Bruno Hans Bürgel
Die seltsamen Geschichten des Doktor Ulebuhle
Bruno Hans Bürgel

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Ein Körnchen Salz

Dies ist das Allerwelts-Zauberglas«, sagte der alte Ulebuhle und nahm sein großes Mikroskop aus dem mit tausend verzwickten Schnurrpfeifereien angefüllten Glasschrank. »Ihr glaubt nicht, ihr kleinen Abc-Schützen, wie sonderbar darin die Welt aussieht und was für Wunder in hunderttausend winzigen Wichten stecken, die wir mit dem Auge kaum sehen können. Die Blattlaus in ihrem grünen Röckchen wird zu einem schauerlichen Elefanten, vor dem man Reißaus nimmt, wenn sie eines von ihren riesigen Stakelbeinen bewegt. Im Wassertropfen tummeln sich die sonderbarsten, lebenden Schiffchen, die da mit einer Schnelligkeit umherfahren, als hätten sie einen leibhaftigen Propeller an ihrem winzigen, glasdurchsichtigen Balg, und der Rüssel der Stubenfliege wird zu einer entsetzlichen Maschinerie mit Röhren und Stangen und Schläuchen und Greifern, so daß die alte Christine kreischend davonstob, als sie einmal durch das Allerweltsglas schaute und die Stubenfliege, die unter den scharfen Lupen lag, so ein wenig mit ihrem winzigen Schnauzer in der Luft herumschnüffelte.

Still und Vorsicht! Da sitzt eine auf dem Tisch! Wollen sehen, daß wir sie erwischen. – – Schrumm und Brumm . . . Da fliegt sie hin und läßt die Beute, die sie mit dem winzigen Rüssel anhob, der in Wahrheit so ein kniffliges Ding mit hundert Werkzeugen ist, liegen. – Laßt sehen, was es ist!

Ein Zuckerkörnchen, kleiner als der Kopf einer Stecknadel! Nein, es ist ein Salzkörnchen, und darum hat es der schlaue Flugkünstler, der die Fliegerei besser versteht als alle Flieger zusammengenommen, auch ruhig liegenlassen, denn die Stubenfliege pflegt sich das Leben nicht zu versalzen wie wir. Aber da sie uns nun entronnen ist und der alte Ulebuhle, nachdem er einmal eine Fensterscheibe und die Wasserkaraffe dabei in Trümmer schlug, die Jagd auf Fliegen aufgegeben hat, so wollen wir statt des kleinen Spitzbuben das winzige Salzkörnchen unter das Mikroskop legen.

Da schaut hinein! Welch ein Wunderwerk ist nun das unscheinbare 124 Ding geworden! Ein mächtiger Kristallwürfel, ein gläsernes Schloß mit fadengeraden, spiegelblanken Mauern, und wie Erker und Türme sitzen kleinere Würfel ringsum an diesem seltsamen Palast aus Kochsalz. – Aber schaut nur recht hinein in seine durchsichtigen Gemächer: Er baut sich auf aus kristallenen Sälen und Kämmerchen, und alle sind sie genau viereckig, und alle haben sie spiegelglatte Wände. Wenn man die Sonne hineinscheinen läßt, ist es, als gäbe es ein großes Fest in dem Zauberschloß, als heirate eine Märchenprinzessin einen Prinzen aus Aladins Reich, als sei alles illuminiert, denn es spiegelt und blinkert und gleißt und glitzert an allen Ecken und Kanten, in allen Wänden und Gemächern. Und doch ist das Ganze nichts weiter denn ein Körnlein Salz, das der Rüssel einer Fliege heben kann!

Da seht ihr es, kleines Volk, daß die ganze weite Welt im Großen wie im winzig Kleinen eigentlich voller Wunder ist, denn wer hätte gedacht, daß das Salzkörnlein aufgebaut ist, als hätte ein großer Baumeister mit Lot und Winkelmaß Gemach um Gemach hergerichtet!

Da plagt ihr nun den alten Ulebuhle, daß er euch abenteuerliche Geschichten erzähle von fernen Ländern und Zaubergärten, die an weiten Meeren liegen, weit drüben im Indierland, und habt Zauber und Wunder vor der Nase liegen, und sei es nur ein Salzkörnchen, das auf dem Tischtuch zurückblieb. Sintemalen wir aber gerade dabei sind, will ich euch die Geschichte von dem Salzkörnchen erzählen, denn es hat wirklich eine Geschichte, und die führt in sonderbare Welten.

Wo kommt unser Körnchen wohl her? Eines Tages ist die alte Christine hinübergehumpelt zum Krämer Schneidereit, der auf einem mächtigen Ladenschild verkündet, daß er ›Heringe und andere Südfrüchte‹ zu verkaufen hat, und erstand um einen Nickel eine ganze große Tüte solcher kristallnen Zauberschlösser aus Salz. Seht, so sind die Menschen! Der gute Schneidereit ahnt gar nicht, was für eine Tüte Wunder er für einen einzigen Nickel fortgibt, und die alte Christine wirft eßlöffelweise die gleißenden und glitzernden Märchenpaläste in ihren Kochtopf. ›Narreteien und Schnurrpfeifereien!‹ würde sie sagen, wenn wir ihr von dem Kochsalzwunder erzählen würden. Ein Körnchen, nicht größer als ein Stecknadelkopf, und in Wahrheit ein fein und akkurat gebauter Kristallpalast. Und wißt ihr wohl, was die Gelehrten herausgebracht haben? Sie haben gefunden, daß dieses winzige Ding aus 7 200 000 000 000 000 000 haargenauen Würfelchen besteht, 125 keinen mehr und keinen weniger, und einer so sorgfältig gearbeitet wie der andere, sozusagen mit Lot und WinkelmaßEin Kochsalzwürfelchen von einem Millimeter Dicke besteht an einer einzigen Kante schon aus zwei Millionen »Ur-Kristallen«, aufgebaut aus Chlor- und Natrium-Atomen..

Und diese Milliarden und Millionen Kristallwürfel hob vorhin der schnurrige Rüssel-Hebekran der Stubenfliege! Und wenn wir beim Mittagsmahl so ein winziges Körnchen Salz, Schluck und Hast-du-nicht-gesehn, in die chemische Fabrik unseres Magens hineinschleudern, dann ahnen wir gar nicht, was für ein verwickeltes und verzwicktes Wunderwerk da unten in der Finsternis des Magensackes in seine Millionen Teilchen auseinandergeklaubt wird!

Der gute Krämer Schneidereit, der von morgens bis abends ›Habe die Ehre!‹ – ›Womit kann ich dienen?‹ – und ›Beehren's mich bald wieder!‹ sagt, bekommt diese Kristallwunderwerke alle Monate gleich faßweise. Mit Hüh und Hott kommen die beiden Braunen daher, die die ›Heringe und anderen Südfrüchte‹ und auch das Salz heranfahren. Auch unser Körnchen war dabei, aber es ist älter als die beiden Braunen und der Krämer und wir alle zusammengenommen. Es war schon da, als noch kein Mensch auf Erden lebte, ist viele Millionen Jahre alt.

Ich seh's euch an, ihr Racker, daß ihr meint, der alte Ulebuhle flunkere euch etwas vor, aber gleich meinem alten Freunde, dem Käptn Barrel, sage ich, daß ich doch gleich ›zehn Klafter tief in den Grund fahren‹ will, wenn's nicht aufs Haar so ist, denn die gelehrten Leute haben es herausgetüftelt, und damit basta!

Unser Salzkörnchen hat wirklich eine lange und interessante Lebensgeschichte, wie ich es euch gesagt habe. Laßt uns hören, wie alles kam:

Jahrmillionen und aber Jahrmillionen zurück in die fernste Vergangenheit. Es gab noch keinen Adam und keine Eva, keinem Menschen tat ein Zahn weh, und keiner brauchte in die Schule zu gehen, weil weder der Lehrer noch die Kinder, noch das große Einmaleins und der Rohrstock erfunden waren.

Aber die alte Mutter Erde drehte sich schon wie heute um die Sonne, und es gab Länder und Meere und seltsame Tiere und Pflanzen, die heute längst ausgestorben sind. – Zu dieser Zeit hatte sich das Meer, das damals ganz Europa bedeckte, langsam, ganz langsam, zurückgezogen in ein anderes Bett. Riesenhafte Seen jedoch waren 126 zurückgeblieben, Seen, die nun von salzigem Meerwasser gefüllt waren.

Mutter Sonne indessen schien warm und freundlich nieder auf das öde Land, das einst vom Meer bedeckt war, und trocknete langsam die mächtigen Wasserbecken, die zurückgeblieben waren, aus.

Damals wurde unser Salzkörnchen geboren! Das Wasser verdampfte zwar, aber das Salz darin mußte liegenbleiben. Immer salziger wurde die Suppe in den großen Pfannen. Salzkorn um Salzkorn sank zu Grund, und so legte auch unseres da auf dem Tisch sich eines schönen Tages nieder in den salzigen Brei. Es war vorbei mit dem lustigen Umhertreiben im weiten Weltmeer.

Aber es kam noch viel schlimmer! Tausende von Jahren dauerte es, bis die salzigen Wasser ausgetrocknet waren. Nun waren sie nichts mehr als tiefe Kessel, vollgefüllt mit Salzbergen, viele hundert Meter hoch. Noch sah unser Körnlein da droben die Sonne leuchten, doch jetzt wurde es von einem schaurigen Totengräber beerdigt. Der Sturmwind kam und schüttete Sand über die Salzbänke in den tiefen Pfannen, Jahrtausende und Jahrtausende arbeitete er, um sie zu begraben. Von den Bergen ringsum riß er Stein um Stein herunter, zerberstend sausten sie in die Täler. Regengüsse kamen und machten aus all dem Sand Schlammströme und wälzten sie hinein in die Kessel, die früher einmal große Seen gewesen waren. So wurden sie zugeschüttet; Gras und Bäume wuchsen darauf. In der finsteren Tiefe aber lag eine Wunderwelt ungeheurer Zauberschlösser aus Kristall. Eine Welt aus Salz gebaut, wohl tausend Meter hoch getürmt, und mitten darin unser Körnchen, ein winziger Baustein in einer Würfelstadt aus SalzDas Salzlager zu Staßfurt ist 900 Meter dick und vor Millionen Jahren durch 10 000 Jahre lange Ablagerungen entstanden..

Aber wie es so geht auf diesem sonderbaren Erdenstern, auf dem immer neue Stücke gespielt werden, damit die Geschichte nicht langweilig wird: Eines Tages hatte sich ein kleines Flüßchen im Gebirge verlaufen, sein Wasser fiel in einen Felsenspalt und drang immer tiefer hinein in die unterirdischen Klüfte und Schächte. So kam unser Flüßchen in der dunklen Tiefe auch zu der merkwürdigen Welt aus Salz. Das Wasser leckte und wusch und löste und schwemmte in diesen kristallenen Bauten, die einst das Meer hier abgelagert. Es nagte Höhlen hinein und Gänge und trug viel von dem Salz wieder fort auf 127 seinem unterirdischen Wege durch die Felsenschlüchte und schuf an einer anderen Stelle daraus wieder neue Salzlager. Schließlich aber kam das Flüßchen wieder irgendwo zutage, eilte spornstreichs dem Meere zu und gab ihm etwas von dem Salz wieder, das das Meer einst da auf dem Lande in den tiefen Kesseln zurückgelassen hatte. Ja vielleicht hätte das Flüßchen schließlich die ganze salzige Welt da unten aufgeschleckt, wenn es noch ein paar tausend Jahre länger durch das Gestein geflossen wäre. Aber eines Tages kam es abermals anders. Ein Bergsturz verschüttete dem munter dahineilenden Wässerlein den Weg zu dem Felsenschacht, der hinabführte in das Reich des Salzes. Auf einer anderen Straße mußte es nun wandern, um wieder zurückzukehren ins weite Weltmeer.

Inzwischen aber war auf der alten Erde eine neue Zeit herangebrochen. Andere Pflanzen und Tiere lebten, und auch der Mensch hatte längst seinen Einzug gehalten und Dörfer und Städte erbaut.

Eines schönen Tages strich ein abenteuerlicher Gesell, der Schlangen-Matthias, durch Wald und Felsenschlüchte. Der hatte ein hirschledernes Wams an, eine alte Jagdflinte hing ihm über den Buckel, und in der Hand hatte er seine lange Schlangenzange, mit der er die giftigen Kreuzottern packte. Seine listigen schwarzen Augen 128 durchsuchten jeden Winkel im Gelände, und die scharfe Hakennase, die wie ein Schnabel aus dem dunklen Bartgewirr herausragte, erschnupperte jegliches Getier in weitem Umkreis. Er war ein rechter Galgenvogel, und die Bauern gingen ihm weit aus dem Weg, wenn sie sein verwegenes grünes Hütchen mit der Spielhahnfeder über den Büschen auftauchen sahen.

Der Schlangen-Matthias war hinter einem Marder her, und wie er im Felsengeröll hinter dichtem Gebüsch sucht, sieht er einen dunklen Spalt im Fels. Der Matthias, der alte wilde Hallodrio, denkt, daß das so recht ein Versteck für ihn wäre, und kraucht auf allen vieren hinein. Immer dunkler wird's da drinnen, bald enger und bald weiter, und es ist dumpf und feucht und riecht nach jahrhundertealtem Moder. Plötzlich aber rutschen dem Schlangen-Matthias die langen Beine unterm Leibe fort, und er purzelt hinab in eine rabenschwarze Finsternis. Aber es ist noch gut gegangen! Was so ein rechter Wilderer und Hallodrio ist, der hat gute Knochen. So ein bißchen zerschunden ist er schon, aber sonst ist alles heil. Vor allem holt der Matthias sein Feuerzeug hervor und pinkt an. Auf dem Boden der unterirdischen Felsenkammer kracht der Fuß in morsches Tiergebein und Astgewirr, das sicher früher einmal das Wasser hier hereingeschwemmt hat. Der Wilderer macht sich eine Fackel zurecht. In ihrem rötlichen Schein, sieht er, daß sich der Felsengang langsam noch weiter zur Tiefe senkt. Behutsam wandert er weiter. Immer breiter wird der Spalt, und nun mündet er in eine wunderbare, riesengroße Felsenhöhle.

Zögernd tritt der Schlangen-Matthias ein. Es wird ihm ganz eigen zumute in dieser verzauberten unterirdischen Welt. Der rote Schein der Fackel wirft spiegelnde Lichter von allen Seiten. Kristallen sind Decke und Wände und Boden, es funkelt und gleißt und glitzert. Dem Matthias ist es, als sei er in das Innere eines kirchturmhohen Diamanten hineingeraten. Merkwürdige Säulen und Gänge, Baldachine und Balkone, gotische Spitztürme und spiegelnde Quader bauen ein verwunschenes Schloß. Es ist wie in der Edelsteinhöhle Aladins, und tausend Feuer wirft die Fackel zurück von den glitzernden Wänden.

Der Matthias schrapt ein wenig von dem glitzernden weißen Zeug ab, beschnüffelt's, leckt vorsichtig daran und erkennt: Es ist Salz, pures Salz! – Wir wissen, wie es dahin gekommen ist! Der Zufall hat den wilden Hallodrio in das alte unterirdische Flußbett geführt und 129 so auch in das ungeheure Salzlager der Tiefe, das da vor grauen Zeiten durch die Austrocknung eines mächtigen Meeresarmes gebildet wurde. In jahrtausendelanger Arbeit hat das Flüßchen sich hindurchgefressen, hat rundliche Dome, Gänge und Galerien herausgewaschen, hat da und dort Säulen und Balkone stehen lassen, Treppen und Terrassen geschaffen, voll bizarrer Wunderlichkeit. – Im Hintergrunde sieht der Schlangen-Matthias in der Finsternis einen neuen Gang sich auftun, und neue Zauberhöhlen hüllen sich da in gespenstische Schatten.

Aber es ist ihm unheimlich geworden in dieser schweigenden, kristallenen Welt der Tiefe. Er tappt sich zum Ausgang zurück, erklettert mühsam den Absturz, den er vorhin hinuntersauste, und ist froh, als wieder der erste gründämmrige Lichtschein erkennbar wird und endlich am Ende des Felsenspaltes die grünen Büsche sichtbar werden.

Da ist der alte Wilderer aufatmend ins Freie getreten und hat das verwegene Hütchen abgenommen, um das nasse, zerzauste Haar zurückzustreichen und noch ein paarmal recht tief und befreit aufzuschnaufen. Aber viele Jahre hat er im Wirtshaus immer wieder von seinem Erlebnis erzählt:

›Schön ist's schon gewesen daherunten, in des Kruzitürken-Teifels Höllenschloß! Gleich wie hizaubert. Aber eine Ganshaut is mer den Buckel auf und nieder fahren, und ich hab mer gedenkt: Schau, daß de zaruckkimmst, Matthiesl, könnt sein, daß der Schwarze mit'm Roßhuf plötzlich da is, dich beim Krawattl nimmt und bei lebendem Leib einpökelt in seiner Salzhöllen! – So bin ich auf und davon, aber zaubrisch war's schon!‹ – – –

Hundert Jahre sind seitdem vergangen. Längst ist vom Schlangen-Matthias kein Knöchlein mehr vorhanden, ja selbst der verwilderte Grabhügel, unter dem er zur Ruh bestattet worden, ist nicht mehr erkennbar. Abermals ist es anders geworden in der Welt. Da, wo einst am Rand des zerfallenen Gebirges im Geklüft der stille Wald sich dehnte und der alte Hallodrio mit seinem hirschledernen Wams, seiner Hakennase, seinem grünen Hütchen mit der Spielhahnfeder hinter Kreuzottern, Mardern und Eichkatzen her war, da ist's jetzt geschäftig und lebendig. Ping und pang geht's den ganzen Tag, und es pufft die Dampfmaschine. Ein Bergwerk ist da entstanden, ein Salzbergwerk! Sie holen aus der Tiefe das Salz, das sich da vor vielen Millionen Jahren abgelagert, sie bauen das kristallene Zauberschloß mit seinen 130 blinkenden Quadern, seinen Balkonen, Galerien, geheimnisvollen Gemächern wieder ab. Die Spitzhacke fährt in das ungeheure, wundervolle Gemäuer, das viele hundert Meter lang und breit und hoch ist und aus hunderttausend Millionen Milliarden und noch mal einem ganzen hohen Himmel voll Milliarden Millionen kleinen Kristallwürfeln besteht. Kurz und rund gesagt, so entsetzlich viel, daß alle großen und kleinen Einmaleinse des ganzen Weltalls es nicht zusammenrechnen lassen. Wie sollte es auch sein, wo doch schon unser Körnchen da, das die Fliege mit dem Rüssel hob, 7 200 000 000 000 000 000 solcher Würfelchen enthält! –

Da kommt nun das Salz aus der Tiefe, tagein, tagaus. Es wird gemahlen und wird gereinigt, wird in Fässer verpackt und in die weite Welt geschickt, denn wenn einer auch ganz und gar nichts mehr hat, Salz und Brot muß er doch wenigstens haben, und die Leute, die gebratene Hühner speisen, sagen: ›Salz und Brot macht Wangen rot!‹

So kam eines Tages auch unser Salzkörnchen an die Reihe. Es wurde losgepickt von dem Ort, da es ungezählte Jahrtausende geruht, es wurde gewaschen und sozusagen frisch aufgebügelt. Dann kam es in die Tonne, und die beiden Braunen zogen es mit Hü und Hott zum Krämer Schneidereit, der die Heringe und andern Südfrüchte verkauft und von früh bis spät sagt: ›Habe die Ehre! Womit kann ich dienen?‹

Was für eine lange, sonderbare Geschichte hat das Körnchen Salz in seinem Dasein erlebt! Um ein Haar hätte die Fliege es verspeist, aber nun liegt es da unter dem Allerwelts-Zauberglas und zeigt seine blanken Gemächer. – Und was geschieht nun? – Der alte Ulebuhle öffnet das Fenster, er wirft das Körnchen in den Bach, der Bach trägt's in den Strom, der Strom ins Meer, und es ist wieder da, wo es am Anfang war. Wer weiß, ob es nach vielen Jahrmillionen nicht abermals tief unter der Erde in einem Salz-Zauberschloß flimmert und auf irgendeiner geputzten Hochzeitstafel auftaucht, wenn von uns allen kein Knöchlein mehr vorhanden, wie jetzt von dem alten Hallodrio, dem Schlangen-Matthias.« 131



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