Hermann Bote
Till Eulenspiegel
Hermann Bote

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Die 90. Historie sagt, wie Eulenspiegel in Mariental die Mönche in der Messe zählte.

Zu der Zeit, als Eulenspiegel alle Lande durchlaufen hatte und alt und verdrossen geworden war, kam ihn eine Galgenreue an. Er gedachte, in ein Kloster einzutreten, arm wie er war, seine ihm noch verbliebene Zeit geduldig zu ertragen und Gott sein ferneres Leben zu dienen für seine Sünden, damit er nicht verloren sei, wenn Gott über ihn geböte.

So kam er in dieser Absicht zu dem Abt von Mariental und bat ihn, daß er ihn als Mitbruder aufnehme, er wolle dem Kloster all das Seine hinterlassen. Der Abt war Narren wohl gesonnen und sagte: »Du bist noch gut bei Kräften, ich will dich gerne aufnehmen, wie du gebeten hast. Aber du mußt etwas tun und ein Amt übernehmen, denn du siehst, daß meine Brüder und ich alle etwas zu tun haben, und jedem ist etwas befohlen.« Eulenspiegel sprach: »Ja, Herr, gern.« »Wohlan in Gottes Namen«, sagte der Abt, »du arbeitest nicht gern, du sollst unser Pförtner sein. Da bleibst du in deinem Gemach und brauchst dich um nichts weiter zu kümmern, als Kost und Bier aus dem Keller zu holen und die Pforte auf- und zuzuschließen.« Eulenspiegel sagte: »Würdiger Herr, das vergelte Euch Gott, daß Ihr mich alten, kranken Mann so wohl bedenket! Ich will auch alles tun, was Ihr mich heißet, und alles lassen, was Ihr mir verbietet.« Der Abt sprach: »Sieh, hier ist der Schlüssel! Du sollst aber nicht jedermann einlassen, sondern nur jeden dritten oder vierten laß hereinkommen! Denn wenn du zu viele einläßt, so fressen sie das Kloster arm.« Eulenspiegel sagte: »Würdiger Herr, ich will es ihnen recht tun.«

Und von allen, die da kamen, ob sie ins Kloster gehörten oder nicht, ließ er immer nur den vierten ein und nicht mehr. Darüber wurde vor dem Abt Klage geführt. Der sagte zu Eulenspiegel: »Du bist ein auserlesener Schalk! Willst du die nicht hereinlassen, die hier hereingehören?« »Herr«, sagte Eulenspiegel, »jeden vierten habe ich hereingelassen, wie Ihr mich geheißen habt, und nicht mehr. Damit habe ich Euer Gebot vollbracht.« »Du hast gehandelt wie ein Schalk«, sprach der Abt und wäre ihn gern wieder losgeworden. Und er setzte einen anderen Beschließer ein, denn er merkte wohl, daß Eulenspiegel von seiner alten Sinnesart nicht lassen konnte.

Da gab er ihm ein anderes Amt und sagte: »Sieh, du sollst die Mönche nachts in der Messe zählen. Und wenn du einen übersiehst, so mußt du weiterwandern.« Eulenspiegel sprach: »Das ist für mich schwer zu tun, doch wenn es nicht anders sein kann, muß ich es machen, damit das Beste daraus werden mag.« Und des Nachts brach er einige Stufen aus der Treppe. Nun war der Prior ein guter, frommer, alter Mönch und allezeit der erste in der Messe. Der kam still zur Treppe, und als er glaubte, auf die Stufen zu treten, trat er durch und brach sich ein Bein. Er schrie jämmerlich, so daß die anderen Brüder hinzuliefen und sehen wollten, was mit ihm war. Da fiel einer nach dem andern die Treppe herab. Eulenspiegel sprach zu dem Abt: »Würdiger Herr, habe ich nun mein Amt richtig versehen? Ich habe die Mönche alle gezählt.« Und er gab ihm das Kerbholz, in das er sie alle geschnitten hatte, als einer nach dem andern herunterfiel. Der Abt sprach: »Du hast gezählt wie ein verworfener Schalk! Geh mir aus meinem Kloster und lauf zum Teufel, wohin du willst.«

Also kam Eulenspiegel nach Mölln, da wurde er von Krankheit befallen, so daß er kurz danach starb.


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