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Kenelm Chillingly stand, wie es seine Gewohnheit war, mit der Sonne auf und begab sich alsbald nach dem Mäßigkeitshotel. In diesem der Mäßigkeit gewidmeten Hause schien noch Alles in Morpheus' Armen zu liegen. Er ging nach dem Miethstall, wo er den grauen Gaul gelassen hatte, und hatte das Vergnügen, dieses Thier, dem gestern so übel mitgespielt war, in dem Moment zu treffen, wo ihm eine gesunde Abreibung zu Theil wurde.
»Das ist recht«, sagte er zu dem Stallknecht, »ich freue mich, zu sehen, daß Sie so früh aufstehen.«
»Ja«, sagte der Stallknecht, »der Herr, dem das Pony gehört, hat mich heute Morgen um zwei Uhr aufgeklopft und war sehr froh, das Thier wieder auf frischem Stroh liegen zu sehen.«
188 »O, ein dicker Herr, nicht wahr? Er ist wohl im Hotel abgestiegen?«
»Ja, dick genug und ein sehr heftiger Herr noch dazu. Er kam in einem gelben Wagen mit zwei Postpferden, klopfte die Leute im Mäßigkeitshotel auf, klopfte dann mich auf, um nach dem Pferde zu sehen, und war sehr böse, daß er im Hotel keinen Grog bekommen konnte.«
»Das glaube ich wohl. Ich wollte, er hätte Grog bekommen; es hätte ihn vielleicht in bessere Laune versetzt. Das arme Ding«, murmelte Kenelm im Fortgehen, »ich fürchte, sie kann sich auf eine gehörige Lection gefaßt machen und dann werde ich wohl an die Reihe kommen. Aber er muß doch ein guter Kerl sein, daß er so mitten in der Nacht gleich zu seiner Nichte kommt.«
Ungefähr um neun Uhr präsentirte sich Kenelm wieder im Mäßigkeitshotel, fragte nach Herrn Bovill und wurde von dem zimperlichen Hausmädchen in das Wohnzimmer geführt, wo er Herrn Bovill freundschaftlich beim Frühstück mit seiner Nichte sitzend fand, die natürlich noch in Knabenkleidern war, da sie keine andere Garderobe bei sich hatte. Zu Kenelm's großer Beruhigung stand Herr Bovill mit strahlendem Gesicht vom Tische auf, streckte ihm die Hand entgegen und sagte:
189 »Mein Herr, Sie sind ein Gentleman, nehmen Sie Platz; nehmen Sie Platz und frühstücken Sie mit uns.«
Und sobald das Hausmädchen das Zimmer verlassen hatte, fuhr der Onkel fort:
»Ich habe von diesem jungen Einfaltspinsel gehört, wie gut Sie sich benommen haben. Die Sache hätte schlimmer werden können, mein Herr.«
Kenelm verneigte sich und schnitt sich schweigend von dem vor ihm liegenden Brod ein Stück ab. Dann aber überlegte er sich, daß er sich doch wohl bei dem Onkel entschuldigen müsse, und sagte:
»Ich hoffe, Sie verzeihen mir mein unglückliches Mißverständniß, daß ich –«
»Sie haben mich zu Boden geschlagen oder vielmehr haben mir ein Bein gestellt. Aber jetzt ist Alles in Ordnung. Elsie, gib dem Herrn eine Tasse Thee. Ein allerliebster kleiner Taugenichts, nicht wahr? Und ein gutes Kind trotz ihrer Dummheiten. Es ist meine eigene Schuld, warum habe ich sie ins Theater gehen und mit Fräulein Lockitt, einer närrischen alten Jungfer, die fürs Theater schwärmt und die was Besseres hätte thun sollen, als das Kind zu all dem Unsinn verleiten, vertraulich verkehren lassen.«
»Nein, Onkel«, rief das Mädchen in entschlossenem 190 Ton, »Du darfst ihr, Du darfst niemand außer mir die Schuld geben.«
Kenelm richtete seine dunkeln Augen wohlgefällig auf das Mädchen und sah, daß sie die Lippen fest geschlossen hatte; ihr Ausdruck trug das Gepräge nicht des Kummers oder der Scham, sondern concentrirter Entschlossenheit. Als aber ihre Augen den seinigen begegneten, nahmen sie plötzlich einen sanften Ausdruck an und sie erröthete bis an die Stirn.
»O!« sagte der Onkel, »das sieht Dir recht ähnlich, Elsie, immer bereit, die Schuld anderer Leute auf Deine Schultern zu nehmen. Nun, nun, wir wollen nicht weiter davon reden. Nun, mein junger Freund, was treibt Sie denn dazu, zu Fuß das Land zu durchschweifen? Wie? Eine jugendliche Laune?«
Während er das sagte, maß er Kenelm sehr scharf mit dem intelligenten Blick eines Mannes, der gewohnt ist, die Gesichter der Leute, mit denen er sich unterhält, zu beobachten. Herr Bovill war in der That ein so schlauer Geschäftsmann, wie man sie selten an der »Börse« trifft.
»Ich reise zu Fuß, weil es mir Vergnügen macht«, antwortete Kenelm, der sich instinctiv zur Behutsamkeit aufgefordert fühlte, kurz.
»Natürlich thun Sie's zu Ihrem Vergnügen«, rief 191 Herr Bovill heiter lachend. »Aber wie es scheint, lassen Sie sich auch Wagen und Pferd gefallen, wenn Sie sie umsonst bekommen können. Hahaha! Verzeihen Sie, es ist nur ein Scherz.«
Damit brachte Herr Bovill, noch immer in vortrefflicher Laune, die Unterhaltung auf andere Gegenstände, auf Ernteaussichten, Kornhandel, den Geldmarkt im Allgemeinen, Politik und den Zustand der Nation.
Kenelm fühlte, daß er sondirt und ausgeholt werden solle, und antwortete nur durch einsilbige Interjectionen, die meistens seine Unwissenheit in Betreff der berührten Gegenstände ausdrücken sollten, und wenn der philosophische Erbe der Chillinglys es überhaupt für zulässig gehalten hätte, über etwas in Erstaunen zu gerathen, würde er sicherlich sehr überrascht gewesen sein, als Herr Bovill am Schluß der Unterhaltung ihm auf die Schulter klopfte und im Tone großer Befriedigung sagte: »Grade wie ich es mir gedacht habe; Sie verstehen nichts von diesen Dingen; Sie sind von Geburt und Erziehung ein Gentleman, Ihre Verkleidung nützt Ihnen nichts. Elsie halte Recht. Liebes Kind, laß uns ein paar Minuten allein; ich habe unserm jungen Freunde etwas zu sagen. Du kannst Dich inzwischen fertig machen, mit mir auszugehen.«
Elsie stand auf und ging gehorsam nach der Thür. 192 Hier machte sie einen Augenblick Halt, drehte sich um und sah Kenelm schüchtern an. Er war, als sie aufstand, instinktmäßig auch aufgestanden und hatte einige Schritte nach der Thür gethan, als wolle er dieselbe für sie öffnen. So begegneten sich ihre Augen. Er wußte sich ihren scheuen Blick nicht zu erklären. In diesem Blick lag Zärtlichkeit, Demuth, Bitte um Verzeihung; ein an weibliche Eroberungen gewöhnter Mann hätte denken können, es liege noch mehr, es liege etwas darin, was den Schlüssel zu Allem enthalte. Aber dieses Mehr war für Kenelm eine unverständliche Sprache.
Als die beiden Männer allein waren, setzte sich Herr Bovill wieder und forderte Kenelm durch eine Handbewegung auf, dasselbe zu thun. »Jetzt, junger Mann«, sagte der erstere, »können wir ungenirt mit einander reden. Ihr gestriges Abenteuer ist vielleicht das Glücklichste, was Ihnen hätte begegnen können.«
»Ich bin ganz zufrieden, wenn ich Ihrer Nichte irgendwie habe nützlich sein können. Aber ihr eigener verständiger Sinn würde sie geschützt haben, auch wenn sie allein gewesen und, wie sie es sicherlich gethan haben würde, herausgefunden hätte, daß Herr Compton sie absichtlich oder unabsichtlich zu dem Glauben verleitet habe, er sei unverheirathet.«
»Hol' der Henker Herrn Compton! Mit dem sind 193 wir fertig. Ich bin ein einfacher Mann und komme gleich zur Hauptsache. Sie haben meine Nichte entführt; mit Ihnen ist sie in diesem Hotel angekommen. Als nun Elsie mir erzählte, wie gut Sie sich benommen haben und daß Ihre Sprache und Ihr Benehmen die eines wahren Gentleman seien, war ich entschlossen. Ich kann mir recht gut denken, wer Sie sind; Sie sind der Sohn eines Gentleman, vermuthlich ein Student, der nicht an Geldüberfluß leidet; Sie haben sich mit Ihrem Alten gezankt und er hält Sie kurz. Unterbrechen Sie mich nicht. Also, Elsie ist ein gutes hübsches Mädchen und wird, wie die Frauen einmal sind, eine gute Frau werden. Und, passen Sie auf, sie hat zwanzigtausend Pfund. Verlassen Sie sich auf mich, und wenn Sie nicht gern wollen, daß Ihre Eltern etwas davon erfahren, bis die Sache abgemacht ist, und sie nur nachher dazu gebracht werden können, Ihnen zu verzeihen und Ihnen ihren Segen zu geben, so sollen Sie Elsie heirathen, ehe Sie sich's versehen.« Zum ersten Male in seinem Leben war Kenelm Chillingly erschrocken und betroffen. Er ließ die Unterlippe hängen, seine Zunge war wie gelähmt, das Haar stand ihm, wenn es das überhaupt je thut, zu Berge. Endlich gelang es ihm nach übermenschlicher Anstrengung das einzige Wort »heirathen« hervorzukeuchen.
194 »Ja, heirathen. Wenn Sie ein Gentleman sind, so sind Sie dazu verpflichtet. Sie haben meine Nichte compromittirt, mein Herr, ein respectables, tugendhaftes Mädchen, eine Waise, die aber nicht schutzlos dasteht. Ich wiederhole es, Sie haben sie mir mit einem gewaltsamen Angriff aus dem Arm gerissen. Sie sind mit ihr davongelaufen; und was würde die Welt davon sagen, wenn sie es erführe? Würde sie an Ihr vorsichtiges Benehmen glauben, an ein Benehmen, das nur aus der Achtung zu erklären ist, die Sie für Ihre zukünftige Frau empfanden? Und wo wollen Sie eine bessere Frau finden? Wo wollen Sie einen Onkel finden, der sich von seinem Mündel und zwanzigtausend Pfund trennt, ohne auch nur zu fragen, ob Sie einen Sixpence haben? Und das Mädchen hat sich in Sie vergafft, das sehe ich ganz deutlich. Würde sie sonst wohl den Schauspieler so leicht aufgegeben haben, wenn Sie nicht ihr Herz geraubt hätten? Und möchten Sie dieses Herz brechen? Nein, junger Mann, Sie sind kein Schurke, geben Sie mir die Hand.«
»Herr Bovill«, sagte Kenelm, der seinen gewohnten Gleichmuth wiedergefunden hatte, »ich fühle mich durch Ihren ehrenvollen Antrag unaussprechlich geschmeichelt und ich leugne nicht, daß Fräulein Elsie einen viel besseren Mann als mich verdient. Aber ich habe 195 ein unüberwindliches Vorurtheil gegen den Ehestand. Wenn es einem Mitgliede der Staatskirche erlaubt ist, gegen einen vom Apostel Paulus geschriebenen Satz zu remonstriren – und ich sollte denken, das müßte einem einfachen Laien freistehen – wenn hervorragende Mitglieder der Geistlichkeit die ganze Bibel so rücksichtslos kritisiren, als wenn es die Geschichte der Königin Elisabeth von Herrn Froude wäre, so würde ich mein Bedenken gegen die Lehre äußern, daß »Heirathen besser ist als Brunst leiden«; ich für meinen Theil würde es vorziehen, Brunst zu leiden. Mit solchem Gefühle würde es Jedem, der auf die Würde eines Gentleman, welche Sie mir zuerkennen, Anspruch macht, schlecht anstehen, einen Mitmenschen als Schlachtopfer an den Altar zu führen. Was aber Ihre Bemerkung betrifft, daß Fräulein Elsie compromittirt sei, so erinnere ich Sie daran, daß ich Sie in meinem Telegramm anwies, hier im Hotel nach einem jungen Herrn zu fragen, und daß daher kein Mensch etwas von ihrem Geschlecht weiß, wenn Sie es nicht bekannt machen. Und –«
Hier wurde Kenelm plötzlich durch einen leidenschaftlichen Wuthausbruch des Onkels unterbrochen Er stampfte mit den Füßen, der Schaum trat ihm beinahe vor den Mund, er ballte die Faust und hielt sie Kenelm drohend vor die Augen.
196 »Herr, Sie machen sich über mich lustig. John Bovill ist aber nicht der Mann, der so mit sich umspringen läßt. Sie sollen das Mädchen heirathen. Ich will sie nicht wieder auf dem Halse haben, daß sie mir mein Leben verbittert mit ihren Grillen und Sparren. Sie haben sie genommen und Sie sollen sie behalten, oder ich schlage Ihnen die Knochen im Leibe entzwei.«
»Schlagen!« sagte Kenelm resignirt, nahm aber gleichzeitig wieder eine bedrohlich abwehrende Haltung an, welche auf die Kampflust seines Anklägers abkühlend wirkte. Herr Bovill sank in seinen Stuhl zurück und trocknete seine Stirn. Kenelm wußte den eben errungenen Vortheil schlau zu verfolgen und appellirte alsbald in mildem Tone an das Urtheil des Herrn Bovill:
»Wenn Sie sich wieder im Besitz Ihrer gewöhnlichen heiteren Laune befinden werden, Herr Bovill, so werden Sie einsehen, in welchem Grade Ihr höchst entschuldbarer Wunsch, das Glück Ihrer Nichte zu gründen und, darf ich hinzufügen, das, was Sie selbst als ein entsagendes und wohlerzogenes Benehmen von meiner Seite qualificiren, zu belohnen, Sie zu einem falschen Urtheil verleitet hat. Sie wissen nichts von mir. Ich könnte ja ein Betrüger oder Schwindler sein, ich könnte alle erdenklichen schlechten Eigenschaften 197 haben und doch wollen Sie sich mit meiner Versicherung oder vielmehr Ihrer eigenen Annahme, daß ich ein geborener Gentleman sei, begnügen und mir daraufhin Ihre Nichte mit ihren zwanzigtausend Pfund geben. Sie laboriren da an einer momentanen Geistesstörung. Erlauben Sie mir, Sie allein zu lassen, um sich von Ihrer Aufregung zu erholen.«
»Halt, Herr«, sagte Herr Bovill in einem plötzlich veränderten, verdrossenen Ton. »Ich bin nicht ganz so verrückt, wie Sie glauben. Aber ich bin allerdings wohl zu heftig und zu grob gewesen. Gleichwohl verhält sich die Sache so, wie ich gesagt habe, und ich sehe nicht ein, wie Sie sich als Ehrenmann davon losmachen wollen, meine Nichte zu heirathen. Der Fehler, den Sie durch Ihr Davonlaufen mit ihr begangen haben, war ohne Zweifel von Ihrer Seite unbeabsichtigt; aber doch haben Sie ihn begangen, und angenommen, der Fall käme vor eine Jury, so würde er sich für Sie und Ihre Familie häßlich gestalten und nur durch eine Heirath würden Sie die Sache wieder gut machen können. Kommen Sie, kommen Sie! Ich bekenne, daß ich zu geschäftsmäßig verfahren bin, als ich sogleich mit der Thür ins Haus fiel, und ich sage nicht mehr: Heirathen Sie meine Nichte auf der Stelle! Sie haben sie bis jetzt nur verkleidet und in einer falschen 198 Position gesehen. Besuchen Sie mich in Oakdale, bleiben Sie einen Monat bei mir, und wenn Sie sie nach Verlauf dieser Zeit nicht gern genug mögen, um ihr einen Heirathsantrag zu machen, so will ich Sie loslassen und nicht mehr von der Sache reden.«
Während Herr Bovill so sprach und Kenelm ihm zuhörte, hatte keiner von beiden bemerkt, daß die Thür sich geräuschlos geöffnet hatte und Elsie auf der Schwelle stand. Plötzlich trat sie, noch ehe Kenelm antworten konnte, in die Mitte des Zimmers, richtete sich mit ihrer kleinen Gestalt hoch auf und rief mit glühenden Wangen und bebenden Lippen: »Onkel, schämst Du Dich nicht?« und fuhr dann zu Kenelm gewandt in einem angstvoll gereizten Ton fort: »O glauben Sie nicht, daß ich irgend etwas davon gewußt habe!« Sie bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen und stand schweigend da.
Alle Ritterlichkeit, die Kenelm mit seinem Taufnamen empfangen hatte, regte sich in ihm. Er sprang auf, beugte das Knie vor ihr, ergriff eine ihrer Hände und sagte:
»Ich bin so fest überzeugt, daß die Worte Ihres Onkels Ihnen fremd sind, wie ich überzeugt bin, daß Sie ein reines, hochherziges Mädchen sind, auf dessen Freundschaft ich stolz sein werde. Wir treffen uns wieder.« Dann ließ er ihre Hand los und wandte 199 sich wieder an Herrn Bovill. »Herr, Sie sind der Ihnen anvertrauten Obhut Ihrer Nichte unwürdig. Wären Sie das nicht gewesen, so würde sie keine Unvorsichtigkeit begangen haben. Wenn sie irgend eine weibliche Verwandte hat, so übergeben Sie dieser die Obhut über Ihre Nichte.«
»Gewiß habe ich eine solche Verwandte«, rief Elsie, »die Schwester meiner verstorbenen Mutter; zu der laß mich gehen.«
»Die Person, die eine Schule hält!« sagte Herr Bovill höhnisch.
»Warum denn nicht?« fragte Kenelm.
»Sie wollte ja nie dahin. Ich schlug es ihr vor einem Jahre vor, aber da wollte die Zierpuppe nicht in eine Schule gehen.«
»Aber jetzt will ich, Onkel.«
»Nun gut, das soll Dir werden. Und ich hoffe, Du wirst auf Wasser und Brod gesetzt werden. Du Närrin hast Dir Dein eigenes Spiel verdorben. Herr Chillingly, jetzt, wo das Fräulein sich selbst verlassen hat, kann ich Ihnen beweisen, daß ich nicht der verrückte Narr bin, für den Sie mich gehalten haben. Ich war bei der Festversammlung, die zu Ehren Ihrer Mündigkeitserklärung stattfand, zugegen, mein Bruder ist einer von den Pachtern Ihres Vaters. Bei 200 unserer ersten Begegnung erkannte ich in meiner Aufregung und wegen Ihrer Verkleidung Ihr Gesicht nicht sogleich; als ich aber nach Hause ging, fiel mir ein, daß ich dasselbe Gesicht schon einmal gesehen haben müsse, und als Sie heute ins Zimmer traten, erkannte ich es sogleich. Es war ein Wettkampf zwischen uns, wer den andern schlagen würde. Sie haben mich geschlagen und zwar dank dieser Närrin. Wenn sie mir nicht einen Stock ins Rad gesteckt hätte, so hätte sie eine Lady werden können. Ich empfehle mich Ihnen.«
»Herr Bovill, Sie haben mir vorhin Ihre Hand geboten, geben Sie mir jetzt Ihre Hand und versprechen Sie mir mit der Treue eines ehrenwerthen Kämpfers gegen den andern, daß Fräulein Elsie, wenn sie es wünscht, gleich zu ihrer Tante, der Schullehrerin, soll. Ich will Ihnen etwas sagen, mein Freund«, und nun flüsterte er Herrn Bovill ins Ohr: »Ein Mann kann nie mit einem Weibe fertig werden. Ein kluger Mann überläßt ein Mädchen, bis sie heirathet, weiblicher Obhut; wenn sie heirathet, so wird sie mit ihrem Manne fertig und dann hat die Sache ein Ende.«
Kenelm ging fort.
»O weiser junger Mann!« murmelte der Onkel. »Liebe Elsie, wie kann ich mit Dir in diesem Anzuge zu Deiner Tante gehen?«
201 Elsie fuhr, die Augen fest auf die Thür, aus welcher Kenelm verschwunden war, gerichtet, wie aus einer Verzückung auf. »In diesem Anzug«, sagte sie verächtlich; »kann man diesen Anzug in einer Stadt, wo es Läden gibt, nicht umtauschen?«
»Weiß Gott!« murmelte Herr Bovill, »der junge Mensch ist ein zweiter Salomo, und wenn ich mit Elsie nicht fertig werden kann, so wird sie schon mit ihrem Manne fertig werden, das heißt, wenn sie einen kriegt.« 203