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Zweites Buch.

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»Abend ward's und wurde Morgen,
Nimmer, nimmer stand ich still.«

Schiller. Der Pilgrim.

Erstes Kapitel.

Incubo.  Seht doch den Cavalier! was fehlt ihm?
                      *             *              *
Wirthin. Und in so schönen Kleidern gar!

Beaumont und Fletcher.
Der Liebe Wallfahrt.

Theod. Einen Bruder hab' ich – meine letzte Hoffnung!
Wie Ihr mich findet, ohne Furcht und Weisheit,
Bin ich der Hoffnung Kind nur, der Gefahr.

Ebendaselbst.

Während der Zeit, die Mr. Beaufort brauchte, um sein Haus zu erreichen, ward er von düstern und verworrenen Beängstigungen gequält. Er hatte ein unerklärliches Gefühl, als ob die Verwünschungen Philipps weniger ihn selbst als seinen Sohn treffen würden. Er zitterte bei dem Gedanken, daß Arthur zusammentreffen könnte mit diesem seltsamen, wilden, erbitterten Vagabunden – vielleicht am nächsten Morgen schon – in der höchsten Erbitterung seiner Leidenschaft, und doch glaubte er, nach der Scene zwischen ihm und Arthur Grund zur Besorgniß zu haben, er dürfte nicht im Stande seyn, über seinen von Natur doch so gehorsamen und leicht zu lenkenden Sohn so viel Autorität auszuüben, um ihn von einem wiederholten Besuch im Hause des Todes abzuhalten.

In dieser Verlegenheit beschloß er, wie es bei klügeren Männern gewöhnlich ist, selbst wenn sie mit noch schwächern Ehehälften zusammengejocht sind, zu hören, ob seine Frau etwas Beruhigendes oder Vernünftiges über die Sache zu sagen wisse. Demgemäß begab er sich, als er Berkeley-Square erreicht, stracks zu Mrs. Beaufort, und nachdem er sie über Arthur beruhigt, erzählte er ihr die Scene, bei der er wider Willen eine Rolle gespielt.

Vermöge jener lebhafteren Gefühlsempfänglichkeit, welche den meisten, auch den vergleichungsweise gemüthlosen Frauen eignet, wußte Mrs. Beaufort die von Philipp an den Tag gelegte Aufregung eher zu entschuldigen und zu erklären, als ihr Gatte. Dennoch erregte Beauforts Schilderung von den finstern Drohungen, dem trotzigen Gesicht, der räubermäßigen Gestalt des beraubten Sohnes sehr lebhafte Besorgnisse in ihr wegen Arthurs, falls die jungen Männer sich träfen; und sie stimmte gern ihrem Gatten bei, daß es angemessen sey, alle Mittel elterlicher Ueberredung und Autorität aufzubieten, um eine solche Begegnung zu verhindern.

Inzwischen aber kam Arthur nicht nach Hause, und neue Furcht bemächtigte sich der ängstlichen Eltern. Er war allein weggegangen, in einer entlegenen Vorstadt der Metropole, zu einer späten Stunde, selbst auch in großer Aufregung. Er konnte in jenes Haus zurückgekehrt seyn; oder sich verirrt haben in dunkeln Höhlen der Gewaltthat und des Verbrechens, sie wußten nicht, wohin schicken, nicht was rathen. Schon begann der Tag zu grauen und er kam nicht.

Endlich gegen fünf Uhr hörte man laut an der Thüre klopfen, und Mr. Beaufort, als er einiges Geräusch im Vorsaal hörte, stieg hinunter. Er sah seinen Sohn in den Vorsaal getragen – aus einer Miethkutsche – von zwei Unbekannten – blaßblutend, und dem Anschein nach bewußtlos. Sein erster Gedanke war, daß er von Philipp ermordet worden; er stieß einen schwachen Schrei aus, und sank neben seinem Sohn nieder.

»Entsetzt Euch nicht so, Sir,« sagte der Eine der Fremden, der ein Handwerker schien, »ich glaube nicht, daß er ernstlich verletzt ist. Seht Ihr, er schritt über die Straße und die Kutsche fuhr gegen ihn; aber sie ging ihm nicht über den Kopf; es sind nur die Steine, die ihn so bluten machten, und das ist noch gnädig!«

»Eine Schickung der Vorsehung Sir,« sagte der Andere; »aber die Vorsehung wacht über uns Allen, bei Tag und bei Nacht, wir schlafen oder wachen. Hm! Wir kamen gerade von der Versammlung – der Seltsamen Käuze Independent Order of Odd Fellows, bis heute ein international tätiger, humanitärer und philanthropischer, weltlicher Orden, der manche Wesenszüge der Idee und des Rituals mit der Freimaurerei gemein hat, aber in keinem direkten Zusammenhang mit ihr steht. Der Orden ist konfessionell und politisch neutral, im Vordergrund stehen wohltätiges Wirken sowie Förderung humanem und toleranten Denkens und Handelns. Erste Erwähnungen im 18. Jh. – Das an dieser Textstelle auftretende Personal scheint indes in seiner Erscheinung und seinem Auftreten nicht recht zu diesem Orden zu passen. – Anm.d.Hrsg., Sir, – und so hoben wir ihn auf und brachten ihn in eine Kutsche; denn wir fanden seine Karte in seiner Tasche. Er konnte da noch nicht sprechen; aber das Rasseln der Kutsche that ihm recht gut, denn er ächzte – ei du mein Himmel, wie er ächzte! nicht wahr, Burrows?«

»Es that Einem im Herzen wohl ihn zu hören.«

»Lauft nach Astley Cooper, Sir – geht zu Brodie. Guter Gott! er stirbt! Macht schnell – schnell!« schrie Mr. Beaufort seinen Dienern zu, während Mrs. Beaufort, die jetzt auch an Ort und Stelle war, mit mehr Geistesgegenwart Arthur in sein Zimmer hatte bringen lassen.

»Es lastet ein schweres Gericht auf mir!« stöhnte Beaufort, auf dem Steinboden des Vorsaales angewurzelt, wo er mit den Fremden allein zurückblieb.

»Nein, Sir, es ist kein Gericht, es ist eine Fügung der Vorsehung,« sagte der Frömmere und Bessergekleidete von den Beiden; »denn setzt den Fall, es wäre ein Gericht gewesen, so wäre das Rad über ihn gegangen; und ob er nun stirbt oder nicht, ich bleibe immer dabei: wenn das keine Fügung der Vorsehung ist, so weiß ich nicht, was eine ist. Wir haben einen weiten Weg gemacht, Sir; und Burrows ist ein armer Mann, obgleich mir es gut geht.«

Diese Anspielung auf Geld brachte Beaufort wieder zur Besinnung; er gab seine Börse der nächsten Hand, welche sich gierig darnach ausstreckte, und murmelte Etwas wie Dank.

»Sir, möge Euch der Herr segnen! und ich hoffe, der junge Gentleman wird sich erholen. Gewiß, Ihr habt Ursache dankbar zu seyn, denn das Rad war nicht einen Zoll von ihm entfernt; nicht so, Burrows? Nun, das ist genug einen Heiden zu bekehren. Aber die Wege der Vorsehung sind geheimnißvoll, und das ist die Wahrheit davon. Gute Nacht, Sir!«

Allerdings schien es, als ob Philipps Fluch schon wirkte! Ein Unfall, ziemlich gleich dem, welcher bei dem Abenteuer mit dem blinden Mann Arthur auf Katharinens Spur gebracht, streckte binnen vierundzwanzig Stunden Arthur selbst aufs Krankenlager. Der Kummer, den Mr. Beaufort nicht durch Hülfe gelindert, war jetzt an seinem eignen Herd eingekehrt. Aber hier waren Eltern und Wärterinnen und große Aerzte und geschickte Wundärzte, und das ganze Heer, das sich gegen den Tod zu kämpfen vereinigt; hier war Behagen und Ueberfluß, und freundliche Augen, und bemitleidende Gesichter, und Alles was nur dem Schmerz den Stachel benehmen kann.

Und so kämpfte, in derselben Nacht, in welcher Katharine gestorben war, gebrochen und erschöpft, an einer fremden Brust, besorgt von einem Arzt, der keine Belohnung nahm und beim Licht einer einzigen Kerze – so kämpfte der Erbe des Vermögens, das einst ihrem Sohn bestimmt gewesen, auch mit dem grimmen Tyrannen, der jedoch von seiner Beute weggescheucht zu werden schien durch die Künste und die Verschwendung, welche die Welt der Reichen aufbietet um dem Grabe zu trotzen.

Arthur war in der That sehr ernstlich verletzt, er hatte eine Rippe gebrochen und zwei schwere Contusionen am Kopf. An die Stelle der Bewußtlosigkeit trat ein Fieber, begleitet von Delirium. Er schwebte einige Tage in drohender Gefahr. Konnte irgend Etwas seine Eltern in solchem Jammer trösten, so war es der Gedanke, daß er dadurch wenigstens vor der Möglichkeit eines Zusammentreffens mit Philipp bewahrt blieb.

Mr. Beaufort, mit dem Instinkt jenes launenhaften und schwankenden Gewissens, wie es schwachen Geistern eigen ist, und das ruhig, schlaff und leblos bleibt wie eine Flagge am Mast während der Ruhe der glücklichen Tage, aber flattert und flaggt und schwillt, wenn der Sturm weht, und die Woge sich hebt, dachte, während sein Sohn in Gefahr schwebte, mit sehr lebhafter und bittrer Reue an den Zustand der Mortons. Weit entfernt, daß seine Angst um Arthur alle seine Sorge ausschließlich in Anspruch genommen hätte, steigerte sie nur noch sein Mitleid mit den Waisen; denn manche Leute werfen fromm und gut, wenn sie sich einbilden ein unmittelbares Interesse zu haben, den Himmel zu versöhnen und zu begünstigen.

Am Morgen nach Arthurs Unfall ließ er Mr. Blackwell holen. Er beauftragte ihn, dafür zu sorgen, daß Katharinens Leichenbegängniß mit aller gebührenden Sorge und Aufmerksamkeit veranstaltet werde; er trug ihm auf, eine Besprechung mit Philipp zu suchen, den Jüngling von Mr. Beauforts guten und freundschaftlichen Gesinnungen gegen ihn zu versichern, und ihm anzubieten, man wolle seine Absichten in Betreff jeder Bildungslaufbahn, die er wählen, jedes Berufs, zu dem er sich entschließen würde, unterstützen und fördern; und er forderte den Advokaten ernstlich auf, all seinen Takt und all sein Zartgefühl aufzubieten bei der Unterhandlung mit einem so stolzen und feurigen Charakter.

Aber Mr. Blackwell hatte eben keinen Takt und kein Zartgefühl aufzubieten; er begab sich in das Trauerhaus, drängte sich mit Gewalt zu Philipp, und gleich der Anfang seiner Rede, welcher eine Lobpreisung des außerordentlichen Edelmuths und Wohlwollens seines Auftraggebers enthielt, vermischt mit herablassenden Ermahnungen zur Dankbarkeit an Philipp erbitterte den Knaben dermaßen, daß Mr. Blackwell äußerst froh war, mit heiler Haut aus dem Hause zu kommen.

Jedoch vernachläßigte er den formelleren Theil seines Auftrags nicht, sondern setzte sich sogleich in Unterhandlung mit einem fashionabeln Leichenbesorger, und gab Befehle zu einem sehr stattlichen Leichenbegängniß. Nach dem Leichenbegängniß, dachte er, werde Philipp in einem minder aufgeregten Gemüthszustand seyn, und geneigter Vernunft anzunehmen: daher verschob er eine zweite Besprechung mit dem Waisen bis nach diesem, und benachrichtigte inzwischen Mr. Beaufort in einem Briefe, daß er seinen Instruktionen nachgekommen; die Befehle für das Leichenbegängniß seyen gegeben; aber Mr. Philipp Beauforts Gemüth sey dermalen etwas verstört, und derselbe könne im Augenblick die Plane für die Zukunft, welche Mr. Beaufort ihm vorgeschlagen, nicht mit Ruhe erörtern. Er zweifle jedoch nicht daß bei einer zweiten Besprechung Alles werde in Ordnung gebracht werden gemäß den Wünschen, welche sein Auftraggeber ihm so edelmüthig erklärt habe. Mr. Beauforts Gewissen war somit, was diesen Punkt betraf, beruhigt.

 

Es war ein dumpfer, trüber, drückender Morgen, an welchem die irdischen Reste von Katharine Morton dem Grabe übergeben wurden. Mit den Vorbereitungen des Leichenbegängnisses befaßte sich Philipp nicht; er fragte gar nicht, auf Wessen Befehl all der Pomp mit stummen Trauerleuten, Kutschen, schwarzen Federn und Kreppbändern aufgeboten werde. Wenn eine unbestimmte, nicht weiter ausgebildete Vermuthung in ihm diese letzte und nichtige Aufmerksamkeit Robert Beaufort zuschrieb, so verminderte dies weder die trotzige, finstere Erbitterung, die er gegen seinen Oheim gefaßt, noch fiel ihm andrerseits ein, daß er wohl das Recht hätte, die der Todten gespendeten Ehrenbezeugungen abzulehnen, obschon er die ihm, dem Lebenden, gemachten Anerbietungen zurückwies. Er war seit Mr. Blackwells Besuch in einem Zustand von Apathie und dumpfem Brüten verharrt, welcher den Leuten im Hause mehr an Gleichgültigkeit als Jammer zu grenzen schien.

Das Leichenbegängniß war vorüber; und Philipp war in die Gemächer zurückgekehrt, welche die Todte inne gehabt, und jetzt erst machte er sich daran zu untersuchen, was sie von Papieren u. s. w, hinterlassen. In einem alten Schreibpult fand er zuerst verschiedene Packete Briefe von seines Vaters Handschrift; bei vielen war die Schrift durch die Länge der Zeit verblichen. Er öffnete einige; es waren die frühesten Liebesbriefe. Er getraute sich nicht, Mehr als ein paar Zeilen zu lesen, so sehr kontrastirte ihre lebendige Zärtlichkeit, der Hauch der offenen, herzlichen Leidenschaft mit dem Schicksal der Angebeteten. In diesen Briefen schien wirklich das Herz des Schreibers selbst zu schlagen. Jetzt waren beide Herzen gleichermaßen gedämpft! Und der Geist rief umsonst den Geist!

Endlich stieß er auf einen Brief von der Hand seiner Mutter, an ihn gerichtet, mit dem Datum des zweiten Tages vor ihrem Tode. Er ging an das Fenster und rang in dem Nebel des schwülen Tages nach Athem, unten hörte man das geräuschvolle Leben Londons; das gellende Schreien herumwandernder Trödler, die rollenden Karten, das Jauchzen der Knaben, die auf eine Weile die Schule verlassen; unter all diesem erhob sich Ein lautes, lustig schallendes Gelächter, das seine Aufmerksamkeit unwillkürlich nach dem Platze lenkte, woher es kam; es war vor dem Eingang eines Wirthshauses, vor welchem der Leichenwagen stand, der seiner Mutter Sarg geführt hatte, und die wohlgemuthen Leichenbesorger machten hier Halt, um sich zu erfrischen. Er schloß mit einem tiefen Seufzer das Fenster; zog sich in die entlegenste Ecke des Zimmers zurück und las wie folgt:

»Mein liebster Philipp,

wenn Du dieses liesst, werde ich nicht mehr seyn. Du und der arme Sidney werdet dann weder Vater noch Mutter, weder Vermögen noch Namen haben. Der Himmel ist gerechter als die Menschen, und auf den Himmel setze ich meine Hoffnung für Euch. Du, Philipp, bist schon über das Kindesalter hinaus; Deine Natur ist, glaube ich, geschaffen, um erfolgreich mit der Welt zu kämpfen. Sey auf der Hut gegen Deine Leidenschaften, so wirst Du wohl den Hindernissen Trotz bieten können, die Deinen Weg im Leben bedecken werden, und in neuerer Zeit, seit unsrem Unglück, Philipp, hast Du diese Leidenschaften so bezwungen, den Stolz und den Ungestüm Deiner Kinderjahre so bemeistert, daß ich mit weniger Besorgniß in Deine Zukunft schaute, als sogar zu der Zeit, wo sie noch so glänzend schien. Vergib es mir, mein liebes Kind, wenn ich Dir den Zustand meiner Gesundheit verheimlicht habe, und wenn mein Tod für Dich ein plötzlicher, unvorhergesehener Schlag ist. Traure und gräme Dich nicht allzulang um mich. Für mich selbst ist meine Auflösung in Wahrheit Befreiung aus dem Kerker und aus Ketten – Befreiung von körperlichen Leiden und geistigen Qualen, die, so hoffe ich zu Gott, einige Sühne seyn werden für die Verirrungen einer glücklicheren Zeit. Denn ich that Unrecht, als ich, wiewohl aus den unselbstsüchtigsten Beweggründen, zugab, daß meine Vermählung mit Deinem Vater ein Geheimniß blieb, und so die Hoffnungen derjenigen zerstörte, welche eben solche Rechte an mich hatten wie er. Aber, oh! Philipp, hüte Dich vor dem ersten falschen Schritt zur Täuschung, hüte Dich auch vor den Leidenschaften, welche ihre Früchte erst an den Tag geben lange, lange Jahre nach dem Laub, das so grün glänzt und nach den Blüthen, die so schön prangen!

Ich wiederhole mein feierliches Gebot: traure und gräme Dich nicht um mich, sondern kräftige und stärke Deinen Geist und Dein Herz, um die Aufgabe über Dich zu nehmen, die ich Dir jetzt anvertraue – meinen Sidney, mein Kind, Deinen Bruder! Er ist so sanft, so zart – er hat so ganz und immer in mir gelebt, und wir sind jetzt getrennt zum ersten und letzten Mal. Er ist bei Fremden; und – und – oh! Philipp, Philipp, wache über ihn, um der Liebe willen, die Du nicht blos zu ihm, die Du zu mir trägst! Sey ihm auch Vater, wie Bruder. Setze Dein kräftiges Herz der Welt entgegen, damit Du ihn, das schwache Kind, gegen ihre Bosheit schützest! Er hat nicht Deine Talente, nicht Deine Charakterstärke; ohne Dich ist er Nichts. Lebe, arbeite, ringe Dich empor um seinet- nicht minder als um deinetwillen; wüßtet Du, wie dies Herz pocht, während ich an Dich schreibe, ahntest Du, wie ich mich getröstet und beruhigt fühle in Betreff seiner durch mein Vertrauen zu Dir, Du würdest, wenn Du dies liesest, einen neuen Geist – meinen Geist – den Geist meiner Mutterliebe, Vorsicht und Wachsamkeit, in Deine Brust einziehen fühlen. Sieh nach ihm, wenn ich dahin bin – tröste und beruhige ihn. Zum Glück ist er noch zu jung, seinen ganzen Verlust zu erkennen; und lass' ihn nicht unfreundlich und hart von mir denken in künftigen Tagen, denn er ist jetzt noch ein Kind, und vielleicht vergiften sie sein Gemüth leichter gegen mich, als es ihnen bei Dir möglich wäre. Bedenke, wenn er später unglücklich würde, könnte er vergessen, wie ich ihn liebte; könnte er denen fluchen, die ihm das Daseyn gaben. Vergieb mir dies Alles, Philipp, mein Sohn, und beachte es wohl!

Und jetzt – da, wo Du diesen Brief findest, wirst Du einen Schlüssel finden; er öffnet eine Schieblade in dem Schreibtisch, wo ich meine kleinen Ersparnisse aufbewahrt. Du wirst sehen, daß ich nicht in Armuth gestorben bin. Nimm was dort ist; jung wie Du bist, brauchst Du es vielleicht jetzt nöthiger als später. Aber betrachte es als ein Vermächtniß für Deinen Bruder wie für Dich. Wenn er rauh behandelt wird, (und Du wirst gehen und nach ihm sehen, und wirst bedenken, daß, was Du vielleicht kaum fühlest, ihn niederdrücken und aufreiben würde,) oder wenn man ihm zu Viel aufbürdet – er ist noch so jung zum Arbeiten – so kann davon für ihn in Deiner Nähe ein Unterkommen gefunden werden. Gott bewahre und beschütze Euch Beide! Ihr seyd jetzt Waisen! Aber Er hat selbst den Waisen geboten, ihn Vater zu nennen.«

Nachdem er diesen Brief gelesen, sank Philipp Morton auf seine Kniee und betete.



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