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Operation in Flandern.

Wir verließen die engl. 7. D. Copper auf ihrer Irrfahrt ohne Rundreisebillet auf unbekannten Stationen. Sie stieß bei Stade auf 66. R. und anscheinend schon 18. R. J., schlug den Weg nach Ypern ein, hielt diesen Ort für besetzt, – was sehr zu denken gibt, – rückte ostwärts und stieß dabei am 15. auf 209. R. bei Ladeghem östlich Keiberg. Diesen Vorfall erwähnt die von Unklarheit und Unbestimmtheit strotzende amtliche Ypernschrift des G. St. natürlich nicht; er ist aber bemerkenswert. Denn in dieser Richtung hätte Copper Vorhuten des 26., 27. R. K. begegnen sollen, doch sie waren noch weit entfernt. 23. R. K. Kleist zog sich offenbar breit auseinander zur Aufmarschdeckung zwischen Gent und Roulers. Copper wurde bedenklich und wich auf Ypern, wo er sich mit der unter Korpschef Ravlinson planlos umherirrenden 3. K. D. vereinte. Der Feind vor ihm verschwand anscheinend nordwestlich, so daß er wieder nach Roulers im Nebel herumtappte. Damit gab man sich zufrieden und wartete auf Haigh. Diesen konnte French nicht abschieben, wenn rechtzeitig deutsche Massen an der Lys auftauchten, was bei früher Beförderung ein Leichtes gewesen wäre. Immerhin fühlte French sich nicht behaglich, aus seiner 40-km-Front Bethune–Armentières teilweise hinausgedrängt und mit Armee d'Urbal unsicher vertröstet. Ein strategischer Dunst erhob sich, der bis in den Novembernebel hinüberqualmte. Keine Partei erwartete Hauptschlacht bei Ypern, herkömmliche Auffassung dortigen Oktobergroßkampfs geht gründlich fehl, während die Tradition nur oberflächlich bei dem viel größeren blutigen Ringen um Arras und Lille verweilt. Einfache Logik der Umstände lehrt, daß erst im November eine Haupthandlung im Norden beginnen konnte. An sich war vermessen von Joffre, eine so weit östlich vorgespreizte Stellung zu beziehen, während French südwestlich bei Bethune zusammengepreßt und nordwestlich die Yserschranke von Beseler mit Beschlag belegt. Obendrein war's offensiv gemeint, da man allen Ernstes ins Leere hinter die deutsche Front zu stoßen glaubte und die Deutschen nur aus Norden, nicht aus Osten vermutete. Unvorsichtigkeit und Torheit standen also zur Ypernschlacht Pate; die Verbündeten konnten sich selber sagen, daß wir unsere Etappenlinien nicht zerschneiden lassen würden. Noch am 18. ahnte French nichts von A. Albrecht, obschon am 17. Kleists Vorhut (210. R., 45. R. Kav. nebst schwerer Artillerie) die Belgier aus Kortemark nordwestlich Stade vertrieb. Doch hätte er Verdacht geschöpft, was dann? Am 14. stand Albrechts Hauptmasse erst bei Oudenarde, Beseler bei Brügge–Thuilt, dessen Seitentrupps angeblich die Rechte der 4. A. verschleierten. Er hielt die Yserufer für unbesetzt. Ja, das wären sie außerhalb Dixmuiden gewesen, wenn er nicht unglaubliche Zeit vertrödelte. Als er endlich die Yser bei Schore erreichte, belehrte ihn die belgische Nachhut eines Bessern. Sie wehrte sich noch östlich des Flusses, um Zeit zum Ausbau der Brückenköpfe zu verschaffen. Wenn aber König Albert den Abzug längs der Küste bis Nieuport in guter Ordnung vollzog, so verdankte er dieses Entkommen einer unbegreiflich schlappen Verfolgung. d'Urbal gab 42. D. und Turkobrigaden an Albert ab, marschierte nördlich Ypern zwischen Bixchote und Houtholst-Wald auf mit dem Kav. K. und Bridons Territorialen; 9., 32. K. erst später im Anmarsch. Ballte sich am 17. die ganze 4. A. gegen diese Franzosen und nach Haighs Ankunft die drei englischen Div., so konnte die Sache für Copper nur schlimm ablaufen, der isoliert weit östlich stand, während Haigh nach Nordwest aufmarschierte und daher vom deutschen Anmarsch über Roulers umwickelt worden wäre. Albrecht kam aber so verspätet, daß der rechte Augenblick verpaßt und Foch schon mit 9. K., 31. D. angelangt war. Jetzt vollzog sich ein Platzwechsel, indem Haigh zu Copper herumschwenkte und 9. K. bei Langemark einrückte. Man muß Ententeberichte zu Rate ziehen, wo die Logik für sie spricht. Sonst aber blieben stets das sicherste Fundament die Verlustlisten mit ihren genauen Daten von Zeit und Ort, die sich überraschend bewahrheiten. Nur wer sie zugrunde legt, hat nicht auf Sand gebaut. Sobald wir den gespannten Rahmen der Statistik mit dem Leben genauer Ausmahlung füllen, waltet stets Übereinstimmung unserer Methode mit den Tatsachen. Unsere Ergründung sagt: das Pfälzer K. konnte nicht vor 1. Nov. zur Stelle sein, außer mit Vorhut, 15. K. konnte trotz dreitägigem Gewaltmarsch nicht rechtzeitig aus Craonne eintreffen, wo noch am 27. Teile davon fochten. Wohl aber bürgt frühe Entfaltung 23. R. K. dafür, daß 26., 27. R. K. viel früher als geschah auf gleiche Höhe kommen konnten. Im Krieg, der »Bewegung im schwierigsten Element« (Moltke) liegen freilich die Dinge an Ort und Stelle nicht so klar, wie am Studiertisch, hier aber mußte 4. A. mit äußerster Schnelle vorbewegt werden, wenn sie im Wettlauf nach dem Ypernkanal dem Feind den Vorrang ablaufen wollte. Allem Anschein nach hing aber das Zögern mit Schema F zusammen, der akademischen Pedanterie des Kommißmilitarismus: wahrscheinlich fehlten noch diverse Knöpfe und die Freiwilligen hatten noch nicht genug »Griffe gekloppt«. Doch hier galt es keine Drillstudien, sondern möglichst früh eine Masse Gewehre nach Belgien zu setzen, hätte man auch nur ein vollzähliges R. K. am 10. auf Alberts Rückzugslinie Brügge–Gent gestellt, so wäre er nicht zur Yser entkommen. Das schnöde Marnespiel wiederholte sich: seit 20. trafen vom 26., 27. R. K. nur Vorderbrigaden ein, und wären sie früher einheitlich angesetzt, so wäre die furchtbare Stellung östlich Ypern schon vor Ankunft Fochs in ihren Händen gewesen. Deren Stärke lag in großen und kleinen Wasserläufen, in Becken, Buschparzellen, ein unübersichtliches Gelände durchziehend. Große Geschützmassen, besonders am Kemmelberg zusammengebracht, darunter Schiffskanonen schwersten Kalibers, beherrschten auf 17 km den Anmarsch. Nirgendwo waren Artillerie und Pioniere nötiger als hier, doch dem jungen R. K. waren nur zwei statt vier Art. Rgt. beigegeben, an Pionieren nur je zwei Kompanien pro Korps. Indessen begleiteten den Vormarsch der 53. R. D. besondere Haubitzenbatterien; den der 45. R. D. die 23. hessische Fußart., während 26. R. K. erst im November ein Thür. Art. Rgt. erhielt. Vernachlässigung der Geschützausstattung also nicht ganz so groß wie man meint, der Antwerpener Belagerungspark kam wenigstens Beseler zu gute, der ihm wertvolles Material entnahm. Mangel an Pionieren machte sich aber so fühlbar, daß im November vier bayrische L. W. P. Kompagnien und Teile 19. Straßburger P. beim 26., 27. R. K. eingefügt wurden; zwei sächsische bei Deimling, bei den Pfälzern sogar Gardepioniere. Vor Ypern und an der Yser bluteten bis Ende November 2000 P., während Artillerieverlust sich in gelinderen Grenzen hielt: 1600. Beseler wenigstens war ausreichend mit drei starken Pionierbataillonen versehen. Man hätte von Rechts wegen erwarten sollen, daß die so schwach mit Hilfswaffen ausgestatteten Freiwilligen der vier Reservekorps schlecht abschneiden würden. Im Krieg kommt aber alles anders, weil der moralische Faktor unberechenbar.

Vermutlich hält man amtlich außer andern Gründen auch deshalb an der Fiktion fest, daß im Oktober zwei ganze aktive Korps ausschlaggebend mitwirkten, damit der Ruhm dieser Volksmiliz nicht zu hell leuchte und den Kasernenmilitaristen peinliche Gefühle erwecke. Man kann die dumme Raffiniertheit solcher Kreise nicht hochgenug veranschlagen, ähnlich dem »Zentralrindvieh« (Fürst Münster) der Wilhelmstraße, die ungeheuren Wahnsinn mit überlegener Weißheitsmiene für Diplomatie hielt. Dies System blieb sich immer gleich von oben bis unten, es war Methode im Wahnsinn versteckter Anmaßung; man fälschte die Tatsachen um, wie es der heilige Knackstiefel der Hierarchie verlangte. Über die Marneschlacht kein Wort; über Ypern zu viel. Von da ab wurde Grundgesetz, jeden feindlichen Angriff regelmäßig in den ersten zehn Tagen für erledigt zu erklären, während das blutigste Ringen erst später anhob. Denn erstens täuschte man so des Feindes Ohnmacht vor, zweitens die geniale Fürsorge der O. H. L., die immer rechtzeitig alles vorhersah. Nach militärischen Begriffen machte man mit der am 16. August gegründeten Res. A. einen Sprung ins Dunkle, doch hätte man dann wenigstens die ungedrillten Freiwilligen nicht vor besonders undankbare Aufgaben stellen sollen. Durch ununterbrochene Fehler brachte man es so herrlich weit, daß man jetzt 6 Div. gegen 7 feindliche vor sich hatte, davon 5 aktive kriegsgewohnte, mit Veteranen durchsetzte. Ehe das Durcheinander der Übergangskolonnen an der Lys sich entwirrte, mußte das Freiwilligenheer allein sich opfern.

Hätte Beseler genügende Streitkräfte gehabt, so hätte die zwischen Holland, Meer, Schelde eingeklammerte demoralisierte Belgiermasse nicht den Küstenweg behalten, sondern nur Durchschlupf an der Westerschelde. Hätte dort ein R. K. sie aufgefangen und nach der Schelde zurückgeworfen, so blieb ihr nur Kapitulation. Wir sind zur Kritik berechtigt, daß die O. H. L. jede sinnreiche Vorkehrung unterließ, um Beselers am 1. Okt. angemeldeten Angriff zu großem operativen Ende zu führen. Kam die im Elsaß stehende 1. bayr. L. W. Brig. schon am 5. in Belgien an, so konnte dies ebenso jede beliebige größere Masse, zumal Truppenabfluß über Brüssel sich glatter bewerkstelligen ließ, als durch Fußmarsch südlich der Lys, wo man auf lokale Hemmnisse stieß. Vor Messines mußten, unter Mitmachen der neuen Grabenmode als Triumph der Technik und Ende der Kriegskunst, Richthofens Geschwader in Schützengräben, wo sogar die schweren Gardekürassiere Spaten und Karabiner zur Hand nahmen, lange ausharren. Denn die Württemberger, obschon doch viel näher als die Pfälzer, gingen erst am 30. über die Lys und waren erst am 31. so weit, um anzugreifen. So war nichts ordentlich vorgesehen weder im Süden noch im Norden von Flandern. – Nach dieser Untermalung entwerfen wir nun das Schlachtgemälde.

Die Schlacht an der Yser.

Beseler, früherer Generalinspektor des Ingenieur- und Pionierkorps und des Festungwesens, zeigte sich vor Antwerpen als erprobter Fachmann seiner Waffe, doch auch seit langem als sachgemäßer Handhaber der Infanterie. Die Verfolgung zur Yser ließ aber viel zu wünschen übrig. Zunächst folgte nur die Thüringer- und Magdeburger Ersatzbrigade längs der Küste, bis Werder endlich vor Lombardzyde östlich Nieuport auch die Hanseatische Ers. Brig. ins Feuer brachte. Die Gefechte bei West- und Ostende waren unblutig genug (113). Die amtliche Schrift vor- und nachdatiert, wie es offiziösen Absichten entspricht, verlegt daher Ankunft in Westende auf 18., während die Brandenburger schon am 18. bei Schore die Yser erreicht hätten. Konnten sie fliegen? Sonst wären sie bestimmt erst am 20. dort gewesen. Siehe da, die V. L. sagen deutlich »Westende am 17.« (Es scheint, daß Teile 5. R. D. noch oben 100 gegen die belgische Nachhut verloren, aus Listen bis 18. abgeschätzt). 48. R. warf später den Feind bei Mannekensvere. Am 17. 18. erschienen Batterien der 18. Ers. Art. und 2. R. Drag, bei Snyppe vor der Yser. Die 5. R. D. kam bis auf 1 km vor dem Flusse allmählich an, 3. R. J., 48. R. warfen am 19. die Nachhut aus St. Pierrekapelle. I/48. wandte sich neben Ers. Batl. Hamburg, Lübeck, Flensburg gegen Nieuport. Man unterscheide diese Nebengefechte, aus deren Rahmen sich die Yserschlacht abhebt. Sie begann am 16. nach Ententemeldung? Keine Spur. Schore-Brückenkopf schon am 18. abends in Beselers Besitz? O nein, Beseler fand noch am 20. bei Schorbake langen Widerstand der 1. belg. Div., die erst spät in den arg zerfetzten Brückenkopf von Nieuport zurückging. Am 19., von wo man die Schlacht rechnen mag, verjagte die 6. R. D. weiter südlich mit 35. R. und den vier Aktivbataillonen 2. Belg. D. aus Keyem und nahm den Übergangspunkt Lake. Noch schien der reißende Kanalfluß unüberschreitbar; der Feind lag in vier Grabenlinien hintereinander in den Deichen eingegraben, seine starke Artillerie sah sich links vom Flankenfeuer der englischen Flotte wenigstens moralisch unterstützt. Denn daß die Strandbestreichung durch ziellos drauflospulvernde Schlachtschiffe und Kreuzer dem deutschen Vorbeizug nennenswerten Verlust bereitete, widerlegen die V. L. der Ers. D. Die Engländer müssen sehr schlecht geschossen haben. Herbeigeschaffte »lange« Kanonen mit Flachbahnschuß bändigten bald die Meerungetümer. Hessische Küstenmörser machten dem Spektakelkonzert ein Ende, die Flotte verzog sich ins tiefere Gewässer. Man verscheuchte sogar die an der Ysermündung verankerten Kanonenbote. Immerhin schob man die Ersatzdivision südlicher an 5. D. R. hinan, um mit ihrer Brandenburger Brig. die Sturmlinie zu verstärken, sobald man drüben war. Das dauerte aber hier noch lange, man konnte den Widerstand nicht brechen, obschon unkundige Historiker die 5. R. D. zuerst übergehen lassen. Die V. L. belehren genügend, daß erst die 6. R. D. Erfolg hatte, dies schildert die G. St. Schr. richtig. Am 20. ging gegen sie General Michel mit 4. und Teilen 5. belg. D., vom rechten belgischen Flügel hierher verschoben, energisch vor, um sie von Keyem zu vertreiben. Dies mißlang völlig, zumal schwere Belagerungsartillerie, von Antwerpen nachgeführt (9. rheinische) donnerte und vorausgetrabte Batterien der 44. R. A. Jüterbogk vom 22. R. K. Falkenhayn (Bruder des Generalstabschefs) ein saftiges Flankenfeuer sendeten. Daß eine Brigade Ronachs dabei gewesen, ist gedankenloses Nachschreiben; die Marinefüsiliere wichen am 19. von Baerst nach östlich Dixmuiden und warfen sich dann in den Ort. Den nächtlichen Morgengruß Michels, mit dem er noch im letzten Nachtdunkel die achtsamen Brandenburger bedrohte, lehnten sie unsanft ab in Schnellfeuer und wütendem Handgemenge. 24. R. lag schon bei Lake unmittelbar am Ufer. Dagegen konnten 5. R. D., 9., 13. Ers. Brig. noch nicht daran denken, über Schorbake nach Ramskapelle am Westufer vorzustoßen, wie man vielfach annimmt, Verwechslung mit St. Pierrekapelle am Ostufer. Selbst 6. R. D. warf erst am 22. früh den Feind endgültig über den Deich und unternahm jetzt den Flußübergang. Die Verluste waren nicht unerheblich, bei den Belgiern groß, wegen der vielfachen Gegenstöße. Sie fochten viel tapferer als bisher und müssen wir hier eine unliebsame Betrachtung einschieben. Nur durch Beselers Säumen erreichten sie die Yser als kampffähige Truppe, Ers. D. Werder und Marined. Schröder, die südwärts Schelde und Dünen bewachten, hätten den Abzug nach Ostende rechtzeitig bemerken und derart zwacken können, daß die Belgier in Auflösung über die Yser flohen, ohne die Gunst der Stellung wohlgemut ausnutzen zu können. Erst am 22. erschien hier franz. 42. D. Grosseti. Hätte Beseler sofort einen Parallelmarsch nach der Mitte des Yserbogens angetreten, so hätte er mit gewonnenem Vorsprung den Fluß überschritten, ehe 1., 2., 6. Belg. D. von Nieuport her das Westufer bis Keyem ausgiebig besetzten. 4., 5. D. östlich Dixmuiden befanden sich vorläufig ohne Anschluß; 3. D. und Kav. K. de Wet sollten dahinter im Rückhalt bleiben. Sie mußten jetzt aber eilig herangezogen werden, weil 4., 5. D. von der Seite Bridons am Ypernkanal entwichen, um sich den andern Belgiern anzureihen. Die G. St. Schr. irrt also, wenn sie 4. D. gleich anfangs nach Keyem versetzt; dort stand am 19. vorerst nur 2. D. Jedenfalls war es nur eine Frage weniger Tage, daß man Alberts Abzug verhindern oder gleichzeitig mit ihm in die Stromschranke überschreiten konnte. Er zog freilich schon am 7. mit der Hälfte von Antwerpen ab, doch da es am 9. endgültig kapitulierte, so behielt Beseler Zeit genug, bei rastloser Verfolgung über Gent am 17. vor Keyem einzutreffen, statt sich langsam längs der Küste zu nähern. Allerdings bedrückte ihn immer noch das Ausbleiben der 4. A., doch K. Kleist deckte ihm genügend die Flanke. Den bisher seit Mons nicht mehr bewährten Kriegsruhm der Brandenburger riß er nun freilich glänzend heraus. Doch Großtaten der Truppen entschädigen nicht für Missetaten der Strategen, die sich nie wieder gutmachen lassen. Kriegskunst ist, abstrakt betrachtet, die Lehre von Raum und Zeit. »Raum läßt sich wiedergewinnen, verlorene Zeit – nie.« (Napoleon).

Ob auch Albert entkam, d'Urbals und Haighs Einrücken nicht bemerkt und frühzeitiges Sammeln großer Kriegskräfte an der Lys statt bei Arras verabsäumt wurde, – etwas mehr pflichtgemäße Beschleunigung, etwas mehr berechnender Überblick und gemeinsam rascher Angriff am 18. fand immer noch den Feind in ungünstiger Lage.

Die Problemstellung, ob der Yserstoß dringend nötig war, fällt dahin. Denn er hätte nur gedacht sein sollen bei gleichzeitigem Angriff über die Lys. Isoliertes Vorbrechen Beselers ohne diese Beihilfe taugte wenig; bloßes Stehenbleiben in Brückenköpfen übte schon einen Druck auf die Bahnausladungen bei Poperinghe, was den Feind in Besorgnis versetzte. Wie aber erst, wenn statt der eingeschlagenen falsch kalkulierten Angriffsrichtung längs der Küste, wo bei solcher Nähe der englischen Flotte ein Durchbruch auf Nieuport–Dünkirchen ausgeschlossen, der wahre Durchbruchspunkt, sonst den Feind nur neckend und beschäftigend, bei Woummen gewählt wurde. Dazu konnte man das ganze 22. R. K. und Teile des 23., 26. über Merkem verwenden. Denn nicht Überschreiten der Yser, sondern des Ypernkanals auf dessen Westufer war das Wichtigste; eine wahre strategische Umgehung des ostwärts orientierten Gegners. Dorthin schob sich aber nur 202. R. vor. Grossetis später Abmarsch auf Merkem zeigt, wie schwere Gefahr aus jener Richtung drohte. Doch alles geschah ohne planvolle Überlegung, mit Verspätung oder Überstürzung.

Die G. St. Schr. fabelt von erheblichen Aufklärungsgefechten der 6. R. D., um das völlige Versagen ihrer Märsche bis 18. zu verhüllen. Die V. L. beweisen, daß höchstens 90 Mann vom 13. bis 18. dort bluteten; offenbar wird das Keyemgefecht am 19. damit vermengt. Den nötigen Aufschub gewährte den Belgiern allein der unerträgliche Stillstand in Beselers Verfolgung. Auch er konnte wie die Quatrechtgruppe am 10. mit dem Feind handgemein werden, die Ers. D. erreichte aber erst am 15. Ostende auf ganz geringe Entfernung; verhältnismäßig wurde die weit größere Strecke Middelkerke–Ostende rascher zurückgelegt unter Gefecht, doch immer nur der Vorderbrigade. Der Vormarsch 3. R. K. hatte freilich den Kanal Ostende–Brügge und den von diesen auslaufenden Kanal Brügge–Nieuport zu überschreiten, doch so geringe Geländeschwierigkeiten, die ja ebenso den belgischen Rückzug behinderten, entschuldigen nicht so unglaubliche Marschverzögerung. In gerader Luftlinie beträgt der Raum Antwerpen–Yser drei Tagemärsche. Beseler brauchte neun. Die G. St. Schr. braucht sonderbare Wendungen. Copper sei vor Beselers »Verfolgungskolonnen« zurückgegangen? Vor welchen und wohin? Copper, der sich verlassen und vereinsamt fühlte, bog schon vor schwachen deutschen Posten aus. Vom 66. R. hat die G. St. Schr. nie gehört; es steht aber fest, daß 26., 66. R. und anscheinend laut V. L. Kleists 18. R. J. gr. am 9. bei Stade ein Gefecht hatten, das nur Copper betreffen kann, der mit Beseler nie in Berührung kam. Dieser habe den Aufmarsch der 4. A. verschleiert? Wie konnte er im Norden verschleiern, was aus Osten kam? Wäre er je bis »westlich Thielt« gelangt, wären 22., 23. R. K. förmlich in seine angebliche Armeestraße Thurould–Roulers hineinspaziert. Bei diesem sinnlosen Manöver hätte er das ganze belgische Heer in der Flanke gehabt, das damals noch zu Energie aufgelegt schien, zunächst vier Divisionen, die man bei Dixmuiden an den Fluß zurückführte. Er sollte dann haltmachen, um nicht frühzeitig die Aufmerksamkeit des Feindes auf diese Gegend zu lenken? Und um dies zu vermeiden, eine durchaus exzentrische Richtung, die garnicht an die Yser, sondern nach Ypern führte? Warum denn Haltmachen, wo rasches Vorrücken zum damals noch unbesetzten Ypernkanal höchst vorteilhaft gewesen wäre? Dann brauchten 22., 23. R. K. nicht weit nördlich auszugreifen und konnten Langemark vor Haighs Ankunft besetzen. Solch wirre Unklarheit legt den Verdacht nahe, daß solche Fabulierung ebenso künstlicher wie unverständlicher Manöver nicht den Aufmarsch Albrechts – diese Sorgen nahm Kleist dem Beseler ab –, sondern die Umwölkung der sonstigen Glanzleistung Beselers »verschleiern« soll. Von Antwerpen bis Schore sind rund 100 km. Beseler marschierte durchschnittlich 11 km pro Tag auf lauter Ebene und guten Straßen, das nennt G. St. Schr. »unaufhaltsam«! Bei solchem Schneckengang ließen sich die Belgier natürlich nicht mehr diesseits der Yser ereilen. Am 14. war man in Gegend Brügge? Das stimmt leider, da man am 11., 12. dort stehen konnte, damit fällt aber der Zusatz »und westlich Thielt« ganz dahin. Daß Beseler seine drei Divisionen derart auf endlose Strecke bis zur Küste auseinanderzog, wo doch der Feind noch stark diesseits der Yser stand, darf man kaum einem Neuling zumuten. Bei dieser Absurdität hätte er wohl erneut südwestlich marschieren müssen, um die Yser zu erreichen mit unglücklicher Marsch- und Zeitvergeudung. Will man ihn damit also gegen Kritik seiner sträflichen Langsamkeit schirmen, so belastet man ihn wieder in anderer Hinsicht, als hätte er sich förmlich verabredet, seine braven Truppen in die Irre zu führen und ihnen jedes rechtzeitige Überschreiten der Yser zu verunmöglichen. 23. R. K. hatte natürlich einen weiten Bogenmarsch zu vollbringen, wenn es erst am 19. gegen Houtholst-Merkem vorrückte, doch 22. R. K., das sich rechts von ihm setzte, hätte viel früher über Thurutt die Dixmuidengegend erreichen können. Was bedeutet der neue Zeitverlust, daß die 4. A., am 14. bei Oudenarde versammelt, erst am 19. den Vormarsch antrat?

Die Belgier wehklagten über die Freiwilligenkorps: »Welche Beute (!) versprach man ihrer tierischen Wut!«, die ihre Heldentaten durch Flandern trug. Der nie neutrale König hatte ja längst Partei ergriffen und blieb zum Äußersten entschlossen. Da die Verbündeten einen näheren Gang nach Ypern–Yser hatten, mit ungeheurer Bahnbelastung von 230 Zügen pro Tag und Verwendung erstaunlich vieler Kraftwagen, so brachte d'Urbal sogar sechzig schwere Geschütze mit, French noch viel mehr. Ein Teil davon spickte die Yserufer; doch Beselers Belagerungspark kam auch heran, sodaß ein artilleristisches Übergewicht der Verbündeten hier nicht wie vor Ypern sich entlud. Auch genügten 41 Batl. Beseler, 26 Falkenhayn »65 000« (? wohl zu hoch gegriffen), Belgier 20 000 (vielleicht mehr) Franzosen zu überwältigen.

Daß die G. St. Schr. andauernd besondere Ehren aufs 22. R. K. häuft, ist wohl ein Kompliment für des hochvermögenden Falkenhayns Bruder. Wir sind die Letzten gerade diesem Berliner Freiwilligenk. seine unsterblichen Verdienste zu schmälern, die sich in Galizien, Rußland, Serbien so vermehrten, daß wir es neben der Garde für die Mustertruppe des Reichs im Weltkrieg halten. Doch wir möchten der Legende steuern, daß gerade hier das Ringen um Dixmuiden als das Hauptmonument deutschen Heldenmuts in der Oktober-Novemberschlacht in bengalische Beleuchtung gesetzt wird. Denn das bleibt eine schwere Ungerechtigkeit gegen andere bei Ypern fechtende Nichtpreußen, deren ruhmvolle Aufopferung wir noch höher werten. Es sind gewisse romantische Umstände der Yserschlacht, die ihr ein solches Relief der Tradition geben. –

Ronachs Marinefüsiliere wollen am 15. Baerst, 2 km vor Dixmuiden, zurückerobert haben, als die Deutschen noch garnicht drinnen waren. Am 20. abends verjagte sie dort 205. R. mit ganz geringem Verlust. 43. R. D. folgte östlicher am 21. über Bovekerke mit 201., 204. R., während links davon der rechte Flügel 23. R. K. sich gegen Brückenkopf Die Grachten vorschob, wo Yser und Ypernkanal sich mischen. Ursprünglich stand dort 5. belg. D. und sollte gegen Baerst ausfallen, während 3. D. sich nach der Mitte zog und Dixmuiden besetzte. Die Deutschen handelten aber zu schnell: 202. R. eroberte Woummen weit südlich Dixmuiden und faßte so die 4. D. in der Flanke, die sich eiligst weit westlich zur Uferfront bei Keyem warf. Teile 5. D. folgten. Die Linke des Territorialk. Bridon bezog jetzt den Kanalposten, den die Belgier verließen. Noch lag die schäumende Yser zwischen beiden Parteien, doch als die Deutschen das düstere Gewässer zum ersten Mal erblickten, hatten sie sozusagen noch keinen Blutgeschmack im Munde. Bei Keyem litten nur die vier Aktivbataillone, 33. R. verlor nur 119 inkl. Masch. G. Komp. Schore hatte 12. R. auch billig genug erstürmt (209), 205. bei Baerst (105). 202. R. bei Woummen (240) bekam einen Vorgeschmack des Kommenden. 201., 204. bei Bovekorke und Wadslo litten mäßig, ebenso die Gruppe vor Nieuport. Daß der General Werder sich rückwärts bis Ostende staffelte, ist völlig unglaubhaft, da doch sicher die Marinediv. Sicherungsposten aufstellte, aus Besorgnis vor englischen Landungen, die nie geschahen. Unrichtig ist auch, daß nur 33. Ers. Brig. bei Lombardzyde blieb: vielmehr 9., 13., 33., 36., 81. Ers., I/48. R., die G. St. Schr. irrt, daß Beseler mit fast allen Ersatzbataillonen jenseits der Yser vordrang; sie läßt auch im Dunkel, wann eigentlich 42. D. Grossetti eingriff, jedenfalls nicht dort bei Nieuport, da sie später ganz am rechten Flügel stand. Nur ihre Chasseurs und 51. Inf. schloffen sich König Albert an, als er am 24. sein 9. Rgt. und 1. Ch. wiederholt gegen das vom Hamburger Ers. Batl. erstürmte Lombardzyde vorriß. Man wies ihn regelmäßig kaltblütig ab.

Während 5. R. D. sich noch lange bei Schorbake abquälte, ohne den Übergang erzwingen zu können, nahm 6. D. die Vorhand. Am 22. überschritten fünf Kompagnien von I/II/26. R. den Fluß unter Benutzung eines gesprengten Brückenstegs, wobei die hessischen 25. P. ihr rühmliches Tagewerk begannen. In der Stromschleife südlich Keyem eingenistet, schlugen fernere sechs Kompagnien von 24. R. nebst ihrer Masch. G. K. drei belgische Nachtstürme am Westufer ab. Da die eigenen Batterien am Ostufer das umfassende feindliche Feuer niederhielten, kam auch dies Wagnis nicht teuer zu stehen. 26. R. verlor bis 1. Nov. nur 160! Als zehn weitere Kompagnien hinüberkamen und in der Nacht zum 23. auch Teile von 206. R., der 44. R. D., mußten die Belgier sogar ihren Flankierungshort Tervante fahren lassen. Ergoß sich erst die ganze deutsche Sturmwelle über Deich- und Bahndämme, so konnte nichts sie aufhalten. Denn schon berichtete General Michel aus Hauptquartier Pervyse, daß auf seine 4. D. nicht mehr zu zählen sei. Die 1. D. zerbrach in langem Kampf bei Schorbake, die bei Tervante zersprengte 2. sammelte man wieder bei Nieuport neben der 6. Die Deutschen lagen dort in bösem, aber unwirksamem Kreuzfeuer und selbst die englischen Torpedoboote entfernten sich immer weiter, nachdem es mehrere Proben deutsche Treffsicherheit absetzte. Noch wollte der 5. R. D. kein Übergang glücken, doch am 23. abends dehnten sich 5 Bataillone und am 24. die ganze 6. R. D. im Yserbogen aus. Am kräftigsten fochten hier die vier Aktivbataillone, deren durch die Listen bezeugte Anwesenheit die G. St. Schr. so wenig zu kennen scheint, wie natürlich Stegemann, sie und 24. R. gingen jetzt allen andern voraus. –

Falkenhayns Freiwillige hofften mit der Zuversicht jugendlichen Leichtsinns den Durchbruch auf Calais. Der Mensch denkt, Gott lenkt; doch die Begeisterung trieb sie vorwärts. 207. R. überschritt am 21. den Nordwestteil des Handzaemekanals, und nötigte so die Dixmuidenverteidiger aus der Flanke in den Ort zurückzufallen. Es folgte dann 206. R. von westlich Kastelhoek nach Styvekenskerke ans Ostufer und dann ans Westufer gekommen. 43. R. D. begleitet zu lange nordöstlich die 45. R. D., zwang aber so die 3. belg. D. die Linie Merkem–Woummen freizugeben, und wirkte auf die Moral des Territorialk., das sich westlich des Ypernkanals umgangen glaubte.

43. R. D. beließ 202., 203. R. südlich Dixmuiden, lehnte die Rechte an die Yser. Erst sehr spät dachte man daran, Dixmuiden von rückwärts beizukommen. Der Artillerieleutnant Müller begründet den Mißerfolg mit allem Möglichen, nur nicht mit dem einzig Richtigen, daß nur für Angriffswege aus Süden Erfolg winkte. Er reißt die Artillerieleitung herunter, obschon diese doch für schwerstes Geschütz folgte. Seine 43. R. Art., von deren Standpunkt wie auf einer Protze thronend er urteilt, strengte sich freilich wenig an, siehe V. L., während 44. R. Art. sich opferte und oft im Straßenkampf auf 100 m an den Feind heranfuhr. Der kritische Müller weiß nicht den Weizen von der Spreu zu sondern und verübte in Polemik gegen uns, daß nur seine geliebte 43. D. um Dixmuiden rang, allerlei Fechterstreiche im Verwirren von Zeitdaten. Wir billigen ihm aber gern zu, daß wenigstens das Spandauer Rgt., das er garnicht hervorhebt, das Menschenmögliche tat und schon beinahe die Yserbrücken erreichte. Die wilde Tapferkeit der Freiwilligen, oft Studenten und Primaner, mußte aber immer wieder den Sturm einstellen, so oft die Heranschleichenden mit plötzlichem Hurrah aus dem Heidesumpf aufsprangen.

Inzwischen bog 6. R. D. ihre Linke etwas rückwärts, um sich mit 44. zu verknüpfen. 5. D. kam mit 3. R. J., 12. R. später am weitesten vor bis Ramskapelle, deren Vollbesitz später zeitweilig verloren ging. 10., 11., 12. Brandenb. Ers. nahmen den Bahndamm südlich davon mit dem Bajonett. Ohne das auffällige Steigen des Grundwassers im Lehmboden einer Beachtung zu würdigen, strebte man immer vorwärts. Mörderisch feuerte 18. Ers. Art. nach Furnes, wohin die durchbrochene belgische Linie zurückfiel. Sobald Beseler in der Flußschleife jenseits Fuß faßt, spitzte sich die Entwicklung sofort zur Krisis zu. Denn wer könnte stürmende Märker aufhalten! Gewiß nicht die Belgier, obschon sie sich mehrfach recht wacker schlugen, um sich nicht vor den Franzosen zu blamieren, deren berühmte 42. D. aber auch nicht den furchtbaren Brandenburgern im freien Feld standhielt. Doch Beselers Train-Nachschub kam nicht mehr durch, plötzlich erkannte man die unheimliche Ursache der Wassernot. Man hätte die Wagenburg durch Boote ersetzen und die Unterbrechung dann nicht so nachteilig werden können, wenn man schon früher südlich und westlich des Bahndamms auf trockenem Boden stand. So rächte sich bitter die Verspätung der Flußüberschreitung. Nicht mal Dixmuiden war sturmreif geschossen, noch sonst zum Falle reif.

G. St. Schr. und Müller-Brandenburg, auf dessen Notizen sie sich wahrscheinlich hier stützt, unterschlagen undankbar die bedeutende Mitwirkung der 44. R. D. bei Berennung Dixmuidens. Nicht nur beteiligten sich 16. R. J., 208. R. unmittelbar am Dorfsturm, wo ihre Linke sich zwischen Handzaeme- und Yserkanal spannte, sondern ihr rechter Flügel jenseits der Yser drückte so gefährlich auf dies Bollwerk, daß die Besatzung sich seiner durch verzweifelte Stöße zu entledigen suchte, wobei nach belgischem Geständnis Bataillone auf Kompagnien schmolzen. Bei 43. D. verlief bisher der Kampf gemächlicher. 5. belg. D. wich in Panik bei Bevekerke und Woummen. Von 22. bis 24. suchten Ronach und 3. belg. D. die Umgegend wieder reinzufegen, sahen sich aber am 25. endgültig ins Städtchen hineingedrängt. Dort schwor die »eiserne Brigade« Meiser – auch so was erfanden sich die Belgier – bis zum letzten Mann auszuharren. Ihr Todesmut macht den Verteidigern um so mehr Ehre, als der inzwischen stetig fortschreitende Ansturm Beselers jenseits der Yser sie in der Luftlinie abschnitt. 20 km von Ypern dröhnte hier eine mächtige Kanonade, in die auch die »dicke Bertha« hineinbrummte, die weit über das Ysergelände den Boden erschütterte bis Poperinghe, Bahnbasis der Verbündeten Armee für Vormarsch und Rückzug. Sie legte Dixmuiden in Trümmer, doch nicht den hartnäckigen Widerstand. Artilleriegeneral Zieten brachte die Ers. Art. über den Fluß und bombardierte die Bahnlinie Nieuport–Bixchoote zwischen Ramskapelle und Verwyse. 5. R. D. erzwang endlich ganz das Westufer, 8. R. an der Spitze der 9. Brig. bei St. George litt minimal (nur früher bei Mannekensvere etwas mehr). Man kann schätzen, daß Beseler bis 24. nur 1500, Falkenhayn wenig über 500 verlor. Diese Vorgefechte fanden am 25. ihren Beschluß, was G. St. Schr. offenbar um einen Tag vordatiert. Denn Dixmuidens Besatzung wird wohl nicht den stürmischen Ausfall gegen 206., 207. nordwärts gewagt haben, wenn gleichzeitig schon der Sturm im Osten begann. Indessen möchten wir nicht darüber streiten, ob 15. R. Jäger am 25. oder 26. mittags in Dixmuiden eindrangen. Jedenfalls begann jetzt der berühmt gewordene Angriff. Seit 43. D. am 21. den Handzaemekanal bei Cessen überbrückte, trotzdem 80 Geschütze das Anmarschfeld bestrichen, stieß sie erst jetzt auf vorerst Unüberschreitbares.

Dieser Kanal fließt mit dem großen Yserkanal bei Dixmuiden zusammen und spaltet die Verteidigungsstellung in zwei für den Angreifer unbequeme Abschnitte. Nachdem die Brandenburger Kriegsfreiwilligen vom Wladsloe her, wo ihre Reiterei auskundete, Woummen südlich Dixmuiden erreichten, seit 20. von Baerst her die Marinefüsiliere vor sich hertreibend, umklammerten sie diesen Brückenkopf schon aus Südosten ein Uferschloß erstürmend. 206., 207. schwenkten südwestlich ein schon ans Westufer. Gegen ihre Südflanke wogte ein großer Ausfall von drei belgischen Regimentern und einer Marinebrigade am 25. heran, zerschellte zwar unter schwersten Verlusten, hielt aber die Angriffsbewegung auf. Trotzdem gründliche Artillerievorbereitung sogar 42 cm verwendete, konnte man auch am 26. noch nicht Sturmreife für das heldenmütige Fußvolk erzielen, das morgens nach schrecklichem Blutbad wieder den Saum von Dixmuiden verließ. Neue Beschießung richtete furchtbare Verheerung unter dem Feinde an, den eine Brigade Senegalneger verstärkte. Neuer Sturm am 28. kam aber nur am Südrande vorwärts, so daß der kommandierende General Falkenhayn jeden Frontalstoß aufgab. Acht Bataillone der 43. Div. überschritten nun auch den Yserbogen, um den Ort nur von Süden her im Rücken zu fassen. Nur 205. R. blieb im Osten als Beobachtungsposten bis 31. stehen.

Mittlerweile änderten sich die Verhältnisse beim Korps Beseler zugunsten des allgemeinen Angriffs. Am 25. war die 5. Div. nebst 10. Ers. Bataillon nach Wegnahme des Weilers St. Georges zum Einbruch in die feindliche Stellung übergegangen. Vorher hatten die sechs Ersatzbataillone vor Nieuport, ohne die aus den Dünen herkommende Marinedivision zu bemühen, am 24. die wiedergesammelte 2. belg. Div. und 151. Grosettis erneut nach Lombardzyde hineingeschleudert, doch drei belg. und eine halbe franz. Div. erwiesen sich noch zu stark, um etwas gegen sie auszurichten. Als aber Beseler seine ganze Feldartillerie, bisher am Ostufer den Feind eindeckend, durch aufopfernde Tätigkeit der Pioniere ans Westufer schaffte, gewann er den nötigen Halt, um die Bahnstrecke Ramskapelle–Perwyse zu erzwingen, obwohl Flankenfeuer aus Norden und Südosten rasches Vordringen erschwerte. In Geringschätzung des Gegners erlaubte er sich, nur schwachen Rückenschutz am Ostufer stehen zu lassen, seine ganze übrige Masse (32 Bataillone) schob sich auf Ramskapelle–Perwyse vor, 6. R. Art., 18. Ers. Art. begleiteten bis nahe an den Feind. Dagegen marschierte 37. L. W. Brigade, bisher als Rückhalt vor Nieuport aufgestellt, nach Broodseinde ins Zentrum der Ypernschlacht ab. Laut G. St. Schr. hätte jetzt auch 52. R. mitgefochten. Darüber gibt es nur eine Novemberliste, die kein Wort von sonst einem Yserort sagt, sondern nur für Dixmuiden im November. Das Rgt. blieb wohl teilweise noch als Garnison in Antwerpen oder folgte nur im Rückhalt.

Noch hielt sich Dixmuiden, doch es schien, als ob die sich vereinzelt einschleichenden Trupps von Turkos und Territorialen die sichtlich unter zermalmender Kanonade zusammenschrumpfende Besatzung nicht retten könnten! Immer mehr Sturmscharen setzten ans linke Ufer. Auf Kähnen, Flößen, Schiffsbrücken kamen immer neue Beherzte hinüber. Schon in der Nacht zum 23. gewann ja an Falkenhayns rechtem Flügel 206. R. Anschluß an die 6. R. Div. am jenseitigen Uferdamm, wo es die Belgier vertrieb. Wahrscheinlich wandten sich auch Teile vom 207. R. gegen den Dixmuidener Bahndamm, während die übrige 44. und die 43. Div. frontal am Ostufer den Ort bestürmten. Letztere stellte 203. R. ins Vordertreffen. Unsere Gardefreiwilligen (die Division hatte Aushebung fürs Gardekorps) stürmten singend durch Nebel, Regen, Grundwasser, Sumpfmoore.

Welche Truppen außer Marinefüsilieren im Ort lagen, ist ungewiß, gewiß nicht bloß die 3. belg. Div., anscheinend jetzt Brigaden der schon sehr in ihrer Haltung erschütterten 5. Div., außerdem hineingeworfene Schwarze und Territoriale. Die Stellung war so ungeheuer stark, daß sie dem heftigsten Bombardement widerstand, auch war die belgisch-französische Artillerie am andern Ufer sehr zahlreich. Sie schoß überquer nach Osten und Norden. Über den Zuwachs französischer Hilfe herrscht Unklarheit, indessen scheint richtig, daß außer der 42. Div. Grosetti, den Marinefüsilieren und zwei schwarzen Brigaden noch Territoriale die Linie Nieuport–Dixmuiden besetzten, doch mag letzteres erst im November voll geschehen sein, als die Belgier schon ihren Kampfodem so gut wie verhauchten. Sie litten ungemein, ihr Effektiv sank schon Anfang November auf 40 000 (siehe ihre mehr als doppelte Stärke bei Antwerpen), nachher auf 25 000. Die belgische Artillerie tat, was sie konnte, sah sich aber weggefegt, eine belgische Batterie wurde binnen einer Viertelstunde, kaum daß sie auffuhr, buchstäblich in Stücke gerissen. Die Brandenburger Batterien wetteiferten in Treffsicherheit. 21 cm Granaten schlugen vernichtend ein. Oberst Meiser fiel, die Eiserne Brigade zerschmolz in der Glut dieser Kampfhölle, eilig traten schwarze Tirailleurregimenter für sie ein, die es aber hier heißer fanden als am Senegal. Immerhin blieb die verbündete Übermacht groß. Obschon die Belgier allmählich fast zur Hälfte ausfielen und die Franzosen an ihrer Stelle den Bahndamm besetzten, focht doch noch die belgische Linke bei Nieuport und drei französische Divisionen (inkl. Marinefüssiliere) waren nach und nach zur Stelle. Gleichwohl ließen sie sich die Umgegend von Dixmuiden endlich entreißen, konnten auch den Bahndamm nicht halten. Deutsche Flieger kundschafteten regelmäßig den Standort feindlicher Batterien aus. Beide Parteien verwendeten gepanzerte Autos. Mit unsäglicher Mühe pirschten die Jäger über das Moor und morastige Sumpfwiesen heran, wo man oft bis zum Gürtel einsank und auf dem Bauche kroch. Die Brücken wurden bald zerstört, bald wieder geflickt, deutsche Pioniere taten Wunder der Tapferkeit. Südöstlich von Dixmuiden schlugen die hessischen Pioniere mit Todesverachtung unter ungewöhnlichem Verlust (358†) Pontonbrücken über den Kanal, wo sogleich neue Brandenburger Heersäulen hinüberwogten. In der Nacht zum 30. gingen zuerst wenige, später zehn Bataillone bei St. Jaques über, nördlich von Nieukapelle, wo sich ihnen die bewährte 42. Division entgegenwarf und sie aufhielt. Es gelang aber doch südlich der Stadt Brücken zu schlagen und jetzt wurde das Ringen fürchterlich. Seit 25. erfolgten fünfzehn deutsche Stürme. Wäh- Fehlende Zeile. ReJäger, Musketiere, Pioniere von Norden in Dixmuiden eindrangen (die Jäger verloren 400), entspann sich beim Dorfe Jaques la Chapelle jenseits ein wilder wüster Strauß auf nahe Entfernung. 203. R. (Spandau) schlug sich wie rasend, 207. R. (Prenzlau) weiter nördlich gegenüber ging jetzt stark ins Feuer bei Caeskerke, 206. bei Oostkerke. Die Spandauer bestanden einen Kampf sondersgleichen mit steigender Erbitterung. Laut französischer Darstellung sei Dixmuiden am 30. erobert worden, vielleicht hielten sich dort in der Nähe belgische und französische Teile so lange, es kommt wenig darauf an, da die Franzosen zugeben, ihre Linie sei durchweg hinter das Westufer geworfen worden. Deutscher Bericht ist bescheidener. Der Feuerschein flammender Kirchdörfer und Kapellen beschien hier noch nicht einen Endsieg. König Albert benahm sich übrigens wie ein Held. Am 26. wiederholte er Vorstoß bei Nieuport, der schon matter ausfiel als am 24. Auch hier wird erzählt, daß er ein Gewehr im Schützengraben ergriff, um durch persönliches Beispiel die Seinen aufzumuntern. Als Deutschstämmling mit deutscher Gattin voll echtdeutscher Französelei mit Leib und Seele dem Wallonentum ergeben, haßte er als Liberaler den deutschen Feudalismus. Persönlich verdient er Hochachtung. Doch griff er, wohl auf Drängen der Alliierten, die sich einen Pfifferling um Belgiens ausgeschriebenes Unglück scherten, zu der unlauteren Taktik, auf Kosten seines wohlhäbigen Landes die hochgezogenen Schleußen zu öffnen und das Meer zum Besuch einzuladen. Daß aber schon am 27. Überschwemmung hereinbrach und fortwährend das Gewässer stieg, ist Nachschreiberei aus oberflächlichen Berichten, denn es wäre Beseler dann unmöglich gewesen, weiterzukommen. Andererseits geht die deutsche Generalstabsschrift allzu summarisch über die letzten Kampftage weg und verlegt auf den 30., was teilweise schon am 28. geschah. Die Franzosen behaupten, die 5. Div. habe Ramskapelle erst am 30. genommen, das scheint aber ebenso nachdatiert, wie früher deutscher Bericht es vordatierte. Wahrscheinlich fiel der Punkt größtenteils schon am 27. und tagszuvor, da der Durchbruch bei Perwyse nicht so gelungen wäre, wenn die 3. Div. nicht auf gleiche Höhe kam. Jedenfalls nahm die 11. Brigade, besonders 24. R., schon am 28. den Bahnhof von Perwyse. Gleichfalls erstürmten nochmals, wie schon früher zeitweilig, 3. Jäger und II/III/48. R. Ramskapelle und hielten den Punkt im Laufe des 29., 30. gegen das 6., 3., 14. belg. Rgt. und franz. 16. Chasseurs nebst einer Turkobrigade. Erst spät im Eifer des Gefechts sah man die schaurige Wahrheit, die unheimlich gurgelnde Wasserwüste. Man verbiß sich auch dann noch in den Besitz von Perwyse, als man bis zum Knöchel in Schlamm und Wasser watete, was man anfangs, nachgerade an solches Fechten auf diesem Moorboden gewöhnt, für etwas Ständiges und Natürliches hielt, ohne der Erscheinung besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Doch versteht sich von selber, daß sich der Bahndamm erst am 30. zur Flut verwandelte, da man sonst nicht Zeit behalten hätte, sich über den Yserdeich des Westufers nach drüben zu retten. Erst dann gab man es auf, nach Furnes weiter zu stoßen, wohin bereits deutsche Geschütze donnerten. Rückzug war hier ein ebenso großes Heldenstück wie der Angriff. Man hat hier nochmals der heldenmütigen Aufopferung des hessischen 25. Pionierbataillons zu gedenken, welches die G. St. Schr. nicht mal namhaft macht. Wie der tapfere Stromübergang vom 26. R. überraschend wenig kostete, so verlor 24. R., das nebst 11. Ers. Batl. den Abzug deckte, nur ein Fünftel seines Verlustes (972) beim Rückzug. Schwer litt nur die Ersatzartillerie, links gedeckt von I/12. R. Die grausamen Schrecknisse werden im Gedächtnis weiterleben, doch fester Mannesmut triumphiert auch über die Natur. Bange machen gilt nicht! sagt der Berliner. Die Schreckensbilder, welche gegnerische Phantasie der Welt vorzauberte und in deren schadenfroher Ausmalung sie schwelgte, wären nur Wirklichkeit geworden, wenn Entsetzen die Märker ergriff und Panik um sich griff. Doch nirgends eine Spur davon. Mit eiserner Kaltblütigkeit wurde die tödliche Gefahr überwunden, als die Hochflut bis zum Knie, ja bis zur Hüfte stieg. Mochte sie auch über Kanonenräder und Sanitätswagen aufspritzen, kein Geschütz, kein Verwundeter, kein Gewehr ging verloren!

Wäre das Korps Falkenhayn nur einige Tage früher erschienen, so wäre man längst über die Gefahrzone hinaus gewesen und dann schadete es nichts, ob man im Rücken durch die Wasserwüste abgeschnitten, da man sich dann an die Westseite des Ypernkanals heranschieben und im Verein mit 23. R. K. dessen sonst stets mißglückenden Sturm auf dem Westufer zum Erfolg führen konnte. Auch dort wäre spätere Überschwemmung zu spät gekommen.

Als French seinem Kollegen Foch vorschlug, bei Ypern eine große Schlacht zu schlagen, war dies in Anbetracht der Lage eine tollkühne Dreistigkeit. Ohne die Deich-Durchstechung und Schleußenöffnung wäre die ganze Linie südlich der Yser im Rücken Frenchs verloren gegangen, während die Ypernschlacht tobte, und was dann? Wäre aber Falkenhahn schon vor 20. bei Dixmuiden gewesen und früher, als er tat, südlich davon über die Yser gegangen, dann fiel dies Bollwerk sicher viel früher, da damals noch nicht so ausgiebig besetzt. Obwohl der verzweifelte Widerstand sich dort zu Ende neigte, konnte man jetzt den Erfolg nicht ausbeuten und die lange bestehende Auffassung, als ob man Dixmuiden im Oktober je besessen habe und nur durch die Flut daraus vertrieben sei, irrt leider sehr. Die braven Freiwilligenjungen opferten sich umsonst, wieder mal stieß rührender Idealismus sich an der Materie wund, viel junge Blüte der Mark lag hingemäht. Immerhin war das Nordende der feindlichen Schlachtordnung gänzlich erschüttert. Obschon es zunächst darauf ankam, wie dort die Dinge sich entwickelten, und alle deutschen Augen sich gespannt dorthin richteten, um sich dann betrübt zu senken, machte schon der Druck am Südende von Ypern sich bemerkbar. Dies will erwogen werden, um sich in die Lage der Alliierten zu versetzen, wenn Beseler und Falkenhayn dauernden Erfolg gehabt hätten.

Am 30. morgens erreichte die Rechte der 44. R. Div., während ihre Linke sich noch westlich Baerst an den Fluß lehnte, beinahe den Bahndamm bei Oostkerke, der übergangene Hauptteil der 43. arbeitete bis Caeskerke, besonders bei St. Jaques, welchen Punkt die G. St. Schr. nicht zu kennen scheint. Rechts davon erstieg damals 12. R. Brig. den Bahndamm bei Perwyse, dessen Ostteil die 11. erstürmte. Da merkte man dort vor Mitternacht ein eigentümliches Steigen des Wasserspiegels, anfangs achtete man wenig darauf. Die 9. Brig. hatte nun nördlich die Bahn überschritten, die 10. Ramskapelle bis zum Westrand genommen. Hier wo 12., 48. R. am weitesten voraus waren und das 17 km ins Land hineinreichende englische Schiffsfeuer ihnen wenig Schaden tat, war aber auch der Rückzug zur Yser am weitesten, als sich dort die drohende Gefahr aufdrängte: Sprengen der Kanalschleusen! Jetzt nachdem alle Gegenangriffe gescheitert und das Tor zu siegreichem Vollenden der Yser-Ypern-Operative entriegelt, zwang der unfreiwillige Bundesgenosse, den ein verzweifelter tückischer Feind in seinen Dienst beschwor, zu unvermeidlichem Rückzug. Beseler führte ihn mit solchem Geschick durch, daß man drüben erst spät am 31. merkte, wie rasch die Deutschen das schützende Ostufer gewannen. 5. Div. bei Mannekensvere, 6. bei Kastelhoek, vor Nieuport nur noch das Hamburger Ers. Batl. Noch bewahrte eine Nachhut westlich des Kanals die Strecke Stuyvekerke–St. Georges, wo es noch trocken gangbaren Boden auf umflutet aufragenden Schlamminseln gab, eine Kompagnie unter Leutnant Buchholz behauptete sogar noch lange Perwyse und rettete sich glücklich. Bis 1. November abends versuchte Falkenhayn von Süden Dixmuiden zu nehmen, die Wasserflut vereitelte es. Nach dunkelbewölkten Nächten ging jetzt der Mond auf und beleuchtete ein trübes Bild, doch seine Helle begünstigte den Abzug, der auch hier ohne jede Einbuße sich vollzog. Kein Geschütz, kein Verwundeter blieb zurück, obschon kindliche Einbildung oder bewußte Verlogenheit der Ententepresse schauerliche Sagen erdichtete. Die Märker zeigten sich des Kriegsruhmes würdiger denn je, den Jahrhunderte um ihre Fahnen wanden; ohne das politisch erlaubte, wirtschaftlich rücksichtslose, militärisch unanständige Herbeirufen der Meereswogen hätte die Yserschlacht eine entscheidende Wendung erzwungen.

Natürlich war das Rettungsmittel zweischneidig, da seine Aushilfe auch den Gegner seiner Aktionsfähigkeit beraubte. Fortan überwachte nur Ers. Div. Werder das eigentliche Überschwemmungsgebiet, wo der Feind sich nicht rühren konnte, während drüben neue französische Brigaden die gänzlich erschöpften Belgier in Dixmuiden ablösten. Falkenhayns Korps, das für so junge Truppen Übermenschliches leistete, pausierte vorläufig, zur Beobachtung des Brückenkopfes bestimmt. Beselers Artilleriegeneral Zieten beeiferte sich den Feind in Atem zu halten und Verschiebung von Kräften nach Ypern zu hindern. Dagegen zog man Korps Beseler, das schon so lange blutig focht, aus der Yser- nach der Ypernfront herum, nicht um zu rasten, sondern als Elitereserve bei Poel Kapelle zu dienen, wo seine kernhaften Mannen bald genug zu tun bekamen? Nur die Hälfte, schon Anwesenheit seiner Artillerie vor Dixmuiden zeigt die Übertreibung.

Die ursprüngliche Schwäche der Yserfront vor Grosettis Ankunft würde wohl zu früherem deutschen Vorstoß eingeladen haben, wenn man die von Frenchs prahlerischer Offensivprotzigkeit diktierte Verschwendung aller Hauptverstärkungen im Ypernraum gekannt hätte. French wollte dort um jeden Preis eine Angriffstendenz aufrechterhalten, sehr zwecklos, da Vordringen in Richtung Roulers unmöglich gesunde strategische Folgen haben konnte, während Vorbrechen über die Yser gegen Antwerpen die deutschen Etappen empfindlich berührt hätte. Man hatte aber Verteilung der deutschen Anmarschkolonnen schon so gründlich vorgenommen und sie gedieh so weit, daß nichts sich ändern ließ. Und leider blieb man zeitlich im Rückstand. Denn hätte man sofort das 22. R. K. benützen können, um südöstlich Dixmuiden durchzubrechen, so wäre die Yserlinie gesprengt und Dixmuiden unhaltbar, hiermit aber auch die Ypernstellung aufgerollt worden. Hier, nur hier lag damals die Entscheidung, nicht bei Ypern, vor allem nicht bei Grachten–Bixschoote. Das erwies sich im Laufe endloser Begebenheiten bis zuletzt als Kraftvergeudung. Und was schadete es, wenn Haigh ostwärts vorrückte und einen Luftstoß tat, während die aus Südost und Süd anrückenden bedeutenden Gruppen ohnehin Rawlinson zum Abzug nötigten! Man hätte auch noch das ganze 23. R. K. damals über Merkem westlich des Yserkanals ansetzen sollen, dann wäre ihm durchschlagender Erfolg beschieden gewesen. Doch der Gott der Schlachten verhüllte dies den Augen der deutschen Heeresleitung und man sage nicht mehr, daß irgendwo das Glück die deutsche Sache begünstigte. Es huldigte ihr so wenig, daß auch hier eine verhältnismäßige Kleinigkeit genügte, um den Endsieg dauernd in Frage zu stellen, den Krieg endlos zu verlängern. Das 22. R. K. nur drei Tage früher an der Yser und die Ypernschlachten wären nie geschlagen worden. French hätte schleunig verlustreichen Rückzug antreten müssen, wenn er Verbindung zur Küste wiederherstellen wollte.

Ob es ohne die Überschwemmung möglich und ob es der Mühe wert gewesen wäre, mit fünf schon sehr geschwächten Divisionen den Stoß gegen Frenchs Rückzugslinie in Richtung Poperinghe weiter zu tragen? Das heiße Bemühen, dem nationalen Feldgeschrei »nach Calais« zu entsprechen, konnte zu Trugbildern verlocken. Auch das Beharren dabei, Dixmuiden in die Hand zu bekommen, wäre angesichts der großen Blutopfer später vielleicht besser zu vermeiden gewesen, da ein Heraustreten des Gegners nicht zu befürchten war. Ob man nicht besser getan hätte, von vornherein die Yser nur als Verteidigungsabschnitt zu betrachten? Da doch die Schleusenöffnung, einst von den Holländern oft angewandt, immer im Bereich des Möglichen lag? Wir werden stets daran festhalten, daß Stoß auf Ypern aus Süden, minder prätentiös weitgesteckten Zielen nachlaufend, methodischer und sicherer war. »Das Simpelste ist immer das Einfachste«. Das schien die Oberleitung einzusehen. Denn noch ehe Entscheidung im Nordwesten zu erwarten war, stellte man schon zuvor jene neue Heeresgruppe zusammen, die aus Süden anpacken sollte.

Im übrigen verführte der romantische Nimbus der Yserkämpfe, der sich unverwüstlich einprägt, zum Wahn, hier seien besondere Blutbäder ins tückisch schäumende Gewässer geflossen. »Schwer litt die Ersatzdivision«? Durchaus nicht, sie verlor nur 1500, 5. R. D. nur 1600, 6. R. D. allerdings 3000, Pioniere 535, (3. R. P. mehr als die rheinischen), 44. R. D. 2400, 43. D. 3450, wegen enormen Verlust der Spandauer, den die G. St. Schr. ebenso wenig erwähnt wie die rührende Pflichttreue der Pioniere oder die heroische Standhaftigkeit der 18. Ers. Art. beim Abzug, zum Dank wofür sie amtlich vergessen wird. Summa 12 500, nicht gerade wenig für 67 Bataillone, (41 Beselers 6670), doch nicht soviel, um ein Lamento aufzuschlagen, wie in Berlin geschah. Es gab wahrlich schon größere Kriegsverluste, bei Longwy, in der Champagne, in den Argonnen, bei Reims, südlich Arras und nordwestlich Lille, auch litten zwei andere Korps von Kriegsfreiwilligen in den Ypernschlachten bedeutend mehr. Damit soll natürlich nicht die Leistung verkleinert werden, es war kein Spaß, das sprungweise Vorgehen auf Sumpfwiesen und aufgequollenem Lehmboden, durch verdrahtete Hecken und Wassergräben. Doch die Regimentsverluste waren meist auffallend gering. Bei Ramskapelle verlor die beigegebene Radfahrerkompagnie der 3. Jäger mehr als das ganze Bataillon 3. R. Jg. Hier litt nur 12. R. einigermaßen, weil es den weitesten Rückzug hatte. Indessen ist dies kein Kriterium, denn 35. R. verlor beim Rückzug auf Klosterhoek nur 75 Mann, 24. R. noch nicht 200, während es beim Vordringen am Bahndamm, wo es sich zur Fühlungnahme mit 206. seitlich zurückbog, am meisten litt. Verhältnismäßig ebensoviel I/II/35. Inf. bei Perwyse und vorher Kayem (791), während 20. R. überhaupt nur 372 und 35. R. erst bei späterem Vorgehen mehr verlor. Auch das den Abzug am rechten Flügel der Angriffslinie deckende 11. Ers. Ball, litt nicht erheblich, 6. R. Art. verlor zwar nur 7 Kanoniere, 44. R. Art. in so langem Mitwirken seit 24. nur 41, dagegen 60 beim ersten Vorgehen. Die Liste von 203. läuft bis 3., die des 12. R. bis 5. Nov., es macht aber nichts aus, weil vom 1.–10. an der Yser, kaum gekämpft wurde. Es ist sehr fraglich, ob vom harten Blutzoll der Spandauer (2000, zwei Drittel) viel auf den Rückzug entfällt. Mit obigem dokumentären Nachweis wird also jede Phantasie über den argen Abzug über dies rote Meer zerstört. Ja, ja, die V. L. sind schon so, die Sonne bringt es an den Tag.

Diesen Rückzug soll mal ein anderer den Deutschen nachmachen. Hätten Briten oder Welsche ihn vollbracht, man würde Prahlen hören bis zum jüngsten Gericht. Die Ententepresse aber hielt großen Gerichtstag über die durch Gottes Finger Ertränkten, die Tausendundeine Nacht dieser Lügenscheherezade spann weiter ihre Schauermärchen durch dick und dünn, durch Blut und Wasser, rächte die Niederlage ihrer Waffen durch teuflischen Hohn ihrer feigen Dunkelmänner über den »Todessang der Hunnen«, nachdem dos brausende »Deutschland über alles« der stürmenden Jungmannschaft sie das Gruseln lehrte. Ist dies auch Wahnsinn, hat es doch Methode. Der Tod hauste ganz anders fürchterlich in den verbündeten Reihen, weshalb die aus ihrer Not erlösten Belgier sich völlig untätig verhielten. Offiziere gab es fast nicht mehr, das Waterloobekannte 7. Rgt. hörte auf zu sein, schweren Herzens sammelte der König die Reste seines Heeres. In drei Tagen sollen 10 000 Belgier getötet sein, unzählige wurden vermißt. Mit 25 000 wird die Einbuße der Verbündeten eher zu niedrig als zu hoch geschätzt.

General Grossetti schob sich längst südöstlich, er wird es gewesen sein, der dem Lt. Bergholz in Perwyse Kapitulation anbot. Jetzt aber marschierte er, wie einst vor St. Prix nach Champenoise, flugs nach Nordosten fort. Die Franzosen bestärken den früheren deutschen Irrtum, Dixmuiden sei Ende Oktober gefallen, indem sie sich eine Waffentat andichten, 42. D. habe es uns wieder entrissen. Solche Vervollständigung des ruhmlos unwürdigen Wassersiegs gönnen wir ihnen. Tatsächlich marschierte Grossetti viel weiter, nämlich auf Merkem am Ypernkanal und mag dort Erfolg gehabt haben, trotz gegenteiligen deutschen Berichts. Jedenfalls trat er im November ganz ins Yperngebiet über. Freilich gehört guter Wille dazu, überhaupt etwas zu glauben, was Franzosen auftischen, die Anekdote » vouz en avex menti«, »Ich habe ja nichts gesagt«, »Aber sie wollten etwas sagen«, liefert leider die treffendste Selbstpersiflage. Diese Ausschmückungslust ließ tausende von Württembergern ersaufen!!! In Tausendundeiner Nacht ihrer geistigen Verdunklung kräht solche Scheherezade zu mißtönig in den Aufruhr der Elemente.


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