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Sonstige Entwicklung bis 5. September.

Es gehörte zu Moltkes Mißgriffen, daß er am 27. August Kluck von Bülows Aufsicht entband. Ihm fehlte so sehr aus seiner Ferne in Luxemburg der Überblick, daß am 2. Sept. sein ganz unbegründetes Ansinnen an Bülow hineinschneite, Stützung Hausens durch Bülow bei Ch. Porcien sei dringend erwünscht. »3., 4. und 5. A. in schwerem Kampf gegen überlegene Kräfte«? Daß jeder Unterführer von überlegenen feindlichen Kräften fabelt, ist bekannt; ein Oberfeldherr sollte sich aber an Napoleons Donnerwetter gegen dies übliche Laster erinnern und gar erst nicht einem Unterführer durch solche Redensarten bange machen. 3. A. bedurfte gar keiner Unterstützung gegen mäßige Kräfte, 4. A. focht gar nicht mehr, 5. A. hieb den Feind vor sich her. Was denkt man von solcher Verkennung der Sachlage?! Verspäteter Funkspruch Hausens zerstreute denn auch jede Besorgnis, mittlerweile drehte aber Bülow schon nach Südost ab, wodurch die nötige Richtung nach Südwest aufgegeben und die Verbindung zu Kluck aufgegeben wurde. Für dessen Manöver fehlt uns das Verständnis. War es als exzentrische Fortsetzung riesiger Umgehung gedacht, durch welche Paris gleichsam schon mit den Augen zerniert wurde, so ließ sich voraussehen, daß mit dem Spatz in der Hand auch die Taube auf dem Dach entwischen werde. Denn die maßlose Verzettelung von Amiens bis Compiegne und weiter bis zur Marne verbot rechtzeitige Bereitschaftstellung für Flankenangriff. Marrwitz hing sich keineswegs Frenchs Abzug über Meaux an, sondern ließ schon im Oisetal locker und begrüßte nur über La Ferté Milon den aus Norden anreitenden Richthofen. Bülow, der Klucks Verhältnisse immer nur aus dessen Rapporten kannte, machte sich lauter unzutreffende Bilder. Wollte Kluck etwa über Abbeville einen Handstreich auf Calais unternehmen und die Küste für englische Landungen sperren? Dann mußte er sich wenigstens im Nordwesten zusammenhalten und selbständig operieren, d. h. sich von der Hauptmacht trennen, deren Flankenschutz ihm aber gerade Moltke befahl. Möglich, daß im Hauptquartier dilletantische Einflüsse mit Doppelbedrohung von Calais–Paris rechneten, uneingedenk der Lehre, daß nicht strategische Punkte, sondern Zerreibung der beweglichen Feindesmasse den Ausschlag geben. Besetzung von Calais wäre allerdings ein politischer Trumpf gewesen. Ob ein glücklicher? Es hätte England nur zu früherer Aufpeitschung seiner Freiwilligenarmee gereizt und selbst seine Neutralisten zu Kriegstrompetern umgewandelt, wenn man so den Teufel wirklicher Invasion an die Wand malte. Wer wie Müller-Brandenburg den Schlüssel des Erfolges in Calais sucht, rennt einem Schatten nach. Selbst bei Verhinderung englischer Landungen zwischen Dünkirchen und Dieppe hätte man die Ausschiffung westlicher verlegt, auch hätte die Entreißung der französischen Küste nur als Aufstachelung gewirkt, es an der belgischen zu versuchen. Ein so weites Ausrenken der Front würde ohnehin den ganzen deutschen Heeresaufbau auseinandergerissen haben.

War es also nichts mit Calais, was suchte dann Kluck in Amiens? Seine Umkehr nach Paris hin hatte nur den Achtungserfolg, den Vater des Weltkrieges – der Stiefvater saß in Downing Street – aus der angeblich bedrohten Hauptstadt nach Bordeaux fern vom Schuß zu vertreiben. Als Poincaré floh, frohlockte ein Pariser Witz: Pas de gouvernement pas de bêtise! Paris war aber noch nicht zum Falle reif. So lächerlich deutscherseits die Stärke Maunourys überschätzt wird (auch Bülow fabelt vom ganzen 7. K., Alpenjägerdivisionen, sechs Reservedivisionen usw.), so genügte sie doch, Kluck so im Schach zu halten, daß er zur Hauptentscheidung östlich Meaux nicht beitragen konnte. Wir wollen hier nicht die Legende im voraus erörtern, die von Klucks Auftreten am Morin bis heute fabelt. Tatsächlich war sogar seine Vorhutkavallerie bei Pontoise noch 30 km von Paris entfernt, erst am 4. stand die 4. Kav. D. bei Trocy. Tatsächlich war sein Heer in drei Gruppen zerlegt: 4. D. und 7. und 22. R. D. über Semlis, 3., 7. und 8. D. über Compiegne, 5., 17. und 18. D. getrennt davon am mittleren Marnebogen. 3. K. wandte sich am 2. nach Cutts–Vailly, 18. D. bei Courcy bleib von der 17. getrennt, weswegen unmöglich, daß ihr Hauptteil rechtzeitig den Morin erreichte, wohin die 17. D. weit voraus sich in Marsch setzte. Die 1. G. Ulanen hatten Nachhut franz. 10. K. aus der Vorstadt von Chateau Thierry vertrieben, am 3. überschritt aber erst die Vorhut 9. K. die Marne, nicht »kampflos«, denn 9. Art. und 9. Pion. hatten dort einigen Verlust, erst am 5. früh lagerte die Gardekavallerie bei Montmirail. Bülows erste Staffel, die Garde, war weit vorausgekommen, weit östlich auf Reims abgeirrt, wo sie nichts zu suchen hatte, Emmich folgte rechts davon über Dormans, 73er weit voraus, die sich in Richtung Montmirail bewegten. Bei Reims gab es noch Marschkreuzung der 2. G. D. und mißverständliche Beschießung mit den Sachsen, das alles verzögerte den Vormarsch. R. K. Hülsen, das alle Autoren ganz am Morin fechten lassen, machte Halt und bezog Quartiere westlich der Vesle, wie Bülow ausdrücklich angibt, also ist ausgeschlossen, daß es mit mehr als 74. R. und 10. R. Jg. bei Charleville ankam, später noch die Hülfen einverleibten 15. und 53. R. Einem befand sich noch im Vormarsch über Soissons, Bülow klagt, 9. K. habe sich vorgedrängt und das 7. K. paralysiert. Auch das stimmt nicht, die eine Brig. der 13. D. befand sich rechtzeitig bei Montmirail nebst 2 Artillerieregimentern, von der 14 D. langten aber nur 4 Bataillone bei Joches an, die erst, auf dem Rückzug fochten. Wenn Bülow verwirrend stets von 13. (die andere Brig. vor Maubeuge) 14. D. redet, so will er eben verhüllen, daß infolge schlechter Anlage des Marschtableaus und Erschöpfung der Truppen nirgendwo als bei der Garde die Korps zur Hälfte anlangten. Was Kluck betrifft, so macht die unausrottbare Legende seines Vorbeimarsches an Paris zum Morin und »glänzender Parade« seines Rückmarsches zum Ourcq sich nur lächerlich, obschon Bülow, der persönlich nichts davon wußte und dem sie zu seiner eigenen Entschuldigung paßt, und Kluck durch unklare Angaben seines Buches sich ihr anpassen. Am 2. glaubte Bülow das 2. K. bei Senlis, nur 49er hatten dort ein blutiges Vorhutgefecht (nicht bloß »Artilleriekampf«), von der 4. D. erreichte nur II/14. Meaux, das Korps focht nie bei Signey a. Morin gegen French (der vermutlich die pommerschen Schwadronen von Marrwitz für das Pommersche K. hielt, wie Ladmirault die Gardedragoner bei Mars la Tour für das Gardekorps!), sondern 4. D. rückte nach und nach bei Acy in die Linie 4. R. K. ein, 3. D. gleichfalls mit Teilen von Compiegne her, Kluck bestätigt unsere frühere Angabe, daß 2. Rgt. der 3. D. überhaupt nicht anlangte. Neu ist seine Angabe, daß sogar dem 4 R. K. eine Brigade weit zurück fehlte. 4. K. kann niemals sogar südlich des Morin bis Provins gelangt sein, Verwechselung dieser Stadt mit Dorf Les Provins nördlich des Gr. Morin. Denn es focht schon am 6. (nicht 7.) mit Teilen beim 4 R. K., sehr natürlich, weil es erst von Compiegne kam. Nur 93. erreichte Lizy im Weichbild von Paris. Vom 3. K. fochten schon am 5. vier Bataillone am Ourcq, die 6. D. ist nie wo anders gewesen, von der 5. D. erreichten nur 48. am 8. Montmirail, möglichenfalls scharmützelte II/12. am Petit Morin, sonst stand noch alles nördlich der Marne. So günstig früher die Verhältnisse lagen, so ungünstig jetzt für Eintreten in eine allzunahe Entscheidungsschlacht, die man hätte vermeiden und bis 10. verschieben sollen, wo die Hintertreffen aufschlossen. So ging das Verhängnis seinen Gang. Ein großer Aufwand schmählich war vertan.

Schon bei St. Quentin vollzog sich das Geschick, denn nur dort wäre die Deutschland nötige Entscheidung zu holen gewesen. Es liest sich geradezu rührend, daß Bülow am 28. disponierte: »2. A. unterstützt Vorgehen 1. A.«, die nämlich laut Klucks Vorschlag jetzt French umkreisen wolle! Wie Lanrezac die Verpflichtung einlöste, French hinter sich vorbei zu lassen, so Bülow die seine, den Feind festzuhalten. Wo aber war damals Kluck? Bei Combles, 10 km nordwestlich Peronne und am 29. erfuhr French Klucks Vordringen bei Proyart vor Amiens! Kluck lud also Bülow auf ein Schlachtfeld ein, wo er das Rendezvous weder einhalten konnte, noch wollte. Sogar Marrwitz überschritt erst am 31. bei Noyon die Oise mit Vorhuten. Es kitzelte einfach Klucks Ehrgeiz, auf eigene Faust ein billiges Lorbeergemüse zu speisen. Doch die Lorbeeren waren welk und grau, wie Gräberefeu.

Verlohnt es sich, den Gedankengang zu erfahren, in dem sich Joffre bewegte? Jedenfalls verriet er bis zum 4. keine Neigung zu Standhalten oder Offensive gegen das Ausrecken der deutschen Front. Nicht aus Erleuchtung entsprang das Bilden einer enger geschlossenen Mauer nordwärts zwischen Ourcq und Argonnen, sondern lediglich dem Zwang der Lage, um der völligen Niederwerfung zu begegnen. Obschon die d. 6. und 7. A. später aufgelöst wurden, als franz. 1. und 2. und einen viel weiteren Weg hatten, brauchte die erste deutsche Staffel (Deimling), die nicht vor 8. im Abrollen war, nur 6 Tage bis St. Quentin–Laon, sieben aus Lothringen in die Marneschlacht geworfene franz. D. (Abgang 18. D. am 2., Ankunft am 8. bei Troyes–Brienne, 14. D. Abgang Ende August, am 6. ins Feuer, die anderen Korps am 9. und 10.) auf weit kürzerer Strecke (oder wenigstens viel glatter auf dem Gleise Belfort–Paris) 7–8 Tage. So hatte das ursprünglich auch für Castelnau bestimmte 18. K. am 15. Lothringen verlassen und brauchte 8 Tage Verladung bis zur Sambre, 19. K. sogar 9 bis dort (am 11. bei Belfort, wo es natürlich nicht vor 30. hätte stehen können, wenn Frankreich erst am 2. in Afrika mobilisiert hätte, weshalb alle deutschen Autoren es naiv erst Mitte September fechten lassen). Bei so fragwürdiger Ökonomie seiner Dynamik konnte Joffre höchstens auf irgendeinen Pyrrhussieg hoffen, und nicht mal das, da bis 9. und 10. die Deutschen längst Langle und Foch überwältigt hätten, ehe die Verstärkungen eintrafen: vorausgesetzt nämlich, daß sie mit vereinten Kräften angriffen. Da Foch anschaulich schildert, wie »demoralisiert« durch Verlust, Strapazen, Besiegung sich die französischen Truppen fühlten, und Auffüllung ihrer gelichteten Reihen nur in sehr bescheidenem Maße erfolgt sein kann, so scheint Joffres Optimismus, noch gar Offensive ins Auge zu fassen, verbrecherisch konfus. Die Sache hätte bei normalem Verlauf mit einer Massenniederlage enden müssen. Unsagbar komisch schwadronierte ein gewisser fingerfertiger Dilettant, der Kriegsgeschichtsschreibung geschickt feuilletonistisch aufputzte, vom Heraufdämmern eines neueren Cannä. Hier dämmert gar nichts seiner eigenen Ahnungslosigkeit. An doppelseitige Umfassung dachte der gute Joffre wahrlich nicht, Sarrail schwebte selber in Umfassungsgefahr und Maunoury desgleichen. Nun wußten ja Friedrich d. Große und Napoleon sehr gut, warum sie weite Umfassungen verpönten, bei Torgau und Bautzen dafür bestraft, daß sie es mal mit Vereinung in statt vorm Feinde versuchten. Zu umgehen sucht man schon seit ältesten Zeiten, doch Erzherzog Karl prägte das Wort »Wer mich umgeht, ist selbst umgangen.« Nur Geschichtsfälschung hat außer Königgrätz und Sedan gegen völlig unfähige Gegner je etwas Ersprießliches aus Konzentrik abgeleitet, selbst einseitige Umfassung, wie die zufällige bei St. Privat fruchtet nur, wenn der Feind selber die Kehle anbietet. Das Schulbeispiel Wagram beruht auf falscher Zustutzung und reiner Unkenntnis, absichtlich die eigene Aussage Napoleons ignorierend. Im Weltkrieg kam der Zentrumstoß taktisch überall zu Ehren, auch in der Marneschlacht, Doppelumfassung blamierte sich bei Lodz, während strategisch der zentrale Einbruch glückte, selbst in der Winterschlacht bei Augustowo gelang sie nur wegen abnormer Leistung des 21. Korps. Wer auf derlei ausgeht, den werden unvermeidliche Enttäuschungen seines Irrtums überführen. Nur abnorme Lokalumstände, wie bei Tannenberg, berechtigen zu solchen Verfahren. Strategisch ist Doppeleinkreisung noch verfehlter als taktisch. Das alte Moltkeschema spukte wieder bei der Mackensenzange in Rußland, die bei Brest und Pinsk nicht kniff, während bei richtiger Kraftverteilung einseitige Umfassung durch Hindenburg bei Wilna den Feind entscheidend abgekniffen hätte.

Reichten denn Joffres Kräfte aus, um überhaupt sich irgendwelche Umgehung im Westen zu gestatten? Er hatte bis 9. rund 52 Div., später 57, denen die Deutschen 42 entgegenstellen konnten. (5. K. und 5. R. K. vor Verdun abgerechnet). Das Mißverhältnis wurde obendrein aufgewogen, da die Deutschen viel weniger gelitten hatten. Nicht nur genügte dies nicht zu einer großen Umfassung, zumal 15. und 21. K. erst ankamen als die Entscheidung so gut wie gefallen war, sondern jeder Vernünftige müßte sich sagen, daß es nicht mit rechten Dingen zuging, wenn bei solchem Kraftverhältnis die bisher sieggewohnten und taktisch überlegenen Deutschen vor gleichen oder unwesentlich überlegenen Kräften das Feld räumten. Vernimmt man nun, daß sie sich obendrein großartig schlugen, so wird man staunen, welche Umstände denn vorlagen, die selbst den unfähigsten und schlechtesten Führer zum Rückzug bewegen konnten.

Was nach Verpassen der Entscheidung bei St. Quentin noch zu verderben war, geschah redlich bei der 1. und 2. A. Wir sind nicht gesonnen uns die Klucklegende länger gefallen zu lassen, sie reizt zu unparlemantarischen Ausdrücken. Außerdem steht man sprachlos vor so wurmstichigen Zuständen, wo ein Generalstäbler zwei Armeechefs Geheimnisvolles ins Ohr flüsterte und diese gehorsamst darauf hereinfielen. Der Feind, der sich nicht auskannte, muß sich über das Krebsen in vollem Siege eigene Gedanken gemacht haben. Allerdings begann die Schlacht so überraschend, daß man deutscherseits von Anfang an keine lückenlose Schlachtlinie herstellen konnte, während der Feind dichtgeschlossen die Schlacht erwartete. Ähnliches fiel vor am 18. Aug. 1870, wo man Bazaine im Abmarsch nach der Orne wähnte, während er in falscher Stellung Schlacht anbot. Die gepriesene deutsche Kavallerieaufklärung lag damals so im Argen, wie hier. Von irgendwelchem bestimmten Schlachtplan war daher keine Rede, die O. H. L. gab nur allgemeine Direktionen aus, in welcher Richtung die 5 Heere sich bewegen sollten. Nur Schicksalsfügung stellt ein Genie an oberste Stelle, dessen rücksichtslos durchgreifende Denk- und Willensarbeit eine Operation vorausberechnet. Angeblich soll Napoleon sich mal zu Wrede geäußert haben, worauf sich Wellington berief: er habe nie einen Plan, man müsse sich den Maßnahmen des Gegners anpassen. Doch damit wollte er nur pedantischen Schematismus ablehnen, stets folgten seine strategischen Manöver und erst recht seine Schlachtenlagen einem unveränderlichen Plan, denn Empirismus bloß beobachtenden Herumtappens führt nie zum Ziel. Wenn aber kunstmäßige Absichten, wie die des Juni 1815 mit Napoleons Untergang endeten, so zeigt dies eben die Macht der Inponderabilien, den Einfluß des Ungehorsams von Unterführern, deren Selbständigkeit man zu einem modernen Grundsatz stempeln wollte. Eine gewisse Selbständigkeit ließ auch Napoleon bewährten Leuten (Brief an Massena im April 1809), doch Unarten wie die Klucks und Bülows in der Marneschlacht hätte er oder Friedrich unnachsichtlich geahndet. Daß klarer Wille verschiedene Gruppen einheitlich lenken kann, zeigten HindenburgLudendorff. Der Fluch halber unreifer Feldherrn ist aber, daß ihnen zu spät eine Idee aufgeht, die ihnen früher hätte kommen sollen und deren Verwirklichungsmöglichkeit schon vorüber ist. Am 5. wollte Moltke strategisch die Zügel ergreifen, doch jetzt ließ sich Übereinstimmung der Bewegungen nicht mehr erzielen. Verführt durch optimistische Rapporte, ließ er feste nachrennen, ohne sich zu vergewissern, ob Aufschließen der zerstückelten Teile gewährleistet sei. Brach so das Unheil herein? Nein, auch so nicht. Die unvergleichlichen Truppen machten alles möglich, es bedurfte eines Kluck und eines Bülow, um den noch gar nicht im Dreck steckenden Karren gründlich zu verfahren.

Statistische Übersicht und Joffres wirkliche Lage.

Man erinnere sich, daß 7. R. K. und 26. Brig. vor Maubeuge lagen, 3. und 9. R. K. nebst allerlei Zubehör von Ers. und L. W. Brigaden vor Antwerpen. Ferner rechnen wir nicht Klucks westfäl. L. W. D. an der Somme, die sich während der Schlacht teilweise näherte und bei Creil gegen 61. D. scharmützelte, die man fälschlich der Ourcqschlacht zuzählt. Außerdem zog aber Kluck am 9. die Brandend. L. W. Brig. Schulenburg an sich und befahl dem 9. R. K. über Aloost–Tournai zu ihm heranzumarschieren, weil die Geringachtung der Belgier so weit ging, daß man 3. R. K. und 4. Ers. D. und zwei L. W. Brig. für stark genug hielt, sie zu fesseln. Gegen Ende der Schlacht berief Bülow schon 26. Brig. und L. W. nach Fismes an der Vesle. Diese Teile sowie 7. R. K. nahmen erst später am Kampfe teil. Es ziemt sich aber festzustellen, wie groß überhaupt die deutsche Streitkraft im Westen bis Oktober war. Hanotaux berechnet sie mit 34 K. eher zu niedrig, wenn man 47 L. W. Regi. und 84 Ers. Batl. einbezieht. Auch einige Reserveregimenter erhielten ein 4. Ers. Batl. Dies trifft erst recht bei den Franzosen zu, wo auch manche R. D. 20 Bataillone zählten. Inkl. 90 Chasseur- und Alpinbataillonen betrug die alliierte Masse, die bis zum 1. Sept. ins Feuer kam, rund 1450 Bataillone (1300 französische in 44 Aktiv- und 28 R. D. inkl. 3 Kol. D.), d. h. nach deutscher Rechnungsart rund 58 K. Demgegenüber brachten die Deutschen vorerst wenig über 1100 Bataillone in die Schlachtlinie, wovon zur Zeit 113 in Belgien und vor Maubeuge, demnach in Frankreich damals ein deutscher Truppenwert von etwa 40 K. gegen 55 alliierte. Beiderseits sind Pionierbatl. (40 deutsche) nicht gerechnet, auch nicht die verschiedenen 4. Batl., da sich sonst die Überprüfung ins Uferlose steigern müßte. Ebensowenig geht uns der Train an. Das ist die lautere Wahrheit, es war auch ominös, daß nur 28 Jägerbataillone vorhanden gegenüber 100 französisch-belgischen. In der vergeblichen Mühe, deutsche Übermacht herauszutifteln, wird zunächst der alte Trick angewendet, deutsche Verpflegungsstärke inkl. Train den alliierten Streitbaren anzupassen. Anders sind manche Angaben nicht zu verstehen, dies harmlose »Versehen« ist schlau genug berechnet. Auf solche Weise schwellen deutsche Korpsstärken bis 45 000 an, die R. K. werden über einen Leisten geschlagen, 35 0000, weil man nicht ahnt, daß R. K. wegen ihrer Jägerbat. sogar stärker formiert als die aktiven Korps, wahrend dem 3. R. K. sein 64. Regiment fehlte und dem 5. R. K. gleichfalls ein Regiment. Doch auf solche Spitzfindigkeiten lassen wir uns nicht ein, sondern berechnen einfach die Streitbaren jeder Armee, ohne uns um Train und Pioniere zu kümmern. Die bloße Summierung ergibt dann die Unzuverlässigkeit jeder gebotenen Ziffer, nur in einem Fall vielleicht noch etwas hoch für die Franzosen. Kluck inkl. L. W. und Ers. 199 Batl., 119 Esk. inkl. Art. (796 Gesch.) und Off. 230 000, nicht 240 000. Bülow 135 Batl., 82 Esk. (G. R. K. unberechnet), 698 Gesch. 170 000, wobei wir stets nur die Gefechtsstaffel der Batterien und nicht die Nichtstreitbaren rechnen. Ähnlich Laurezac mit 210 Batl., 120 Esk. inkl. Art. und Off. 250 000. Indem wir darüber hinwegsehen, daß manche französischen Infanteriebataillone 1300 Chass. Batl. bis zu 1700 zählten, die deutschen sehr selten 1200 auf Kriegsfuß, und stets nur 1000 pro Bataillon beiderseits rechnen, müssen wir French inkl. Shaw auf 95 000, die Belgier auf 105 000, Amades Reservemassen auf mindestens 100 000 schätzen, so daß 400 000 Deutsche 550 000 Alliierten gegenüberstanden. Hausen hatte 86 kriegsstarke Bataillone, inkl. 183. und bei ihm verbliebene 11. hess. Jäger, 24 Esk., 442 Gesch.: 100 000 ohne 11. K., nicht 130 000; 4. Armee mit 100 Batl., 56 Esk., 448 Gesch. nicht mehr als 120 000, nicht 160 000; 5. A. inkl. Oven 138 Batl., 75. Esk., 918 G. also mit 180 000 zu niedrig taxiert, inkl. Art. und Off. 230 000. Demgegenüber besaßen Langle und Ruffey inkl. Maunoury 460 Batl., 190 Esk. usw. = 520 000. Somit zusammen 850 000 Deutsche gegenüber 1 070 000 Alliierten. Freilich mag bei Hanotaux' Bezifferung der 4. und 5. A. mitspielen, daß er 6. K. zur 4. A. rechnet, was ja ursprünglich der Fall war, umgekehrt zählt er K. Oven zur 6. A., was nicht zutrifft, denn 6. und 7. A. auf 530 000 schätzen geht durchaus nicht an. Von diesen waren im August nur da 350 Batl., 116 Esk. usw., rund 400 000. Allerdings sind im September noch L. W., Ers., Art. (total 1700 G.) neu hinzuzurechnen, so daß die Maße etwa 400 Batl. und das Ganze auf rund 450 000 steigt. Doch man darf nicht vergessen, daß im September auch die Franzosen 3–4 Divisionen und die Engländer 1 D. Verstärkung erhielten, auch die Belgier sich nochmals aus Antwerpen verstärkten, so daß die gegenseitige Berechnung unbillig wäre, wollte man alle deutschen Schlachthaufen für August und dann im September nicht analog mehr Alliierte rechnen. Castelnau hatte 236 Batl. (20. K. 40 Batl.) 96 Esk. inkl. Festungsartillerie von Nancy–Toul 270 000, nicht 245 000 für 7 aktive und 6. R. D. Bei Dubail mit 11 aktiven und 4 R. D., Alpenjägern, 2 Kol. Brig. = 270 Batl., 84 Esk. ist »320 000« eher zu hoch, doch wohl das ganze Alpenk. gerechnet und Garnison von Epinal. Im ganzen also 1 300 000 Deutsche gegen 1 650 000 Alliierte. Hierbei, sind aber 50 000 in Maubeuge und Longwy nicht gerechnet, ferner kamen im August etwa 80 d. L. W. und Ers. Batl. nicht zum Schlagen, so daß nur anfangs rund 1 200 000 gegen rund 1 700 000 inkl. Maubeuge im Kampfe standen, da der Gegner den letzten Mann ins Feuer brachte. Und rechnen wir 80 000 alliierte Verstärkung im September, so betrug das ganze Aufgebot rund 1 800 000 gegen 1 315 000 Deutsche inkl. einer neueren Els. Brigade in Belgien. Nun sind aber 174 000 Deutsche und 385 000 Alliierte Augustverlust abzurechnen, wodurch sich das Septemberbild erheblich ändert, indem wir dies nun auf die Marneschlacht übertragen können. Wir möchten mit tabellarischer Begründung verschonen, nur das Ergebnis bieten, daß am 5. Sept. rund 800 000 Alliierte von Creil bis zur Maas in Reih und Glied standen, denen rund 600 000 Deutsche gegenüber stehen sollten mit zweifellos überlegener Artillerie nach so großem Materialverlust des Gegners. Wenn auch noch 50 000 Franzosen am 9. aus Lothringen hinzutraten, so ist dies ein Verhältnis, das deutsche Truppen nicht zu scheuen brauchten, die bei Charleroi mit 1:2, bei Longwy mit 2:3 siegten. Begreift man nun, welchen Nutzen Stärke- und Verluststatistik hat? Aus Obigem wird völlig klar, daß die Deutschen mit 6:8 nach jeder logischen Wahrscheinlichkeit schon in Anbetracht ihrer großen artilleristischen Überlegenheit siegen mußten, wenn die Sache normal verlief, ferner daß das eigene Zugeständnis der Entente, man habe große Übermacht gehabt, ganz unsinnig wäre. Es muß also eine andere Bewandnis haben. Und da lugt leider der Hinkefuß des deutschen Systems vor, lieber die Waffenehre der herrlichen Truppen verdunkeln zu lassen, um nur beileibe nicht ihre Generäle zu belasten. Denn die Wahrheit belastet sie in jeder Beziehung, mit Ausnahme des Kronprinzen. Dieser trat früh und vollzählig in den Kampf ein, sein Nachbar leistete aber schon Unglaubliches. Von Mezières bis Reims sind nur 75 km, Langle hätte eingeholt werden müssen, ehe er an Reims vorüber war, doch nur die äußerste Spitze Tschepes, 69. ereilte bei Somnepy südöstlich eine Nachhut Langles, der sonst ungefährdet über Oenain und Saulx zurückfiel und den Marnekanal zwischen sich und den Verfolger brachte. Letzterer berührte allerdings das Kanalufer am 6., doch nur mit Vorhuten, deren glänzende Tapferkeit zwar durchweg siegreich blieb, doch nichts Entscheidendes durchsetzen konnte. So unglaublich es klingt, sind von 45 rheinischen Bataillonen bis 10. nur 21 zum Schlagen gekommen, von 54 hessischen nur 19 inkl. 118. L. W. Das 18. R. K. hing lange ganz zurück, ferner kam 50. Brig. nur bis Souain, andere Teile nur bis Ville sur Tourbe, von 25. D. ging nur 116. ins Feuer. 15. R. D. überschritt nur mit 7 Bataillonen den Kanal, 16. R. D. blieb zurück, 15. D. dito, nur 16. D. focht westlicher. Von 12 Artillerieregimenten fochten nur 6. Bei Hausen blieb die L. W. D. ganz zurück. 24. R. D. traf nach Generalmarsch von Givet am 9. teilweise ein, das Leipziger Korps befand sich am längsten im Kampfe, kann aber bei richtiger Lesung der Verlustlisten auch nicht vollzählig gewesen sein, sein überzähliges 183. war noch abwesend. Das Dresdener Korps griff zunächst mit 32. D. Planitz ein. Auch hier scheint eine Brigade unvollständig gewesen. Bei der später anlangenden 23. D. geben Listen von 100., 108. und 101. zu denken, sie war sicher unvollzählig. Von 10 Feldart. Rgt. feuerten 8, zwei und dabei zwei Batt. blieben in Reims hängen, dagegen taten 3 F. Art. Rgt. gute Arbeit. Nach unserer Lesart fochten bis 12. höchstens 57 Bataillone. Das Gardekorps kam vollzählig, stieß weit voraus isoliert auf Fochs Rechte. Bei Reims, das am 4. die weiße Flagge hißte, gab es nicht nur Marschkreuzung mit den Sachsen, sondern Irrung bei Besetzung der Stadt, wobei Bülow und Baumgarten sich widersprechen. Tatsächlich beschoß sächsische Artillerie die Forts und hatte nicht unerheblichen Verlust. 2. G. D. schob sich vor Emmichs Linke, es scheint uns ausgeschlossen, daß 77., 79., 91. und 92. anders als mit ein paar Vorhutbataillonen die Kampfzone erreichten, wir finden ihr Gros noch bei Beine südlich Reims. Emmichs Rechte schob sich vor Hülsens R. K., das nach Bülows ausdrücklichem Zeugnis an der Wesle ausruhte. Obschon er nach seiner üblichen Gewohnheit das »10. R. K.« in der Schlacht nennt, wie alle übrigen Autoren, entschlüpft ihm das Geständnis »Teile der 19. R. D.« In der Tat nur 10 Batl. ohne Artillerie, von Emmich höchstens 15 Batl. und 3 Art. Rgt. Von Einem nur 25 Brig. und 4 Batl. der 14. D. als Lückenfüllung bei Joches, die erst bei begonnenem Rückzug etwas fochten, im ganzen 10 Batl. und 2 Art. Rgt., so daß von verfügbaren 99 Batl. und 14 Art. Rgt. Bülows nur 61 und 9 mitwirkten, dazu Gardefußartillerie. Der Zustand Klucks füllt ein besonderes Kapitel. Östlich Meaux focht vollzählig nur 17. D. mit Teilen der 18. D., deren 9. Artillerie bezeichnenderweise bei Chateau-Thierry hängen blieb, wo sie einen Major und einige Mannschaft verlor nebst einigen Pionieren, so daß die allgemeine Angabe, der Übergang sei dort trotz der sehr verteidigungsfähigen Ufer »kampflos« erfolgt, wieder mal falsch ist. Die Pioniere verloren 90 Mann, werden also wohl am Morin geschanzt haben. Im ganzen etwa 18 Batl. und 3 Art. Rgt. Die deutsche Hauptmasse stand am 5. noch 100 km östlich Paris, viel zu eng beieinander, es hätte also allgemeiner Rechtsschwenkung bedurft, um eine passende Linie festzustellen, da eine weite Lücke zwischen Montmirail und Meaux klaffte. Das Ergebnis der allgemeinen Verwirrung summiert sich also dahin, daß zwischen Revigny und Morin, wo Richthofen und Marrwitz mit 4 Kav. D. aufritten und 4 Jägerbatl. bei sich hatten, höchstens 180 Batl. und 26 Feldartillerieregimenter wirtlich ins Feuer kamen von verfügbaren 330 und 40, während ihnen 37 alliierte Divisionen entgegenstanden. Da kann man sich über nichts mehr wundern.

Allerdings hatten die Alliierten sehr schwer gelitten, ihre Bataillonsstärke sank oft auf die Hälfte, so daß einiger Ausgleich stattfand, auch mögen beim Rückzug noch manche entlaufen sein. Am 3. warf ein Algirierbataillon beim ersten Kanonenschuß die Waffen weg, die Nachhut des bretonischen Korps ließ sich bloß vom 1. G. Ul. aus der Vorstadt Ch. Thierrys vertreiben, hinter Laon soll eine Brigade Esperets vor Vorhut Hülsens davongelaufen sein. Überhaupt sah es bei der franz. 5. A. so übel aus, daß Esperet seine Algirer und R. Divisionen nicht zu verwenden wagte, so daß von obiger Gesamtziffer gleich 82 Batl. abgehen. Bei der früheren Armee Langle, jetzt Langle und Foch, war die Haltung besser, doch entwirft Foch auch hiervon eine abschreckende Schilderung. Weilhin bedeckten Wagentrümmer und verlassenes Heermaterial die Rückzugsstraßen. Räumung des umfangreichen Fortsystems an der Wesle, schien ein Zeichen großer Entmutigung und man darf psychologisch entschuldigen, daß ungesäumtes Nachstoßen wünschenswert schien. Man verletzte dadurch aber allzusehr die übliche Methodik, den durch starke Märsche und Gefechte abgehetzten Truppen konnten die Proviantkolonnen nicht folgen, Mangel und Übermüdung stellten sich ein. Ob die Frontstärken durch Marodeabgang arg schmolzen, steht dahin. Kluck stellt dies für sein mit am meisten marschierendes Heer in Abrede, Baumgartens Ziffern für 3. A. sind offenbar aus der Luft gegriffen. Hier hatte nur 100. Leibgrenadiere im August über 1000 Mann verloren, selbst bei ihnen widerlegte aber ihr späterer Septemberverlust vollständig, daß sie in der Marneschlacht angeblich nur 500 pro Bataillon hatten, bei allen anderen sächsischen Regimentern ist so etwas unmöglich. Um solche irreführende Behauptung auch auf andere Heere zu übertragen, beruft sich Baumgarten auf eine spätere Äußerung des Kronprinzen nach der Marneschlacht, daß nur Mudra noch 14 000 Gewehre zähle, seine andern Korps nur 10 000. Dies beweist zunächst wieder mal, wie richtig unsere Darstellung von geringer Mitwirkung Mudras im August, da er also auch jetzt viel größeren Mannschaftsbestand hatte, obwohl er diesmal bis 12. Sept. schwer litt. Ferner zeigt der sächsische General seine Unkunde in Allem, was nicht 3. A. (besonders 12. K.) betrifft. Denn 6. und 13. K. und 6. R. K., auf die sich der Kronprinz bezieht, hatten Augustverlust von 21 000 Mann und wieder bis 12. September beträchtlich gelitten. Immerhin schmolzen sie von 70 000 Gewehren sicher nicht auf 30 000, solche maßlose Übertreibung führt nur Wasser auf die Mühle französischer Phantasien. Der Kronprinz hatte Gründe, der O. H. L. vorzustellen, daß er fortan defensiv außerhalb der Argonnen bleiben wolle, und übertrieb daher gewaltig, wie jeder Unterführer in solchem Falle tut, außerdem wird er bei beschwerlichem Rückzug durch die Argonnen weit mehr Versprengte und Nachzügler beim Sollbestand gehabt haben, die sich später wieder einstellten. Aus den V. L. über diese ganze Rückzugszeit ist freilich nur zu ersehen, daß Klucks 53. L. W. 100 Fußkranke in Amiens zurückläßt, die dort in Gefangenschaft fielen, für den Zustand am 6. September hat dies alles keine Beziehung.

Baumgartens Addition der franz. Kräfte ist auch ganz verkehrt, indem er allen Ernstes deren Sollstärke am 15. August wiederhergestellt wähnt, wobei er obendrein tendenziös 7 D. Fochs gegen die sächsische Rechte berechnet, als ob Garde und Emmich, die in Wahrheit 4–5 Divisionen auf sich abzogen, nichts zu Fochs Niederlage beigetragen hätten. Solche parteiliche Einseitigkeit schadet nur, so sehr wir die Empörung der Sachsen würdigen, daß ihr ruhmvoller Waffengang nachher von der törichten Fama bekrittelt wurde. Baumgarten macht auch solche Schnitzer bezüglich der Aufstellung Bülows und verstrickt sich so gläubig in die Klucklegende, um nur Bülow und Moltke anzuschwärzen, daß wir ihm nur Wert bezüglich Ehrenrettung Hausens zusprechen. Daß er sogar von der Sachsenschlacht nichts genaues weiß, entnehmen wir der Erstaunlichkeit, daß er den Heldenkampf des 104. und den ganz ungewöhnlichen Verlust der Leipziger Artillerie mit keiner Silbe erwähnt. Selbst seine Beigabe des Hausenschen Verlustes beanstanden wir insofern, als er seinem geliebten 12. K. einen Hauptverlust zuschanzt, dem 19. K. einen geringen, was nach der ganzen Sachlage unmöglich ist und vermutlich darauf beruht, daß 104. einfach bei 23. D. vor Sommepuis mitgezählt wird. Dagegen ist diese amtliche Gesamtziffer insofern lehrreich, als sie sich aufs Haar mit unserer eigenen Tabellensumme deckt. Was beweist dies? Daß unsere Annahme der zum Schlagen gekommenen Kräfte richtig ist, d. h. nur die von uns nach den V. L. berechneten Teile fochten. Drei Kompanien von 100. verzeichnen z. B. nur 25 Mann, sie blieben also wahrscheinlich bei Sommesous, und derlei mehr. Da Baumgarten unverzagt das ganze 7. und 10. K. und 10. R. K. im Feuer wähnt, natürlich auch das ganze 3. und 9. K. Klucks am Morin, nebst allein andern Unfug der Klucklegende, so muß er schon verzeihen, wenn wir seinen Versuch, die sächsische Stärke durch angeblichen Strapazenabgang herunterzuschrauben aus Unkenntnis oder vorgefaßter Absicht erklären. Man hörte eben die Glocken läuten, mit welcher Minderzahl die Deutschen fochten, möchte aber den wahren Grund dafür nicht eingestehen, weil dabei die gebenedeite Führung schlecht wegkommt. Wir tragen bei unserer genauen Abschätzung allen Umständen genaue Rechnung und liefern das Ergebnis, daß unter Abrechnung des Augustverlustes ungefähr 190 000 (von hier verfügbaren 400 000) Deutsche gegen 600 000 Alliierte inkl. 21. K. und Kav. K. Conneau im Feuer waren. Unter Abrechnung von Algirern und drei R. D., außerdem der meisten Engländer als bloßen Statisten, summa summarum 500 000, was bescheiden ist. Die Übermacht war am erschreckendsten auf Linie Rebais–Gault, wo 35 d. Bataillone gegen 120 franz. fochten, ohne 72 englische zu rechnen, von denen nur etwa 12 ins Feuer gelangt sein mögen. Jetzt wird auf einmal vieles klar, und würde solche Statistik genügen, um einen ungünstigen Ausgang für Bülow zu erklären, während bei normalem Truppeneinsatz der verfügbaren Massen von Oise bis Maas das richtige Stärkeverhältnis von 6:8 den Deutschen sicheren Sieg versprach schon in Anbetracht ihrer schweren Artillerie. Doch der Schlachtverlauf war derartig, daß keine Sünde der deutschen Führung die Kriegstugend der deutschen Truppen lähmen konnte, und nur eine militärische Totsünde einen wirklichen vollen Sieg in Scheinniederlage verwandelte. Den braven Truppen blieb der Grund verborgen, warum sie sich gegen solche Überzahl opfern mußten, doch sie hätten Wellingtons Wort wahrgemacht: »Mache ich Fehler, so reißt mein Soldat mich heraus.«

Der Vorwand riesigen Strapazenabganges ist um so unsinniger, als dies doppelt für den mühseligen Rückzug der Alliierten gelten müßte, was wir bei der Stärkesumme beiderseits nicht berücksichtigen. Ihre Stimmung war nichts weniger als schlachtlustig. Als die Deutschen keck drauflos marschierten, fanden sie am 4. nirgends Widerstand, obschon der Vormarsch mit schreiender Unregelmäßigkeit erfolgte. Nach dem Gefecht bei Sommepy, von dem kein Bericht meldet, das aber laut V. L. ziemlich lebhaft war, blieb 16. D. im Vorgehen längs einer Biegung des Marnekanals, von 15. D. war nichts zu sehen außer 160., das bei Maison de Champagne nordöstlich Chalons gleichfalls in Kampf geriet. Langle, obwohl für Foch geschwächt, war also der Einzige, der wenigstens mit seiner Linken den Feind aufhalten wollte. Doch zog er vor, das Waldgebiet von Vitry zwischen sich und den Verfolger zu bringen. Seine Nachhut bog offenbar auf Vitry aus, weil am 3. die sächsische Vorhut (12. Jg., 12. P. und 18. Ul.) bei Mourmelon und Moronvillers nicht ohne Verlust eine Seitenhut vertrieb und 106. und 107. des Leipziger Korps schon am 6. über Chalons lange Beine machten. Statt Verspätung eines Schneckengangs, wie die Fama munkelte, schlugen die Sachsen ein Sturmtempo ein, doch der lange Schweif ihrer Gruppenzerteilung schleppte sich erst hintereinander abrollend durch die Ebene. Die Leipziger 24. D. griff schon Vitry an, als das Dresdener K. sich erst weit nördlich Sommesous näherte. Das R. K. war überhaupt nicht zur Hand, noch weniger die L. W. D. Bei der 4. A. trieb man erst am 5. einige Spitzenbataillone zum Kanalrand vor, das Gros war noch in weitem Rückstand. 4 sächsische Schwadronen kundeten so keck südwärts aus, daß die Franzosen hier die sächsische »8. K. D.« glauben, die leider nicht da war. Man nahm regen Bahnverkehr auf der Linie Brienne-St. Dirier wahr. Hessische Schwadronsvedetten sprengten bis Heiltz le Mauropt, seltsamerweise machten auch Zietenhusaren einen weiten Ritt in die Champagne. Doch weder diese, noch Marwitz' 2. Dragoner, die La Ferti Gaucher am Gr. Morin berührt hatten, brachten richtige Aufklärung, daß der Feind zwischen Morin und Marnekanal schlachtbereit stehe. Die Reiterei löste ihre Aufgabe ähnlich schlecht, wie vor der Schlacht St. Privat–Gravelotte, wo Moltke den dicht vor ihm in ausgewählter Stellung lauernden Feind im Abzug zur Orne wähnte.

Sein Neffe gab am 3. die Parole »Feind südöstlich von Paris abdrängen«, dessen Rückzug über die Seine er einfach voraussetzte. An diesem Tag überschritt Bülow die Marne bei Dormans; 1. G. Ul. öffneten den Weg am Petit Morin. Hülsen »blieb im Quartier«, wie Bülow schreibt, erst am 8. durchzog 79. R. Reims, und wenn Einems 14. D., der doch als Rechte Bülows den kürzesten Marsch zum Morin hatte, nur mit einer Vorhut später eintraf, liegt auf der Hand, daß nur Emmichs 19. D. rechtzeitig die Kampfzone erreichte, ihre 73er schon sehr früh bei Montmirail. 1. G. D. bei Epernay befand sich voraus im Vormarsch bei Vertus, 2. G. D. wegen Aufenthalt bei Reims weiter zurück. Da Marrwitz und 17. D. den nördlichen Marnebogen eilig überschritten, stießen am 5. zwischen Gondsumpf und Cressywald nur zwei Divisionen und 73er nebst den Kavalleriekorps auf die Armeen Foch-Esperet-French. Ein sauberer Anfang! Von Klucks 3. K. befanden sich erst am 8. die 48er bei Montmirail, wohl nur mit einer Spitze, denn sie verloren im ganzen Monat nur 147 Mann. II/12. scheint als Bedeckung der 5. Art. Brig. den Petit Morin überschritten zu haben; es hatte schon früher als Vorhut bei Cotterets gefochten und verlor im September 320 Mann, konnte also hier im Geplänkel mit Teilen der D. Petain höchstens 200 eingebüßt haben. Das Gerede von seinem heißen Gefecht bei Schloß Moncaux gehört zu den Phantasten des Romanschriftstellers Bloem, Hauptmann d. R., der nachher die »Trümmer« der 22. R. D. bei Trocy sah, die überhaupt nur 1200 verlor. – Dies Bataillon und Lotterer's Art. wandten sich südwärts zum Ourcq nach Trocy; vier Bat. der 6. D. standen dort bereits seit 4. bei Betz, die 6. D. blieb dauernd am Ouvry, die 5. D. »nördlich der Marne«, wie ein Heerbericht Moltkes ausdrücklich angibt. Da also die Sage vom 3. K. am Morin erledigt, darf man sich nicht wundern, daß das Phantom des 2. und 4. K. am Gr. Morin gleichfalls sich in Dunst auflöst. Sogar die Vorhut der 4. Kav. D. streifte erst am 3. bis Pontoise 30 km von Paris, man kann sich denken, wie weit dann noch das Fußvoll zurück war. Es liegt auf der Hand und der Karte, daß Kluck bestimmt nicht am 5. Meaux erreichen, geschweige denn jenseits südlich des Gr. Morin aufmarschieren konnte. Geradezu ergötzlich ist die Vorstellung, daß Korps Armin am 5. die Stadt Provins nördlich der Seine erreichte! Aus diesem groben Unfug amtlicher Angabe wucherte das Unkraut der Legende fort. 0b am Dorf Les Provins zwei Tagemärsche davon möglichenfalls II/27. angelangt sein mag, dessen Umkehr zum Ourcq gemütlich aufs ganze Korps übertragen wurde? Vielleicht verwechselte man auch Marwitz' 4. Jäger bei Rebais mit 4. K. Nur ein naivster Laie hält für möglich, daß man, so weit südlich vorgeprallt, also zweifellos in heftiger Verschlingung mit dem Feind, sich sofort loslöste und an Frenchs Front vorbei am 7. den Ourcqkampf speiste nach einem Marsch von 50 km mit zwei Flußübergängen! Das schönste ist aber, daß Hauptteile Armins schon am 6. am Ourcq fochten, sie müßten also förmlich durch die Luft geflogen sein. Weiß doch auch keine Verlustliste vom Handgemeinwerden Linsingens mit French bei Saignets, was sich schon dadurch erledigt, daß Frenchs Nachhut bereits auf Haute Maison und Choisy weit südlicher zurückwich. Nur II/14. der Bromberger 4. D. erreichte am 5. Meaux und die Bromberger erschienen am 6. und 7. nach und nach in der Ourcqlinie bei Azy, übrigens nicht vollständig. Von der 3. D. langte 42. an, alles übrige später bataillonsweise; 2. Rgt. verlor 23 Mann, Kluck bestätigt, daß es nie eintraf. Das Rätsel löst sich aber sehr einfach, 4. K. und 3. D. lagerten südlich Compiegne, 4. D. war im Vorrücken zum 4. R. K., das weit voraus stand. Von Armin erreichte nur 93. bei Lizy das Weichbild von Paris, der ganze Vorbeimarsch an Paris ist Sage. Daß der Kanonendonner vom Ourcq her die Luft erschütterte, ist nicht verwunderlich. Hörte man doch später jahrelang das Geschützgetöse aus Noyon in Paris. –

Ob Joffre sogar bis Morvan–Dijon–Besancon südöstlich retirieren wollte (Le Gros), sei dahingestellt. Schon Zurückfallen zur Linie Bar le Duc–Brienne bedeutete Aufgeben Verduns. Jedenfalls überwog Defensivtendenz. Daß der Rückgang unmittelbar vor entbrannter Marneschlacht gestoppt wurde, entsprang schwankender Beirrung durch Gallienis Hilferufe für Paris und der Hoffnung auf entlastende russische Erfolge, gestützt auf falsche Mitteilung, daß große deutsche Massen aus Belgien nach Ostpreußen verladen seien. Ob die furchtbare Niederlage bei Tannenberg, den deutschen Truppen schon früh bekannt und ihren Mut hebend, Joffre erst spät zu Ohren kam? Tatsächlich befand sich aber Rennenkampf auch schon im Rückzug während der Haupttage der Marneschlacht. Wir kennen in der Kriegsgeschichte keine mißlichere Lage und beklommenere Stimmung als die der Alliierten vor dem neuen teils unvermuteten, teils improvisierten Zusammenstoß längs der ganzen Linie Verdun – Paris.

Die 6. A. bereitete sich auf ihre »entscheidende« Rolle damit vor, daß sie das bis Versailles geflohene C. C. Sordet auf 18 Esk. herabsetzen mußte (von 54). Es wimmelte von Nachzüglern, Drückebergern, Verratschreiern besonders bei 5. A., sie befand sich in unbeschreiblicher Unordnung und Erschöpfung mit bewegungsunfähigen Trains. »Viele Soldaten verließen die Fahne«; Laurezac erklärt geradezu, noch nie sei ein Heer in solcher elenden Verfassung gewesen. French schrieb früher, Dorien sei ruiniert, jetzt nannte er auch Haigh höchst »beunruhigend«. Obschon 9. und 4. A. nicht ein so krasses Bild boten, hatten doch auch sie schwierigen Rückzug hinter sich mit allen Folgeerscheinungen. Demgegenüber blickten die Deutschen zwar auf übermäßige Märsche, doch lauter Siege zurück und erstrebten erfolgsicher eine hoffnungsvolle Entscheidung. Man findet in der Geschichte kaum ein Beispiel, wie das Schicksal eine scheinbar unumstößliche Kausalität vorliegender Chancen ins Gegenteil verkehrte. Muß da nicht jeder Vernünftige von vornherein annehmen, daß nur unglaubliche Schwächen deutscher Heerführung etwas so Unglaubliches herbeiführten? Joffres »Anweisung 5« und Depesche an den Kriegsminister trösteten sich damit, die strategische Lage sei ausgezeichnet; doch beim Scheitern dieses letzten Versuchs ständen die schwersten Folgen bevor, darüber macht er sich keine Zweifel und verhehlt nicht, daß er Vabanque spiele. Nun, dem Kühnen hilft das Glück, warum? Weil jede Entschlossenheit mehr Aussicht hat als Unentschlossenheit, selbst wenn erstere die schlechten und letztere die guten Chancen hat. Wille der Führung, daran liegt alles. Willenlosigkeit des Führers wird Unwille der Truppe.

Man staunt über die Zuversicht des Kriegsrats in Bar sur Aube, daß Maunoury die Deutschen überraschen und in eine Falle legen wollte, falls sie zur Seine vorrückten. Doch der ganze Plan gründete sich auf Irrtum, denn Moltke befahl bereits Einschwenken der 1. und 2. A. auf Paris, so daß Maunoury nie wirklich gegen »Flanke und Rücken« Klucks wirken konnte. Bei frontalem Abringen war selbst größte Übermacht voraussichtlich nicht imstande, auch nur ein deutsches Korps rechtzeitig zurückzudrücken, ehe ihm Hilfe kam. Daß Maunoury 140 000 gehabt habe, selbst inkl. das erst ganz zuletzt eingreifende K. Boelle, ist unhaltbar, denn seine meisten Truppen waren schon vorher arg mitgenommen, in den ersten Schlachttagen hatte er schwerlich ansehnliche Überzahl. Bei French schien nur das unvollzählige 3. K. noch operativ verwendbar. Le Gros gibt zu, daß Verspielen der Marneschlacht jedes Wiederaufrichten unmöglich gemacht hätte. Laut Pierrefin, der es wissen müßte, verschleierte Joffre grundsätzlich jede Niederlage. Galieni's Erinnerungen bestätigen es. Er hielt auch vor der Infanterie geheim, daß die »Munitionslage« kritisch sei. Beim 9. K. Dubris gab es Ende September keine Granaten mehr. Wie möchten Joffre und Gallieni vor sich selbst ihre plötzliche Hoffnungsfreudigkeit verantworten? Oder wars nur Maske der Verzweiflung?

Bei Senlis sollen schon 56. R. D., Alpenjäger, »Marokkaner« (Kuhl, lies Zuaven) sich eine Niederlage geholt haben. Das ist, obschon es abends zu Häuserkampf kam, wohl übertrieben, da dort nur 49er den Feind warfen. Immerhin hatte Maunoury jetzt nur noch 45. D. frisch und im ganzen fochten von verfügbaren 137 Batl., 18 Feld- und 2 Fußart. Rgt. der 1. A. – inkl. L. W. Brig. Schulenburg, L. W. bei Creil ungerechnet – nur 77 Batl., 11 Feld- und 2 Fußart. Rgt., wovon etwa 26 mit 3 Art. Rgt. unter Bülow am Morin. Am 9. abends dagegen hatte Kluck nicht weniger als 100 Batl., 12 Art. Rgt. am Ourcq, womit er den ohnehin zerschlagenen Maunoury vernichtend erledigen konnte. Dessen Stärke wird deutscherseits lächerlich überschätzt; ein Neutraler redet von » 4 aktiven Korps«, soll heißen 4 Div.; Bülow weiß von »5 R. D., andern Formationen und Alpinbrigaden«. Dies alles schrumpft auf 4 R. D. ein, dabei Reste des K. Amade und der Liller Territorialen. Am 3. irrten Trümmer von solchen Divisionen in Paris umher, der unglaubliche Sordet soll bis hinter die Seine geflüchtet sein. Da 61. bei Creil blieb, nur 4 R. D. am Ourcq, davon 63. neu aus Paris, dazu eine Pariser Zuavenbrig. und anscheinend noch eine andere, sowie zwei Alpinbataillone, Sordet verstärkt durch eine provisorische Kav. Brig., das Ganze schwerlich stärker als 110 000; man vergißt wieder, daß 4 K., von Sarrail entliehen, erst ganz zuletzt eingriff und im August furchtbar litt, auch 14. D. nicht unberührt blieb, auch nicht Lamaze. Abzüglich des Augustverlustes waren die am 9. vereinten Teile Klucks ungefähr gleich stark. Es wäre also kein Heldenstück gewesen, diese bunt zusammengewürfelten Truppen gründlich aufs Haupt zu schlagen. Wenn Kluck sich für seine Leute in die Brust wirft, so bot man ihm ja dies Eigenlob auf dem Präsentierteller an. Man entblödet sich nicht, die Leistung der 1. A. als mustergültig zu preisen, teils aus reiner Unkenntnis, teils aus Reklamebedürfnis. Vergleicht man damit gefechtsstatistisch die Leistungen der andern deutschen Truppen, so kann man nur die Achseln zucken. Und da das 2. und 4. K. wahrlich vorzüglich waren, so lag es eben auch taktisch an mangelhafter Führung. Bedenkt man freilich, daß nur 30 Batl. des 2. und 4. K. bis 9. neben dem 4. R. K. fochten, so wundert man sich auch hier nicht sonderlich über das schwache Ergebnis, obschon die Deutschen an andern Stellen gegen viel größere Übermacht viel mehr ausrichteten. Wäre Kluck am 7. vereint gewesen, so war der Sieg aufgelegt, selbst am 8. hätte Bülow nicht die Ausflucht gehabt, Sorge um die 1. A. zwinge ihn zum Rückzug. Aus so abscheulichen Freveln gegen Grundgesetze des Krieges noch gar einen Ruhmesanspruch zu deichseln, blieb einer Tatsachenfälschung vorbehalten, die ihresgleichen sucht. Und da wagt Baumgarten noch von einer »schleichenden Legende« contra Kluck zu reden! Uns ist zwar nichts davon bekannt, aber es würde uns freuen, wenn es noch andere Klarblickende gibt. – Die große Lässigkeit der saumseligen Verfolgung Herzog Albrechts wird auch vertuscht. Nur so war es möglich, daß er und Hausen am 6. einverstanden waren, der Feind werde nicht standhalten. Sein Kavalleriemangel entschuldigt Hausen, daß er nicht schon früher die Lücke bei Mailly entdeckte, was der Schlacht sofort eine entscheidende Wendung gegeben hätte. Wenn Joffre als ungerechtes Zeichen des Mißvergnügens die ganze Linke Langles abtrennte und sie dem bisherigen Korpschef Foch zu selbständigem Kommando übergab, so verbürgt Teilung wohl handlichere Beweglichkeit, nicht aber Einheitlichkeit des Handelns. Langle mißachtete Joffres Rückzugsbefehl und verharrte zu lange bei Sedan, weil er taktischen Vorteil davon erwartete, und an Ruffeys längeres Behaupten der südlichen Maasstrecke glaubte. Vielleicht getäuscht durch optimistische Rapporte, ebenso schädlich wie pessimistische, im Krieg, verfängt immer nur Wahrheit. Hiernach war es unmögliches Ansinnen, wenn Joffre von Langle Festhalten der Vesle verlangte. Er mußte froh sein, Vitry zu erreichen, ehe sich die Sachsen durch die Champagne ergossen. Da aber seine Rechte am Ornain ungefährdet blieb, bezog er ungehindert seine neue Stellung. Seine Flanke hielt er für gesichert durch die Linke Sarrails, die aber bald durch den Kronprinzen bis zum Ornain zurückgetrieben wurde, eine peinliche Überraschung. Da aber die 4. A. sich nicht sputete, hielt sich Langles Linke länger als denkbar, da sie sonst im Nordwesten aus den Angeln gehoben sein würde. Er wollte im Camp d'Attila in den Katalaunischen Feldern keine historischen Erinnerungen gegen »neue Hunnen« heraufbeschwören und zog sich östlich zusammen, hob aber so den Zusammenhang mit Foch auf, der seinerseits Gond–Sumpf hinter sich ließ und eine zu gedrängte Aufstellung nordwärts bezog. Er verließ die napoleonischen Siegessäulen bei Vauxchaps-Champaubert, um sich in einem Bergtaltrichter zerklüfteten Geländes zu vertiefen, wo der alte Schlachtname Champenoise ein böses Omen bedeutete. Beide Heerführer handelten nach rein taktischen Gesichtspunkten und ließen die strategische Rücksicht außer acht, daß zwischen ihnen eine weite Lücke bei Mailly entstand, nur notdürftig durch 9. Kav. D. gestopft. Die voraussprengenden Husaren Hausens erkundeten diese klaffende Leere, doch vorläufig waren allein eilende Leipziger nach Vitry eingedreht und es brauchte Tage, ehe er Kräfte heranbugsierte, um bei Mailly durchzustoßen. Dies war nachher seine wohlerwogene Absicht, wieder hing sich ihm aber Bülow wie ein Mühlstein an.

Wegen unzureichender Kenntnis der Marschlage ordnete Moltke am 4. an, 4. A. solle auf Chalons marschieren, an sich ganz richtig, da allgemeine Rechtsschwenkung nottat, doch unausführbar, weil die Schlacht so jählings anhob, daß man keine überdachte Schlachtlinie herstellen durfte. Ob auch Bülow den bestimmten Eindruck hatte, der Feind ziehe ab, ist fraglich, jedenfalls wurde er am frühesten eines Besseren belehrt. Nie gab es ein krasseres Beispiel improvisierter Begegnungsschlacht. Nur eins begünstigte die Deutschen: Frenchs beispiellose Schlaffheit. Am 20. Aug. noch 200 km von Paris entfernt, stand er nach neun Tagemärschen schon bei Coulommiers südöstlich von Paris. Nachdem er treuherzig funkte, er habe bei Mons nur 2000 (!) verloren, heischte er von Joffre, er müsse fortan einen Tagesmarsch hinter den Franzosen bleiben, um völlige Vernichtung zu vermeiden. Joffre vertröstet ihn mit Maunoury, nichtsdestoweniger bekannte er sich auch am 6. unfähig, die befohlene Vorbewegung auszuführen. Dies Datum stimmt, denn Foch und Langle erhielten erst am 5. abends Angriffsbefehl, Joffres Angriffsdisposition ist also dem Sinne nach apokryph, denn dies bezog sich nur auf Gallienis Eingebung, Maunoury vorstoßen zu lassen. Die Zusammenstöße am 5. waren gegenseitig Überraschungen. Jedenfalls wich French vor Richthofen noch weiter südwärts, wobei er die Gardejäger vielleicht für das Gardekorps hielt, denn was wäre bei dieser Nebelhaftigkeit nicht möglich, die allen Ernstes gewaltige deutsche Übermacht sah, als Marrwitz und 4. Jäger am Cressywald vorgingen und reitende Artillerie über die Morinufer zielgerecht das englische Lager beschoß. Später stimmte er solche Klagelieder an, daß er die Hälfte des Korps Boelle entlehnte, das doch zu Maunoury stoßen sollte, und es erst am 8. freigab. Von seinem 1. und 2. K. hatte er nach dem Rückzugsunglück eine so geringe Meinung, daß er später nur das frische 3. K. vorzuschieben wagte. Natürlich kam ihm später die Klucklegende sehr zu statten, die sein Zurückweichen vor 2., 3. und 4. K. entschuldigt, von welchen kein Mann je am Gr. Morin war! Man ergründet nicht, wer zuerst diesen Schwindel aufbrachte, ob Entente-Erfindungen, deutsche Berichterstatter oder deutsches Geschwätz die Ententehistorie dazu begeisterten. Fremde und eigene Interessen arbeiteten sich gegenseitig in die Hände. Aus Klucks unklarem Buch wird man nicht klug, Bülow paßt sich aus tendenziösen Ursachen so genau der Legende an, daß er es fertig bringt, auch noch die Hälfte 4. R. K. bei Meaux übergehen zu lassen, was nicht mal die kühnsten Phantasten sonst wagten. Wenn man so feststehende Tatsachen fälschen kann – daß 4. R. K. vereint in Richtung Dammartin stand, darüber besteht kein Zweifel –, darf man getrost weiterdichten. Besonders lieblich wird aber der Eindruck, daß die Kluck-Verehrer ihm lauter Dinge zu seinem »Ruhme« zuschieben, die höchst verwerflich und obendrein unmöglich wären. Wäre Kluck von Maunoury völlig überrumpelt worden, so wäre dies sträfliche Unvorsichtigkeit. Nun befand sich aber ein Hauptteil der 4. Kav. D. (Teile auch im Westen nebst 9. und 10. Jägern) westlich der Marnesehne, 6. Ratiborer Husaren voraus, und hätten natürlich längst das Vorhandensein einer Pariser Armee festgestellt. Das 4. R. K. ist weder überrumpelt worden, noch war es isoliert, sonst hätten nicht schon am 6. Teile des 2. und 4. K. bei ihm gefochten. Da aber Kluck die »Bedrohung« durch Maunoury hinreichend kannte, hätte er ein Kriegsgericht verdient, wenn er trotzdem an dessen Front vorbei gemütlich jenseits nach Süden gezogen wäre. Seine spätere Ängstlichkeit lehrt zur Genüge, daß solches Verfahren ihm fern lag. Doch es kommt noch schöner. Moltke hatte ihm ausdrücklich in Direktive für 5. befohlen, »zwischen Oise und Marne« zu bleiben und sich gegen etwaige Ausfälle aus Paris zu decken, seine Aufgabe sei dauernder Flankenschutz der ganzen deutschen Front. Er hätte also dem Befehl auf eigene Faust zuwidergehandelt. Jetzt stößt man wieder auf unlösbaren Widerspruch. Laut Bülow habe Kluck vorgeschlagen, sofort bis zur Seine durchzustoßen gegen Bülows Willen und als eigene Wurfziele Coulommiers–Saignet angegeben, auf Bülows Protest geantwortet, er könne seine Bewegung nicht mehr einstellen. Zitiert Bülow richtig, so scheint allerdings bewiesen, daß Kluck diese Absicht hatte, nur daß Bülow irrig die Marschziele als erreicht annimmt. (Man vergesse nicht, daß nur Truppen Klucks, nämlich Marrwitz und 9. K. in jener Gegend standen, Bülow also lediglich, selbst wenn er emsig nachforschte, auf Mitteilungen der 1. A. angewiesen war, die ihm gewiß nicht klaren Wein einschenkte). Das »Umkehren« Klucks erscheint also jetzt dahin geklärt, daß tatsächlich Teile 2. und 4. K. (14. und 26. J.) sich auf Marsch nach Meaux befanden, doch auf Hilferuf des 4. R. K. zu ihm eilten. Spitze 4. K. bei Rebais? Verwechselung mit 4. Jägern. Auf Kuhls Karte steht es schon viel nördlicher bei Ferté Gaucher, auch von dort konnte es bei solcher Entfernung erst am 7. am Ourcq eingreifen, geschweige denn von Rebais oder gar Provins, und zwar teilweise bei Betz im äußersten Westen. Tatsächlich kämpften aber schon am 6. Teile Armins am Ourcq. Keinesfalls befanden sich 2. und 4. K. am Gr. Morin, wenn sie am 6. schon 60 km nördlich davon fochten! So schrumpft die »glänzende Parade« auf reine Selbstverständlichkeit ein, die ohne jede Schwierigkeit auf nahe Entfernung eintrat. Es befremdet schon, daß Klucks Hauptquartier im Ferté Milon lag, also weit nördlicher als Bülows Hauptquartier Montmort. Wenn man so einschneidende Maßnahmen auf eigene Verantwortung ergreift, pflegt man sich in der Nähe zu halten. Klucks Stabschef Kuhl behauptet, das A. Kommando sei mittags in Rebais angekommen, meint aber offenbar nur sich selbst, zur Auskundung vorauseilend. Denn Kluck selber erzählt, er habe persönlich aus Ferté Milon II/24., Bedeckung seines dortigen Hauptquartiers, zum Ourcq abgeschoben. Dorthin marschierte überhaupt die 6. Div., denn Vorposten von III/35., III/64. und II/20. standen sogar schon am 4. bei Betz im äußersten Westen. Auf Kuhls Karte liegt Linsingen am 5. südlich Trilport, von dort im »Nachtmarsch« mittags Acy zu erreichen ist unmöglich, zumal er bestimmt erst morgens aufbrach, da man nicht früher sichere Kunde vom 4. R. K. erhielt. Trennung des 2. K. beidseitig 4. R. K. macht genügend klar, daß 4. D. von Senlis nach Acis, 3. D. über F. Milon nach Vareddes marschierte. Da ferner das am weitesten voraus befindliche 9. K. bei Esternay Halt machte, so ist sinnlos, 3. K. schon südlich des Gr. Morin zu glauben! Wir können uns daher nicht helfen, auch die von Bülow zitierte Mitteilung Klucks für irgendeinen Gedächtnisfehler Bülows zu halten, auch mag Kluck die mitgeteilten Marschziele sofort in Weisung an Armin und Linsingen widerrufen haben. Denn wie soll man vollends verstehen, daß er einem englischen Interviuer beteuerte, er habe sich dreimal geweigert, die Marne zu überschreiten! Weder Moltke noch Bülow befahlen ihm so etwas, wollten vielmehr das Gegenteil. Also erkennt Kluck die schwachen Punkte der ihm gewidmeten Reklame und will sich von einem Fehler reinwaschen, den er nie beging, indem er zugleich die Kritik auf den toten Moltke verweist. Diese Kritik, die seinen angeblichen Marneübergang schonend rügt, aber dafür sein fabelhaft schnelles Einrenken des »Fehlers« verherrlicht, sieht wieder den Wald vor Bäumen nicht. Denn hätte Kluck wirklich mit 2., 3., 4. und 9. K. vereint am Morin gestanden, so hätte er sich zwar groben Ungehorsams schuldig gemacht, doch sich Unsterblichkeit erworben, weil er mit genialem Instinkt das Richtige traf. Wir können seine Ansicht, wenn sie je bestand, keineswegs tadeln. Maunoury hin Maunoury her! Sein Bluffmanöver war ein reiner Verlegenheitsakt und gehört zu denen, von denen Napoleon sagte; »Geht der Feind dort vor, so würde ich ihm glückliche Reise wünschen, er wird schneller zurückkehren, als er kam.« Gingen 4. R. K. und 6. D. Schritt für Schritt fechtend zur Aisne zurück, wohin ja auch 9. R. K. im Anmarsch war, so würde selbst das entschlossenste Vordringen hier gar nichts genützt haben, falls inzwischen oer große Schlag gegen die verbündete Hauptmasse fiel. Noch mehr: Maunoury hätte sich eiligst nach Paris gerettet, um der Umgarnung zu entgehen, da er ganz in der Luft schwebte, wenn inzwischen Esperet zertrümmert wurde. Und das wäre geschehen, wenn Kluck vereint am großen Morin losschlug. French wäre natürlich wieder Hals über Kopf abgezogen, an Fortsetzung der Schlacht bei Foch und Langle war dann schon am 7. nicht mehr zu denken, die Marneschlacht wäre in ein verzweifeltes Rückzugsgefecht Joffres ausgeartet. Wenn also Kluck am Morin den Arm zum Schlag erhob und ihn dann kraftlos sinken ließ, dann beging er ein militärisches Verbrechen kleinlicher Mittelmäßigkeit, die nur am eigenen Wohlergehen klebt, ohne Rücksicht aufs ganze und auf entscheidenden Sieg Deutschlands verzichtet, weil ihr möglichenfalls ein Korps verloren gehen könne. Wir könnten uns nichts Traurigeres denken, als diese 35 oder 50 km Rückmarsch der abgehetzten Truppen gegen vermeintliche Gefahr. Aber wozu sich aufregen! Es ist ja alles nur ein Nebelstreif. Nie hat Kluck den Hin- und Rückmarsch ausgeführt, sintemal er der örtlichen Lage nach nicht mal Meaux am 5. erreichen konnte, seine »glänzende Parade« und sein divinatorisches Hellgesicht – so ähnlich schreibt der Schweizer Bircher, man glaubt zu träumen, – schrumpfen darauf zusammen, daß er bei Maunourys Angriff endlich seine Armee zu vereinen suchte, was ihm erst am 9. gelang. »Meine Armee war gerettet«, rühmte er sich. Ja, sie war gerettet, da sie keiner Rettung bedurfte und die Marneschlacht verloren zu unwiderbringlichem Schaden Deutschlands, das bis zuletzt an diesem Scheitern schneller Besiegung Frankreichs krankte. Fahr wohl für immer, schöne Leiche!


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