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Sechszehntes Kapitel.

Quam multa injusta ac prava fiunt moribus.

Tull.

Volat ambiguis
Mobilis alis Hora.

Seneca.

Mr. Robert Beaufort suchte den Mr. Blackwell auf, und lang abspringend, unzusammenhängend war seine Erzählung. Mr. Blackwell, nach einiger Ueberlegung, schlug vor, eben das vorzubereiten, was Lord Lilburne gerathen hatte, sofort zu thun. Aber der Rechtsgelehrte drückte sich versteckt und gesetzlich aus, so daß es dem nüchternen Sinne des Mr. Beaufort gar nicht als derselbe Plan erschien. Er war nicht im Mindesten beunruhigt über Mr. Blackwells Vorschläge, so sehr ihn Lilburnes Zumuthungen entsetzt hatten. Blackwell wollte, am folgenden Tage nach Wales reisen – wollte den Mr. Jones aufsuchen – wollte ihn ausforschen! Nichts sey, bei Leuten von der delikatesten Ehre, gewöhnlicher, als eben einen Zeugen sich aus dem Wege zu schaffen! Geschieht es ja in Wahlpetitionen, z. B., jeden Tag !

»Wahr,« sagte Mr. Beaufort, sehr erleichtert.

Dann, nachdem dies abgemacht, wollte Mr. Blackwell in die Stadt zurückkehren und nach Boulogne hinüberschiffen, um diesen unverschämten Menschen zu sehen, welchem Arthur (junge Leute lassen sich so leicht bethören!) wirklich Glauben beigemessen. Er zweifelte nicht, Alles ins Reine bringen zu können. Robert Beaufort kehrte wirklich guten Muthes nach Berkeley-Square zurück.

Hier traf er Lilburne, der bei weiterem Nachdenken einsah, daß Blackwell in jedem Falle dem Handel besser gewachsen war, als sein Schwager, und daher die Verabredung als zweckmäßig billigte. Demgemäß reiste Mr. Blackwell ab am nächsten Tage. Dieser nächste Tag vielleicht entschied Alles.

Zwei Stunden, nachdem er in Besitz der so wichtigen Urkunde gekommen, hatte Philipp, ohne weitere künstliche Ueberlegung und Berechnung, einfach vermöge der Entscheidung eines einfachen, scharfen Verstandes und gesunden Sinnes, dem Peer und dem Anwalt schon den Vorsprung abgewonnen. Er hatte Mr. Barlows ersten Gehülfen nach Wales geschickt mit der Urkunde und einer kurzen Angabe der Art und Weise, wie sie entdeckt worden, und ein Glück war es wirklich, daß diese Abschrift war gefunden worden; denn alle Nachfragen Mr. Barlows in A*** waren fruchtlos gewesen, und wären es vermuthlich geblieben ohne einen solchen Leitfaden: denjenigen Mann ausfindig zu machen, der wahrscheinlicherweise als Caleb Price's Amanuensis fungirt haben konnte.

Der Vorsprung von sechszehn Stunden, welchen Mr. Barlow über Blackwell gewann, setzten Jenen in Stand, Mr. Jones zu sehen – ihm seine eigne Handschrift zu zeigen – von ihm ein schriftliches, beglaubigtes Zeugniß zu erhalten, welches der Pfarrer, wie arm und wie schwer versucht auch, nimmermehr abläugnen konnte, – wäre er auch unredlich gewesen, was er nicht war, – des Inhalts: daß er sich vollkommen wohl des Umstandes erinnere, wie er auf Calebs Verlangen einen Auszug aus dem Kirchenregister gemacht, obwohl er gestand, daß er die Namen, die er abgeschrieben, ganz vergessen gehabt, bis sie ihm wieder vorgelegt worden.

Barlow bemühte sich eifrig, Mr. Jones' Interesse für die Sache rege zu machen – verließ Wales – eilte nach Boulogne – sprach den Kapitän Smith – und ohne Bestechung, ohne Drohungen, einfach dadurch, daß er dem Ehrenmann bewies, er könne nicht nach England zurückkehren, noch seinen Bruder sehen ohne augenblicklich festgenommen zu werden; – seines Bruders Zeugniß sey schon auf die Seite der Wahrheit abgelegt; und nach der Erwerbung eines neuen Zeugnisses sey der glückliche Ausgang eines Prozesses außer Zweifel, – benahm er dem Kapitän alle Lust zur Treulosigkeit, überzeugte ihn, auf welcher Seite sein Interesse liege, und wartete ab, bis er nach Paris zurückkehrte, wo er sehr bald darauf für immer aus dieser Welt verschwand, da er, sehr gegen seinen Willen, zu einem Duell gezwungen wurde, mit einem Franzosen, den er zu betrügen versucht hatte, und einen Schuß durch die Lunge bekam! So wurde ein Lieblingsgrundsatz von Lord Lilburne bewährt: daß es nämlich für geringe Leute in die Länge Nichts tauge, das große Spiel zu spielen!

An demselben Tage, wo Blackwell zurückkehrte; nach vergeblichen halben Versuchen, den Mr. Jones zu bestechen, und ohne daß ihm nur gelungen wäre, Mr. Smith zu entdecken, erhielt Mr. Robert Beaufort die Kunde von einer Klage auf Vermögensentsetzung, welche Philipp Beaufort bei den nächsten Assisen vorbringen würde, und zu Vermehrung seiner Trübsale wurde Arthur, den er bisher durch eine zweideutige, trügerische Korrespondenz zu befriedigen gesucht, schlimmer in so beunruhigendem Grad, daß seine Mutter wegen des ärztlichen Beistandes mit ihm nach London kam. Man schickte natürlich nach Lord Lilburne: und nachdem er Alles erfahren, war er gleich mit seinem Rath zur Hand.

»Ich habe Euch zuvor schon gesagt, der Mann liebt Eure Tochter. Seht, ob Ihr einen Vergleich zu Stande bringt. Der Prozeß wird häßlich, und wahrscheinlich verderblich seyn., Er hat das Recht, die Rückstände von sechs Jahren zu fordern – das heißt über 100 000 Pf. Macht Euch zu seinem Schwiegervater, mich zu seinem Oheim; und da wir die Wespe nicht tödten können, können wir doch wenigstens das Gift ihres Stachels mildern.«

Beaufort, noch immer verwirrt, unentschlossen, suchte seinen Sohn auf: und zum erstenmal redete er mit ihm offen – das heißt, offen – für Robert Beaufort! Er gestand ihm, daß die Abschrift aus dem Register von Lilburne in einem verborgenen Fach gefunden worden. Er stutzte die ihm von Lilburne selbst mitgetheilte Geschichte – (natürlich beharrte dieser bei der gegen Philipp ausgesprochenen oder – angedeuteten Behauptung!) von Fannys Entführung und Einmischung aufs Beste zu, er sagte Nichts von seinem Versuch, das Papier zu vernichten. Warum sollte er auch? Wenn er die Abschrift vor Gericht kommen und gelten ließ – falls man ihm dies rieth – konnte er Fannys Zeugniß ganz abschneiden; selbst ohne ein solches Zugeständniß konnte man möglicherweise ihr Zeugniß beanstanden oder eludiren Vereiteln. – Anm.d.Hrsg.. Er gestand, daß er fürchte, der Zeuge, der die Abschrift gemacht, und der Zeuge der Trauung seyen noch am Leben, und dann sprach er pathetisch von seinem Wunsche, zu thun was recht sey, von seiner Furcht vor Verleumdung und Mißdeutung.

Er sagte Nichts von Sidney, und seiner Ueberzeugung, daß Charles Spencer dieser Sidney sey, weil, wenn seine Tochter das Mittel werden sollte, einen Vergleich zu Stande zu bringen, es klar war, daß ihre Verlobung mit Spencer aufgehoben und verheimlicht werden mußte, und zum Glück verhinderte Arthurs Krankheit und Camillas Schüchternheit, verbunden mit ihres Vaters Ermahnungen, Arthur in seinem gegenwärtigen Zustand nicht durch neue Veranlassungen zu Gemüthsbewegungen aufzuregen, die vertrauliche Mittheilung, welche sonst wohl zwischen Bruder und Schwester stattgefunden haben würde, und Camilla hatte in der That kein Herz zu solchen Mittheilungen. Wie hätte sie, wenn sie Arthurs gläsernes Auge sah, und seinen hektischen Husten hörte, ihm von Liebe und Heirath sprechen können? Was das Automat, Mrs. Beaufort, betraf, so versicherte sich Robert ihrer Verschwiegenheit.

Arthur hörte aufmerksam seines Vaters Mittheilung an, und die Folge dieser Besprechung war folgender Brief Arthurs an seinen Vetter:

»Ich schreibe an Euch ohne Besorgniß einer Mißdeutung, denn ich schreibe Euch ohne Vorwissen meiner ganzen Familie, und ich bin der Einzige, der kein Interesse haben kann an dem bevorstehenden Kampfe zwischen meinem Vater und Euch. Ehe das Gesetz entscheidet, werde ich in meinem Grabe liegen. Ich schreibe dies auf meinem Sterbebette. Philipp, ich schreibe dies – ich, der ich an einem Sterbebette stand, das Euch heiliger ist als meines – ich, der Eurer Mutter letzten Seufzer empfing, und diesen Seufzer begleitete ein Lächeln, welches blieb, als der Seufzer vorüber war; denn ich versprach, ihre Kinder zu beschützen, ihnen Freund zu seyn. Der Himmel weiß, wie eifrig ich dies feierliche Gelübde zu erfüllen suchte! Selbst schwach und krank, verfolgte ich Euch und Euern Bruder mit keiner andern Absicht, keinem andern Gebet, als Euch umarmen und sagen zu können: Nehmt mich als einen weitern Bruder an! Ich erspare Euch die Demüthigung, denn für Euch ist es eine, nicht für mich, Euch an das zu erinnern, was bei unsrer letzten Begegnung zwischen uns vorging. Dennoch suchte ich wenigstens Sidney zu retten, – der mir von seiner sterbenden Mutter ganz besonders ans Herz gelegt war. Er entging auf räthselhafte Weise unsrer Nachforschung; aber wir hatten, nach einem Briefe von unbekannter Hand, Grund, ihn gerettet und versorgt zu glauben.

Noch einmal begegnete ich Euch in Paris. Ich sah, Ihr waret arm. Nach Eurem Begleiter urtheilend konnte ich mit Recht glauben, Ihr seyet entartet und gesunken. Eingedenk Eurer Erklärung, nie von einem Beaufort eine Wohlthat annehmen zu wollen, und mit natürlicher Erbitterung der von Euch früher erlittenen Mißhandlung gedenkend, hielt ich es für vergeblich, Euch aufzusuchen, Euch Vorstellungen zu machen, – aber nicht für vergeblich, Euch zu helfen. Ich schickte Euch anonym so Viel, als wenigstens genügen mochte, falls gänzliche Armuth Euch auf schlechte Wege geführt hätte, Euch davon abzuziehen, wenn Euer Herz so gestimmt war. Vielleicht hat diese Summe, so gering sie war, Euern Pfad geebnet und Euch auf Eurer Laufbahn geholfen.

Und warum ich Euch das jetzt sage? Um Euch abzurathen von Verfolgung von Rechten, die Ihr als gegründet anseht? Das verhüte, der Himmel! Wenn die Gerechtigkeit auf Eurer Seite ist, so ist es auch eine Pflicht gegen Eurer Mutter Namen. Nein, sondern einfach darum: daß Ihr, indem Ihr solche Rechte behauptet, Euch mit Gerechtigkeit – statt Rache – begnügt! daß Ihr, selbst rechtend, nicht Andern Unrecht thut! Wenn das Gesetz für Euch entscheiden sollte, so machen die Rückstände, die Ihr fordern könntet, meine Eltern und meine Schwester zu Bettlern. Das mag des Gesetzes Entscheidung seyn – Gerechtigkeit wäre es nicht; denn mein Vater selbst hatte die ernste Ueberzeugung – und alle anscheinende Wahrscheinlichkeit sprach zu seinen Gunsten – der wahre Erbe des an ihn gefallenen Reichthums zu seyn.

Das ist nicht Alles. Es sind Umstände mit der Entdeckung einer gewissen Urkunde verknüpft, die, wenn authentisch, und ich erlaube mir nicht dies in Zweifel zu ziehen, den Streit entscheiden kann, sofern er auf Ausmittlung des wahren Thatbestands beruht; – Umstände, die schwer auf dem guten Namen und der Ehre meines Vaters zu lasten scheinen dürften. Ich verstehe mich nicht genug aufs Recht, um zu entscheiden, in wie weit diese öffentlich könnten geltend gemacht, oder, wenn geltend gemacht, durch den verläumderischen Scharfsinn eines Advokaten übertrieben und entstellt werden. Aber noch einmal sage ich: Gerechtigkeit und nicht Rache! und damit schließe ich, und schließe Euch diese Zeilen, von Eurer eignen Hand geschrieben, bei, indem ich Euch die Entscheidung über ihren Werth anheimstelle.

Arthur Beaufort.«

Die beigeschlossenen Zeilen, die wir hier zum zweitenmal dem Leser vorlegen, waren folgende:

»Ich kann nicht errathen, Wer Ihr seyd; sie sagen, Ihr gebt Euch für einen Verwandten, das muß ein Mißverständniß seyn. Ich wüßte nicht, daß meine arme Mutter so freundliche Verwandte gehabt hätte. Aber – Wer Ihr immer seyd – Ihr habt sie in ihren letzten Stunden getröstet – sie ist in Euren Armen gestorben, und wenn wir je in Jahren, langen Jahren uns treffen sollten, und ich kann Etwas thun, einem Andern beizustehen, so stehen mein Blut, mein Leben, mein Herz und meine Seele Euch unbedingt zu Dienst und Willen. Wenn Ihr wirklich mit ihr verwandt seyd, so empfehle ich Euch meinen Bruder, er ist in *** bei Mr. Norton. Wenn Ihr ihm einen Dienst leisten könnt, wird meiner Mutter Seele als Schutzengel über Euch wachen. Was mich betrifft, ich, verlange von Niemand Hülfe; ich gehe in die weite Welt und will mir selbst Bahn brechen. So sehr ist mir der Gedanke an Mildthätigkeit und Almosen von Andern zuwider, daß ich glaube, ich könnte Euch nicht so segnen, wie ich jetzt thue, wenn nicht Eure Güte gegen mich mit dem Stein auf meiner Mutter Grab sich schlöße.

Philipp.«

Dieser Brief ward an die einzige den Beauforts bekannte Adresse Monsieur de Vaudemonts abgeschickt, d. h. in seine Wohnung in London: und er erhielt ihn nicht mehr an dem Tag, wo er abgeschickt würde.

Inzwischen machte Arthur Beauforts Krankheit reißende Fortschritte. Sein Vater, obgleich beim ersten Anblick Arthurs überwältigt von der traurigen Veränderung seines Aussehens, betrachtete, ganz versunken in seine selbstsüchtigeren Besorgnisse, seine Krankheit nicht mehr als tödtlich. In der That war seine Zärtlichkeit für Arthur mehr die des Stolzes als der Liebe – lange Trennung hatte die Bande früherer Gewohnheit geschwächt. Er schätzte ihn mehr als seinen Erben, als daß er den Sohn in ihm geliebt hätte. Es schien beinahe, als ob nunmehr die Erbschaft gefährdet war, der Erbe ihm wenig theuer würde – das war nur, weil er weniger an ihn dachte. Die arme Mrs. Beaufort, nur erst theilweise bekannt mit den Aengsten ihres Gatten, hielt noch an der Hoffnung für Arthurs Leben fest. Ihre Zärtlichkeit für ihn rief aus der Tiefe ihres kalten und unbedeutenden Charakters Eigenschaften wach, die nie zuvor sich gezeigt hatten. Sie wachte bei ihm – sie wartete – sie pflegte ihn. Die vornehme Dame war weg – Nichts als die Mutter blieb zurück.

Bei einer zarten Constitution und einer weichen Gemüthsart, die dem Einfluß von Gesellschaftern viel nachgab, die in Allem, außer in körperlicher Kraft und entschiedenerem Willen unter ihm standen, war Arthur Beaufort durch Glück und Wohlstand ruinirt worden. Seine Talente und Kenntnisse, wenn nicht das Höchste erreichend, doch weit über der Mittelmäßigkeit stehend, hatten nur dazu gedient, seinen Geschmack zu verfeinern, nicht seinen Geist zu kräftigen. Seine wohlwollenden Neigungen, seine liebenswürdige Gemüthsart und sein angenehmes Temperament hatten nur dazu gedient, ihn zum Spiel und Narren der Schmarotzer zu machen, die von dem verschwenderischen Erben gezehrt hatten. Sein Herz, zerbröckelt und vertändelt in dem gewöhnlichen Wechsel leichtsinniger Intriguen und hohler Genüsse, war zu satt und erschöpft geworden für das versöhnende Glück einer tiefen und edeln Liebe. Er hatte so dem Genuß gelebt, daß er nie das Glück hatte kennen lernen. Mit einem Körper, gebrochen durch übermäßige Genüsse, an welchen seine bessere Natur nie Freude gehabt, kam er heim – um vom Ruin seines Hauses zu hören und zu sterben!

Es war Abend in dem Krankenzimmer. Arthur war von dem Bett aufgestanden, das er seit einigen Tagen selbst vorgezogen, und lag auf dem Sopha neben dem Feuer ausgestreckt. Camilla beugte sich über ihn, hielt sich aber im Schatten, damit er die Thränen nicht sehe, die sie nicht unterdrücken konnte. Seine Mutter hatte versucht ihn zu unterhalten – so wie sie sich selbst unterhalten hätte – indem sie eine der leichten Novellen des Tages laut las – Novellen, die das Leben der höhern Classen als Einen prächtigen Feiertag schildern.

»Meine liebe Mutter,« sagte der Kranke verdrießlich, »ich habe kein Interesse an diesen falschen Schilderungen des Lebens das ich geführt. Ich kenne den Werth dieses Lebens – Ach! wäre ich zu einem Beruf, einem Geschäft angeleitet worden – hätte ich – nun – es ist eine Schwäche, zu klagen. Mutter, sagt mir – Ihr habt Monsieur de Vaudemont gesehen – ist er kräftig und gesund

»Ja; fast nur zu viel; er hat nicht Deine Feinheit, lieber Arthur.«

»Und Du bewunderst ihn, Camilla? Hat kein Andrer Dein Herz oder Deine Phantasie angezogen und gewonnen?«

»Mein lieber Arthur,« fiel Mrs. Beaufort ein, »Du vergißst, daß Camilla kaum in die Welt kommt; und natürlich werden die Gefühle eines jungen Mädchens, wenn es wohl erzogen ist, durch die Erfahrung ihrer Eltern geregelt. Es ist Zeit die Arznei zu nehmen; sie bekommt Dir gewiß gut; Du hast heute mehr Farbe mein lieber, lieber Sohn!«

Während Mrs. Beaufort die Arznei eingoß, öffnete sich leise die Thüre, und Mr. Robert Beaufort ward sichtbar: hinter ihm erhob sich eine höhere, stattlichere Gestalt, die aber gebückter, gedemüthigter, aufgeregter erschien. Beaufort trat näher. Camilla sah auf und erblaßte. Der Besuch riß sich von dem ihn am Arm haltenden Mr. Beaufort los; er trat näher, zitternd, er sank neben Arthur aufs Knie, faßte seine Hand und beugte sich darüber hin – schweigend – aber wie stürmisch war dies Schweigen! – eindringlicher als alle Worte – seine Brust hob sich, sein ganzer Körper bebte.

Arthur errieth sogleich, Wen er vor sich hatte, und beugte sich leise vor, als wollte er den Besuch aufheben.

»Oh! Arthur, Arthur!« rief jetzt Philipp. »Verzeih mir! Meiner Mutter Tröster! – mein Vetter – mein Bruder! Oh! Bruder! verzeih mir!«

Und als er halb aufstand, streckte Arthur die Arme aus, und Philipp drückte ihn an seine Brust. Es wäre vergeblich, die verschiednen Gefühle der Zuschauer schildern zu wollen – die selbstsüchtigen Beglückwünschungen und geheimen Jubel Roberts, gemischt mit bessern und reinern Gefühlen – das starre Staunen der Mutter – die, ihr selbst unerklärlichen Empfindungen, welche Camilla wie angewurzelt dastehen machten.

»Ihr erkennt mich also – Ihr erkennt mich an!« rief Philipp. »Ihr nehmt die Bruderschaft an, die meine tolle Leidenschaft einst verschmähte! Und Ihr auch, Camilla, auch Ihr, die einst neben mir, unter eben diesem Dache gekniet, erinnert Ihr Euch meiner jetzt? O Arthur! – dieser Brief – dieser Brief! ja, wahrlich, jene Hülfe, die ich Jedem Andern – Verbrechern und Missethätern eher zuschrieb als Euch – bezeichnete den Anfangspunkt eines bessern Geschicks. Ich möchte dieser Hülfe die Wendung meines Schicksals zuschreiben, das mich bis hieher unverletzt geführt, den Namen sogar, dem ich keine Unehre gebracht. Nein, nein; glaubt nicht, Ihr könntet von mir eine Gunst erbitten – Ihr habt nur Euer Recht zu fordern. Bruder! – mein theurer Bruder!«



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