Hermann Bote
Till Eulenspiegel
Hermann Bote

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Die 34. Historie sagt, wie Eulenspiegel nach Rom zog und den Papst sah, der ihn für einen Ketzer hielt.

Mit durchtriebener Schalkheit war Eulenspiegel reich ausgestattet. Als er nun alle listigen Schelmenstreiche versucht hatte, dachte er an das alte Sprichwort: Geh nach Rom, frommer Mann, komme wieder nequam.

Also zog er nach Rom. Dort betrieb er seine Schalkheit auch und nahm Herberge bei einer Witwe. Die sah, daß Eulenspiegel ein schöner Mann war, und fragte ihn, woher er komme. Eulenspiegel sagte, er sei aus dem Lande Sachsen und ein Osterling. Nach Rom sei er gekommen, um mit dem Papst zu sprechen. Da sagte die Frau: »Freund, den Papst mögt Ihr wohl sehen können, aber ob Ihr mit ihm reden könnt, daß weiß ich nicht. Ich bin hier geboren und erzogen und stamme von den obersten Geschlechtern, aber ich habe noch nie mit ihm sprechen können. Wie wolltet Ihr denn das so bald zuwege bringen? Ich gäbe wohl hundert Dukaten darum, daß ich mit ihm reden könnte.« Eulenspiegel antwortete: »Liebe Wirtin, wenn ich die Gelegenheit finde, Euch vor den Papst zu bringen, so daß Ihr mit ihm reden könnt, wollt Ihr mir dann die hundert Dukaten geben?« Die Frau war eilfertig und gelobte ihm die hundert Dukaten bei ihrer Ehre, wenn er das zuwege bringe. Aber sie meinte, es sei ihm unmöglich, solches zu tun, denn sie wußte wohl, daß es viel Mühe und Arbeit kosten würde. Eulenspiegel sprach: »Liebe Wirtin, wenn es nun also geschieht, so begehre ich die hundert Dukaten.« Sie sagte: »ja«, aber sie dachte: Du bist noch nicht vor dem Papst.

Eulenspiegel wartete, denn alle vier Wochen einmal mußte der Papst eine Messe lesen in der Kapelle, die da heißt Jerusalem zu Sankt Johannis Lateranen. Als nun der Papst die Messe las, drängte sich Eulenspiegel in die Kapelle und so nahe wie möglich an den Papst heran. Als dieser die Stillmesse hielt, kehrte Eulenspiegel dem Sakrament den Rücken. Das sahen die Kardinäle. Und als der Papst den Segen über den Kelch sprach, da kehrte sich Eulenspiegel abermals um.

Als nun die Messe zu Ende war, sagten die Kardinäle zum Papst, daß eine Person, nämlich ein schöner Mann, bei der Messe gewesen sei, die während der Stillmesse seinen Rücken gegen den Altar gekehrt habe. Der Papst sprach: »Es ist notwendig, daß man das untersucht, denn es geht die heilige Kirche an. Wenn man den Unglauben nicht straft, ist das Unrecht gegen Gott. Und hat der Mensch solches getan, so ist zu befürchten, daß er im Unglauben lebt und kein guter Christ ist.« Und er ordnete an, man solle den Menschen vor ihn bringen.

Die Boten kamen zu Eulenspiegel und sprachen, er müsse vor den Papst kommen. Eulenspiegel ging sogleich mit ihnen vor den Papst. Da fragte der Papst, was er für ein Mann sei. Eulenspiegel antwortete, er sei ein guter Christenmensch. Der Papst fragte weiter, was er für einen Glauben habe. Eulenspiegel sagte, er habe denselben Glauben, den seine Wirtin habe, und nannte sie beim Namen, der wohlbekannt war. Da bestimmte der Papst, daß auch die Frau vor ihn kommen solle.

Der Papst fragte die Frau, was sie für einen Glauben habe. Die Frau antwortete, sie glaube den Christenglauben und was ihr die heilige christliche Kirche gebiete und verbiete. Sie habe keinen anderen Glauben. Eulenspiegel stand dabei und begann, den Mund listig zum Lachen zu verziehen. Er sprach: »Allergnädigster Vater, du Knecht aller Knechte, denselben Glauben habe ich auch, ich bin ein guter Christenmensch.« Der Papst sagte: »Warum kehrst du dann dem Altar den Rücken während der Stillmesse?« Eulenspiegel sprach: »Allerheiligster Vater, ich bin ein armer, großer Sünder und zeihe mich solcher Sünden, daß ich des Altars nicht würdig bin, bis ich meine Sünden gebeichtet habe.« Damit war der Papst zufrieden, verließ Eulenspiegel und ging in seinen Palast.

Eulenspiegel ging in seine Herberge und mahnte seine Wirtin um die hundert Dukaten; die mußte sie ihm geben. Und Eulenspiegel blieb Eulenspiegel nach wie vor und wurde durch die Romfahrt nicht viel gebessert.


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