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4

El Paso schien Joseph Simon durchaus kein geeigneter Platz für ein Rendezvous zu sein. Als er daher das lange, vorsichtig abgefaßte Telegramm Si Dennys erhielt, gab er ihm telegrafische Instruktionen, in einer einsam gelegenen Hütte in den Diabolo-Bergen auf ihn zu warten. Also machte sich der Entdecker nach dieser Gegend auf den Weg. Bei seiner Ankunft fand er Halsey und Marmont bereits vor. Beide trugen eine mürrische Miene zur Schau, begrüßten ihn aber mit einem hämischen Lächeln, als sie ihn allein hereintreten sahen.

»Wo ist dein Herr Teufel?« fragte Marmont. »Simon rief mich gerade in dem Moment telegrafisch zurück, als ich im Begriff stand, einen Mann mit Beschlag zu belegen, der dem Bilde so täuschend ähnlich sah, daß der Maler geglaubt haben würde, sein Phantasiegebilde habe sich in Fleisch und Blut verwandelt.«

»Ich war meinem Ziel noch näher«, sagte Halsey seufzend. »Ich hatte bereits zwei Billetts für die Rückreise gelöst – für ihn und für mich –, da rief mich Simons Telegramm unverrichteter Sache ab.«

Denny begleitete ihren Bericht mit einem ironischen Lächeln und beglückwünschte sie zu ihrem »Erfolg«.

»Aber wo ist der Mann, den du mitbringen wolltest«, fragte Marmont.

»Unterwegs, hoffe ich.«

»So achtlos behandelst du die Sache?« Denny zuckte nur mit den Schultern.

»Was ist das für ein Mensch?« forschte Halsey.

»Marmont nannte vorhin seinen Namen«, entgegnete Denny. »Es ist der Teufel. Er versprach mir zu kommen; ich konnte die Sache nicht weiter pressieren. Der Teufel pflegt weder um Kleinigkeiten zu feilschen noch bindende Kontrakte einzugehen!«

Mit dieser Erklärung mußten sie sich begnügen.

Inzwischen eilte Simon, so rasch es ihm möglich war, dem vereinbarten Treffpunkt entgegen. Er kam indes nicht schnell voran, denn er war kein geübter Reiter. Außerdem taten ihm von dem Ritt alle Knochen im Leibe weh. Er biß indes die Zähne zusammen und strebte rastlos weiter, indem er seinen Blick erwartungsvoll auf die blau schimmernden Diabolo-Berge gerichtet hielt.

Die Bergkette rückte langsam näher heran, aber es lagen immer noch viele mühselige Meilen vor ihm. Ein Koyote äugte hinter einem Busch zu ihm herüber; ein Kaninchen sprang direkt vor der Nase seines Pferdes auf. Doch Simon sah und hörte von alledem nichts.

Er war gerade aus einer Talsenkung aufgetaucht und hatte den Hügelrand an der anderen Seite erreicht, als er hinter sich das Geräusch von Pferdehufen vernahm. Er sah sich erschreckt um und erblickte einen jungen Mann von schätzungsweise zwanzig bis zweiundzwanzig Jahren, der auf einem prächtigen, schwarzen Pferde herangeritten kam. Unter dem breitrandigen Sombrero des Jünglings gewahrte er ein Gesicht, das dem auf seinem Gemälde aufs Haar glich. Aufschreiend streckte Joseph Simon seine Arme empor. Sein Gesicht spiegelte ein Gemisch von Verwunderung, Entzücken und Furcht wider, als ob er glaubte, daß ihn ein Trugbild äffe.

»Der gütige Gott hat Sie zu mir geführt!« rief Simon. »Ich danke ihm von ganzem Herzen!«

»Danken Sie lieber Denny«, sagte der Kid und brachte sein Pferd dicht vor Simon zum Stehen. Dann blieb er ruhig im Sattel sitzen und betrachtete sein Gegenüber von Kopf zu Fuß mit dem ihm eigentümlichen scharfen Blick.

Doch Simon schien gerade von diesen eigentümlichen Blicken entzückt zu sein. Er nickte befriedigt und rief: »Señor Vereal, ein Mensch kann so ein Zusammentreffen nicht in die Wege leiten, sondern nur das Schicksal!«

»Mein Name«, sagte der Kid kalt, »ist nicht Vereal.«

»Ah?« sprach Simon etwas enttäuscht. »Nicht? – Doch das ist schon möglich«, fügte er hinzu, indem er den andern mit einem bedauernden Seufzer schärfer betrachtete. »Vielleicht tragen Sie diesen Namen nicht. Mein Name ist Joseph Simon; könnte ich den Ihrigen erfahren, Sir?«

Die letzten Sätze hatte er spanisch gesprochen, und der Kid antwortete in derselben Sprache: »Viele nennen mich den Kid. Das wird wohl auch Ihnen genügen. – Nun sagen Sie mir bitte, was wollen Sie von mir?«

Joseph Simons anfängliche Ueberschwenglichkeit hatte sich in eine bedachtsame Vorsicht verwandelt.

»Was sollte ich anders von Ihnen wollen, Sir, als Ihnen guten Tag sagen? Ich habe Sie mit jemand verwechselt – mit einem Vereal.«

Der Kid lächelte und zuckte die Achseln. »Ich glaube nicht, daß Denny mir etwas vorgelogen hat.«

»Erzählte Ihnen ein Mr. Denny, daß ich Sie sehen möchte?« fragte Simon stirnrunzelnd

»Das hat er nicht gesagt.«

»Dann verstehe ich nicht, warum – – –«

»Ich habe seit dem Morgen hier gewartet und die drei nach der Hütte vorüberziehen sehen. Von denen kam keiner für mich in Frage. Ich wußte, daß noch jemand anders hinter der Geschichte steckte. Aber als ich Sie sah, erkannte ich sofort, daß die Zeit zum Sprechen gekommen war. Da bin ich nun!«

»Welche drei?« fragte Joseph Simon.

»Darüber werden Sie genau so gut informiert sein, wie über den Inhalt Ihrer Satteltasche.«

Joseph Simon erbleichte und griff mechanisch nach der kleinen, wohlgefüllten Ledertasche, die er dadurch zu verbergen gesucht hatte, daß er sein Knie darüber drückte.

»Es ist nichts von Bedeutung darin«, sagte er giftig.

Das Lächeln des Kids wurde fast zu einem Grinsen. »Nun, Mr. Simon«, sagte er, »was wollen Sie von mir?«

»Wir können in der Hütte darüber sprechen.«

»Wo drei Männer mit drei Schießeisen auf der Lauer liegen? Nein, der Ort hier eignet sich genau so gut für ein Gespräch wie ein Zimmer, und ein Sattel vertritt ganz gut die Stelle eines Stuhls.«

Simon rückte stöhnend im Sattel hin und her. Anscheinend war er anderer Meinung als sein Gefährte. Dann blickte er nach dem blaßblauen Horizont. Nur vereinzelte Distelkakteen unterbrachen die eintönige Leere der Wüste.

»Erzählen Sie mir zunächst«, sagte Simon, »warum Sie glaubten, daß niemand von den dreien für Sie in Frage käme.«

»Ich besitze kein Geld«, erklärte der Kid bereitwillig. »Was sollten Sie also von mir wollen?«

Joseph Simon mußte über diese einfache, aber vielsagende Antwort unwillkürlich lächeln, doch bald entfuhr ihm ein Seufzer.

»Wir stehen alle in Gottes Hand«, sagte er. »Er kann mit uns machen, was ihm beliebt. Also schön! Da uns keine andere Wahl bleibt, wollen wir uns hier miteinander aussprechen, obgleich mich diese erbärmliche Sonnenglut fast um meinen Verstand bringt. Ich hatte gehofft, Sie besser kennenzulernen, bevor ich mich Ihnen anvertraute, aber da mir das nicht möglich ist, werde ich Ihnen sogleich alles erzählen. Die ganze Sache dreht sich um einen reichen Schatz, der in Alt-Mexiko, sechzig Meilen jenseits der Grenze, ruht. Er gehört mir, und ich möchte ihn gern herbeischaffen.«

»Warum tun Sie's denn nicht?«

»Weil sofort zehntausend Männer über mich herfallen würden, wenn ich mich in der Gegend blicken ließe. Jenseits des Rio Grande bin ich nicht fünf Minuten meines Lebens sicher.«

»Dann soll ich also diese Arbeit verrichten?«

»Sehr richtig.«

»Ich bin kein Dieb, Mr. Simon.«

»Hundert Maulesel würden für den Transport des in Rede stehenden Schatzes erforderlich sein.«

Da richtete sich der Kid im Sattel auf. Er warf ein Bein über den Sattelknopf, rollte sich ein Zigarette und blickte nachdenklich drein. Offenbar interessierte ihn diese seltsame Mitteilung.

»Well«, sagte er, »hundert schwer beladene Maulesel sollen also von einem Ort, der ungefähr sechzig Meilen südlich der Grenze liegt, davongetrieben werden. Stimmt das?«

»Genau.«

»Dann brauchen Sie eine Armee, nicht einen Mann.«

»Sie irren sich. Eine Armee könnte nichts ausrichten. Es gibt nur einen Mann in der Welt, der mir von Nutzen sein könnte. Und Sie sind dieser Mann.«

»Vielleicht«, sagte der Kid gleichgültig. »Wie soll ich die Sache in Angriff nehmen?«

»Zunächst muß ich wissen, daß Sie einen Versuch wagen wollen, bevor ich weitere Einzelheiten erzähle.«

»Welchen Anreiz könnte mir ihr Vorschlag bieten?«

»Sie erhalten fünfzigtausend Dollar in dem Moment bar ausgezahlt, wo Sie mir mein Eigentum zur Stelle geschafft haben.«

»Fünfzigtausend für mich – eine Million für Sie, eh?«

»Natürlich«, entgegnete Simon mit staunenswerter Freimütigkeit. »Sogar weit mehr als eine Million. Könnte ich es mir sonst etwa erlauben, vier Männer zu diesem Zweck zu engagieren? Ich muß Sie selbstverständlich ausreichend bezahlen, damit Sie nicht in Versuchung geraten, mich zu hintergehen. Aber selbst gesetzt den Fall, daß Sie es ehrlich mit mir meinen, mein junger Freund, so bleibt meine Gewinnchance immer noch sehr problematisch. Inzwischen bezahle ich Ihnen noch alle Ihre Spesen und – was wollen Sie wöchentlich oder monatlich haben?«

»Nichts.«

»Was sagen Sie?«

»Ich arbeite für ein Honorar von fünfzigtausend Dollar. Nun lassen Sie hören, was Sie vorzubringen haben.«

»Das ist eine lange Geschichte. Aber ich habe Ihr Wort, Señor? Sie sind mein Mann, der meinen Auftrag auszuführen sucht, nachdem Sie die Geschichte vernommen haben – oder wenn Ihnen der Auftrag nicht zusagen sollte, schwören Sie mir, nichts von dem, was ich Ihnen erzählen werde, verlauten zu lassen?«

Der Kid dachte eine Weile nach, dann streckte er als Antwort die Hand hin. Der andere erfaßte sie und schüttelte sie beglückt. Dann wischte er sich den Schweiß von der Stirn und atmete vor Erleichterung tief auf.

»Der Anfang wäre gemacht«, sagte er mehr zu sich selbst als zu seinem Gefährten.

Während des Gesprächs waren die Pferde langsam weitergeschritten, und sie kamen jetzt zu einer auf einem Hügelkamm hochaufragenden Klippe. Simon schlug vor, sich dort in den Schatten zu setzen, damit er seine Geschichte gemütlich erzählen könnte.

»Denn«, sagte er, »wie kann man einen Gedanken fassen, wenn man auf einem Pferde sitzt?«

Sie stiegen also ab und setzten sich in den tiefen Schatten. Der Kid rollte sich eine neue Zigarette; Simon nahm eine schwarze Zigarre aus einem langen, goldenen Etui. Er rauchte wie ein Chinese, indem er mit gekreuzten Beinen dasaß und die Zigarre ungeschickt zwischen dem Daumen und dem Zeigefinger hielt.

Als er den Rauch der köstlichen Havanna einsog, schloß er vor Behagen die Augen. Der Kid lag lang ausgestreckt auf dem Boden, stützte sich auf einen Ellenbogen und schien die Wüste mit mehr Interesse zu beobachten als das Gesicht des Erzählers.

Zuweilen blickte er wie abwesend in die Ferne, oder er hob seinen Kopf und starrte zu dem blauen Himmel empor, wo ein Habicht langsam und unermüdlich seine Kreise zog.


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