Laurids Bruun
Van Zantens glückliche Zeit
Laurids Bruun

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Vierzehntes Kapitel

Bei Kabua-Kenka im Hause der Geister

Ali war sehr feierlich gestimmt, als wir uns, jeder mit einem Korb voll Gaben und Tabu am Arm, auf den Weg begaben.

Da waren Eßwaren für die Schalen der Geister. Vier prachtvolle junge Hühner hatten wir geschlachtet; acht fliegende Fische und die besten Kokosnüsse, die wir auftreiben konnten.

Außerdem waren da zwei Pokon Tabu, die ich mir bei Tongu verdient hatte, indem ich sein Kanu mit europäischen Dekorationen bemalt hatte, wie sie ihresgleichen auf der Insel nicht finden konnten.

Während wir an dem Zaun um den Kokoshain des Königs entlang gingen, war Ali schweigsam. Als wir den Pfad erreichten, der durch das Gehölz zum Hause der Geister führt, fing sie an zu zittern.

Und als wir schließlich vor der Tür in dem unansehnlichen, schmutzigen Giebel standen, klapperten ihre Zähne vor Angst und Erwartung. Galt es doch ihr Leben, ja, mehr als das.

Der Zauberer war ein gefürchteter Mann. Wenn die Frauen kein Anliegen an ihn haben, machen sie einen großen Bogen um ihn herum, wenn sie ihn von Amts wegen mit seinem Fächer, seinem Korb und seiner zusammengefalteten Matte daherkommen sehen. Die Kinder schreien und flüchten wie Hühner, wenn sie seines langen, schwarzen, geflochtenen Bartes, der ihm bis an den Nabel reicht, ansichtig werden.

Ich mußte Kabua-Kenkas Namen dreimal rufen, bis er sich endlich in der Tür zeigte. Er nagte an einer Tarowurzel, wobei die Schildpattplatten in seinen Nasenflügeln gegeneinanderschlenkerten und klapperten.

Ich kannte von meiner Krankheit her die alte, gebeugte, spindeldürre Gestalt mit den hohlen Schläfen unter dem dünnen, weißen Haar.

Er betrachtete mich mit einem mißtrauischen, stechenden Blick, wie man denjenigen betrachtet, von dem man allerhand gehört hat und nicht recht weiß, ob man dem Gerede glauben soll oder nicht.

Seine schmutzigen Skelettfinger spielten mit den Bartflechten. Ali aber, die sein Mißtrauen sah, beeilte sich zu versichern, daß ich ein guter Mann sei, der den Geistern opfern wolle.

Dann hob sie den Korb und zeigte dem heiligen Mann die prachtvollen, jungen Hühner und die frischen Fische.

Der Alte schmatzte mit dem Mund; und ohne etwas zu sagen, machte er uns Platz, so daß wir in das Heiligtum eintreten konnten.

Es stank drinnen von unbegreiflichen Dingen, so daß einem ganz übel wurde. Ein Schwein grunzte leise in einer Ecke. Eine Ratte blieb vor einem Loch in der Bambuswand, durch das das Tageslicht hereinfiel, sitzen und starrte mich mit demselben mißtrauischen Blick an wie ihr Herr, bevor sie sich bequemte davonzuschleichen.

Als ich mich an den Geruch gewöhnt hatte, fing ich an mich umzusehen. Unter der niedrigen Decke hing ein Bund getrockneter Blätter und Kräuter neben dem anderen. Die meisten kannte ich nicht; aber es waren auch getrocknete Betelblätter und Ingwer darunter.

Dann waren da kleine Stückchen Rinde, die an Rotangschnüren schaukelten. Und getrocknete Blumen, Drazänen, Hibiskus und viele, die ich nicht kannte. Von diesen rührte offenbar der gemischte, kräuterige Geruch her. Der erstickende und süßlich verdorbene Geruch aber kam von den großen Schalen aus gehöhltem Holz, die Seite an Seite neben einigen Holzblöcken standen, deren Bedeutung ich nicht verstand, bis es mir plötzlich klar wurde, daß sie so etwas wie Nasen und Arme und Beine hatten.

Das waren die Bildnisse der großen Könige.

Sie hatten durch jahrelangen Schmutz ein ehrwürdiges Ansehen bekommen, wie sie da längs der Wand aufgereiht standen, jeder mit einer Schale neben sich.

Es waren vier an der Zahl; zwei der Schalen waren leer; zwei der Geister aber hatten nicht aufessen können, und es lagen noch Reste von Tarobrot, halb abgenagten Fischen und Bananenfleisch da, die in Gärung übergegangen waren.

Ali warf sich vor dem größten der Holzblöcke auf die Hände nieder, ohne mich zu beachten. Sie murmelte etwas, das ich nicht verstehen konnte. Dann begann sie den Inhalt der Körbe in die Schalen zu entleeren. Sie teilte gleichmäßig aus, und jetzt verstand ich auch, weshalb vier unserer jungen Hühner das Leben hatten lassen müssen. Jeder der Geister der großen Könige mußte ja eines bekommen, damit keiner beleidigt würde und zuwiderhandelte.

Während die Opferung vor sich ging, hatte der Alte auf seiner Matte Platz genommen, von wo aus er dieselbe schweigend mit den Augen verfolgte.

Als Ali fertig war, blickte sie furchtsam zu ihm auf; als sie ein zufriedenes Blinken in seinen kleinen, stechenden Augen sah, sprang sie auf, strahlend erleichtert, und gab mir einen Puff.

Jetzt ergriff ich, unserer Verabredung gemäß, das Wort.

Ich sei mit meinem Weibe zu dem ehrwürdigen Priester und Zauberer der großen Geister gekommen, um ihn zu bitten, daß er mit der Zauberkraft und den Worten, die sein Vater ihn gelehrt hatte (das Amt ist erblich), ihren Leib bespräche, damit sie mir ein Kind gebäre, am liebsten einen Sohn. Ein anderes Weib hätte nämlich das Mumut meiner Frau verhext, so daß sie nicht schwanger geworden sei, obgleich wir schon über drei Neumonde verheiratet wären.

»Das kostet zwei Pokon!« sagte der Alte geschäftsmäßig und streckte die Hand aus.

Ali hatte sich offenbar nach dem Preis erkundigt; denn diese Summe hatte ich gerade bei mir.

Ich zahlte ihm den Betrag aus. Er nahm die Schnüre und hielt sie sich prüfend vor die Augen, die eine nach der anderen, während er die Muschelstücke durch seine steifen Finger gleiten ließ.

Dann legte er sie in seinen Korb, der neben ihm auf der Erde stand.

Wie ich erwartet hatte, bedeutete er mir, daß ich die Hütte verlassen solle; ich aber hatte schon im voraus bestimmt, daß ich der Vorstellung beiwohnen wolle. Wenn ich auch ein felsenfestes Vertrauen zu Ali hatte und wenn Kabua-Kenka auch alt und häßlich und schmutzig war, selbst für den Geschmack der Eingeborenen, so konnte man doch nie wissen, was er Ali bieten konnte, die sich sicher voll blinden Vertrauens allem unterwerfen würde, was der Alte im Namen der Götter von ihr verlangte.

Statt hinauszugehen, hockte ich darum seelenruhig auf dem Fußboden nieder und begann mir einen Kautabak zurecht zu machen.

Der Alte sah mich verblüfft an, und Ali runzelte – trotz ihrer bebenden Angst mit dem Alten allein zu bleiben – die Brauen ob meiner Ungehorsamkeit. Da ich mich aber nicht vom Fleck rührte und tat, als ob alles in schönster Ordnung sei, glitt plötzlich der Schatten eines verständnisvollen Lächelns über das Gesicht des alten Räubers.

Er nahm eine Matte, die über einen Balken unterm Dach hing, machte mit dem Fuß auf dem schmutzigen Fußboden Platz, breitete die Matte aus und lud mit einer Handbewegung Ali ein, sich längelang auf den Rücken zu legen.

Dann nahm er einen der Holzgeister, dessen männliches Geschlecht deutlich war, und brachte ihn an dem Fußende der Matte an, während ein anderer, der ebenso deutlich von weiblichem Geschlecht war, hinter Alis Kopf gestellt wurde.

Ali zitterte am ganzen Körper. Ihr Blick suchte bebend vor Angst den meinen, als ob sie sagen wolle, daß sie merke, wie die Geister sie bereits von Kopf bis Fuß in Besitz genommen hätten.

Jetzt kam Schwung in Kabua-Kenka. Mit einer Schnelligkeit, die man den alten, steifen Gliedern nie zugetraut hätte, schnitt er Dreiecke in drei bis vier der Kokosnüsse, die wir mitgebracht hatten.

Während er etliche unverständliche Zauberworte zwischen den Zähnen hervorstieß, ebenso wie damals, als er in meinem Fieberanfall über mich gebeugt lag, goß er etwas von der frischen Kokosmilch über die Köpfe der beiden Holzgötter, die neben der Matte standen. Darauf trank er selbst einen Schluck, und schließlich flößte er Ali etwas ein, die gurgeln und husten und sich krümmen mußte, bevor sie die Flüssigkeit in ihrer liegenden Stellung herunterschlucken konnte.

Als das besorgt war, nahm er eine Holzschale von dem Bort unter der Decke, goß den Rest der Kokosmilch hinein und riß einige Blätter und Kräuter aus den Bündeln, die unter der Decke hingen. Es ging so schnell, daß ich nicht sehen konnte, was es war. Einiges davon steckte er in den Mund und kaute es, ohne jedoch mit dem Murmeln und Beschwören aufzuhören; und während er kaute, stellte er die Schale zwischen seine spitzen Knie, brach ein Stück von einer knochentrockenen Wurzel ab und tat sie hinein. Darauf rieb er einen harten Kokoskern gegen einen rauhen Stein, so daß der Puder in die Holzschale fiel; und zu allerletzt nahm er die Banane, die einer der Götter nachgelassen hatte, besprach sie, während er sie unter seiner Nase hin und her bewegte, bis seine Augen ihm aus dem Kopf traten, schwer und starr, als seien sie aus Blei.

Als das Kauen schließlich beendigt war, spuckte er in die Holzschale, die sich mit einer breiigen, dunkelbraunen Flüssigkeit füllte, die ich ganz bis zu mir hin riechen konnte und die mir Übelkeit verursachte.

Ich wurde von Ekel ergriffen und war im Begriff aufzuspringen, um ihn am Fortfahren zu verhindern.

Als ich aber zu Ali hinsah, lag sie unbeweglich wie ein Stein mit ausgestreckten Armen und Beinen da. Ihr Mund stand offen, aber die Augenlider waren geschlossen; und nur ein ganz leises Auf und Nieder der zarten Grube zwischen ihren Brüsten zeigte, daß sie noch atmete.

Ihr mystischer Schlaf nahm mich gegen meinen Willen gefangen. Ich blieb atemlos sitzen und wartete.

Ohne auch nur einen Augenblick in seinem Murmeln innezuhalten, das wie das Schnarchen von vereinigten Lippen-, Nasen- und Kehllauten stieg und fiel, legte er sich nun neben sie auf die Knie.

Seine steifen Finger, die vor Erregung zitterten, umfaßten ihre Lenden und drehten sie halb herum, damit er ihren Rock lösen konnte.

Dann ergriff er die Holzkumme, schwang sie ein paarmal von dem einen Gott zum anderen und goß darauf mit einer plötzlichen Bewegung den ganzen Inhalt über ihren Leib.

Ich war nicht imstande ein Glied zu rühren. Meine Augen standen mir starr im Kopf und sahen alles durch einen Nebel. Es ist ja Blödsinn, sagte ich mir selbst unablässig, um mir mit einem inwendigen Lächeln darüber hinweg zu helfen; weiter aber kam ich nicht, und der Gedanke wurde zu toten Worten.

Ich sah ihn rascher, als es sich beschreiben läßt, den Brei über den Unterleib streichen; und als sie ganz davon bedeckt war, begann er sie mit seinen flachen Händen, im Takt mit seiner Erregung, die immer wilder und drohender wurde, zu reiben, bis sie wie im Krampf bebte.

Es zuckte gewaltsam durch ihre Knie. Die Beine krümmten sich, die Füße bogen sich mit krampfartig eingezogenen Zehen. Dann begann der Unterleib sich im Takt mit seinen Streichungen zu heben und zu senken.

Ihre Brust wogte vor Atemnot; die geschlossenen Augenlider zitterten; die Nasenlöcher kämpften nach Luft, während es von ihren Schultern durch die Arme zog, die sich nach den Bewegungen des Alten reckten oder schlaff wurden.

Es begann in ihrer Kehle im Takt mit der Bewegung zu gurgeln. Das schnarchende Murmeln und das Streichen wurden schneller und gewaltsamer. Ihr Körper und ihre Stimme folgten ihnen im Takt wie ein Schatten, wie ein Echo, bis er plötzlich die Hände an sich zog, schwieg und an ihrer Seite niederkauerte.

Im selben Augenblick rissen die gespannten Saiten in ihrem Körper. Ihr Schnarchen löste sich zu einem langgezogenen Klagelaut auf, während Körper und Glieder in einer plötzlichen Erschlaffung wie ein lebloses Bündel zusammensanken.

Der Alte trocknete sich seine schweißtriefende Stirn. Der Nebel lichtete sich vor meinen Augen, der Druck wich von meiner Stirn; Ali aber lag noch leblos da, mit einem feinen, weißen Schaum in den Mundwinkeln.

Dann beugte er sich wieder über sie, reinigte ihren Unterleib sorgfältig von der übrigen Flüssigkeit, die noch nicht in die Haut eingerieben war, breitete den Rock über die Lenden, öffnete noch eine Kokosnuß, hob ihren Kopf und goß ihr etwas Kokosmilch zwischen die Zähne.

Ali erwachte, sah sich mit großen, bleischweren Augen um, die sich auf nichts in der Welt besinnen konnten.

Erst als der Alte zu ihr sprach, sie fragte, ob sie müde sei, ob sie Schmerzen habe, kam sie langsam zur Besinnung. Und als ihr Blick endlich auf mich fiel, der ich mich ihr nun nähern durfte, öffneten ihre matten Hände sich, um sich mir entgegenzustrecken; und der Mund ließ die Zähne in einem glücklichen Lächeln sehen.


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