Hermann Bote
Till Eulenspiegel
Hermann Bote

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die 93. Historie sagt, wie Eulenspiegel sein Testament machte und ein Pfaffe dabei seine Hände besudelte.

Merkt euch, geistliche und weltliche Personen, daß ihr eure Hände nicht an Testamenten verunreinigt, wie es bei Eulenspiegels Testament geschah!

Ein Pfaffe wurde zu Eulenspiegel gebracht, damit er ihm beichten solle. Als er nun zu Eulenspiegel kam, da dachte der Pfaffe bei sich: er ist ein abenteuerlicher Mensch gewesen und hat damit viel Geld zusammengebracht; es kann nicht fehlen, er muß eine bedeutende Summe Geldes haben; die solltest du ihm abnehmen, da es mit ihm zu Ende geht, vielleicht bekommst du auch etwas davon.

Als nun Eulenspiegel dem Pfaffen zu beichten begann und sie ins Gespräch kamen, sagte unter anderem der Pfaffe zu ihm: »Eulenspiegel, mein lieber Sohn, bedenkt Eurer Seele Seligkeit bei Eurem Ende! Ihr seid ein abenteuerlicher Gesell gewesen und habt viele Sünden begangen. Die bereuet jetzt! Und habt Ihr etwas Geld: ich würde das zur Ehre Gottes geben und auch armen Priestern, wie ich einer bin. Das rate ich Euch, denn es ist nicht immer ehrlich gewonnen. Und wenn Ihr solches tun wollt, mir das offenbart und mir dieses Geld gebt: ich will es dann einrichten, daß Ihr damit in die Ehre Gottes kommt. Und wollt Ihr mir selbst auch etwas geben, so werde ich Euer all mein Lebtag gedenken und für Euch Totengebete und Seelenmessen lesen.« Eulenspiegel sagte: »Ja, mein Lieber, ich will Euer gedenken. Kommt nachmittags wieder, ich will Euch selbst ein Stück Gold in die Hand geben. Dessen könnt Ihr gewiß sein.«

Der Pfaffe war froh und kam nach dem Mittag wieder gelaufen. Und während er fort war, nahm Eulenspiegel eine Kanne, die füllte er halbvoll mit Menschendreck. Darauf legte er ein wenig Geld, so daß das Geld den Dreck bedeckte. Als der Pfaffe wiederkam, sprach er: »Mein lieber Eulenspiegel, ich bin hier. Wollt ihr mir nun etwas geben, wie Ihr es mir versprochen habt, so will ich es in Empfang nehmen.« Eulenspiegel sagte: »Ja, lieber Herr, wenn Ihr bescheiden zugreift und nicht gierig sein wollt, so will ich Euch einen Griff aus dieser Kanne gestatten, damit Ihr meiner gedenken sollt.« Der Pfaffe sprach: »Ich will es nach Euerem Willen tun und hineingreifen, so wenig ich kann.« Da machte Eulenspiegel die Kanne auf und sagte: »Seht hin, lieber Herr, die Kanne ist ganz voll Geld. Tastet hinein und nehmt Euch daraus eine Handvoll, aber greifet nicht zu tief!« Der Pfaffe sagte ja, und ihm wurde ganz feierlich zumute. Die Habgier verführte ihn, er griff mit der Hand in die Kanne und wollte eine gute Handvoll greifen. Als er mit der Hand in die Kanne fuhr, merkte er, daß es naß und weich unter dem Gelde war. Schnell zog er die Hand wieder zurück, aber die war schon bis zu den Knöcheln mit Dreck besudelt.

Da sprach der Pfaffe zu Eulenspiegel: »O, was bist du für ein hinterhältiger Schalk! Du betrügst mich noch in deinen letzten Stunden, da du schon auf deinem Totenbette liegst! Da dürfen sich diejenigen nicht beklagen, die du in deinen jungen Tagen betrogen hast.« Eulenspiegel sagte: »Lieber Herr, ich warnte Euch, Ihr solltet nicht zu tief greifen! Verführte Euch nun Eure Gier und beachtetet Ihr meine Warnung nicht, so ist das nicht meine Schuld.« Der Pfaffe sprach: »Du bist ein Schalk, auserlesen aus allen Schälken! Du konntest dich in Lübeck vom Galgen reden, so antwortest du wohl jetzt auch mir.« Und er ging und ließ Eulenspiegel liegen.

Eulenspiegel rief ihm nach, er möge warten und das Geld mit sich nehmen. Aber der Pfaffe wollte nicht hören.


 << zurück weiter >>