Hermann Bote
Till Eulenspiegel
Hermann Bote

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Die 48. Historie sagt, wie Eulenspiegel die Schneider im ganzen Sachsenlande zusammenrief; er wolle sie eine Kunst lehren, die ihnen und ihren Kindern zugute kommen solle.

Eine Zusammenkunft und eine Versammlung der Schneider schrieb Eulenspiegel aus in den wendischen Städten und im Lande Sachsen und besonders in den Ländern Holstein, Pommern, Stettin und Mecklenburg, auch in Lübeck, Hamburg, Stralsund und Wismar. Er entbot ihnen in dem Brief große Gunst. Sie sollten zu ihm kommen, er sei in der Stadt Rostock. Er wolle sie eine Kunst lehren, die ihnen und ihren Kindern zugute kommen solle für ewige Zeiten, solange die Welt stünde. Die Schneider in den Städten, Flecken und Dörfern schrieben einander, was ihre Meinung dazu sei. Alle schrieben, sie wollten zu einer bestimmten Zeit in die Stadt kommen. Als sie dort versammelt waren, verlangte jeder zu wissen, was das wohl sein möchte, das Eulenspiegel ihnen sagen und welche Kunst er sie lehren wolle, nachdem er sie so eindringlich angeschrieben hatte.

Nach ihrer Vereinbarung kamen sie alle zur bestimmten Zeit in Rostock zusammen. Viele Leute wunderten sich, was die Schneider da tun wollten. Als Eulenspiegel hörte, daß ihm die Schneider Folge geleistet hatten, ließ er sie zusammen kommen, bis sie alle beieinander waren. Da sprachen die Schneider Eulenspiegel an: sie seien seinem Schreiben zufolge hergekommen. Darin habe er erwähnt, er wolle sie eine Kunst lehren, die ihnen und ihren Kindern zugute kommen solle, solange die Welt stünde. Sie bäten ihn, daß er sie fördere und die Kunst offenbare und verkünde; sie wollten ihm auch ein Geschenk machen. Eulenspiegel sagte: »Ja, kommt alle zusammen auf eine Wiese, daß ein jeder das von mir hören kann.«

Sie kamen denn auch alle zusammen auf einem weiten Plan. Eulenspiegel stieg in ein Haus, sah da zum Fenster hinaus und sprach: »Ehrbare Männer des Handwerks der Schneider! Ihr sollt merken und verstehn: wenn ihr habt eine Schere, eine Elle, einen Faden und einen Fingerhut, dazu eine Nadel, so habt ihr Werkzeug genug zu euerm Handwerk. Das zu erlangen, ist euch keine Kunst, sondern es fügt sich von selbst, wenn ihr euer Handwerk ausübt. Aber diese Kunst lernt von mir und gedenket meiner dabei: Wenn ihr die Nadel eingefädelt habt, so vergeßt nicht, an das andere Ende des Fadens einen Knoten zu machen, sonst macht ihr manchen Stich umsonst. So aber hat der Faden keine Gelegenheit, aus der Nadel zu entwischen.«

Ein Schneider sah den andern an, und sie sprachen zueinander: »Diese Kunst wußten wir schon vorher und auch alle die andern Sachen, die er uns gesagt hat.« Und sie fragten Eulenspiegel, ob er nicht etwas mehr zu sagen habe. Denn solcher Faselei wollten sie nicht 10 oder 12 Meilen lang nachgezogen sein und zueinander Boten geschickt haben. Diese Kunst hätten die Schneider lange gewußt, schon vor mehr als tausend Jahren. Darauf antwortete ihnen Eulenspiegel: »Was vor tausend Jahren geschehen ist, daran kann sich heute niemand mehr erinnern.« Auch sagte er: sei es ihnen nicht zu Willen und zu Dank, dann sollten sie es mit Unwillen und mit Undank aufnehmen; und jeder möge nur wieder dahingehen, woher er gekommen sei.

Da wurden die Schneider, die von weither gekommen waren, zornig auf ihn und wären ihm gern zu Leibe gerückt, aber sie konnten nicht an ihn herankommen. Also gingen die Schneider wieder auseinander. Teilweise waren sie wütend und fluchten und waren ganz unwillig, weil sie den weiten Weg umsonst gegangen waren und sich nichts als müde Beine geholt hatten. Die aber dort zu Hause waren, lachten und spotteten der anderen, daß sie sich so hatten äffen lassen. Sie sagten, es sei ihre eigene Schuld, daß sie dem Landtoren und Narren geglaubt hätten und ihm gefolgt seien. Denn sie hätten doch seit langem gewußt, was Eulenspiegel für ein Vogel sei.


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