Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Erste Liebe.


1.

Verglimmend knisterten die Flammen in dem Kamin des wirthlichen Stübchens, prasselnd, vom Winde getrieben, flog der festgefrorne Schnee gegen die Scheiben, und das Licht, dem Verlöschen nahe, von dem Luftzug ergriffen, der durch das Fenster drang, warf seltsam verzerrende Strahlen auf das wohlgetroffene Bild des Rittmeisters Leideck, dessen Wittwe mit sorgendem Gemüth an einem kleinen Tischchen saß, und aufmerksam der funfzehnjährigen Tochter zuzuhören schien, welche, eifrig bemüht, die Angst zu verhehlen, die ihre Brust beengte, mit lauter Stimme der Mutter vorlas.

Nur zuweilen stahl sich ein Blick der Jungfrau über die Bibel hinweg, und streifte sorglich das erblaßte Gesicht der Mutter, diese wich dem flehenden Auge des Mädchens aus, und winkte mit der Hand, fortzufahren.

Doch als die Glocke auf dem nahen Thurme 12 Uhr schlug, war die Erschütterte nicht länger mächtig zu verhehlen, was sie litte. –

»Lege die Bibel hin, Sophie,« – sprach sie, – doch einen Blick auf die, eben erst von einer schweren Krankheit Genesene richtend – setzte sie beschwichtigend hinzu: »der Druck ist klein, er möchte Deinem Auge schaden.«

»O meine Mutter« – rief Sophie – »warum verbirgst Du mir die Angst, die Deine Brust zerreißt? – Du willst die kaum Genesene schonen, und denkst nicht an Dein eigenes theures Leben! – Sprich, denn mehr als Alles quält mich Dein Schweigen.«

Die Mutter hielt sie umfaßt, und sprach, in Thränen ausbrechend: »Soll ich mit meiner Angst auch Dich noch quälen, Du geliebtes Kind? seit 6 Stunden ist Ferdinand abwesend – er versprach nach neun Uhr wieder zu kommen – nun ist Mitternacht vorüber, und vergebens harren wir seiner! – Ich bin gewiß, wir ängstigen uns umsonst, denn was sollte ihm – dem blühenden Jüngling – auch zugestoßen seyn? Allein eine unerklärliche Bangigkeit bedrückt mein Herz, und jeder Schlag der Stadtuhr ist mir ein Dolchstoß in die Brust. Das Ungewohnte mag es seyn, was mich so quält, da Ferdinand sonst nie so lange wegzubleiben pflegt, doch ist es wohl möglich, daß er mit seinem Freunde Berg in irgend eine Gesellschaft gerieth, von welcher er – durch einen Zufall abgehalten – nicht loskommen kann.«

»Nein, Mutter, nein,« rief Sophie schmerzlich, »das ist es nicht! Berg kennt Dein sorgendes Gemüth, er achtet die stille Ordnung unsers Hauses, er hält ihn sicher nicht zurück! Und – wenn selbst – glaube mir, Ferdinand ließe sich nicht halten. O Mutter!« fuhr sie leise und bittend fort – wirst Du zürnen, wenn ich Dir alles sage; was ich in diesem Augenblicke fühle?« »Sprich, mein Kind,« antwortete die Mutter, erschrocken in das bleiche Antlitz des Mädchens schauend. Die Arme fest um ihren Nacken geschlungen, flüsterte nun Sophie zu ihren Ohren gebeugt: »Die innere Stimme, der Du nie glauben wolltest, wenn sie ein uns bedrohendes Unglück verkündete, flüstert mir wieder, wie an jenem Tage, wo der Vater in der Schlacht fiel, zu – wir werden abermals einen großen Schmerz erleben!«

Und nun laut schluchzend, rief sie, das Haupt an der Mutter Busen pressend: »Ferdinand, ich fühl es, kommt nie wieder!« Entsetzt fuhr die Matrone empor, die wie im Innersten zerschmettert vor ihr stand. »Ja, Mutter!« – fuhr sie fort – »sey gefaßt, schon als Ferdinand von uns ging, fühlte ich jenen siechenden Schmerz mir die Brust zerschneiden, der seit der Krankheit mir geblieben. Doch weil Du das immer Aberglauben schiltst, schweig ich, denn es quält mich, soll ich über etwas streiten, wovon ich die Ueberzeugung so tief in der Seele fühle. Selbst die heiligen Worte, welche ich Dir las, übertäubte das unglückweissagende Gefühl in meinem Innern nicht – ja, ja, und eben jetzt.« Durch ein Geräusch, welches im Hause entstand, unterbrochen, schwieg Sophie; doch als nun heftig die Klingel angezogen wurde, und die Mutter, zwischen Freude und Schmerz schwankend, hinauseilte, um die Thür zu eröffnen, rief sie in Todesangst ihr nach: »Fasse Dich, Mutter, fasse Dich!« Unfähig, der Hinwegeilenden zu folgen, stand sie wie angefesselt, beide Hände fest auf die Bibel gestützt , welche noch offen vor ihr lag, erwartete sie regungslos ihr Schicksal.– Da zerriß ein gellender Schrey die tiefe Stille! Mit erloschnen Augen, einer Leiche ähnlich, schwankte die Mutter herein, hinter ihr traten Männer in das Zimmer, die einen verhüllten Leichnam trugen und schweigend auf ein Bett legten. Die Mutter starrte, von Entsetzen gelähmt, unbeweglich vor sich hin. Sophie, das Grausen, welches sie ergriffen, überwindend, trat hinzu, riß die bergende Hülle hinweg; da lag des Bruders Leiche! gräßlich verzerrt, starrten die geliebten Züge sie an, die eisbedeckten Haare zeigten deutlich, auf welche Art der Tod dieses blühende Leben hinweggerafft! – Lautlos sank die unglückliche Mutter über der Leiche des einzigen Sohnes zusammen, und Sophie, beide Hände auf die von einem unsäglichen Weh zerrissnen Brust pressend als wollte sie die Schmerzenslaute zurückdrängen, welche ihren bleichen Lippen zu entfliehen strebten, hing mit sterbenden Blicken an den schönen, auf ewig erloschnen Augen des geliebten Bruders. –

*

2.

Erst als die Träger, welche, von der erschütternden Scene ergriffen, schweigend zur Seite gestanden hatten, Miene machten, sich zu entfernen, kehrte Sophien das Bewußtseyn wieder. Mit verzweiflungsvollem Tone rief sie: »O sprecht, wo, wie hat sich denn das Entsetzliche ereignet?« Da erzählten die Männer, daß ihr Bruder in Gesellschaft seines Freundes Berg auf dem Schloßteich Schlittschuh gelaufen, und plötzlich das Eis, unter seinen Füßen einbrechend, ihn aller Augen entzogen habe. Der Lieutenant Berg wäre trotz der augenscheinlichen Todesgefahr kaum zurückzuhalten gewesen, ihm nachzuspringen, und hätte mit der fürchterlichsten Anstrengung den Verunglückten wieder zum Vorschein gebracht. Vor dem Anblick des Freundes aber und seines schrecklichen Todes habe er sich so entsetzt, daß man ihn, im höchsten Grade erschöpft, in die nahe Wohnung des Wundarztes M. habe tragen müssen, wohin auf seinen Befehl auch die Leiche gebracht worden. Seit mehreren Stunden habe man nun vergebens Alles versucht, den Jüngling wieder ins Leben zurückzurufen. Da Berg in ein heftiges Fieber verfallen und gänzlich bewußtlos sey, so habe Herr M., welchen dieser genugsam beschäftigte, mit dem Leichnam keinen andern Rath gewußt, als ihn seinen Angehörigen zuzuschicken. –

Sophie hatte genug gehört.

Mit zerrissner Brust winkte sie den Männern schweigend, sie nun zu verlassen. Denn die Kraft fühlend, welche die Verzweiflung ihr gab, erhob sie das Haupt der Mutter, welches noch immer starr und kalt auf der Brust des Sohnes lag, und versuchte sie in einen Stuhl zu bringen, welches ihr auch gelang. Ihr Bemühen, sie in das Leben zurückzurufen, blieb mehrere Stunden fruchtlos; endlich schlug die Unglückliche das matte Auge auf, doch ihre Sinne waren zerrüttet. Als sie Sophien fremd anblickte, und mit heischerer Stimme fragte: ›wer sie sey ?‹ brach die Kraft des Mädchens. Mit thränenlosem Auge leitete sie die Mutter zu Bett, und saß nun bis an den Morgen, selber einer Leiche ähnlich, bewußtlos zwischen dem todten Bruder und der wahnsinnigen Mutter.

So stark wie in der Nacht ward nun die Glocke gezogen, Sophie folgte mechanisch dem gewohnten Klange, und öffnete die Thüre.

Gegen ihre Gewohnheit, schüchtern und leutselig trat ihre alte Wirthin herein, und fragte leise und freundlich: »Was war denn das heute Nacht, Sophiechen?« Da ergriff das Mädchen schweigend ihre Hand, führte sie in das Zimmer, deutete zuerst auf das erstarrte Gesicht des Leichnams, dann auf die in dumpfer Bewußtslosigkeit liegende Mutter, und nun von dem Gefühl ihres unaussprechlichen Elends übermannt, schlug sie beide Hände vor das Gesicht, und brach in einen Strom von Thränen aus. Es waren die Ersten, die sie seit dem Anblick des Todten weinte, sie wirkten wohlthätig auf ihre verwirrten Sinne, und endlich wieder fähig, zusammenhängend zu sprechen, erzählte sie der Frau Straus alles, was sich zugetragen.

Anfangs hatte die Alte, von Mitleid ergriffen, ihr freundlich Trost zugesprochen; doch nun, da Sophie sie beschwor, einen Arzt zu rufen für die Mutter, fing an der Gedanke sie zu ängstigen, ›sie könnte um die Miethe kommen«; nun erst machte sie Sophien aufmerksam, daß zu dem allen Geld gehöre, und als sich zeigte, daß ungefähr drei Thaler das ganze Vermögen der Wittwe seyen, rief sie erschrocken: »Ih du mein Gott., da müssen Sie auf der Stelle entlehnen!«

»Entlehnen?« – stammelte Sophie erblassend – »Gott! Wo denn?«

»Wo?«! rief die Alte, »ei, das müssen Sie wissen; haben Sie denn keine Freunde, keine Verwandte?« –

»Einen Verwandten habe ich wohl,« seufzte Sophie, der Graf von Hohnstein ist mein Oheim; aber als die Mutter gegen seinen Willen ihre Hand meinem verstorbenen Vater reichte, erklärte er, daß sie ihn von nun an nicht mehr als Bruder betrachten solle, denn er kenne sie nicht. Seit den 19 Jahren, die meine Mutter verheirathet ist, begegnete sie ihm ein paarmal auf der Straße, doch er ging vorüber, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Bis vor zwei Jahren, wo mein armer Vater fiel, lebten wir dürftig, aber recht glücklich, und obgleich der Oheim sehr reich seyn soll, beneideten wir ihn nicht. Ach, es ging uns oft recht schwer, liebe Frau Straus, aber die Mutter wendete sich doch nicht an ihren harten Bruder. Nun fürchte ich« – »Ei was,« unterbrach sie die Alte, gehen sie nur zu dem Grafen, er ist ein Millionair und muß Ihnen helfen.« –

Ein Tuch ihr um die Schultern werfend und die sich Sträubende aus dem Zimmer schiebend, fuhr sie fort: »Gehen Sie mit frischem Muthe, armes Kind, sagen sie dem harten Mann, daß sonst noch der Bruder seine Lieutenants-Gage mit in Ihnen getheilt habe, sie nun aber durch seinen Tod gänzlich hülflos wären; denken Sie an ihre kranke Munter. Ihre Lage muß ja einen Stein erbarmen!«

Der Gedanke an die Mutter entschied. Frau Straus versprach bei ihr zu bleiben, und Sophie eilte mit beflügelten Schritten dem Pallaste des Oheims zu. Oft schon war sie mit Zittern vorübergegangen und hatte mit Schrecken daran gedacht, wie ihr nun zu Muth seyn werde, wenn sie einmal vor den harten Mann hintreten mußte. – Doch nun stieg sie raschen Schrittes die marmorne Treppe hinan, ohne Furcht, ohne Zagen, sie machte den Gang ja für die über alles geliebte Mutter.

Als Sophie in das Vorzimmer trat und von den Bedienten, welche um ihr Begehren fragten, die frostige Antwort erhalten hatte: ›sie möge warten, bis Se. Excellenz, welche eben beim Frühstück saßen, klingeln würden,‹ fiel das drückende Gefühl des gänzlichen Fremdseyns in dem Hause ihres Oheims schwer auf ihr Herz, und je länger sie zu warten gezwungen war, je mehr sank ihr vorhin so fester Muth. In frechem Nichtsthun schritten die Bedienten auf und nieder, warfen den Papagey's Zuckerbrot in die Käfiche, und keinem fiel es bei, der armen Sophie, die still und demüthig dastand, einen Stuhl anzubieten. Mehr und mehr fühlte sie die innere Erschöpfung, und endlich, kaum mehr vermögend, sich aufrecht zu erhalten, war sie im Begriff, um einen Sitz zu bitten, als man klingelte. Die Thür öffnete sich, ein Bedienter rief heraus: »trete sie nur näher, Kleine,« und ging wieder zurück. Schwankend trat sie nun in das Zimmer des Oheims. Betäubende Wohlgerüche dufteten ihr entgegen, allmählig schwanden ihre Sinne, sie stand, sich selbst entnommen, zitternd einem alten kleinen Manne gegenüber, der, in einen seidenen Schlafrock eingehüllt, sich auf den weichen Polstern des Sopha's hin und her wiegend mit widerlich schnarrender Stimme dem Mädchen entgegenrief: »Wer ist man, was will man?«

»Ich heiße Sophie Leideck, bin die Tochter ihrer verstoßenen Schwester, und komme, Sie um Unterstützung für meine todtkranke Mutter anzuflehen,« stammelte kaum vernehmbar die Arme. – » Comment!<« rief der Graf – »todtkrank? seit wann denn?« Ihre letzte Kraft zusammenfassend, rief Sophie mit herzzerreißender Stimme »Seit heute Nacht, als man die Leiche meines ertrunkenen Bruders« – hier verstummte sie, zurücksinkend fühlte sie sich umfaßt, und wie aus fernen Welten klang in lieblichen Tönen ihrer Seele zu: »Armes, armes Kind.« Es war ihr, als entschwebe sie der Erde, ein wohlthuendes Gefühl zog durch ihre Brust. Lange war sie bewußtlos, und als nach und nach die Sinne wiederkehrten, ließ ein süßer Taumel sie nichts erkennen, als daß sie, von liebenden Atmen umschlungen, an der Brust der Mutter zu liegen glaubte. »Wie ist Dir, meine theure Sophie?« tönte es wieder mit unendlichem Wohllaut. Ihre Sinne wurden klarer, sie lauschte den Athen anhaltend mit festgeschlossenen Augen auf die Stimme, denn alles für Traum haltend, fürchtete sie, alles möchte, schaue sie empor, wieder schnell verschwinden. Eine weiche Hand strich über ihre Stirne, und leise frug es wieder: »Du armes, holdes Kind, wie ist Dir nun?« Da bog sie das Haupt in die Höhe und wie vom Blitze getroffen fuhr sie empor, denn zu ihr herabgebeugt strahlten ein paar dunkle Augen ihr entgegen, und nun, als sie von diesen Blicken ergriffen, aufsprang, stand ein hoher Jüngling ihr gegenüber. Noch immer die leuchtenden Blicke auf ihr festhaltend, sprach er, indem ein mildes Lächeln um die feinen Lippen spielte: »Warum erschrickst Du vor dem Freunde, Sophie?« Sprachlos starrte das Mädchen die Erscheinung an, ein neues Leben zog durch ihre Brust; erst als der, Jüngling ihre Hand ergriff und auf die Mutter deutete, sah sie mit Erstaunen, daß sie in ihrer Wohnung war.

Bei dem Anblick des todten Bruders senkte sich das Gefühl ihres Elends wieder mit ganzer Schwere in die Seele der Jungfrau, die hohe Gluth, welche bei dem Blick des Jünglings ihre Wangen überstrahlt hatte, wich einer Todtenblässe und Thränen stürzten unaufhaltsam aus den überströmenden Augen Sophiens. Schweigend stand der Fremde ihr gegenüber, in seinen Zügen malte sich das innigste Mitleid. Endlich zog er das Mädchen an die Brust, kaum fühlbar streiften seine Lippen ihre Stirne, seine Hand auf das kalte Antlitz des Bruders legend, sprach er: »Bedauernswerthe Sophie, in der tiefsten Seele fühle ich das Schreckliche Deiner Lage. Das Schicksal trennt mich von Dir auf lange vielleicht; doch hier bei dieser theuren Leiche empfange den Schwur, daß Du in mir einen treuen Freund, einen liebenden Bruder gefunden hast, daß keine Zeit, keine Entfernung dieses Gefühl in meiner Brust ertödten sollen!« Nun trat er zu der bewußtlosen Mutter, drückte ihre Hand; an seinen Mund, legte eine Rolle Gold auf die Kissen mit den Worten: »Vom Oheim!« und eilte hinaus. –

Sophie, in dem Zustande einer Träumenden, stand noch lange regungslos der Thür gegenüber, durch welche er verschwunden war, und sprach zu sich selbst: »War dieß ein irdisches Wesen, war es ein guter Geist, zu meiner Rettung herabgesandt?« – Doch schaudernd wandte sie sich zur Mutter hin, als diese, aus Fieberphantasien auffahrend, mit weit geöffneten Augen nach der Thür starrte, und leise wimmernd: »Da geht er hin mein Engel!« wieder kraftlos auf die Polster zurücksank. Die Bewußtlose selbst hatte also seine Nähe gefühlt. Nein, es war kein Sterblicher, sprach Sophie noch einmal. Dennoch trat sie zum Lager der Mutter und drückte mit einem unaussprechlich süßen Gefühl die Hand an ihre heiße Stirne, auf der vorhin seine Lippen geruht hatten.

*

4.

Die Beerdigung Ferdinands war längst vorüber, schmerzlos zog die erste, schwerste Zeit an der in einer glücklichen Betäubung liegenden Witwe hin.

Als der Leichnam in die Erde gesenkt war, wandelte sich Louisens namenloser Jammer in eine glühende Sehnsucht nach Jenseits, wo ihr der Bruder wie ein mild leuchtender Stern entgegenstrahlte. Mit unbegreiflicher Fassung hatte sie den Schmerz in der jugendlichen Brust getragen, schweigend durchwachte sie Nächte am Krankenbette der Mutter, schweigend besorgte sie mit pünktlicher Sorgsamkeit die Wirthschaft, und Berg, der, kaum genesen, ihr redlich die Wittwe pflegen half, sah oft staunend dem Mädchen zu, wenn sie, von dem Grabe des Bruders kommend, gestärkt und in stiller Begeisterung ihm gegenüber saß. Er ahnete nicht, daß das kindliche Wesen in stiller Anbetung ein theures, geliebtes Bild im fest verschlossenen Gemüthe trug. Sie schwieg über jene Erscheinung, und da sie nie mehr etwas von dem Fremden vernahm, gestaltete sich die Ueberzeugung in ihrer frommen, schwärmerischen Seele immer fester, daß er ein Wesen höherer Art gewesen. Sie glaubte das Geheimniß entweiht, sollte es über ihre Lippen treten, und selbst als zu ihrer unaussprechlichen Freude, die Mutter nach und nach genaß, ruhte es still in ihrer Brust.

Die Güte des Oheims versetzte die Wittwe bald in einen Wohlstand, der sie aller äußern Sorgen überhob, denn alle Quartale erhielt sie durch einen alten Mann im Namen des Grafen eine bedeutende Geldsumme.

Als einmal Sophie hinging, um ihr von Dank erfülltes Herz zu erleichtern, ließ ihr der Oheim sagen: ›Sie möge ihn mit Besuchen verschonen, an Geld wolle er es nie fehlen lassen; allein ihr Anblick wäre ihm lästig.« Traurig kam sie nach Haus und beklagte sich bei der Mutter über die Härte des Grafen. Die Wittwe weinte, und Berg, der eben zugegen war, haderte mit der Vorsicht, daß sie zwei so edle Frauen zwinge, von der Gnade eines Verwandten leben zu müssen, und ihm so wenig Glücksgüter zugetheilt habe, daß er nichts für sie thun könne, als mit ihnen im Nothfalle klagen und weinen, oder sie zu erheitern suchen. Das that der gute Mensch auch redlich, denn seine unversiegliche Laune, seine liebenswürdige Herzlichkeit fingen an, die gebeugte Frau zu erheitern, und sie richtete sich mehr und mehr aus ihrem Jammer empor.

Zwar vergaß sie den verlornen Sohn nicht, und den Schmerz, der an ihrem Daseyn zehrte; allein sie faßte eine mütterliche Liebe für den Mann, der mit Todesverachtung die Rettung des Freundes versucht hatte, und ihr in den Stunden des Leidens zum helfenden, tröstenden Engel geworden war.

Sophie blühte heran in immer mehr sich entfaltender Schönheit. Bei ihrem zarten, reinen Sinn, bei der vortrefflichen Erziehung, welche sie genoß, konnte es nicht fehlen, sie mußte, mit jeder weiblichen Tugend geschmückt, die Tage der Mutter verschönern. Nur Eines quälte heimlich die Wittwe, das seltsame Abweichen Sophiens von dem Thun und Treiben anderer junger Mädchen. Sie entfernte sich von Allen, still und in sich verschlossen erfüllte sie den Willen der Mutter, lauschte ihre Wünsche an den Augen ab, und erfüllte sie, ehe sie über die Lippen traten. Wenn dann die glückliche Frau sie an die Brust drückte, lächelte sie wohl einen Augenblick ihr freundlich zu; doch bald war das Lächeln spurlos aus dem schönen Gesicht verschwunden, und sinniger Ernst ruhte wieder auf den zarten Zügen. Sie hatte ihre eigene Weise zu sprechen, leise und wohlklingend glitten die Worte über die feinen Lippen, einen Augenblick lang glänzten die blendend weißen Zähne hervor in einem kaum merkbaren Lächeln, und dann war ihr Gesicht recht jugendlich reizend; doch schwieg sie, schlossen sich die Lippen, so war der Jugendreiz verschwunden, und wer sie nicht genau kannte, fand sie zwar schön, doch der seltsam trübe, mit ihren Jahren kontrastirende Ernst schreckte eben so sehr zurück, als ihre stille Anmuth diejenigen, welche sie umgaben, anzog. Ihre höchste Freude war ein Gang zu dem Grabe des geliebten Bruders. Da saß sie dann schweigend auf dem Hügel, bis die Mutter sie zur Heimkehr mahnte, und ging folgsam mit ihr nach der Stadt zurück.

So waren Jahre verstrichen, Sophie hing mit schwesterlicher Neigung an dem guten Berg, der, an ihr seltsames Wesen gewöhnt, das reine Herz, die kindliche Seele der Jungfrau erkennend, eine glühende Leidenschaft für sie fühlte. Seine Sehnsucht, ihre Hand zu erhalten, stieg immer mehr, und als er endlich, zum Rittmeister vorgerückt, sich bewußt war, daß Sophiens Wünsche das bescheidene Loos nicht überstiegen, welches er ihr nun bieten konnte, trat er zur Mutter mit der herzlichen Bitte um der Tochter Hand. Mit inniger Freude, ihren längst ersehnten Wunsch in Erfüllung gehen zu sehen, rief die würdige Frau Sophien, ihr den Antrag Bergs zu eröffnen. – Einige Minuten schwieg die Jungfrau, sie schien überrascht, die Wangen mit hoher Röthe bedeckt, sah sie vor sich nieder. Doch als die Mutter mit den Worten zu ihr trat: »Der Augenblick ist nun gekommen, theueres Kind, wo es uns möglich wird, dem treuen Freunde zu vergelten, was er in schwerer Prüfung für uns, für Ferdinand gethan!« – da rief Sophie, mit glänzenden Augen ihm die Hand reichend: »Nimm, theurer Freund, die Hand, welche ich mit inniger Neigung darbiete, Du kennst mein für laute Freuden verschlossenes Gemüth; glaubst Du, daß ich so Dich beglücken kann, so bin ich Dein, und möge der Ewige mir die Gnade angedeihen lassen, daß ich Dich so lohnen kann, wie Du, treuer, geprüfter Freund, es verdienst!« Entzückt zog der Glückliche die Erglühende an seine Brust, und drückte den Brautkuß auf ihre rosigen Lippen. Aus der Mutter Hand erhielten sie die Ringe, welche einst ihren Bund versiegelt hatten, unter ihren Augen verlobten sie sich, und zum erstenmal seit Ferdinands Tod, saß die Mutter heiter zwischen ihren Kindern. Das Gespräch wurde immer herzlicher, dem zufriednen Kreise entflohen schnell die Stunden, und Mitternacht war herbeigekommen in unbegreiflicher Schnelle. Eben sprach die Mutter zu Berg: »Spute Dich, mein Sohn, nach Haus zu kommen, es ist spät!« als rasch und heftig die Klingel gezogen ward. Erschrocken sahen die Frauen sich an, und August ging verwundert hinaus zu sehen, wer in dieser späten Stunde noch Einlaß begehre.

Ein reichgekleideter Bedienter trat dem Oeffnenden entgegen, und begehrte die Frau von Leideck zu sprechen. Der Rittmeister führte ihn in's Zimmer, und derselbe bat die beiden Frauen im Namen seines Herrn, des Grafen von Hohnstein, sich sogleich zu demselben zu verfügen, weil Se. Excellenz so eben im Abscheiden begriffen waren. Staunend und erschrocken eilten beide Damen in den wartenden Wagen, und kamen eben an, als der Graf verschieden war. So hart er auch immer gegen die Wittwe gehandelt hatte, so war er doch ihr Bruder; der Tod versöhnte sie, und weinend ergriff sie seine Hand, die Verzeihung ihm nachrufend, welche nicht mehr zu seinem Herzen dringen konnte. Erschüttert stand Sophie ihr zur Seite, das war dasselbe Zimmer, in welchem sie unter Todesschauern zu ihm gesprochen hatte, der nun kalt und starr vor ihr lag. In tiefer Betrübniß bemerkte weder sie noch die Mutter den Advokaten des Grafen, der mit einigen Schriften unter dem Arme neben ihnen stand, und schon längst bemüht gewesen war, eine Anrede an sie zu richten. Endlich trat er bescheiden zu den weinenden Frauen und sprach: »Es ist meine Pflicht, dem Wunsche des Verblichenen zu Folge, Ihnen sogleich seine letzte Willensmeinung zu eröffnen; alle Umstehenden sind Zeugen« – hier deutete er auf die versammelte Dienerschaft »daß ich gewissenhaft jedes Wort niedergeschrieben, welches der Sterbende mir in die Feder gesagt.« Indem er die ablehnenden Mienen der Damen nicht zu bemerken schien, las er mit lauter Stimme:

»Ich Endesunterzeichneter will, daß dieser mein ernster Wille pünktlich vollzogen werde, und beeile mich, da meine letzte Stunde herangerückt, Folgendes über mein Vermögen zu verfügen. – Ich erkläre demnach, daß ich meinen Neffen, Adolph, Grafen von Hohnstein, zum Universalerben ernenne, ein Legat von 150,000 Fl. Ausgenommen. Dagegen ist mein Wille, daß er zur Entschädigung des Unrechts, welches ich an meiner Schwester Justina, Gräfin von Hohnstein, begangen habe, deren Tochter, Sophie Leideck, seine Hand reiche, und ihr obiges Legat von 150,000 Fl. als erb- und eigenthümlich zugesprochen werde. In dem Fall aber, daß mein Neffe dieser Verbindung abhold sey, soll er seinen freien Willen haben, falls seines Zurücktretens aber verordne ich, daß besagter Sophie eine Summe von 400,000 Fl. zufalle, als Hälfte der ganzen Erbschaft. Sollte jedoch die Sache anders sich gestalten, und das Fräulein der Verbindung mit meinem Neffen entgegen seyn, so will ich, im Fall ihres Zurücktretens, daß man meiner Schwester Justina, Gräfin von Hohnstein, ein Legat von 10,000 Fl. ausbezahlen möge, übrigens die Tochter der Erbschaft, so wie des im Falle ihrer Verehelichung mit meinem Neffen ihr zugesprochenen Legats von 150,000 Fl. verlustig und besagter Adolph zum alleinigen und Universal-Erben erklärt werde.

Solches geschehen u. s. w.

Konrad Graf von Hohnstein.

 

Sophie hatte mit Schrecken den ersten Theil des Testaments vernommen; doch aufs innigste erfreute sie die letzte Hälfte desselben, denn sie ersah daraus, wie sie dem guten August dennoch Wort halten konnte. Ihre Mutter war nicht so ganz zufrieden. In früher Jugend an Ueberfluß gewöhnt, war ihre einzige Hoffnung noch das Erbe des Bruders, denn sie glaubte mit Reichthum Sophien beglücken zu können, deren Ernst sie oft, nächst dem Kummer um den Bruder, für Folge ihrer früher so drückenden Armuth hielt; doch war sie edel genug, sich nicht über die Härte zu beklagen, mit welcher der Graf noch im Tode ihren Fehltritt bestrafte. –

Sophie erklärte dem Advokaten, daß sie zwar den Willen des Verstorbenen ehre, jedoch nur die Ankunft des jungen Grafen erwarte, um zu erkennen zu geben, daß sie nie nach dem großen Vermögen des Oheims gestrebt habe. – Sie fuhren nach Hause und kamen darin überein, August sollte von dem Testamente nichts erfahren, als daß der Mutter ein Legat von 10,000 Gulden zugefallen war.

Mehrere Tage waren verflossen, alles strömte zu dem Hohnnstein'schen Pallast, um den Leichnam des Grafen in dem prächtig geschmückten Sarg zur sehen. Die Wittwe war nicht hingegangen. Als den Abend vor seiner Beerdigung sie sich Vorwürfe machte, den Bruder so vernachläßigt zu haben, und nun von einer unüberwindlichen Sehnsucht, noch einmal an seinem Sarge zu beten, ergriffen, Sophien bat, sie zu begleiten, erschrak diese, daß sie er- bleichte. – Vergebens waren alle Vorstellungen der Tochter, ja selbst das Geständniß, jenes räthselhafte Gefühl, welches so lange geschwiegen, rege sich wieder in ihrer Brust – war fruchtlos, sie blieb fest bei dem einmal gefaßten Entschluß ; und in verhüllende Schleier sich bergend, gingen die Frauen nach dem Pallast.

*

6.

Als sie in den hellerleuchteten Saal traten, entfernten sich ehrerbietig dir wenigen Fremden, welche noch zugegen waren, sie als Verwandte des Verstorbenen erkennend. Schaurig blickten die düster zusammengezogenen Züge des Todten aus der schwarzen Umgebung, die Mutter sank, von Wehmuth ergriffen, betend auf die Knie, und Sophie, den Arm auf einen der großen Kandelaber gelehnt, welche zur Seite des Sarges prangten, glich dem Todesengel selbst, so bleich und hehr stand die von Trauerkleidern Umhüllte neben der Leiche des alten Mannes. Das unheilweissagende Gefühl in ihrer Brust ward von Minute zu Minute mächtiger, und unaussprechlich gequält, wünschte sie sich eben weit – weit hinweg, als ein Bedienter, die großen Flügelthüren öffnend, hereinrief: »Der junge Herr Graf sind angekommen!« Indem töne eine Stimme außerhalb des Saales: »Wo, wo, o mein theurer Oheim!«

Wie von einem Blitzstrahl getroffen, starrte Sophie nach dem Eingang, ihr Herz bebte, alle Pulse standen still, weit vorgebeugt mit angehaltenem Athem lauschte sie den rasch sich nähernden Tritten. Da trat der Graf ein, eilte auf den Sarg zu, doch Sophien erblickend, blieb er, wie von einem Zauber berührt, unbeweglich stehen – Beide Hände vor die Brust gepreßt, die ein schneidender Schmerz durchzuckte, rief diese mit gewaltsamer Anstrengung: »Herr meines Lebens, er ist's!« und stürzte sinnlos zu seinen Füßen nieder.

Die Mutter, bei dem Schrei der Tochter emporfahrend, erblickte nun mit Entsetzen, wie der fremde Mann auf der Erde kniend sie in seinen Armen hielt und im Tone der höchsten Angst rief: »Sophie – Sophie, erwache!« »Lassen sie der Mutter die Sorge, sie in's Leben zurückzurufen!« sprach sie, und eben als sie bemüht war, die noch immer an seiner Brust Liegende zu erheben, schlug Sophie die Augen auf. Wie damals ruhte Sophie jetzt in seinen Armen

Leise legte sie die heiße Stirn an seine Wange, und flüsterte nur ihm verständlich: »Bist Du's?« Da drückte er liebend die Jungfrau an sich, und rief zu ihr herabgebeugt, die funkelnden Blicke wie damals auf dem glühenden Antlitz festhaltend: »Ich bin's, Sophie! Dachtest Du meiner denn?« »Ich dachte Dein!« lispelte sie, und nun dem unwiderstehlichen Zuge ihres Herzens folgend, schlang sie beide Arme um ihn, und brach in Thränen aus. Die Mutter, welche vor Erstaunen sprachlos bei der Gruppe gestanden hatte, fand endlich die Besinnung wieder, und mit strafendem Tone rief sie: »Sophie, was ist dieß?« Gleich einem elektrischen Schlag traf sie der wohlbekannte Ton; wie aus einem Traum erwachend, hob sie das Haupt empor, die Mutter stand ernsten Blickes vor ihr, und sah sie strafend an. Da wich der Taumel plötzlich von ihren Sinnen, sie fühlte sich erwacht und richtete sich schnell empor. Zu Schnee verbleicht, sprach sie, mit bebender Stimme dem Grafen die Hand reichend:

»Lebe wohl für dieses Leben!« und schwankte, auf der Mutter Arm gestützt, aus dem Saal. –

Sprachlos starrte Adolph der Verschwundenen nach. Ein neues Leben wogte in seiner Brust, er hatte das Ideal wiedergefunden, das er Jahre schon, von den Stürmen der Zeit umhergeschleudert, treu in dem reinen Herzen getragen. Ihre ganze Liebe hatte sich dem Glücklichen enthüllt, und da ging sie hin, mit schmerzerfüllter Seele den Liebenden verlassend. –

Fest hatte sich jene Zeit in sein Gemüth geprägt, wo er bei dem Oheim zum erstenmal Sophien sah, wo das schöne bleiche Kind bewußtlos in seine Armee sank, und er sie mitleidig zu dem Wagen trug, in welchem er die Ohnmächtige nach Hause zu bringen auf sein dringendes Bitten die Erlaubniß erhalten hatte. Zum erstenmal sah er dort die Tante, von deren Schicksal ihm nichts bekannt war, als daß sie mit einem Offizier in die Welt gegangen war.

Nur mit Mühe hielt er das Wort, welches er dem Oheim gegeben hatte, ›seinen Namen zu verschweigen, daß die Verlassenen nicht entdecken mögten, wie nahe er ihnen verwandt sey, und so in den Stand gesetzt würden, sein weiches Herz zu mißbrauchen.‹ Tief erschütterte ihn die Lage der gemißhandelten Wittwe, und das Bild Sophiens hatte sich seiner Seele unauslöschlich eingedrückt. Er konnte seine beschlossene Abreise nicht ändern, und warf sich, nachdem er zuvor seinem Kommissionair den Befehl gegeben hatte, die Summe von seinem bestimmten Reisegeld zu vierfachen, welche der alte Graf für die Witwe bestimmte, in den Wagen, mit dem süßen Gefühl, die Noth der Theuern beendigt zu haben. Das Bild des Mädchens geleitete ihn, und er dachte oft mit inniger Freude daran, wenn er nun wiederkehren werde, das liebliche, zarte Wesen zur blühenden Jungfrau herangereift zu finden.

Die Zeit war verstrichen, welche der Oheim zu seiner Reise bestimmt hatte, auf dem Heimweg traf ihn, noch einige Tagereisen von L…, ein Brief des Anwaltes mit der Nachricht von des Grafen Tode und dessen seltsamem Testament. Er reis'te nun Tag und Nacht, seine Phantasie malte ihm geschäftig das Bild der nun herangewachsenen Sophie, doch wie überraschend wirkte ihr Anblick auf ihn! – Das war sie noch, dasselbe schöne Gesicht, derselbe kindliche Ernst lag auf der edlen Stirn verbreitet – und dennoch, wie so ganz anders! – Bedeutend herangewachsen, in unaussprechlicher Schöne stand die Jungfrau vor ihm, von den schwarzen Trauerkleidern umflort, glich sie einem vorüberschwebenden Engel. Als sie aber zu Boden sank und er den warmen Athem an seinen Wangen fühlte, als sie die Arme um ihn schlang, da durchdrang ihn unter seligen Schauern die Gewißheit von ihr geliebt zu seyn. Eben will er den Brautkuß auf die zarten Lippen drücken, da reißt sie sich los und verschwindet! – Noch lange stand Adolph betäubt, ohne die Leiche des Oheims, noch sonst etwas um sich zu bemerken. Da trat ein Bedienter herein und übergab ihm einen Brief, schnell riß er das Siegel auf und las erbleichend folgende Zeilen:

»Aus jener bangen Zeit meines Lebens, die wie ein giftiger Hauch zerstörend über die blühenden Keime meines kindlichen Hoffens hinzog und meiner jugendlichen Seele eine trübe, ernstere Richtung gab, ist mir nichts geblieben, als die schmerzenvolle Erinnerung an den geliebten, auf ewig verstummten Bruder – und das Bild des Schutzgeists, für welchen das betäubte Kind den Retter hielt, und den es, tief verhehlt im bergenden Herzen, leuchtend mit sich hinübernahm in die reiferen Jahre. Das Ideal des Jugendtraumes steht verwirklicht vor mir! – Der Engel ist zum Menschen geworden, ich muß das geliebte Bild aus der Brust reißen! Das Herz der Jungfrau darf anbetend den Schutzgeist umschließen, das Herz der Braut muß ewig verschlossen bleiben für das Bild des Fremden! Der Wille unseres Oheims bestimmte uns für einander, der Wille der Vorsehung nicht. – Ich entsage Dir und trete zurück! Leb' wohl für dieß Leben!

Sophie.«

Schweigend stand der Graf eine Weile, das verhängnißvolle Blatt in der geballten Faust zerknitternd. – Endlich rief er: »Ja, theures Wesen, Du kannst nicht anders handeln, ich fühle es in der tiefsten Seele! – Doch so, so kann ich nicht scheiden, sehen muß ich Dich noch einmal in diesem Leben,« rief er; fortstürzend, »dann will ich thun, was meine Pflicht erheischt.«

Bleich wie ein Marmorbild, war Sophie nach Hause gekommen. Die Mutter wußte nun alles, und zitterte für das Schicksal der Tochter.

August erschrak, als sie, einer Leiche ähnlich, ihm entgegentrat: »Was ist's mit Dir, Geliebte?« sprach er, »bist Du erkrankt?« Hold lächelnd reichte ihm Sophie die Hand, und sagte mit leiser Stimme: »Sey unbesorgt, mein Freund, das ist nun bald vorüber.« Sie ließ sich Feder und Dinte reichen, schrieb, und gab der Mutter den Brief, welche ihn bestellen ließ; dann saß sie, das Haupt an August's Brust gelehnt, den ganzen Abend schweigend und unbeweglich. Fragte er sie einmal: »Wie ist Dir, meine Sophie?« so lispelte sie, seine Hand kaum merkbar drückend: »Wohl, sehr wohl, mein theurer Freund, der Bruder ist mir einmal wieder recht nahe!« und sank in ihr dumpfes Schweigen zurück. Auf einmal fuhr sie empor, und als fordere sie Schutz von August, umklammerte sie seinen Hals und drückte das Gesicht verbergend an seine Brust.

Da trat Adolph ein, mit klangloser Stimme fragte er, den Brief emporhaltend: »Sophie, war das Dein letztes Wort an mich?« Ohne August loszulassen, nickte sie bejahend. »Sophie, hast Du kein armes Wort für den, dem Du alles bist und der auf immer von Dir scheidet?« fragte er noch einmal mit bebender Stimme. Die Qual, welche sie litt, war sichtlich, sie deutete auf ihren Brief und schwieg. Nun trat er auf sie zu, und die verzweifelnden Blicke auf ihr festhaltend, stammelte er: »Du siehst mich nimmer wieder, Sophie, sage mir ein Wort nur, stoße mich so nicht hinaus in die öde, freudenleere Zukunft!« Da wandte sie das Haupt zu ihm hin, noch einmal ruhte ihr Blick auf den geliebten Zügen. Der unsägliche Schmerz, den sie ertrug, erschütterte den Grafen, er verstummte, sie reichte ihm die Hand, sprach kaum hörbar noch einmal die schrecklichen Worte: »Leb' wohl für dieses Leben!« und nun, wie in sich selbst zusammensinkend, winkte sie ihm schweigend sich zu entfernen. Da riß er sie in wüthendem Schmerze an sich, doch die Jungfrau, die letzte Kraft zusammenfassend, entwand sich seinen Armen. Er legte sie an August's Brust, rief verzweifelnd: »Beglücke sie!« und war verschwunden.

Mit unendlicher Schonung schwieg August, der nichts von Allem begriff. Tief erschüttert, die halb Ohnmächtige in seinen Armen haltend, erfuhr er aus dem Mund der Mutter das seltsame Verhältniß. – »Nein,« rief er plötzlich, »nein, Mutter, Sophie soll nicht elend werden, ich trete zurück!« Da sprach Sophie, die bisher lautlos alles vernommen hatte: »Bleib, August, ich werde Dein, oder keines Mannes! Daß das Wiedersehen dessen, den ich in stiller Liebe, mir selber unbewußt, seit Jahren im Herzen trage, mich so mächtig ergriff, wirst Du mir vergeben, mein August! Das ist vorbei, ich habe mich erkannt! Sein reiner Geist bezeichnete ihm selbst den Weg, der ihm zu wandeln bleibt. – Ich bin Dein, mein theurer Freund, und willst Du die umwillkührliche Schuld mir vergeben, so laß uns bald zum Altar treten!« »O,« rief Berg, und Thränen glänzten in seinen Augen, »wie verdiene ich Dich, Du reine Seele!« Da reichte ihm Sophie mild lächelnd die Hand und sprach: »So ist nun also alles wieder gut, und ruhig schlägt mein Herz!«

Am andern Morgen erschien der Anwalt des Grafen, Sophien eine gerichtliche Zusicherung der Hälfte des Erbtheils zu überreichen. Der Graf habe erklärt, daß sein Entschluß, nie zu heirathen, unwiderruflich sey, und er deshalb zurücktretend, der Hälfte des Erbtheils verlustig wäre. Sodann habe er noch verfügt, daß, kehre er binnen drei Jahren nicht wieder, die andere Hälfte des Erbtheils der Wittwe Leideck zufallen sollte, worauf er in der Nacht noch abgereist sey. – »Edler Mann!« rief die Mutter. Sophiens Gesicht glänzte in dem Wiederschein einer hohen Freude. »Das wußte ich wohl!« sprach sie leise, und nun, das Haupt an den verschwiegenen Busen der treuen Mutter gelehnt, weinte sie die letzten Thränen dem Manne ihrer ersten und einzigen Liebe!

*

8.

Ein Jahr war verflossen. In stillbeglückter Ehe lebte Berg mit dem geliebten Weibe; ein lieblicher Sohn blühte an ihrer Brust, und August's Glück ward durch nichts getrübt, als durch das seltsame Wesen Sophiens.

Mit unaussprechlicher Geduld und Sanftmuth waltete sie als Hausfrau und Mutter, sie ermüdete nicht, die Wünsche August's aus seinen Blicken zu deuten, und erfüllte sorgsam und treu ihre Pflichten. – Doch stiller und stiller ward das jugendliche Wesen; eine immer sich gleichbleibende Ruhe lag über die schönen Züge verbreitet, und sorglich weilte der Blick des Gatten oft auf ihr, wenn sie mit heiterer Stirne ihm entgegentrat.

Oft schien ihm ihr stilles Walten nicht von dieser Welt, und es war ihm zu Muthe, wenn sie leise, ihn nicht zu stören, durch sein Zimmer schritt, und dann vorübergehend, einen freundlich milden Blick auf ihn richtete – als müsse sie nun der Erde entschweben. Auf das dringende Bitten der Mutter und Sophiens hatte er seinen Abschied genommen. Nun, da er mehr seiner Familie leben konnte als früher, bemerkte er zuweilen, daß Sophie, ihn beschäftigt glaubend, wenn ihr Kind schlief, in einen Schleier gehüllt, sich vom Hause entfernte, und gewöhnlich nach einer Stunde heiter, aber erschöpft, wiederkehrte. Eine Zeit lang ließ sie der Gatte gewähren, doch als ihre Gesundheit immer sichtlicher litt, und die heimlichen Gänge immer häufiger wurden, ging er zur Mutter, sich mit ihr zu berathen. »Lasse sie, mein Sohn,« sprach diese, »es ist vergebens, sie abzuhalten, sie bringt die Stunden ihrer Abwesenheit auf dem Grabe des Bruders zu, ein dunkles, ihr selbst unerklärliches Gefühl trieb sie dahin. Anfangs suchte ich sie zu verhindern, oder wollte sie doch wenigstens begleiten, mit Thränen faßte sie meine Hand und sprach: »Lasse mich, Mutter, quäle mich nicht, ich kann nicht anders!« So ließ ich sie denn auch, da ich es Jahre lang erprobt, wie diesem seltsamen Charakter nicht entgegen zu wirken ist.« –

Verstummt ging August zu Sophien, die ihm heiter, wie immer, entgegentrat. Er fand sie mit dem Kinde beschäftigt, und da in ihren Zügen eine seltsame Anstrengung sichtbar war, und ihm ahnete, daß seine Nähe sie jetzt bedrücke, ging er auf sein Zimmer zurück. Kaum eingetreten gewahrte er, wie Sophie leise aus dem Hause trat, ein dunkles, unbegreifliches Gefühl ergriff ihn, und zeigte ihm den Weg, welchen er zu wandeln hatte.

Mit raschen Schritten eilte er ihr durch andere Straßen vor, und stand schon längst in der Kapelle, aus welcher er Ferdinands Grab übersehen konnte, als Sophie langsam, wie eine schwer Erkrankte, eintrat, und auf dem Grabe des Bruders niedersinkend, den Schleier zurückschlug, der ihr Antlitz verhüllt hatte. Da bebte August entsetzt zurück, denn nun war ihm deutlich, was sie litt! Jede Spur von Heiterkeit war aus den geisterbleichen Zügen verschwunden, ein düsterer, verzweiflungsvoller Ernst umflorte das schöne Gesicht. Sie legte die Hände übereinander gekreuzt auf die Brust, und nun, mit schmerzlich verzogenen Mienen tief Athem holend, als hätte sie eben eine schwere Last von sich gewälzt, brach sie laut schluchzend in einen Strom von Thränen aus. Endlich sank sie erschöpft zurück, schloß die Augen, und saß lange in einem traumähnlichen Zustand unbeweglich, als schaue sie in sich selbst zurück.

Nie war August das sichtliche Verfallen der hohen Gestalt so furchtbar gewesen, als in diesem Augenblick, da sie, einer Leiche ähnlich, mit gefalteten Händen, an den Stein gelehnt, vor ihm saß.

Nach und nach färbten sich ihre Wangen mit hohem Purpur, sie bewegte die Lippen in leisen, unartikulirten Lauten, endlich hob sie beide Arme empor, als wollte sie eine vor ihr stehende Gestalt umfassen, und nun die Augen weit öffnend, blickte sie fremd um sich her, ergriff den Schleier, der ihr entfallen war, brach eine Blume von des Bruders Grab, und ging, heiterer und rascher nach der Stadt zurück, als sie gekommen war.

August stand noch lange mit zerrissener Brust, das Grab anstarrend. Nur zu gut hatte er sie verstanden, er wußte, was die Edle ihm geopfert, was sie litt, und der Entschluß, ihre Qual zu enden, gestaltete sich fester und fester in seiner treuen Brust.

*

9.

» Nein,« sprach August zu sich selbst, als er nach Hause kam, und Sophie ihm wie gewöhnlich mild und freundlich entgegentrat, – »nein, diesen Zustand ertrage ich nicht; sie lächelt mir zu, indem ihr Herz verblutet, sie trägt die Marter still in dem erkrankten Gemüth, und ahnet nicht, dass ihre Freundlichkeit mir die Seele zerreißt! Das muß enden!«

Mit tief erschütterter Brust trat er in das Zimmer der Mutter, die, den Knaben auf den Knieen, ihn herzlich willkommen hieß. Er hob das Kind empor, legte segnend die Hand auf das kleine Haupt, Thränen stürzten aus seinen Augen, unfähig zu sprechen, drückte er den Knaben an sich, dann faßte er die Hand der staunenden Mutter, und legte sie auf sein krampfhaft pochendes Herz. Sophie war ihm gefolgt, und sah befremdet in sein erbleichtes Antlitz, da faßte er auch sie in die Arme, preßte sie noch einmal an die edle Brust, und stürzte, sich losreißend, auf sein Zimmer, in das er sich verschloß.

Sophie ahndete es, was ihn bewege; mit sorgendem Gemüth ging sie zur Ruhe.

»O ewiger Vater über den Sternen,« betete sie, »enthülle es ihm nie, was ich dulde, ich schwor ihn zu beglücken, lasse ihn nie erkennen, was ich leide, um treu diese Pflicht zu erfüllen!«

Eben senkte sich der Schlaf auf ihre müden Augen, da war ihr, als höre sie leise in August's Zimmer gehen. Sie lauschte dem Geräusch, alles ward wieder still. – Plötzlich rollte ein Wagen über den Hof, und schauerlich dumpf tönte es durch das ganze Gebäude, als er durch den gepflasterten Thorweg hinausrasselte. Entsetzt sprang Sophie auf, sie eilte in August's Zimmer, alles war leer, die Lichter brannten noch hell, ein offener Brief, welcher vor ihr lag, löste das traurige Räthsel. Sie las:

»Mit gequälter Seele scheide ich von Dir, Du theures, geliebtes Weib! Ich hatte den redlichen Willen, Dich zu beglücken; es gelang mir nicht, mit blutendem Herzen sehe ich Dich leiden, und nur Trennung kann Dich retten! Du liebst mich, wie Du den Bruder liebtest – zu spät erkenne ich das, Du mußtest als meine Gattin elend seyn!! Ich eile, mich den Heldensöhnen Deutschlands beizugesellen, die das gallische Joch abschüttelnd, Tod oder Freiheit suchen, ich werde Eines in dem Andern finden, wenn die Vorsicht meiner Wünsche Ziel mich erreichen läßt.

Ich war sehr glücklich! Nimm meinen Dank, Du Theure, für die Freuden, welche ich an Deiner Seite, durch Deine Liebe beglückt, genoß!

Lebe wohl, Sophie! Du wirst den fernen Gatten liebend begleiten, ich weiß es, der herbe Zwang ist nun von Deiner Brust genommen, Deine Seele wird bei mir seyn, wie bei dem todten Bruder, Du wirst glücklicher seyn!

Sophie, nur der Tod kann uns Beiden Friede geben! Leb' wohl, lebe für unser Kind!

Dein August.«

 

»Nur der Tod kann uns Beiden Friede geben!« seufzte Sophie, als sie gelesen, und lautlos, ohne Klage, mit trocknem Auge trat sie zur Mutter, ihr schweigend das unglückliche Blatt darreichend.

Mit Entsetzen las die Matrone, und drang in Sophien, ihr zu gestehen, was denn diesen schrecklichen Entschluß herbeigeführt. – Leise sprach sie: »Frage mich nicht, Mutter, ich habe keine Antwort für Dich, ich weiß nichts Dir zu sagen, als daß ich treu meine Pflichten erfüllte, das giebt mir Trost.« –

August schrieb oft, Sophie antwortet ihm wie eine treue Schwester. – Ihre Gesundheit nahm mehr und mehr ab. Es war nur noch Sophiens Schatten, der im Hause herumschwankend, der armen Mutter bange Tage und schlaflose Nächte bereitete. Sie flehte oft mit Thränen die Tochter an, sie möge einen Arzt rufen lassen; doch die Versicherung Sophiens, daß sie sich nicht krank fühle, war so fest, so überzeugend, daß die Wittwe sich fügen mußte.

*

10.

Am schönsten bewährte sich Sophiens starke Seele in den Schreckenstagen, welche der Krieg über das arme L… heraufgeführt hatte. In keinem Hause wurde mehr für Verwundete und Kranke gethan, als in dem ihrigen.

Mit rastloser Thätigkeit, mit einer sich selbst vergessenden Aufopferung suchte sie das Schicksal der Unglücklichen zu erleichtern, welche ihr guter Stern in Sophiens Haus geführt hatte. Gleich einem Engel schwebte die blasse Frau unter den Verwundeten umher und ihr Anblick schon gewährte Trost.

Eines Abends saß sie, erschöpft von der übermenschlichen Anstrengung, mit welcher sie sich mehrerer Verwundeten annahm, welche in einem mörderischen Gefecht vor den Thüren ihres Hauses gefallen waren, auf dem Zimmer ihrer Mutter. Draußen schlug der Donner des Geschützes an die Fenster, sie saß ruhig, und die Schrecken der Schlacht gingen an ihr vorüber, ohne daß sie es bemerkte. Ihr Knabe weinte heftig, sie ging zur Wiege, ihn in die Arme zu nehmen; doch die Kraft hatte sie so verlassen, daß sie unfähig war, das Kind zu erheben. Da trat sie, im Gefühl ihres gänzlich zerstörten Wesens, hin zur Mutter, umfaßte sie und sprach:

»Theure Mutter, ich fühle es, dass es mit mir zu Ende geht! Nimm Dich meines Kindes an, in ihm erblüht Dir ein süßer Trost für die schmerzenreiche Vergangenheit!«

Leise weinend wandte sie das Haupt, und ging zu der Wiege zurück.

Tief erschüttert rief die Mutter: »O Sophie, wie betrübst Du mich mit Deinen peinigenden Worten und Deinen Thränen, die glühend auf mein Herz fallen!«

»Die Thränen,« sprach Sophie, matt die Augen nach ihr hinwendend, »gelten Dir, Du arme, verlassene Mutter! Ich freue mich; denn mein Wunsch, meine Sehnsucht ist das Grab.«

Kaum hatte sie vollendet, so ward heftig an die Hausthür gepocht.

Sophie fuhr zusammen, und stammelte, ohne sich von der Stellt bewegen zu können: »Mutter, laß öffnen, sogleich, mir sagts das Herz, er ist mir nah

Die Wittwe ging hinaus, doch bald kam sie, wie an jenem Abend, todtenbleich zurück.

Von mehreren Soldaten ward eine Bahre hereingetragen, tief erschüttert standen sie schweigend um ihren sterbenden Offizier.

Sophie beugte sich über den Fremden, da lag Adolph, starr und leblos, mit Blut bedeckt, vor den Blicken der Geliebten, aus deren Brust unter Todesschmerzen sich der Ausruf rang:

»Leb' wohl für dieses Leben!«

Von dem wohlbekannten theuern Ton getroffen, schlug er noch einmal das erloschne Auge auf – Himmelsseligkeit umglänzte sein Antlitz, wie ein leuchtender Cherub stand sie vor ihm, und die Arme nach ihr hinstreckend, rief er mit letzter Kraft: »An meine Brust, Du Seele meines Daseyns!«

Da stürzte Sophie in seine Arme, drückte den ersten Kuß auf seine bleichen Lippen, und so, den letzten Hauch des fliehenden Lebens aus seiner Brust empfangend, zerrissen die schwachen Fäden ihres freudenleeren Daseyns.

Sie hatten sich fest umschlungen. Vereint entflohen ihre Seelen dorthin – wo keine Trennung ist. –

Die verzweifelnde Mutter sehnte sich ins Grab. Doch als nach Beendigung des Krieges August, welcher den Tod suchend, nur Ruhm und Ehre gefunden hatte, heimkehrte, und ihr, wie immer, ein treuer Sohn, ein milder Freund und Tröster ward, erhob sich die gebeugte Seele der würdigen Frau wieder.

In fröhlichem Gedeihen bewährte Sophiens Sohn die Werte der Verblichenen, denn in ihm erblühte dem verlassenen Gatten eine freudige Hoffnung, der trostlosen Mutter ein schöner Trost, eine liebende Stütze im Alter. –

*

Nummerierung lückenhaft. Re. für Gutenberg..


 << zurück weiter >>