem Himmel sey Dank, mir kommt es nie bei, verschmitzt seyn zu wollen.« Und das gutmüthige Thier rannte, so schnell als es vermochte, fort, um zu sehen, was es mit dem Fuchs für eine Bewandtniß habe.

»Ach Lieber,« rief Reinecke, »was soll ich thun, was soll ich thun! mein armes Schwesterchen ist in dieses Loch gerathen, und ich kann sie nicht wieder herauskriegen; sicherlich erstickt sie darin.« Damit brach er in ein noch kläglicheres Geheul als zuvor aus.

»Aber lieber Reinecke,« fragte der Hund ganz schlicht, »warum schlüpfst Du Deiner Schwester nicht nach?«

»Ja, Das kannst Du freilich fragen,« erwiederte der Fuchs, »aber in der Anstrengung hineinzukommen, hab ich mir, siehst Du nicht? das Kreuz verrenkt und kann nicht mehr von der Stelle. Ach Freund, was fang ich an, wenn mein armes Schwesterchen erstickt?«

»Laß Dir deßhalb nicht bang seyn,« erwiederte der Hund; »ich will sie im Augenblick heraus haben.« Damit zwängte er sich mit großer Schwierigkeit in das Loch.

Nicht sobald sah der Fuchs, daß der Hund völlig darin stack, als 119 er einen großen Stein vor die Oeffnung wälzte, und so fest dagegen anlehnte, daß der Hund, der sich nicht umwenden und mit den Vorderpfoten dagegen kratzen konnte, im engsten Verwahrsam lag.

»Ha, ha!« lachte Reinecke draußen; »unterhalte Dich gut mit dem Schwesterchen, unterdessen will ich an Fräulein Katze Deine Komplimente vermelden.«

Damit machte sich Reinecke leichten Schrittes davon, und kümmerte sich keinen Augenblick darum, was aus dem armen Hund werden möchte. Als er bei der Wohnung der schönen Katze anlangte, beschloß er, zuvor einer Freundin, einer alten Elster, die in einem Baum wohnte und mit jeder Neuigkeit in der Gegend wohl bekannt war, einen Besuch zu machen. »Denn,« dachte Reinecke, »vielleicht erfahre ich dabei die schwachen Seiten meiner künftigen Braut und kriege somit gleich einen Halt an denselben.«

Die Elster empfing den Fuchs mit großer Herzlichkeit, und fragte, was ihn so weit von seinem Haus abgeführt habe?

»Auf mein Wort!« entgegnete der Fuchs, »hauptsächlich das Verlangen Sie, meine Gnädige, wieder zu sehen und die angenehmen Geschichten zu hören, die sie mit so bezaubernder Anmuth erzählen: sodann, um Ihnen ein Geheimniß mitzutheilen; – falls ich überzeugt seyn darf, daß es unter uns bleibt« . . . . .

»Auf das Wort einer Elster,« unterbrach ihn die Freundin.

»Verzeihen Sie, daß ich einen Zweifel hegen konnte,« fuhr der Fuchs fort; »ich hätte daran denken sollen, daß eine Elster das Sprichwort der Verschwiegenheit ist. Also, was ich sagen wollte, Sie kennen Ihre Majestät die Löwin?«

»Allerdings,« entgegnete die Elster und hob den Kopf hoch.

»Gut; es beliebte ihr eine Herzensneig . . . . . das heißt eine – wie sag ich? – eine Kaprice für dero unterthänigen Diener zu fassen; darüber wurde der Löwe so eifersüchtig, daß ich es für klüglich hielt, mich aus dem Feld zu machen; ein eifersüchtiger Löwe ist kein Spaß, ich versichere Sie, meine Gnädige. Aber reinen Mund!«

120 Eine so wichtige Neuigkeit erfreute die Elster hoch. Sie konnte nicht umhin, dieselbe mit allen Neuigkeiten aus ihrem Vorrath zu bezahlen. Alles, was sich die böse Welt über Braun und Isegrim ins Ohr flüsterte, sagte sie dem Fuchs, und machte sich sofort über die arme, junge Katze her. Keine ihrer Schwächen blieb unaufgedeckt, das dürft ihr glauben. Der Fuchs hörte mit großer Aufmerksamkeit zu und erfuhr genug, um, trotz der Uebertreibung der Elster, mit Sicherheit annehmen zu können, daß die Katze sehr empfänglich für Schmeichelei sey und ein gut Theil Einbildungskraft besitze.

Als die Elster zu Ende war, bemerkte sie: »Aber es muß ein großes Unglück für Sie seyn, einen so prachtvollen Hof, wie den des Löwen, entbehren zu müssen?«

»Was das betrifft,« erwiederte der Fuchs, »so tröste ich mich über mein Exil durch ein Geschenk, das mir Seine Majestät als Belohnung meiner Sorge für seine Ehre und häusliche Ruhe beim Abschied überreichte, nämlich drei Haare aus dem fünften Fuß des Amoronthologosphorus. Denken Sie einmal, gnädige Frau!«

»Von was?« rief die Elster und hielt das linke Ohr abwärts.

»Von dem Amoronthologosphorus.«

»Sieh, sieh! und was bedeutet dieses lange Wort, mein lieber Reinecke?«

»Der Amoronthologosphorus ist ein Thier, das auf der andern Seite des Flusses Cylinx wohnt; es hat fünf Füße und an dem fünften Fuß drei Haare, und wer diese drei Haare besitzt, hat das Vermögen auf immer jung und schön zu bleiben.«

»Was Sie sagen! Möchten Sie mich dieselben nicht sehen lassen?« fragte die Elster und hielt die Klaue hin.

»Wie gern möcht' ich mich Ihnen hierin verbindlich erweisen, Gnädige, aber es ist von der höchsten Wichtigkeit, daß ich die Haare blos der Dame zeige, die ich heirathe. In der That üben dieselben ihre Wirkung nur auf das schöne Geschlecht, wie Sie an mir selbst wahrnehmen können, dessen arme Gestalt ihr Besitz nicht im 121 Mindesten verbessert hat. Sie sind deßhalb zu einem Hochzeitsgeschenk bestimmt, und Seine Majestät der Löwe hat mich auf diese Art großmüthig für die Verzichtung auf die Zärtlichkeit der Königin entschädigt. Man muß gestehen, daß das Präsent mit vielem Zartsinn ausgedacht war. Aber Sie erwähnen doch gewiß kein Wort davon?«

»Guter Himmel, eine Elster und ausschwatzen!« rief die alte Plaudertasche.

Damit wünschte der Fuchs der Elster gute Nacht und zog sich in ein Loch zurück, um die Mühen des Tages erst auszuschlafen, ehe er sich der schönen, jungen Katze vorstellte.

Am nächsten Morgen war es, der Himmel weiß wie, in der ganzen Gegend herum, Reinecke Fuchs sey wegen der Gunst, die Ihro Majestät gegen ihn blicken lassen, vom Hof verbannt worden, und der Löwe habe ihm seinen Abgang durch drei Haare versüßt, die jede Dame, die der Fuchs ehlichen würde, auf immer jung und schön erhielten.

Die Katze befand sich unter den Ersten, welchen die Neuigkeit zu Ohr kam, und sie war höchst neugierig, einen so interessanten Fremden zu sehen, dessen Schätze, nach dem Ausdruck des Tages, »jedes Thier glücklich machen mußten«. Nicht lang blieb ihr Wunsch unerfüllt. Als sie einen Spaziergang durchs Holz machte, wußte es der Fuchs so zu wenden, daß er ihr begegnete. Ihr dürft versichert seyn, daß er ihr seine beste Verbeugung machte; dabei schmeichelte er dem armen Mädchen mit einer so einnehmenden Miene, daß sie sich über die Neigung der Löwin keineswegs wunderte.

Unterdessen aber laßt uns sehen, was aus seinem Nebenbuhler, dem Hund, geworden.

»Ach das arme Thier!« rief Silpelit. »Man sieht leicht voraus, daß nicht einmal nöthig gewesen wäre, es lebendig zu begraben, um ihm gleichwohl jede Wahrscheinlichkeit auf eine Heirath mit der Erbin zu rauben.«

122 »Warten wir das Ende ab,« entgegnete Faisenheim. »Als der Hund fand, daß er also in die Falle gerathen, gab er sich für verloren. Umsonst stieß er mit seinen Hinterbeinen gegen den Stein; er riß sich blos die Pfoten wund, und war endlich genöthigt, mit ausgestreckter Zunge und ganz erschöpft liegen zu bleiben. »»Gleichwohl««, sprach er, nachdem er wieder zu Athem gekommen, »»will ich hier nicht verhungern, ohne zuvor meine Befreiung auf jede Art versucht zu haben; kann ich auf dem einen Weg nicht heraus, so sehen wir einmal, ob auf der andern Seite kein Loch ist««. Damit kehrte sein Muth, der bei ihm die Stelle der Schlauheit vertrat, zurück, und er schritt mit derselben unerschrockenen Art, in welcher er sich immer benahm, vorwärts. Anfangs war die Bahn ausnehmend eng, und er stieß seine Seiten oft genug gegen die rauhen Steine, die aus der Erde hervorragten. Allmälig aber wurde der Weg breiter und der Eingekerkerte wanderte sehr erleichtert fort, bis er in eine große Höhle gelangte, wo ein ungeheurer Greif auf dem Schwanz saß, und aus einer gewaltigen Pfeife rauchte.

Dem Hund gefiel es keineswegs, so jählings auf ein Geschöpf zu stoßen, das blos das Maul aufzumachen brauchte, um ihn auf Einen Bissen hinunterzuschlingen; indessen wandte er der Gefahr ein herzhaftes Gesicht zu, nahte sich dem Greifen ehrerbietig und sagte: »mein Herr, ich würde Euch höflich verbunden seyn, wenn Ihr mir den Weg aus diesen Höhlen in die Oberwelt andeuten wolltet.«

Der Greis nahm die Pfeife aus dem Mund, und sah den Hund sehr streng an.

»Elender!« sprach er, »wie kommst Du hieher? Gewiß hast Du mir meinen Schatz stehlen wollen; aber ich weiß, wie ich mit Landstreichern Deines Gelichters zu verfahren habe, und werde Dich ohne Weiteres auffressen.«

»Das kannst Du thun, wenn Dirs so gefällt,« sagte der Hund, »aber es wäre ein unschönes Benehmen von einem so viel größern 123 Thier als ich. – Ich für meinen Theil greife nie einen Hund an, der mir an Höhe nicht gleich kommt. Ich würde mich schämen, wenn ich so etwas thäte, und was Deine Schätze betrifft, so ist der Ruf der Ehrlichkeit, worin ich stehe, zu bekannt, als daß ich einen solchen Verdacht verdiente.«

»Auf mein Wort,« rief der Greif, der sich, trotz aller Mühe, eines Lächelns nicht erwehren konnte, »Du hast eine ausnehmend unumwundene Art, Dich auszudrücken; – aber wie, sag' ich, kommst Du hieher?«

Nun erzählte der Hund, der nicht wußte, was eine Lüge war, dem Greifen die ganze Geschichte, wie er sich auf den Weg gemacht, um der Katze aufzuwarten, und wie der Fuchs Reinecke ihn in die Höhle gelockt.

Als er zu Ende war, sagte der Greif: »Ich seh', mein Freund, daß Du die Wahrheit zu sagen verstehst; ich brauche just einen solchen Knecht, wie Du mir einer seyn würdest, deßhalb bleib bei mir und halte Wache über meinen Schätzen, wenn ich schlafe.«

»Zwei Worte hierauf!« entgegnete der Hund. »Ihr habt mein Gefühl durch die Beargwöhnung meiner Ehrlichkeit sehr verletzt, und ich möchte viel lieber in den Wald zurück, und mich an dem Schurken von Fuchs rächen, als einem Herrn dienen, der eine so üble Meinung von mir hat, selbst wenn er mir alle Schätze der Welt zum Behalten, nicht zum Hüten, gäbe. Ich bitt' Euch daher, mich zu entlassen und mich auf den rechten Weg zu meinem Bäschen, der Katze, zu weisen.«

»Ich halte nicht viel Federlesens,« entgegnete der Herr der Höhle, »und laß Dir die Wahl: werde mein Knecht oder mein Frühstück; es gilt mir gerade gleich. Ich geb' Dir Bedenkzeit, bis ich meine Pfeife ausgeraucht habe.«

Der arme Hund brauchte keine so lange Zeit zur Ueberlegung. »Es ist zwar,« dachte er, »ein großes Unglück mit einem Greifen von so ungefälligem Aeußern in einer Höhle zu wohnen; wenn ich ihm 124 aber treu und redlich diene, so erbarmt er sich meiner wohl mit der Zeit, und läßt mich auf die Erde zurück und meinem Bäschen sagen, was für ein Hallunke der Fuchs ist. Was das Uebrige anlangt, so ist es, wenn ich auch mein Leben so theuer als möglich verkaufen würde, unmöglich, gegen einen Greifen anzukämpfen, der ein so ungeheures Maul hat.« Kurz, er entschloß sich, bei dem Mann in Dienst zu treten.

»Gib mir die Pfote darauf,« sagte der grimme Raucher, und der Hund gab ihm die Pfote.

»Und nun,« sprach der Greif, »will ich Dir sagen, was Du zu thun hast: sieh einmal!« Damit hob er den Schwanz auf und zeigte dem Hund einen großen Haufen Gold und Silber in einem Loch im Boden, das er bisher mit den Krümmungen des Schweifes bedeckt gehabt, und nebenbei, was dem Hund von größerem Werth dünkte, einen großen Haufen Knochen von sehr verführerischem Ansehen.

»Nun,« sagte der Greif, »den Tag über kann ich all dies recht gut selbst hüten, bei Nacht aber muß ich nothwendig schlafen, und während meines Schlafs mußt dann Du statt meiner Wache halten.«

»Sehr wohl,« bemerkte der Hund; »in Bezug auf das Gold und Silber hab' ich nichts einzuwenden, aber ich möchte beinah, daß Ihr diese Knochen einschlößet, denn bei Nacht werd' ich oft hungrig und –«

»Halt's Maul!« rief der Greif.

»Aber Herr,« fing der Hund nach kurzem Stillschweigen von Neuem an, »gewiß kommt nie Jemand an einen so abgelegenen Aufenthalt. Wer sind die Diebe, wenn ich so frei seyn darf, zu fragen?«

»Wisse,« erwiederte der Greif, »daß es hier herum eine große Menge Schlangen gibt, die beständig darauf aus sind, mir meinen Schatz zu stehlen. Träfen sie mich einmal eingenickt, so würden sie, nicht zufrieden mit dem Diebstahl, obendrein Alles anwenden, 125 um mich todt zu stechen. So verkomm ich denn beinah aus Mangel an Schlaf.«

»Ach,« entgegnete der Hund, der eine gute Nachtruhe liebte, »ich beneide Euch nicht um Euern Schatz, Herr.«

Mit Anbruch der Nacht legte sich der Greif, der ein ziemlich Theil Scharfsinn besaß, und sah, daß er sich auf den Hund verlassen könne, in einem andern Winkel der Höhle zum Schlaf nieder; und der Hund übernahm, nachdem er sich erst wohl geschüttelt, um recht wach zu bleiben, die Hütung des Schatzes. Der Mund wässerte ihm ausnehmend nach den Knochen, und er konnte sich nicht enthalten, sie dann und wann zu beriechen, aber er sprach zu sich selbst: »Ein geschlossener Handel bleibt geschlossen, und da ich einmal zugesagt, dem Greif zu dienen, so muß ich es als ein ehrlicher Hund thun.«

Gegen Mitternacht kam eine große Schlange zu einer Seite der Höhle hereingekrochen, der Hund aber schlug ein so lautes Gebell auf, daß der Greif erwachte, und die Schlange, so schnell sie konnte, wieder wegkroch. Da war der Greif sehr zufrieden und gab dem Hund einen von den Knochen, sich daran zu erlustigen. Und jede Nacht hütete der Hund den Schatz und hielt sich so gut, daß zuletzt gar keine Schlange mehr zu erscheinen wagte. So genoß denn der Greif eine herrliche Nachtruhe.

Der Hund befand sich jetzt viel behaglicher, als er erwartet hatte. Regelmäßig gab ihm der Greif einen von den Knochen zum Nachtessen und ward, erfreut über die Treue seines Knechts, ein so angenehmer Gebieter, als es ein Greif immerhin seyn konnte. Gleichwohl wünschte sich der Hund im Geheimen immer noch sehnlich nach der Erde zurück, denn da er den Tag über nichts zu thun hatte, als auf den Boden zu liegen und zu schlafen, so träumte er beständig von den Reizen seines Bäschens, und würgte in der Einbildung den Schurken Reinecke so kräftig, als einem Fuchs diese Ehre von den Pfoten eines Hundes je widerfuhr. Keuchend wachte er auf – ach! er konnte seine Träume nicht verwirklichen.

126 Eines Nachts, als er wie gewöhnlich den Schatz bewachte, sah er zu seinem großen Erstaunen ein schönes schwarz und weißes Hündlein in die Höhle kommen. Er wedelte unserem ehrlichen Freund zu, und bewegte das Schwänzlein gar vergnüglich.

»Ah, Kleines!« sagte unser Hund, den ich zur Unterscheidung den Wachthund nennen will, »Du thätest am besten, Dich so schnell als möglich wieder zu entfernen. Sieh dort im andern Winkel der Höhle schläft ein großer Greif; wacht er auf, so frißt er Dich entweder, oder macht Dich zu seinem Knecht, wie er mit mir gethan.«

»Ich weiß, was Du mir sagen willst,« entgegnete das Hündchen, »und bin zu Deiner Befreiung herabgekommen. Der Stein ist von der Oeffnung weggerückt, und Du hast nichts zu thun, als mit mir umzukehren. Komm, Bruder, komm.«

Der Hund wurde durch diese Anrede sehr aufgeregt. »Dringt nicht in mich, mein lieber, kleiner Freund,« sprach er; »Du mußt wissen, ich wäre überglücklich, wenn ich aus dieser kalten Höhle entkommen und mich wieder einmal auf dem weichen Rasen wälzen könnte; aber wenn ich meinen Herrn verlasse, so kommen die verfluchten Schlangen, die beständig auf der Lauer liegen, und stehlen ihm seinen Schatz, ja stechen ihn vielleicht gar todt.«

Auf dies hin ging das Hündchen auf den Wachthund zu, machte ihm die dringendsten Gegenvorstellungen, leckte ihm liebkosend beide Seiten des Gesichts, packte ihn beim Ohr, und suchte ihn von dem Schatz wegzuziehen; aber der Hund war nicht zum kleinsten Schritt zu bringen, so schmerzlich sein Herz ihn auch drängte. Endlich, da es Alles vergebens fand, sagte das Hündlein: »Nun denn, wenn ich Dich verlassen muß, so lebe wohl, aber ich bin auf dem langen Herabweg zu Dir so hungrig geworden, daß ich wünschte, Du gäbest mir einen von diesen Knochen. Sie riechen sehr annehmlich und Einer aus so vielen wird nie vermißt werden.«

»Ach,« rief der Hund, »wie unglücklich, daß ich den Knochen, den mir mein Herr gegeben, bereits verspeist habe, sonst solltest Du 127 ihn mit Freuden bekommen. Von diesen hier aber kann ich Dir keinen mittheilen, denn mein Herr hat mir das Versprechen abgenommen, sie alle zu hüten, und ich hab' ihm die Pfote darauf gegeben. Ich bin überzeugt, daß ein Hund von Deinem ehrenhaften Ansehen jetzt nichts Weiteres über die Sache sagen wird.«

Da erwiederte das Hündchen verdrießlich: »Pah! wie albern Du sprichst! Sicherlich vermißt ein großer Greif ein Knöchlein, wie es für mich paßt, nicht.« Damit nistete er sein Näschen unter den Wachthund und suchte einen der Knochen hervorzuzerren.

Auf dies wurde der Wachthund zornig und packte, obwohl mit großer Ueberwindung, das Hündlein beim Genick, und schleuderte es von sich, jedoch ohne ihm einen Schaden zu thun. Plötzlich verwandelte sich das Hündlein in eine ungeheure Schlange, größer als der Greif selbst, und der Wachthund bellte aus aller Macht. Hastig fuhr der Greif auf, und die Schlange schoß auf ihn los, eh' er noch recht wach geworden. Ich wünschte, theuerste Silpelit, Sie hätten den Kampf zwischen dem Greif und der Schlange mit ansehen können, wie sie pusteten und zischten und bissen und ihre feurigen Zungen gegen einander zuckten. Endlich gewann die Schlange die Oberhand und wollte die Zunge eben in denjenigen Theil des Greifen einsenken, der von keinen Schuppen gedeckt ist, als der Hund sie beim Schwanz erwischte und so heftig biß, daß sie nicht umhin konnte, sich umzuwenden, um ihren neuen Feind zu tödten; der Greif aber ersah sich schnell seinen Vortheil, packte die Schlange mit beiden Klauen um die Kehle und erdrosselte sie richtig. Sobald er sich von der Anstrengung des Kampfes erholt hatte, überhäufte er seinen Lebensretter mit jeder Art von Liebkosungen. Der Hund erzählte ihm die ganze Geschichte, und der Greif erklärte sofort, die todte Schlange sey der Schlangenkönig gewesen, welcher die Macht besitze, sich in jede beliebige Gestalt zu verwandeln.

»Hätte sie Dich verlockt,« sprach er, »von dem Schatz auch nur auf einen Augenblick zu weichen, oder ihr irgend einen Theil 128 davon zukommen zu lassen, ja auch nur ein einzig Knöchlein, so hätte sie Dich im Nu zermalmt und mich, ehe ich erwacht wäre, todt gestochen; aber dem Ehrlichen kann nichts, selbst das giftigste Thier in der Schöpfung nicht bei.«

»Das war immer mein Glaube,« antwortete der Hund, »und jetzt, Herr, thätet Ihr gut, Ihr legtet Euch wieder aufs Ohr und überließet das Uebrige mir.«

»Nein,« erwiederte der Greif, »fürderhin bedarf ich keines Knechts, denn jetzt, da der König der Schlangen todt ist, werden mich die andern nicht mehr belästigen. Nur um seine eigene Habsucht zu befriedigen, wagten sich seine Unterthanen in die Greifenhöhle.«

Auf diese Kunde ward der Hund hoch erfreut, stellte sich auf seine Hinterpfoten, und bat den Greif höchst beweglich, ihn auf die Erde zurückkehren zu lassen, um seine Geliebte, die Katze, zu besuchen, und seinen Nebenbuhler, den Fuchs, zu würgen.

»Du dienst keinem undankbaren Herrn,« entgegnete der Greif. »Du sollst zurückkehren und ich will Dich die ganze List meines Geschlechtes lehren, das noch viel listiger ist, als das Geschlecht dieses Rabulisten, des Fuchses, so daß Du es mit Deinem Nebenbuhler füglich aufnehmen kannst.

»Ach verzeiht,« antwortete hastig der Hund, »ich bin Euch immerhin in gleichem Grad verbunden, aber ich denke Ehrlichkeit kann es jeden Tag mit der Schlauheit aufnehmen, und als ein Hund von Ehre halt ich mich um ein gut Theil gesicherter, als wenn ich alle Kniffe der Welt verstände.«

»Gut,« sagte der Greif ein wenig pikirt von der Offenherzigkeit des Hundes, »thu nach Deinem Belieben, ich wünsche Dir alles mögliche Glück.«

Damit öffnete er eine geheime Thür an der Seite der Höhle, und der Hund erblickte einen breiten Weg, der geradezu nach dem Wald führte.

129 Er dankte dem Greif von ganzem Herzen, und jagte mit wedelndem Schweif ins offene Mondlicht hinaus. »Oho! Meister Fuchs,« sprach er, »so verschmitzt du dir vorkommst, gibt es doch für einen ehrlichen Hund keine Falle, die nicht wieder eine Hinterthür hätte.«

Damit krümmte er den Schweif zierlich über dem linken Bein und warf sich in einen langen Trab nach dem Haus der Katze. Als er es endlich vor sich liegen sah, hielt er an, um sich aus einer Wasserpfütze zu erfrischen. Wer anders war dort, als unsere Freundin die Elster?

»Und was ist denn Sein Verlangen, Freund?« fragte sie beinah' verächtlich, denn der Hund sah nach seiner Reise etwas verwahrlost aus.

»Ich will mein Bäschen, die Katze, besuchen,« erwiederte er.

» Sein Bäschen?« rief die Elster. »Weiß er nicht, daß sie mit Nächstem den Fuchs Reinecke heirathet? Das ist keine Zeit, wo sie Besuche von einem Kerl, wie Er, annehmen kann.«

Diese Worte brachten den Hund in eine solche Leidenschaft, daß wenig fehlte, so hätte er die Elster für die unhöfliche Art, womit sie eine so böse Neuigkeit mittheilte, gebissen. Indessen bezwang er seinen Unmuth und verfügte sich, ohne Antwort zu geben, nach der Wohnung der Katze.

Die Katze saß am Fenster und der Hund hatte sie nicht sobald erblickt, als er sein Herz gänzlich verlor. Nie zuvor war ihm eine so schöne Katze zu Gesicht gekommen. Mit wedelndem Schweif und höchst einschmeichelnder Miene trat er näher, als die Katze plötzlich wegfuhr, ihm das Fenster vor der Nase zuschlug, und siehe! Reinecke Fuchs an ihrer Stelle erschien.

»Komm heraus, Du Schurke,« rief der Hund und wies ihm die Zähne. »Komm heraus, ich fordere Dich zum Zweikampf, ich habe Deine Bosheit nicht vergessen, und Du siehst, daß ich nicht länger in einer Höhle stecke und unfähig bin, Dich für Deine Schändlichkeit zu bestrafen.«

130 »Geh' heim, Tropf,« antwortete der Fuchs höhnisch; »Du hast hier nichts zu thun und was einen Kampf mit Dir betrifft – pah!« Damit verließ der Fuchs das Fenster und verschwand. Der Hund aber, in der höchsten Wuth, kratzte wacker an der Thür und machte einen solchen Lärm, daß nach kurzem Verzug die Katze selbst ans Fenster kam.

»Nun da!« rief sie ärgerlich, »was soll diese Flegelei? Wer ist Er und was will Er in meinem Haus?«

»Ach liebes Bäschen,« entgegnete der Hund, »sprechen Sie doch nicht so streng. Wissen Sie, daß ich hierher gekommen, Ihnen einen Besuch zu machen; und was Sie auch vorhaben mögen, lassen Sie sich beschwören, nicht auf diesen Schandbuben von Fuchs zu hören: Sie haben keine Vorstellung, was der für ein Schuft ist.«

»Was,« rief die Katze feuerroth, »wagt Er Leute von Stand auf diese Art zu schmähen? Ich sehe, Er hat einen Anschlag auf mich. Fort, im Augenblick! oder . . . .«

»Genug, mein Fräulein,« sagte der Hund stolz. »Kein weiteres Wort mehr. Leben Sie wohl.«

Und langsam wandte er sich um und begab sich unter einen Baum, wo er sein Quartier für diese Nacht nahm. Am folgenden Morgen war große Bewegung in der Umgegend. Ein Fremder, der auf einem ganz andern Fuß reiste, als der Hund, hatte sich mitten in der Nacht eingefunden und seinen Abstand in einer großen, in einen steilen Fels gesenkten Höhle genommen. Das Geräusch, das er bei seinem Flug durch die Luft gemacht, war so groß, daß es jeden Vogel und jeden Vierfüßler in der Gemeinde aufweckte, und Reinecke, den sein böses Gewissen nie recht fest schlafen ließ, streckte den Kopf aus dem Fenster und entdeckte zu seinem großen Schrecken, der Fremde sey nichts Geringeres als ein ungeheurer Greif.

Nun sind die Greifen die reichsten Thiere in der Welt, und das ist der Grund, warum sie sich so sehr unter der Erde halten. Geschieht 131 es je, daß sie einen Besuch über derselben machen, so vergißt man das nicht so bald wieder.

Die Elster war in der höchsten Spannung. Was konnte den Greifen hergeführt haben? Sie beschloß, ein Blicklein in die Höhle zu werfen, zu welchem Behuf sie den Felsen ängstlich hinaufhüpfte, und that, als läse sie Reisig für ihr Nest.

»Holla! Madame!« rief eine rauhe Stimme, und der Greif streckte den Kopf aus der Höhle hervor. »Holla! Sie sind eben die Dame, die ich gern sehen möchte; Sie kennen alles Volk hier herum – he?«

»Wenigstens sämmtliche gute Gesellschaft, Eure Herrlichkeit!« erwiederte die Elster mit tiefer Verneigung.

Auf dies kam der Greif heraus und fuhr, indem er seine Pfeife behaglich in der freien Luft rauchte, um der Elster Muth zu machen, also fort:

»Gibt es in der Umgegend einige angesehene Thiere von guter Familie?«

»Oh, die feinste Gesellschaft, ich versichere Eure Herrlichkeit!« rief die Elster. »Ich selbst lebe nun schon seit zehn Jahren hier, und die große Erbin, die Katze dort drüben, zieht eine große Menge Fremder her.«

»Hm! – Erbin, ja doch! Ihr wißt viel von Erbinnen!« entgegnete der Greif. »Es gibt nur Eine Erbin in der Welt, und das ist meine Tochter.«

»Behüte! Hat Eure Herrlichkeit Familie? ich bitte tausendmal um Verzeihung. Sah' ich doch heute Nacht blos Eurer Herrlichkeit eigenes Reisezeug und wußte nicht, daß Sie irgend Jemand mitgebracht.«

»Meine Tochter reiste voraus und war bereits gut untergebracht, als ich anlangte. Ich darf wohl annehmen, daß sie Euch nicht im Schlaf gestört haben wird, wie ich, denn sie zieht so leicht durch die 132 Luft dahin wie ein Schwan; ich aber habe das Podagra in der linken Klaue, und das ist der Grund, warum ich auf meinen Reisen so puste und ächze.«

»Darf ich etwa ein wenig zu Fräulein Greif hineingehen, und sehen, wie sie sich nach der Reise befindet?« fragte die Elster vortretend.

»Ich dank' Ihnen: nein. Ich wünsche nicht, daß man sie während meines hiesigen Aufenthalts sehe: es verrückt ihr den Kopf, und ich bin nicht ohne Sorge, daß ein oder der andere junge Herr sie entführen könnte, wenn einmal bekannt wird, wie schön sie ist. Sie ist das Ebenbild von mir, aber ein Erzschwindelgeist! Nicht daß mir sonderlich viel daran läge, wenn sie mit einem Thier von Stand davonliefe, müßt ich ihr nicht ihren Kindstheil herauszahlen, der über die Maßen groß ist: hab' ich aber einmal Geld in der Hand, Madame, so trenn' ich mich ungern wieder davon, ho! ho! ho!«

»Sie sind unendlich witzig, Gnädigster. Aber wenn Sie Ihre Einwilligung versagen?« fragte die Elster, höchst neugierig, die ganze Familiengeschichte eines so vornehmen Herrn zu erfahren.

»Ich müßte gleichwohl das ganze Heirathgut herausgeben. Es wurde ihr von ihrem Oheim, dem Drachen, als Erbschaft zugewiesen. Aber ich bitte hievon keinen weitern Gebrauch zu machen.«

»Eure Herrlichkeit kann sich auf meine Geheimhaltung verlassen. Ich wünsche Eurer Herrlichkeit einen guten Morgen.«

Fort flog die Elster und hielt nicht an, bis sie zum Haus der Katze gelangt war. Katze und Fuchs saßen beim Frühstück und der Fuchs hielt die Pfote aufs Herz. »Hübsche Scene!« rief die Elster. Die Katze erröthete und bat die Elster, Platz zu nehmen.

Sofort ging die Zunge der Elster in einem ununterbrochenen Zug fort. Sie erzählte den Beiden die ganze Geschichte vom Greifen und seiner Tochter, und überdies noch ein gut Theil mehr, was ihr der Greif nie gesagt hatte.

Die Katze hörte aufmerksam zu. Eine andere junge Erbin in 133 der Nachbarschaft mochte leicht eine gefährliche Rivalin werden. »Aber ist die Greifin hübsch?« fragte sie.

»Sehr hübsch!« rief die Elster; »ach hättet Ihr den Vater gesehen! welch ein Mund, welche Augen, welche Farbe! und er erklärte, sie sey sein Ebenbild! Aber was sagen Sie, Herr Reinecke? Sie, der so viel in der großen Welt gewesen, haben die junge Dame vielleicht gesehen?«

»Wirklich, ich kann das nicht sagen,« erwiederte der Fuchs, aus einer Träumerei erwachend. »Aber sie muß ausnehmend reich seyn. Ich wette, dieser Narr, der Hund, macht sich an sie.«

»Apropos! welchen Rumor der gestern vor Ihrer Thür verführte!« rief die Elster. »Warum ließen Sie ihn nicht ein, meine Liebe?«

»Ach,« bemerkte die Katze sittig: »Herr Reinecke sagt mir, es sey ein Hund von sehr übelm Ruf, ein reiner Glücksritter, der überdies einen höchst gefährlichen Hang zum Beißen unter einem Schein von Gutmüthigkeit verberge. Ich hoffe, er macht Ihnen keine Ungelegenheiten, lieber Reinecke?«

»Mir? o der arme Teufel; nein! – vielleicht daß er ein wenig poltert, aber er weiß, daß ich, wenn ich einmal zornig bin, beiße wie ein Satan. Doch man muß sich selbst nicht loben.«

Gegen Abend verspürte Reinecke ein starkes Verlangen, den Greif seine Pfeife rauchen zu sehen; aber was konnte er thun? Unter dem Baum gegenüber lag der Hund und lauerte augenscheinlich auf ihn, während Reinecke gar keine Lust empfand, sich wirklich als jenen Satan im Beißen zu bewähren, für welchen er sich erklärt hatte. Endlich beschloß er, seine Zuflucht zu einer List zu nehmen, um sich den Hund vom Hals zu schaffen.

Ein junger Kaninchenrammler, eine Art ländlicher Geck, hatte seinem Bäschen, der Katze, die Aufwartung gemacht. Reinecke nahm ihn auf die Seite und sprach: »Sie bemerken jenen schäbigen Hund unter dem Baum? Na! Der hat sich sehr übel gegen Ihr Bäschen 134 Katze aufgeführt, und Sie sollten ihn offenbar fordern! Vergeben Sie mir die Kühnheit, die ich mir gegen Sie erlaube; lediglich die Achtung vor Ihrem Ruf veranlaßt mich, mir diese Freiheit zu nehmen. Sie wissen, ich selbst könnte den Schurken leicht züchtigen; aber welchen Skandal gäbe Das! Wär ich bereits mit Ihrem Bäschen verheirathet, so wärs was Anderes! Aber so können Sie denken, welche Geschichte die verdammte Elster jetzt daraus aushecken würde!«

Der Rammler sah ganz dumm aus. Er versicherte den Fuchs, er könne von einem solchen Hund keine Satisfaktion nehmen; er liebe sein Bäschen allerdings zärtlich, aber er sehe keine Nothwendigkeit ab, sich in ihre Privatangelegenheiten zu mischen: kurz, er wandte alles Mögliche an, sich aus der Schlinge zu ziehen; aber der Fuchs wußte seine Eitelkeit auf so künstliche Art zu fassen, versicherte ihn so ernstlich, der Hund sey die größte Memme in der Welt und werde demüthig Abbitte thun; stellte ihm den Ruhm, der ihm für einen solchen Muthbeweis zufallen würde, so beredt vor, daß der Rammler sich endlich überreden ließ, die Ausforderung an Mann zu bringen.

»Ich will Ihnen sekundiren,« sagte der Fuchs; »das große Feld auf der andern Seite des Waldes, eine Stunde von hier, soll der Kampfplatz seyn, dort sind wir unbemerkt. Sie gehen zuerst, ich folge in einer halben Stunde nach, und – hören Sie wohl, – nimmt er die Ausforderung an und Sie fühlen die mindeste Bangigkeit, so will ich bereit seyn und Ihnen die Sache mit dem größten Vergnügen aus den Pfoten nehmen. Verlassen Sie sich darauf, mein lieber Herr.«

Hin zog der Rammler. Der Hund war anfangs über die Verwegenheit des ärmlichen Geschöpfleins etwas erstaunt, als er aber vernahm, daß der Fuchs sich einfinden werde, willigte er mit Freuden ein, sich nach dem Kampfplatz zu begeben. Diese Bereitwilligkeit gefiel dem Rammler nicht im Mindesten, sehr langsam wanderte er nach dem Feld, und da er dort keinen Fuchs sah, sank ihm das Herz gänzlich. Während der Hund seine Nase an die Erde hielt, ob er nicht 135 etwa die Witterung des annahenden Fuchses bekäme, schlüpfte sein Gegner in einen Kaninchenbau und ließ Jenen allein zurückkehren.

Unterdessen befand sich der Fuchs bereits vor dem Felsen. Er ging äußerst sachte und sah sich mit der höchsten Vorsicht um, denn es dämmerte ihm vor, ein Greifen-Papa dürfte nicht sonderlich höflich gegen Füchse seyn.

In dem Felsen waren zwei Höhlen, eine unten und eine oben, ein unteres und ein oberes Stockwerk. Indem der Fuchs umherlugte, bemerkte er plötzlich, daß ihm aus dem obern Stockwerk eine große Klaue zuwinkte.

»Ah, ah!« dachte der Fuchs, »ich schwöre darauf, das ist die muthwillige junge Greifin.«

Er trat näher und eine Stimme rief:

»Bezaubernder Herr Reinecke! glauben Sie nicht, eine unglückliche Greifin von der barbarischen Einzwängung in diesen Felsen befreien zu können?«

»O Himmel!« entgegnete zärtlich der Fuchs, »welch schöne Stimme! und, ach mein armes Herz, welch niedliche Klaue! Wäre es möglich, daß ich die Tochter Seiner Gnaden, des großen Greisen vernähme?«

»Still, Schmeichler, nicht so laut, wenn ich bitten darf. Mein Vater macht eben einen Abendspaziergang und hat ein sehr leises Gehör. Er hat mich an meinen armen Flügeln in die Höhle gebunden, denn er fürchtet gar sehr, irgend ein Thier möchte mich entführen. Sie wissen, ich habe mein abgesondertes Vermögen.«

»Sprechen Sie nicht von Schätzen!« sagte der Fuchs. »Aber wie kann ich Sie befreien? Soll ich hinein und den Strick abnagen?«

»Ach!« erwiederte die Greifin, »mit einer ungeheuren Kette bin ich gebunden. Gleichwohl könnten Sie immer hereinkommen; wir sprächen da sicherer mit einander.«

Der Fuchs schaute vorsichtig rings umher, und da er nirgends eine Spur des Greifen gewahr wurde, trat er in die untere Höhle und 136 schlich sich von da die Treppe hinauf in das obere Geschoß. Im Vorübergehen bemerkte er unermeßliche Haufen von Gold und Edelsteinen, so daß der alte Greif wohl mit Recht darüber gelacht haben mochte, als man die arme Katze eine » Erbin« nannte. Solch untrügliche Zeichen des Reichthums vergnügten den Fuchs sehr, und er betrat den obern Stock mit dem Entschluß, von den Reizen der Greifin außer sich gesetzt zu werden.

Allein zwischen dem Treppenende und dem Ort, wo die junge Dame angekettet saß, klaffte eine große Spalte und er fand das Hinüberkommen unmöglich. Die Höhle war dunkel, doch erblickte er genug von der Gestalt der Greifin, um trotz ihrem Unterrock zu entdecken, daß sie wirklich das Abbild des Vaters und die scheußlichste Erbin war, welche die Erde je gesehen.

Gleichwohl würgte er seinen Ekel hinunter, und ergoß sich in einen solchen Strom Schmeicheleien, daß die Greifin gänzlich gewonnen schien. Er beschwor sie mit ihm zu entfliehen, sobald sie losgekettet wäre.

»Das ist unmöglich,« erwiederte sie, »denn mein Vater läßt mich blos in seiner Gegenwart von der Kette, und dann darf ich mich nicht aus seinem Gesicht entfernen.«

»Der Elende!« rief Reinecke. »Was ist zu thun?«

»Ich weiß nur einen Ausweg, und zwar diesen: Ich bereite ihm immer seine Fleischbrühe; könnte ich was hineinmischen, das ihn in einen festen Schlaf versenkte, eh er Zeit hätte mich wieder anzuketten, so schliche ich mich leicht hinunter, und nähme den ganzen Schatz drunten auf meinem Rücken mit.«

»Herrlich! Wie erfinderisch, wie scharfsinnig! Gleich will ich fort und einige Mohnköpfe herschaffen.«

»Ach! Mohn hat keine Wirkung auf Greifen; das Einzige, was den Vater in einen festen Schlaf zu bringen vermöchte, wäre eine hübsche junge Katze, die ich ihm in der Fleischbrühe kochen würde. 137 Es ist erstaunlich, welchen Zauber Das auf ihn ausübt. Aber woher eine Katze bekommen? zudem muß sie noch Jungfer seyn!«

Reinecke kam über ein so seltsames Opiat ein Wenig außer Fassung.

»Indessen,« dachte er, »Greifen sind nicht wie die übrige Welt, und eine so reiche Erbin ist nicht durch gewöhnliche Mittel zu gewinnen.«

»Ich kenne,« sprach er nach kurzem Bedenken, »eine jungferliche Katze, aber ich empfinde einiges Widerstreben bei dem Gedanken, daß sie in der Fleischbrühe des Greifen gekocht werden soll. Würde nicht ein Hund dieselbe Dienste leisten?«

»Ha, Verräther!« rief die Greifin und schien zu weinen, »Du liebst die Katze, seh ich wohl. Geh und heirathe die armselige Zwergin und laß mich vor Gram sterben!«

Umsonst behauptete der Fuchs, daß er sich keinen Strohhalm um die Katze kümmere; nichts vermochte die Greifin zu besänftigen als seine bestimmte Versicherung, daß, komme was da wolle, die arme Müsi in die Höhle gebracht und in der Fleischbrühe des Alten gekocht werden sollte.

»Aber wie wollen Sie dieselbe her kriegen?« fragte die Greifin.

»Ueberlassen Sie Das mir!« entgegnete Reinecke. »Hängen Sie nur einen Korb aus dem Fenster, und ziehen ihn an einem Strick wieder hinauf. Im Augenblick, wo er vor dem Fenster anlangt, sehen Sie zu, daß Sie die Klaue gleich auf die Katze bekommen, denn sie ist über die Maßen flink.«

»Pah! wäre eine saubere Greifin, wenn ich nicht wüßte, wie man eine Katze fängt!«

»Aber Das muß geschehen, wenn Ihr Vater nicht zu Haus ist?«

»Versteht sich; jeden Abend bei Sonnenuntergang macht er ein Spaziergängchen.«

»So seys denn gleich morgen!« rief Reinecke, der sich gewaltig nach dem Schatz sehnte.

138 Nachdem diese Abrede getroffen, hielt es der Fuchs für Zeit sich zu entfernen. Er schlich sich wieder die Treppe hinab, und suchte unterwegs Einiges von den Schätzen abzuführen, aber die Last war für ihn zu schwer und er mußte sich bekennen, daß es unmöglich sey den Schatz zu bekommen, ohne die Greifin, deren Rücken überaus kräftig zu seyn schien, mit in den Kauf zu nehmen.

Er kehrte zu der Katze zurück, und als er beim Eintritt ins Haus wahrnahm, wie nach den prächtigen Juwelen in der Greifenhöhle Alles so gewöhnlich erschien, wunderte er sich mächtig, wie er je glauben konnte, die Katze habe die geringsten Ansprüche auf ein gutes Aussehen.

Indessen verbarg er seinen verruchten Plan, und seiner Gebieterin kam es vor, er sey nie so liebenswürdig gewesen.

»Rath einmal,« sprach er, »wo ich gewesen? bei unserem neuen Nachbar, dem Greifen, einem charmanten Mann. Höchst leutselig, ganz das Air des Hofs! was die einfältige Elster betrifft, so durchschaute sie der Greif auf den ersten Blick: die ganze Geschichte von seiner Tochter war eine Schnurre; er hat gar keine Tochter. Du weißt, meine Liebe, Schnurren gehören zum Ton bei den Großen. Ueberall, sagt er, habe er nur von Deiner Schönheit gehört, und als ich ihm zu wissen that, daß wir uns bald heirathen würden, bestand er darauf, zu Ehren des Ereignisses großen Ball und Souper zu geben. In der That ist er ein galanter alter Knabe und stirbt vor Begierde, Dich zu sehen. So war ich denn genöthigt, die Einladung anzunehmen.«

»Du konntest nicht anders,« sagte das arglose junge Geschöpf, das, wie schon gesagt, sehr empfänglich für Schmeichelei war.

»Und denk nur, wie zart seine Aufmerksamkeit ist,« fuhr der Fuchs fort. »Da er für ein Thier seines Ranges ziemlich schlecht logirt und seine Schätze den ganzen untern Boden einnehmen, so ist er genöthigt, das Fest im obern Stock zu geben. Da will er nun einen Korb für seine Gäste aushängen, und sie mit eigenen Klauen hinaufziehen. Wie herablassend! Aber so liebenswürdig sind die Großen!«

139 Die in der Zurückgezogenheit aufgewachsene Katze war voll Entzücken über den Gedanken, einmal einen Blick in die vornehme Welt zu thun, und die Liebenden sprachen den ganzen nächsten Tag von nichts Anderem. Als Reinecke gegen Abend den Kopf aus dem Fenster streckte, erschaute er seinen alten Freund, den Hund, der wieder auf seiner gewöhnlichen Lauer lag und ihn sehr ingrimmig bewachte.

»Ach, das verfluchte Thier, ich hatte es ganz vergessen! was ist jetzt zu thun? keinen Knochen ließ' er von mir übrig, wenn er mich jetzt den Fuß aus der Thür setzen sähe.«

Damit fing der Fuchs an in seinem Kopf umzuwälzen, wie er seines Nebenbuhlers los werden möchte, und faßte endlich einen sehr bemerkenswerthen Plan. Er bat die Katze vorauszugehen und an einer Beugung der Straße, etwas entfernt vom Haus, auf ihn zu warten. »Denn,« sprach er, »gehen wir zusammen, so werden wir sicherlich von dem Hund insultirt, da er weiß, daß in Gegenwart einer Dame die Sitte einem Thier von höherer Bildung nicht gestattet, Beleidigungen zu rächen. Bin ich aber allein, so ist der Kerl feig genug, daß er nicht den Mund aufthut. Laß die Thür offen, ich folge Dir sogleich nach.«

Das Gemüth der Katze war so gänzlich gegen ihren Vetter eingenommen, daß sie dieser Schilderung seines Charakters unbedingten Glauben schenkte und demgemäß zuerst fortging, dem Geliebten noch vielfach anempfehlend, seiner Würde nicht durch Einlassung in irgend einen Wortwechsel mit dem Hund Eintrag zu thun.

Der Hund kam sehr demüthig auf sie zu, und bat nur ein paar Worte mit ihr sprechen zu dürfen, aber sie empfieng ihn so hochfahrend, daß ihm die Lust verging und er wüthender als je auf seinen Mitbewerber zu dem Baum zurückkehrte. Was glich jedoch seiner Freude, als er gewahr wurde, daß die Katze die Thür offen gelassen! »Jetzt Elender,« dachte er, »kannst Du mir nicht entgehen.« So trat er denn barsch durch die Hinterthür ein. Er war sehr erstaunt, 140 Reinecke im Stroh ausgestreckt zu finden, keuchend als wollte ihm das Herz brechen und die Augen in der Todespein umherwälzend.

»Ach Freund,« sagte der Fuchs mit wankender Stimme: »Du bist gerächt, meine Stunde ist gekommen; eben bin ich daran, den Geist aufzugeben; leg Deine Pfote in die meinige und sage, daß Du mir verzeihest.«

Trotz seiner Erbitterung vermochte es der großmüthige Hund nicht, die Zähne an einen sterbenden Feind zu setzen.

»Du hast mir einen schuftigen Streich gespielt,« sprach er; »Du hast mich in einem Loch verkommen lassen wollen, und mich augenscheinlich bei meinem Bäschen verschwätzt. Ich dachte mit Zuversicht, Rache an Dir zu nehmen, wenn Du aber wirklich am Sterben bist, so ändert Das die Sache.«

»Ach! ach!« stöhnte der Fuchs jämmerlich: »mir ist nicht mehr zu helfen. Die arme Katze ist zum Doktor Affen gegangen, aber er wird nicht mehr zu rechter Zeit erscheinen. Ach wie schrecklich, auf dem Sterbebette ein böses Gewissen zu haben! Aber warte, bis die Katze zurückkehrt, und ich will Dir vor meinem Tod in ihrer Gegenwart volle Genugthuung geben.«

Der gutmüthige Hund war sehr gerührt, als er seinen Todfeind in einem solchen Zustand sah und suchte ihn, so gut ers vermochte, zu trösten.

»Oh weh!« rief der Fuchs, »der Gaumen klebt mir zusammen, es ist als brennte ein Feuer darin.« Damit hängte er die Zunge aus dem Hals und rollte die Augen noch grauenhafter als vorher.

»Ist kein Wasser da?« fragte der Hund umherspürend.

»Ach nein! – Doch halt! – ja, jetzt fällt mir ein, daß sich ein Wenig in dem kleinen Grübchen in der Mauer befindet; aber wie dazu kommen? es ist so hoch, daß ich in meinem armseligen Zustand nicht hinaufklettern kann, und von Jemand, dem ich so großes Unrecht gethan, wag ich nicht einen solchen Liebesdienst zu fordern.«

141 »Sprich davon nichts; – aber das Grüblein ist sehr klein, ich könnte meine Nase nicht durchstecken.«

»Nein, aber wenn Du auf diesen Stein kletterst, und dann die Pfote in das Grüblein hältst, so kannst Du sie mit Wasser benetzen und wenigstens so meinen armen, zusammengebackenen Mund kühlen. Ach wie schrecklich, ein böses Gewissen zu haben!«

Der Hund sprang auf den Stein, stellte sich auf die Hinterbeine und hielt die eine Vorderpfote in das Loch. Plötzlich zog Reinecke an einer Schnur, die er unter dem Stroh verborgen hatte, und die Pfote des Hundes war durch eine laufende Schlinge fest an die Wand gebunden.

»Ha, Schurke!« rief er sich umwendend; aber der Fuchs hüpfte lustig von dem Stroh auf, befestigte die Schnur vermittelst seiner Zähne an einem Nagel auf der andern Seite der Wand und zog mit dem Ruf ab: »Guten Tag, mein lieber Freund; hüte Dich künftig, an schnelle Bekehrungen zu glauben!« – Damit ließ er den Hund auf den Hinterbeinen Wache im Haus halten.

Er traf die Katze an der verabredeten Stelle seiner harrend, und unter Liebesgesprächen gingen sie mit einander weiter, bis sie vor der Höhle anlangten. Es war jetzt ziemlich dunkel geworden, und bereits sahen sie den Korb drunten warten. Der Fuchs half der armen Katze hinein. »Es ist nur Raum für Eine Person,« sprach er, »Du mußt zuerst hinauf!« Der Korb stieg empor; der Fuchs hörte ein klägliches Miau, und Alles ward still.

»So Viel für die Fleischbrühe des Greisen!« dachte er.

Geduldig hatte er eine Zeit lang gewartet, als die Greifin, mit der Klaue aus dem Fenster winkend, wohlgemuth ausrief: »Alles ist in Richtigkeit, lieber Reinecke; Papa hat seine Fleischbrühe hinunter und schläft wie ein Fels. Eine ganze Welt vermöchte ihn jetzt nicht aufzuwecken, bis er die gekochte Katze ausgeschlafen hat, was vor zwölf Stunden nicht der Fall ist. Komm und hilf mir die Schätze 142 zusammenpacken; es sollte mir leid thun, wenn ich auch nur einen einzigen Diamant zurückließe.«

»Mir auch!« entgegnete der Fuchs. »Warte, ich will durch die untere Höhle hinauf. Hui! die Thür ist verschlossen! Ich bitte, schönste Greifin, öffne sie Deinem ungeduldigen Anbeter.«

»Ach der Vater hat den Schlüssel versteckt; ich weiß nie, wo er ihn hinlegt. Du mußt durch den Korb herauf! sieh, da laß ich ihn Dir hinunter.«

Der Fuchs zögerte ein Wenig, sich demselben Vehikel anzuvertrauen, das seine Gebieterin in die Fleischbrühe befördert hatte; aber der Vorsichtigste wird unvorsichtig, wo Geld zu gewinnen ist, und Geiz kann selbst einen Fuchs in die Schlinge führen. So setzte er sich denn so bequem als es gehen wollte in den Korb, und war im Augenblick oben. Unmittelbar eh es ans Fenster gelangte, hielt jedoch das Fuhrwerk an, und mit einem leichten Schauder fühlte der Fuchs, wie ihm die Klaue der Greifin den Rücken streichelte.

»Was für ein schönes Fell!« sprach sie liebkosend.

»Du bist allzugütig,« erwiederte der Fuchs, »aber Du kannst es mit mehr Bequemlichkeit anfassen, wenn ich einmal oben bin. Eile, ich bitte Dich.«

»Ach was für ein schöner, buschiger Schweif. Nie hab ich einen solchen Schweif angefühlt!«

»Er ist gänzlich zu Deinen Diensten, süße Greifin; aber ich bitte, laß mich hinein. Wozu auch den kleinsten Augenblick verlieren?«

»Nein, nie hab ich einen solchen Schweif angefühlt. Kein Wunder, daß Du solches Glück bei den Damen machst!«

»O, geliebte Greifin, mein Schweif gehört für alle Ewigkeit Dir; aber Du klemmst ihn ein wenig zu stark ein.«

Kaum hatte er Dies gesagt, als der Korb wieder hinabfuhr, aber der Fuchs nicht ganz mit dem Korb. Er blieb am Schwanz aufgehängt und baumelte mit Hülfe eines ähnlichen Flaschenzugs, wie 143 der, womit er den Hund eingefangen, am Felsen hinunter. So laut er konnte, schrie er auf, – denn es thut einem Fuchs überaus weh, wenn er am Schwanz kopfüber aufgehängt ist, – als die Felsenthür aufging und der Greif selbst, seine Pfeife rauchend, mit einer großen Menge aller umwohnenden Thiere von gutem Ton heraustrat.

»Oho! Bruder!« rief der Bär und wollte sich todtlachen: »Wer hat je einen Fuchs am Schwanz aufgehängt gesehen?«

»Sie werden eines Arztes bedürfen!« bemerkte Doktor Affe.

»In der That eine hübsche Partie! eine Greifin für ein Geschöpf wie Ihr!« sagte die Gais, an ihm vorüber stolzirend.

Der Fuchs biß vor Schmerz und Schaam die Zähne übereinander und erwiederte nichts. Was ihm aber das Herbste von Allem dünkte, war das Mitleid eines Tropfs von Esel, der ihn mit großer Ernsthaftigkeit versicherte, daß er in seiner Lage durchaus nichts Lächerliches finde.

»Auf jeden Fall,« sprach endlich Reinecke, »so betrogen, geprellt, genarrt ich auch bin, hab ich doch dem Hund denselben Streich gespielt. Gehen Sie und lachen Sie über ihn, meine Herren, er verdient es so sehr, als ich nur immerhin.«

»Bitt' um Vergebung,« entgegnete der Greif und nahm die Pfeife aus dem Mund, »man lacht über den Ehrlichen nie.«

»Und sieh', hier ist er!« sagte der Bär.

Wirklich hatte der Hund nach vielen Anstrengungen den Strick entzwei genagt und die Pfote gelöst. Die Witterung des Fuchses hatte ihn in Stand gesetzt, dessen Fährte zu verfolgen und eben jetzt kam er an, racheglühend aber sich bereits gerächt findend.

Sein erster Gedanke war jedoch sein geliebtes Bäschen. »Ach wo ist sie?« rief er beweglich. »Gewiß hat ihr dieser Schurke von Fuchs irgend einen schnöden Streich gespielt.«

»Das fürcht ich wahrhaftig, alter Freund,« erwiederte der Greif. »Aber laß Dich Das nicht anfechten; endlich war sie ja doch eben nichts Sonderliches. Du sollst meine Tochter heirathen und all' 144 die Schätze, und zudem alle Knochen erben, die Du einst so treu bewacht hast.«

»Redet mir davon nicht,« entgegnete der treue Hund. »Ich brauche nichts von Euern Schätzen, und, nichts für ungut! Eure Greifin kann sich zum Teufel scheren. Die ganze Welt will ich durchlaufen, bis ich mein liebes Bäschen finde!«

»So sieh' sie denn hier!« rief der Greif und die schöne Katze, schöner als je, stürzte aus der Höhle und warf sich dem Hund in die Pfoten.

Angenehmer Anblick für den Fuchs! er kannte das weibliche Herz gut genug, um zu wissen, daß eine weiche Zunge manche kleine Treulosigkeiten zu entschuldigen vermag; aber lebendig in der Fleischbrühe eines Greifen gekocht zu werden! – nein, eine solche Beleidigung war unsühnbar!

»Ihr versteht mich besser, Meister Reinecke,« hob wiederum der Greif an, »ich habe keine Tochter, und mir habt Ihr Eure Liebesbetheurung geschworen. Da ich wußte, was für eine Art Ding eine Elster ist, so machte ich mir den Spaß, ihr eine Schnurre aufzubinden – wie es zum Ton bei Hof gehört, Ihr wißt ja!«

Der Fuchs strengte sich mächtig an und sprang mit zurückgelassenem Schwanz auf den Boden. Er wuchs ihm nicht sobald wieder.

»Seht!« rief der Greif, als alle Thiere über die Figur lachten, die Reinecke im beeilten Lauf nach dem Wald darbot, »seht der Hund sticht den Fuchs bei den Damen zuletzt aus, und so schlau der Fuchs in allem Andern ist, sollte er sich doch unter allen Geschöpfen am wenigsten einfallen lassen, es in der Liebe zu versuchen!«

»Herrlich!« rief Silpelit und schlug die Hände zusammen, »gerade diese Art von Geschichten lieb ich.«

»Und ich vermuthe, Eure Hoheit,« rief Schnipp muthwillig, »daß der Hund und die Katze fortan stets glücklich zusammenlebten! Wirklich ist das eheliche Glück von Hund und Katze zum Sprichwort geworden!«

145 »Ich darf wohl sagen,« erwiederte der Prinz, »daß sie ungefähr gerade lebten, wie jedes andere Ehepaar.«

 


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